Pindar, Ludwig und die Wasserschlange


Publiziert von Nik Brückner , 20. Dezember 2021 um 12:23. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Ammergauer Alpen
Tour Datum:25 Juli 2021
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 3:00
Aufstieg: 280 m
Abstieg: 280 m
Strecke:10km
Unterkunftmöglichkeiten:Ganz viele im Schwangau

Was macht man, wenn Neuschwanstein coronabedingt auf Monate hinaus ausgebucht ist? Eine schöne Wanderung zum Schloss hinauf, und um den Alpsee vielleicht? Warum nicht - ist eine hübsche Runde, und an diesem Tag obendrein sogar menschenleer. Wer hätte das gedacht!


Mit Wagners Lohengrin im Auto waren die Waldelfe und ich nach Füssen gekommen - Start war am Parkplatz Königsschlösser (800 m). Kostet Geld, ist groß, eng beparkt und unangenehm. Deshalb schnell weg hier. Wir wanderten die touristische Infrastruktur entlang, und stiegen dann gegenüber vom Hotel Alpenstuben im Wald hinauf. Ein steiler, schöner Weg führt hier den Hang hinauf zur Zufahrtsstraße des Schlosses. Oben angekommen, wanderten wir nach links, zum Schloss. Eigentlich wollten wir in die Pöllatschlucht - aber die war gesperrt, wegen eines Felssturzes im Oktober vergangenen Jahres. Aber es soll hier heroben ja noch ein anderes Highlight geben...
 
Das Schloss Neuschwanstein (950m) oberhalb von Hohenschwangau muss man nicht weiter vorstellen. Es ist das berühmteste der Schlösser König Ludwig II. und vielleicht die bekannteste Sehenswürdigkeit Deutschlands. 1,5 Millionen Touristen besuchen es, jedenfalls in normalen Jahren - und doch reicht das nicht, um den Bau zu erhalten. Man glaubt es kaum: Das Märchenschloss ist ein Zuschussgeschäft.

Der Bau wurde ab 1869 für den bayerischen König Ludwig II. als idealisierte mittelalterliche Ritterburg errichtet. Entwerfender Architekt war Christian Jank, die Ausführung oblag Georg von Dollmann und Eduard Riedel. Die Architektur und Innenausstattung sind vom romantischen Eklektizismus des 19. Jahrhunderts geprägt: das irgendwie neuromanische Schloss ist ein Hauptwerk des Historismus. Der Bau ist allerdings nie fertig geworden, zu Lebzeiten des Königs schon gar nicht, und so lebte Ludwig II. nur wenige Monate in seinem Traumschloss.


Wir machten unsere Fotos, und wanderten dann auf dem Sommerweg wieder hinunter. Und dann machten wir uns an die Runde um den Alpsee (813m).

Der Alpsee! Einer der Lieblingsplätze der königlichen Familie, "angenehm zu Partien, zum Reiten, Fischen und Baden" schrieb Kronprinz Ludwig an seine Erzieher. Und König Maximilian II. nahm auch seine Gäste gern mit auf eine Kahnfahrt. So zum Beispiel den Dichter Hans Christian Andersen: "Die Fahrt über den von großen Alpen umgebenen See (…) dieses und alles an und von jenem Orte gehörte zu den Lebensmomenten, die der Einzelne für alle Zeit aufbewahrt", schrieb der in einem Dankschreiben an den König.

88 Hektar ist er groß. Und Ludwig durchschwamm ihn in 22 Minuten. 1860, als Fünfzehnjähriger. Das war offenbar beeindruckend genug, dass der Schlosschronist jedes kleinste Detail des Schwimms festhielt. Unter anderem auch, dass Ludwig nicht allein unterwegs war. Oberleutnant Baron Wulffen schwamm neben ihm, und sein Erzieher Graf La Rosée begleitete ihn, rudernd in einem Kahn.


Trotzdem nicht schlecht! Mal sehen, wie lange wir brauchen würden, ihn zu umwandern.

Fünf Jahre nach Ludwigs persönlichem Rekord, 1865, wurde der See zum Schauplatz einer ganz besonderen Inszenierung: Am 21. November brannte der Theatermaschinist Penkmayr ein prachtvolles Feuerwerk über dem Alpsee ab. Dann stellte man eine Szene aus Wagners Oper "Lohengrin" nach: Die Ankunft des Schwanenritters. Zu Musik aus Wagners Oper zog ein übergroßer, künstlicher Schwan einen Kahn über den See, in dem Lohengrin (Ludwigs Flügeladjutant Paul von Taxis) saß. Er wurde dabei mit elektrischem Licht beleuchtet, damals eine ziemliche Neuheit. Und weil Ludwig dieses Schauspiel sehr begeisterte, wurde das Ganze gleich am darauffolgenden Tag wiederholt.
 
Ein sehr hübscher Uferweg führt nun an ein paar wenigen Stationen vorbei. Erst geht es am bewaldeten Ufer entlang zu einem Bootsverleih (813m) - bei dem man sich allerdings, ähnlich wie beim Schloss, Jahre zuvor schon anmelden muss, weil sonst alle Boote ausgebucht sind. Selbst an einem trüben Tag wie diesem.

Na, wandern wir halt weiter auf dem Uferweg

Und hier sahen wir etwas, das ich in vielen Jahren im Gebirge noch nie gesehen hatte: Eine Wasserschlange! Na sowas. Und sie ringelte sich sogar langsam genug durchs Wasser, dass ich sie fotografieren konnte. Passiert mir auch nicht immer. Vor allem Hirsche, Füchse und Hermeline entfleuchen mir immer wieder gern. Nicht diese Wasserschlange! Die sollte mir nicht entkommen!
 
