Der Gletscherkessel Präg im Südschwarzwald war mir im vergangenen Sommer bereits Ziel für eine Wanderung. Interessant ist dieser Ort wegen seiner geologischen Geschichte: Ziemlich einmalig für Mittelgebirge flossen hier in den Eiszeiten ganze sechs Gletscher an einer Stelle zusammen und prägten damit das umliegende Landschaftsbild (wobei ich nicht denke, dass der Ortsname "Präg" auch von ihnen geprägt wurde ;-) Die besondere Bedeutung liegt also darin, daß diese sechs Gletscher nicht nacheinander ins Haupttal abflossen, sondern sich gleichzeitig in einem Kessel vereinigten, und sich dort auch gegenseitig verdrängten oder in die Höhe schoben. Faszinierend die Vorstellung, dass da, wo heute das Dorf Präg liegt, die Mächtigkeit des Eispanzers bis zu 500 Metern Höhe erreicht hatte (übrigens ein Maximalwert für den Schwarzwald in der Würm-Eiszeit). Die größten Eismassen flossen dem Präger Kessel vom Feldbergmassiv aus zu, dort speziell vom Herzogenhorn und der Grafenmatt, und zwar mittels des Talgletschers im heutigen Prägbachtal. Solch dramatische Vergangenheit klingt spannend und reicht auch für eine weitere Wanderrunde in dieser Ecke, noch dazu zeigt mir die Topo-Karte drei Wasserfälle entlang des Bachs auf. Also fürs Wochenende mal eine passende Rundtour angelegt.
Kollege
alpstein war vor ein paar Wochen übrigens auf der anderen Seite des Kessels unterwegs und hat für seinen
Bericht dieses interessante Gutachten für das Naturschutzgebiet hier ausgegraben. Speziell zur Morphologie im Gletscherkessel habe ich online nun noch eine schöne geologische Abhandlung von 1961 gefunden.
Bei so viel noch heute sichtbarer Erdgeschichte empfehle ich als Soundtrack für Anfahrt, Rückfahrt oder zum Betrachten der Bilder hier das bedeutungsschwanger-lockere "Past in Present" von Leslie Feist.
Weit entfernt von jeglicher Eiszeit-Stimmung will der Winter sich dies Jahr ja nicht so recht einstellen. Also nutzten die Ameliebste und ich den Sonnenschein am Samstag, um bei milden Temperaturen zusammen mit einer Freundin aus Freiburg nun also mal eines der sechs Gletschertäler, nämlich das Prägbachtal und seine umliegenden Höhen zu erkunden. Dort oben, an einem Sattel auf 1180 m, liegt das Berggasthaus Gisiboden-Alm: hört sich nach einer netten Einkehrmöglichkeit an. Schliesslich stammt von unserer Mitwanderin Leonie die zeitlos schöne Weisheit "Eine Wanderung ohne Einkehr ist möglich, aber sinnlos". Da wir in der hohen Lagen mit eventuell tieferen Altschnee-Resten rechneten, hatten wir sicherheitshalber mal Stecken und Gamaschen eingepackt, aber letztlich ging es auch ohne.
Wir stellen den Wagen an einer Haltebucht an der Landstraße zwischen Präg und Bernau ab. Praktischerweise kreuzt hier unser Wanderpfad die Straße, ideal also für Beginn und Ende der Tour. Wir gehen direkt in den Hang hoch und bis kurz vor der Einkehr wird das erste Drittel unserer Wanderung durchgehend bergan verlaufen. Dafür haben wir aber bald schon einen schönen Rückblick in den Gletscherkessel mit dem Dörfchen Präg mittendrin. Wir sind hier am Hang des Sengalenkopfs (1208 m, exotischer Name für einen Berg) und entlang des Pfads sehen wir regelmässig kleinere und größere Felsgruppen, wohl alle vom damaligen Talgletscher herausgehobelt. Es geht entlang von mit Buchen bewachsenen Matten, die (früher oft, heute nur noch vereinzelt) als Weideflächen genutzt werden. Die waldigen Passagen sind recht licht: offenbar wurde in letzter Zeit viel Holz im Rahmen von Schutzmassnahmen gegen den Borkenkäfer entnommen. Ausserdem hat auch das neuliche Sturmtief Sabine deutliche Spuren hinterlassen. Der Weg wird etwas ebener und wir zweigen links auf einen kleinen Schlenker runter zum auf der Karte verzeichneten Pfaffenfelsen ab, der sich vor Ort aber als nicht sooo spektakulär herausstellt. Dafür haben wir aber zwischen den Bäumen hindurch einen schönen Fernblick zur wohlgeformten Bergkuppe des Belchen. Nach zwei Weggabelungen im Sattel zwischen Sengalenkopf und Brenntkopf steigen wir dann in den Pfad am Osthang des Brenntkopfs in nordöstliche Richtung, der uns weiter bergan führt.
