Versehentlich auf den Capu a i Sorbi (2265 m)


Publiziert von Schubi , 17. Oktober 2022 um 17:23.

Region: Welt » Frankreich » Korsika » Haute Corse
Tour Datum:21 September 2022
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: F 
Aufstieg: 1050 m
Abstieg: 1050 m
Strecke:11,9 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Gebührenpflichtiger Parkplatz an der Bergerie de Grotelle: früh da sein, es gibt nicht viele Plätze.
Zufahrt zum Ankunftspunkt:s.o.

So kann's gehen: da durchstöbert man Hikr vor einer größeren Reise ausführlich und entdeckt eine passende Tour für's Urlaubsziel. Man druckt diese brav aus, studiert Karte, Text und Bild eingehend ... und dann verhaut man sich kurz vorm Ziel ... steigt aber flexibel bis neugierig weiter, und landet auf dem (nicht minder schönen!) Nachbargipfel.

Unsere Inspiration war Folgende: Kollege Tef hat zusammen mit seiner Dame *mal diese nette Runde im korsischen Zentralgebirge gemacht: zwei Gipfel, zwei Bergseen, zwei Liebende ... und dazwischen bissel Kraxelei. "Das wär doch was für uns!" sage ich also zu der meinigen Dame. Okidoki, gesagt, geplant, losgestiefelt. Dass sich der Verhauer dann als gleichfalls super Kraxelgipfel und nur minimal längere Tour herausstellte, dabei sogar eine Hikr-Erstbesteigung rumgekommen ist – wer hätte das gedacht. Wermutstropfen jedoch waren, dass uns Wolken den Gipfel verhangen und nachher Regen den Abstieg verlangsamt haben.
 
Die Soundtrack-Empfehlung zum Tourenbericht: We Cry For Harmonia von Elephant Stone, passend zu unserer regengetrübten Abstiegs-Melancholie.


Das westlich von Corte im korsischen Hochland gelegene Restonica-Tal wird von zwei (nah übereinander liegenden) Bergseen abgeschlossen, sie sind Überbleibsel des hier einst wirkenden Gletschers. Wie eingangs erwähnt, lautet unser Plan "Zwei Seen plus zwei Gipfel": Lac de Melo, Lac de Capitello, Pointe des Sept Lacs, Punta alle Porte, so wie von Tef beschrieben. Nachher kommt's bissel anders, aber eins nach dem anderen.

Start am kostenpflichtigen Parkplatz an der Bergerie de Grotelle. Der ist recht klein, also früh da sein. In herrlicher Bergkulisse und auf breit getrampelten Pfad (das Restonica-Tal fehlt in keinem Reiseführer) westwärts bergan. An einer Gabelung halten wir uns rechts, die Beschilderung bietet auch eine (einfachere) Variante zum Melo-See, welche durch die linke Talflanke ginge. Eindrucksvoll bestimmen vor uns die Zacken des Lombarduccio (2261 m) die Szenerie. Der Pfad wird zum durchaus rustikalen Steig, vom ehemaligen Gletscher geschliffene Platten werden gequert, es gibt sogar Stahlleitern und eine kettenversicherte Stelle, ist aber alles flink machbar. Bald danach steht man am Lac de Melo (1711 m). Ein Bilderbuch-Bergsee mit sowohl felsigem als auch grünem Ufer, denn hinten schliesst sich eine Schwemmebene an. Durch sie kommen wir nachher wieder herunter. An seiner rechten Seite geht es nun gut markiert weiter, teils bissel kraxelig, denn bald steilt es auf zu der Stufe, hinter der versteckt der nächste See liegt. Dabei erneut eine kettenversicherte Stelle, hier und da braucht's ebenfalls die Hände. Wir erreichen den Lac de Capitello (1930 m) und sind beeindruckt von seinem türkisfarbenem Wasser und den ihn rahmenden Felswänden. Eine erste Rast haben wir uns in dieser traumhaften Kulisse verdient.