Dann ging es weiter, und bald erreichten wir das Alpseebad (813m).

Der Alpsee zählt zu den saubersten Seen in Deutschland. Deshalb wird er im Sommer gern als Badesee genutzt, und dafür gibt es eine eigens zu diesem Behufe eingerichtete Badeanstalt. Einer saubersten Seen in Deutschland! Na wer sagt's denn!
 
Wir wanderten nun weiter, und kamen bald auf die Südwestseite, wo der Kitzberg mit einer dreihundert Meter hohen Flanke zum See hinunterzieht. Hier wird der Steig ein bisschen romantischer, über Brücken und Stege geht es nun nach Nordwesten, wo ein Bach, der den See speist, überquert wird. Hier steht das Marienmonument.

Die königliche Familie war auch gern zum Angeln am Alpsee. Königin Marie von Bayern, die Mutter Ludwigs II., zog im Sommer 1854 insgesamt 29 Hechte aus dem Wasser! An einem ihrer Lieblingsplätze erinnert noch heute das "Marienmonument".

Von dort aus ging es dann auf dem Sommerweg, der am Nordufer entlangführt, wieder ostwärts

Noch einmal erinnerten wir uns an die romantischen Ideen des Königs. Inspiriert durch einen Pfauenwagen, den er in einer Inszenierung der Oper "Oberon" gesehen hatte, kam er 1869 auf die Idee, mit einem Flugwagen in Pfauenform über den Alpsee zu schweben. Die ca. 1240 Meter lange Strecke wäre vom Schloss Hohenschwangau zur Sperbersau verlaufen, dem Badeplatz der königlichen Familie.

Der Auftrag ging an den Bühnentechniker Fritz Brandt. Dieser
entwickelte die Idee einer Luftseilbahn, an der eine Gondel in Pfauenform hängen sollte. Der Gasballon sollte dabei verhindern, dass das Seil zu weit durchhängen konnte. Als ein Gutachten schließlich ziegte, dass ein Stahlseil schon bei einer Länge von 467 Metern auch ohne weitere Belastung reißen würde, war das Projekt gestorben.

Der hübsche Weg steigt dabei kontinuierlich höher, und quert die Südflanke des Schwarzenbergs. Kurz vor der Infrastruktur ist dann rechts unterhalb ein schöner Aussichtspunkt, der Pindarplatz (816m), den man nicht auslassen sollte.

Bereits König Ludwig I. von Bayern las den antiken griechischen Dichter Pindar (517 bis 438 v. Chr.), und setzte ihim ein Denkmal, indem er seinen Thronsaal in der Münchner Residenz mit von den "Siegesgesängen" Pindars inspirierten Reliefs dekorieren ließ. Auch Kronprinz Maximilian las schon im Alter von zwölf Jahren Originaltexte Pindars, zusammen mit dem "Praeceptor Bavariae" Friedrich Wilhelm von Thiersch. Maximilian "entdeckte" schließlich auch den Aussichtspunkt am Alpsee. Am 17. August 1839 schrieb Thiersch an seine Frau:

"Der Kronprinz schickte nach mir, und nachdem wir uns über Anordnung und Führung seiner griechischen Studien besprochen, gingen wir, den Pindar in der Tasche, durch den Wald nach einem Felsenvorsprung über dem See, den er hatte ebnen und sichern lassen. Der neue Sitz auf der vordersten Kante, auf dem man hoch über der Fläche des Sees und wie mitten darüber schwebt, mit der Aussicht darüber hin und in die Gebirge, wurde sofort mit dem Pindar eingeweiht, und in der Conversation und Erörterung, die gegen drei Stunden dauerte, wurden die beiden ersten olympischen Oden zu Ende gebracht. Alles, was wir lasen und ihm deutlich wurde, machte auf ihn, den Prinzen, den größten Eindruck und mir selbst schien darum Pindar an dieser Stelle und in dieser Umgebung wie neu und verjüngt zu sein. Der Flügelschlag seines mächtigen Genius schwebte offenbar über uns und seinen Gesängen."

Der Pindarplatz! So kam er zu seinem Namen. Und auch Ludwig II. war gern hier unten. Allerdings nicht mit Pindar, sondern mit Richard Wagner. Dieser notierte 1865 in sein Tagebuch: "Mit dem Trauten [d. h. König Ludwig] aus dem Schlosse ... nach d. Pindarplatz, Ruhe so erhebend, so wohlthuend ..."


Und weil wir schon bei der Kultur sind: ein Gedicht gibt's auch noch. Von Friedrich Beck:

    Auf dem Pindarplatz
    bei Hohenschwangau.

    Einsam steh’ ich, waldumrauscht,
    Ueber der Tiefe des See’s
    Auf ragender Klippe;
    Es hat sie Pindar’s Name geweiht.

    Schön und sinnvoll! Gerne knüpft
    An das bedeutende Wort
    Sich tiefe Betrachtung ;
    Den gold’nen Faden spinnet der Geist.

    Nie für Viele hat getönt
    Jenes Hellenen Gesang;
    Man nennt ihn mit Ehrfurcht,
    Doch die ihn kennen, zählest du leicht.

 

Und so klang unsere Runde mit den klangvollen Worten des Dichters aus. Wieder in der profanen Gegenwart angelangt, ging es schließlich an ebenso zahlreichen wie zahllosen Parkplätzen vorbei wieder zurück zum Ausgangspunkt unserer kleinen, aber königlichen Runde.


Fazit:

Hübsche kleine Runde mit ordentlich Kultur, Geschichte und Wasserschlangen. Sollte man vermutlich nicht an einem sonnigen Sommersonntag machen, aber kann kann schon der See dafür!

Tourengänger: Nik Brückner, Waldelfe


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