Wir sind bald fast an der höchsten Stelle des erwähnten Brenntkopfs, der Pfad führt zwischen Waldrand und Weidefläche durch eine nun offene Landschaft mit so einigem Altschnee. Der ist recht verharscht und ganz gut zu gehen. Nach einer letzten kleinen Steigung haben wir am P. 1205 schliesslich einen flachen Sattel erreicht, den höchsten Punkt unserer Wanderung. Hier freuen wir uns über den Fernblick nach Südost, denn dort winken in recht klarer Sicht die Schweizer Alpen herüber! Über die Weide auf der Hochfläche des Sisibodens nun geblendet vom Schnee und erfrischt vom Wind hinüber zur leicht tiefer gelegenen Alm des Gisibodens (wer hat sich nur diese schönen Gemarkungsnamen ausgedacht?!). Der Blick öffnet sich nach Norden und Westen, wo uns nochmals der Belchen herüberwinkt. Wir winken gutgelaunt zurück, denn nun sind es auf fester Schneedecke nur noch wenige hundert Meter bis zu unserer Einkehr iminder Gisiboden-Alm. Es gibt wohlverdiente Kässpätzle und Flädlesuppe und durchs Fenster einen Belchenblick.
Frisch gestärkt geht es jetzt über den Sattel am P. 1201 zum Bernauer Kreuz, einer Wegkreuzung mit Schutzhütte und Holzkreuz. Dort rechts in Richtung Oberer Prägbach-Wasserfall, den wir auch schon bald erreicht haben. Eigentlich sind es mehrere kleine Fallstufen von ein bis drei Metern. Rasant fährt hier der Prägbach als kleiner, aber laut tosender Nachfolger des ehemaligen Gletschers von der Grafenmatt kommend in sein Tal herunter. In der Mittagssonne glitzert seine Gischt und der Bach macht ein dermassenen Lärm, dass wir seehr LAUT miteinander sprechen müssen. Nun südöstlich durch wilden Forst am oberen Hang des Prägbachtals hoch zum Kamm, der Letzeres vom Bernauer Tal trennt. An einer Schutzhütte vorbei gehen wir östlich ein kleines Stück bergab, um den Talblick auf Bernau-Hof zu erhaschen. Auch die Alpen grüßen erneut am Horizont. Jetzt wieder die ca. hundert Meter zurück und dann nach Süden weiter auf dem Kammweg, der hier ein Teilstück der Ostvariante des bekannten Westwegs ist. Recht unspektakulär und eben geht es ein ganzes Stück darauf entlang, immerhin schimmern dabei die fernen Schweizer Alpen nochmal spektakulär zwischen den Schwarzwald-Kuppen hindurch.
An der Ecke des Ecklekopfs ( P. 1081) haben wir auf einer Felsnase einen famosen Blick über den unteren Teil des Prägbachtals bis hinab zum Dorf. Hier sieht man, wie sich der Gletscher zwischen den Hängen des Blößlings (1310 m, links) und des Sengalenkopfs (1208 m, rechts) sein Tal gegraben hat. Hier haben wir nochmals Veschperpause gemacht und dabei das letzte Drittel unserer Wanderung überblickt. Die nun folgende Passage geht pfadig und steil im Zickzack hinunter zur Landstraße. Auch hier begegnen uns kleinere Felsformationen und an der Unaufgeräumtheit des Forstes sehen wir erneut, dass wir uns in einem Naturschutzgebiet befinden (bzw. diverse Sturmtiefs hier Arbeit geleistet haben). An der Landstraße angekommen müssen wir leider auf ihr ein Stück nach rechts/Westen entlang gehen, da ein auf der Karte verzeichneter Pfad nicht mehr existiert. Aber nur ca. 150 Meter und dann zweigt links runter ein Pfad ab. Der führt uns an einem "Nebenbach" des Prägbachs nun um ein paar Schleifen zu Letzerem herunter. Vorher erleben wir noch den Wasserfall des namenlosen Nebenbachs sowie eine ziemlich beeindruckende Felswand aus Gneis, die mit Moospolstern bewachsen ist und feuchtschwarz schimmert.