Wir verlassen den See in südliche Richtung und kraxeln eine steile Rinne herauf, an deren Ende wir eine Scharte und den weithin bekannten Fernwanderweg GR20 erreichen. Der trendet offenbar gerade bei Instagram, fast alle Begegnungen heute sind seltsamerweise Leute um die Dreissig. Linkerhand (und, nachdem sich der Steig nach rechts gewendet hat, bald hinter uns) steht eine markant-schöne Felsnadel. Mit Blick auf beide Seen nun ein Stück nordwestlich und weniger stark ansteigend zur Bocca alle Porte, der nächsten Scharte. Dabei geht's lustig unter einem Klemmblock durch und erneut eine Ketten-Rinne hoch. Leider ziehen nun immer mehr Wolken herein. Also erst zum (schwierigeren) Pointe des Sept Lacs und auf dem Rückweg möglichst noch zur Punta alle Porte. An der Bocca alle Porte angelangt kurze Rast und nochmal Tefs Bericht durchgelesen. Mit den aufgefrischten Infos hinter der Scharte (Westseite) nun wenige Meter herab und rechts herein den Schutthang queren, Höhe haltend. Den markanten Felsturm links umgehen, und an seinem Fuß direkt ums Eck, die Rinne heraufgekraxelt zu einem kleinen Sattel. Dort angelangt sehe ich links schon einen Grat abgehen (es ist der zum Capu a i Sorbi). Ohne nochmal Tefs Bericht auszupacken halte ich ihn für den Verbindungsgrat zum Pointe des Sept Lacs, öhem ... ;o) und klettere gutgelaunt direkt auf ihn drauf (tatsächlich wäre es zum Pointe halbrechts weitergegangen). Wir werden hier nun aber eh erstmal von Dohlen gestoppt, die sich offenbar für die Wächter des Grats halten – und als Wegezoll unsere gesamte Brotzeit verlangen. "Die Brotzeit haben wir schon verputzt, und wenn ihr jetzt nicht sofort den Grat freigebt, fotografieren wir euch!"

Die Dohlen ziehen beleidigt Leine. Dafür waren kurz vorher noch mehr Wolken hereingezogen und verkürzten uns die Sicht. Als sie sich wieder lichten, kommen mir Grat und Gipfelziel doch ir-gend-wie anders vor als auf Tefs Bildern ... hmmm. Aber nun klettern wir schon weiter vorne auf dem Grat und sind dabei, etwas in seine östliche Flanke auszuweichen. Ausserdem befürchte ich, dass die Wolken vllt. doch jetzt schon was abregnen. Was soll's: der Gipfel direkt vor uns schaut gut gestuft und auch machbar aus. Also, wie auch immer dieser Berg heißen mag, frischauf herauf. Der Fels ist bombenfest. Im Übergang vom Grat zum Gipfelaufbau steigen wir wenige Meter ab, direkt anschliessend etwas rechts des Grats ziemlich geradlinig herauf, im oberen Viertel wird ein Absatz umgangen. Wenige Meter unterhalb des Gipfels schränken sich die Möglichkeiten sportlich ein. Sattel bis Gipfel: T5/II.