Jetzt gesellt sich von rechts wieder der Prägbach zu uns. Zunächst noch wild übers Gestein polternd, dann etwas gemächlicher dahinfliessend, dann wieder polternd. Jedoch durchwegs ziemlich laut rauschend. Aber als Prägbach muss man sich halt auch ins Gehör der vorbeikommenden Wanderer ein-prägen ... schliesslich war man ja mal ein Gletscher. Viele schöne Fotomotive eröffnen sich, jedoch ... im lauten Bachrauschen versuche ich vergeblich meinen zügig dahinschreitenden Wandergesellinnen zuzurufen, doch mal kurz zu warten :-/ Von oben aus dem Hang kommt auf kleinen Fallstufen noch ein weiterer namenloser Nebenbach heruntergepurzelt. Bei soviel Wasserschub lohnt es sich schon, elektrische Energie daraus zu gewinnen: wir passieren ein kleines Wasserkraftwerk und hören (trotz des lauten Bachrauschens) das hohe Sirren seiner Turbine. Wir wechseln vom Wirtschaftsweg auf einen Pfad und rustikal geht es nun weiter, oft unter und über umgestürzte Bäume durch. Immer wieder Felsgruppen entlang des Bachs: letzte sichtbare Reste des Prägbach-Gletschers. Nochmals schwillt das eh schon laute Rauschen im Bachtal an: der Untere Prägbach-Wasserfall fällt hier ca. 10 m hinab.
Auf dem weiteren Pfadverlauf liegen nun teils ganze Baumgruppen umgestürzt ... das neuliche Sturmtief hat hier ganze Arbeit geleistet und lässt uns reichlich Baumstämme über- und unter-kraxeln. Leider habe ich auch diesmal meine Motorsäge vergessen. Wacker arbeiten wir uns mit Händ und Füß hindurch und hinweg. Zwischendurch sind wir froh, auch mal ganz normal und aufrecht gehen zu dürfen. Über dem Bach bilden die umgeworfenen Bäume (sicherlich auch bereits von früheren WInd- und Schneebrüchen verursacht) ein bizzares Mikado. Auch wir müssen gegen Ende noch ein letztes Mal umgestürzte Bäume mit viel Akrobatik überwinden. Dabei verliere ich einen meiner am Rucksack befestigten Stecken. Das bemerke ich leider erst, als der Pfad schliesslich aus dem Wald heraus auf eine Weidefläche führt. Ich laufe zurück, aber da kommt mir schon ein Pärchen entgegen, das wir zwischendurch überholt hatten. Sie winken mit dem verlorenen Wanderstock und ich bin heilfroh, nicht in dem ganzen Gestrüpp nach ihm suchen zu müssen. Ich bedanke mich herzlichst, und wir kommen ins Gespräch: die beiden sind aus Basel und für ein Wander-Wochenende in Präg. Ausser fünf, sechs Leutchen oben um die Bergwirtschaft blieb es unsere einzige Begegnung mit anderen Wanderern. Wir gehen nun am unteren Ende der Wiese zu einem Brückchen über den Bach. Ein letzter Blick auf den dahinrauschenden Prägbach von der Brücke aus, über die uns der Pfad schliesslich wieder hoch zur Landstraße und unserem dort parkenden Wagen bringt. Schön war's!
Mit auf Tour: Leonie und Amelie.
Fazit: spannende Erdgeschichte im Tal, herrliche Fernblicke auf den Höhen. Und dazu eine gemütliche Einkehr sowie muntere Wasserfälle. Irgendwie muss man aus dem schneelosen Februar halt das Beste machen. Ausserdem kann ich diese Tour natürlich als ideale Ergänzung zu meiner anderen Gletscherkessel-Wanderung empfehlen.
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