Oben auf dem Capu a i Sorbi (2265 m) angelangt hat es wieder zugezogen und wir stehen mitten in den Wolken. Verdammte Hacke :-( Nix also mit Fernsicht ... Zu allem Überfluss fallen erste Tropfen. Netterweise nur zaghaft, auch während des heiklen ersten Teils des Abstiegs, welchen wir nun rasch unter Füße und Hände nehmen. Ausgesetzt bleibt es bis zum erneuten Erreichen des kleinen Sattels, dann zackig (wie beim Aufstieg) durch die Rinne runter sowie den Hang traversiert zurück zur Bocca alle Porte und dem GR20. Aus den Tropfen wurde zum Glück kein Regen, kurz kommt sogar wieder die Sonne hervor. Angesichts der Wetterlage canceln wir den ursprünglich geplanten Abstecher zur Punta alle Porte ... schade. Also (wie auf dem Hinweg) dem GR20 östlich gefolgt, der ist hier durchgehend T3+. Die wieder dichter werdenden Wolken geben den Blick zu den beiden Seen zwar ein paarmal kurz frei, aber schliesslich setzt leider doch Regen ein. Auch wenn nasser Granit nicht so schlüpfrig ist wie nasser Kalk, müssen wir unser Tempo natürlich drosseln, immerhin helfen jetzt die Stecken. Es bleibt zum Glück bei einem mittelkräftigen Schauer und so sinkt unsere Stimmung nicht allzu arg. An der Brèche de Capitello angelangt wechseln wir die Seite des Bergkamms, um (anders als beim Hinweg) dem GR20 noch ein Stück weiter gen Osten zu folgen. Das war ursprünglich auch so geplant, denn die Höhenlinien der Karte versprechen hier herum einen etwas weniger steilen Parcour als es der Hinweg über die zwei Seen war (ist uns bei der Nässe jetzt eh recht).

An der Bocca a Soglia/P. 2026 nun links/nördlich herab in das weite Kar-Rund oberhalb des Lac de Melo. Ihn lassen uns die Wolken sogar nochmals kurz erblicken, aber den Rest dieses Abschnitts legen wir fast komplett in dichtem Nebel zurück. Dankbar sind wir daher für die zahlreichen gelben Markierungen, vor allem auch auf den abschüssigen Gletscherschliff-Platten. Diese wollen bei Nässe mit eher kleinen Schritten gequert werden. Highlight ist zwischendurch neben dem Steig eine tiefe Felsspalte mit Wasserfall drin. Bis herunter zur Schwemmebene hinterm See ist das (im feuchten Zustand) alles ca. T3+. Trotz (oder gerade wegen?) der eingeschränkten Nebel-Sicht finden wir hier den Wechsel vom kargen Grau der Gletscherschliffe zu den grün-grasigen und von Erlen bestandenen Schwemmebene interessant, sogar ein einsame Kuh irrt dort im Nebel umher (aber Kühe irren auf Korsika ja überall umher ...). Wir erreichen wieder den Lac de Melo und stiefeln ab da erneut entlang des Aufstiegwegs zurück zum Wagen. Auf diesem letzten Abschnitt dürfen wir noch ein paar Mal staunen, denn ganze fünf Feuersalamander begegnen uns. Anders als wir haben diese sich über die nasse Witterung bestimmt gefreut ...

Mit auf Tour: Amelie

Fazit: was kann man da jetzt schreiben ... "Bin schon gespannt auf meinen nächsten Verhauer!"?
Zwei romantische Kar-Seen und ein schöner Kraxelberg in einem Insel-Gebirge, das den Vergleich mit den Alpen nicht zu scheuen braucht – trotz des Wetterwechsels war es eindrucksvoll dort oben. Davon ab: neugierig bleiben lohnt sich, gerade wenn man nach einem Verhauer eh schon kurz vor dem nächsten Gipfel steht. Eine versehentliche Hikr-Erstbesteigung ist ja auch mal was. Und wenn es nicht angefangen hätte zu tröpfeln – wer weiß, wieviele Nachbarberge wir noch besucht hätten ...

Tourengänger: Schubi
Communities: Photographie


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Kommentare (2)


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Nyn hat gesagt: abenteurlich
Gesendet am 18. Oktober 2022 um 14:16
Wechselwetter ist zwar fürs Kraxeln nicht ganz so der Brüller, aber fotografisch einfach genial. Ich liebe solche Stimmungen.
Danke vielmals für diese tollen Eindrücke.
VG, Markus

Schubi hat gesagt: RE:abenteurlich
Gesendet am 18. Oktober 2022 um 18:45
Gerne.
Jo, das Landschaftsbild ändert sich bei so einer Wetterlage insgesamt häufiger. Fast wie in nem Film manchmal .. wobei, wenn's doof läuft stiefelt man auch mal länger am Stück durch dichten Nebel, resp. Regen.
Wolkigen Gruß
Frank


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