Whiteout auf der 'Grinde


Publiziert von Nik Brückner , 15. Januar 2019 um 14:58. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Südwestliche Mittelgebirge » Schwarzwald
Tour Datum:12 Januar 2019
Schneeshuhtouren Schwierigkeit: WT2 - Schneeschuhwanderung
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Aufstieg: 350 m
Abstieg: 350 m
Strecke:13km
Unterkunftmöglichkeiten:Am Mummelsee

Kalt isses auf der 'Grinde! Der erste Schnee fällt - oder besser: britzelt auf alles nieder, was nicht schnell genug Schutz gesucht hat. Unbarmherzig peitscht der Wind die spitzzackigen Schneekristalle gegen den Berg, und binnen Stunden erstarrt die Landschaft zu Eis. Ein Aussichtsturm verwandelt sich in eine silbrig-weiße Skulptur, an Markierungsstangen wachsen bis zu 50 Zentimeter lange Eisfahnen, Bäume beugen sich unter der Last von Eis und Schnee. Die Behörden sperren ganze Abschnitte der Schwarzwaldhochstraße wegen Schneebruchs, ...

...rauf auf die 'Grinde! Mit dabei: Das Album "Through Darkened Glass" von Dee Palmer.

Jedes Jahr fahren die Waldelfe und ich rauf, zum Skaten, Winterwandern, Rodeln, Aufmmummelseerumlaufen, Zwiebelbrotkaufen, Glühweintrinken, Winterflammkuchenessen, Schneegenießen. So herrlich!

Aber dieses Jahr...


Los ging's diesmal an der Unterstmatt (928m), einem Pass hoch oben im Schwarzwald, nördlich der Hornisgrinde. Ein perfekter Startpunkt, um auf den höchsten Berg des Nordschwarzwalds zu steigen - wenn man die niederen, schneefreien Regionen auslassen will.

Eigentlich wollten wir direkt zum Mummelsee fahren, doch ab Unterstmatt war die Straße gesperrt. Na, dann laufen wir halt.

Kalt war's, windig, und entsprechend wenig los - für Unterstmatt-Verhältnisse. Wir machten uns auf Richtung Ochsenstall/Hundsrücken. Dieser Weg ist auch bei schlechten Bedingungen immer gut begehbar, zudem gut beschildert. Man muss nur wissen, wo es vor der Hütte von dem breiten Weg abgeht, damit man die Schleife über den Hundsrücken (1080m) noch drehen kann, eine nach Nordosten vorgeschobene Kuppe des Grindenmassivs.

Über die Freifläche des Hundsrückens ging es dann hinunter zum Ski- und Wanderheim Ochsenstall (1033m). Hier waren die Eiszapfen fast bis zum Boden gewachsen - ein ganzer Vorhang hing vom Dach herab. Einige meterlange Zapfen waren auch schon abgebrochen.

Hinter der Hütte folgten wir der Beschilderung Richtung Hornisgrinde/Mummelsee. Der Weg ist nun schmaler, und im Winter "nur" als Schneeschuhroute ausgeschrieben, also nicht gewalzt. Es geht hinauf in den Wald, wo man dann bald darauf achten muss, einen noch schmaleren Abzweig links den Hang hinauf zu nehmen. An ein paar im Eis erstarrten Hüttlen vorbei gelangten wir dann hinauf auf die Kleine Grinde (1135m).

Und hier oben empfing uns eine in Eis erstarrte Landschaft, ein Eispalast wie aus einem Film über die Eiskönigin. Der Wind blies unbarmherzig, und jagte uns die Schneekristalle ins Gesicht - spitz wie Nadelstiche. Doch die Landschaft war derart faszinierend, dass wir nicht wieder abstiegen, sondern weitergingen. U. K.s "Alaska" ging mir durch den Kopf.

Es war eiskalt, es schneite, und neblig war's dazu. Die Sicht schwankte zwischen zehn und dreißig Metern. Ich folgte meinem Gefühl, und einer mit Stangen markierten, im Schnee begrabenen Straße nach rechts. Wir passierten bizarre Eisskulpturen: eisstarrende Bäume, verfrorene Schilder, zugeschneite Büsche. Ein Rastplatz mit Tisch und Bänken war komplett vereist, dahinter ein unbestimmbares Etwas, das aussah, wie ein Hund aus purem Eis. Die Stangen, die unsere Straße markierten, hatte Eisfahnen, die bis zu 50 Zentimeter lang waren.

Wir gingen weiter, bis wir vor einem Zaun standen. Nach links, nahm ich an, und wir wanderten hinein ins pure Weiß. Anhaltspunkte, Landschaft - Fehlanzeige. Dann kamen uns Schemen entgegen. Ein Hund! Ein echter diesmal. Und dann kam sein Herrchen hinterher, auf Schneeschuhen. Auch echt. Der Mann kannte sich aus - zum Glück.

Ihr müsst wieder zurück, und genau in der Gegenrichtung weitergehen! Schrie er, gegen den Wind.

Was? Dahin? Von dort kommen wir doch! Schrien wir zurück.

Nein nein da hin! Schrie er uns an. Da!

Mit jedem Deuten deutete er in eine andere Richtung....


Aber er kannte sich tatsächlich aus, und mit ein wenig gegenseitiger Hilfe konnte er uns tatsächlich den Weg weisen. Also auf der Straße zurück, und von dem Punkt aus, an dem wir auf sie gestoßen waren, auf ihr weiter. Bald hörten wir ein unheimliches Brausen, dann tauchte ein riesiges Gebäude aus dem weißen Nichts auf: der große Hornisgrindeturm. Jetzt wusste ich wieder, wo wir waren. Also weiter, hinter dem Turm den letzten Hang hinauf, dann standen wir auf der Hornisgrinde (1164m).

Nun war es nicht mehr weit zu unserem Ziel, dem Mummelsee. Wir wanderten zu dem völlig vereisten Aussichtsturm, dessen Wendeltreppe vollkommen aus Eis zu bestehen schien, und dann wie blind hinein ins leere Weiß, immer den eben verwehenden Spuren verschwundener Vorgänger folgend, hinüber zum Bismarckturm. Dort stießen wir auf die geräumte Straße, die uns glücklich hinunter zum Mummelsee (1036m) brachte.

Und hier - tja, wie gesagt! Zwiebelbrotkaufen, Glühweintrinken, Winterflammkuchenessen!

Erst als sich der Nachmittag dem Abend zuwandte, brachen wir wieder auf. Fünfeinhalb Kilometer noch, zurück zur Unterstmatt. Diesmal aber auf der Trasse der noch nicht gespurten Langlaufloipe, um sicherzugehen, dass wir zurückfinden würden. Zig mal bin ich hier schon runtergeschossen, am liebsten auf blankem Eis, hier würde ich mich nicht verlaufen. Und tatsächlich kamen wir nach etwas mehr als einer Stunde wohlbehalten auf der Unterstmatt (928m) wieder an - wo von Polizei und Feuerwehr schon die nächsten Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden.


A propos: Einen herzlichen Dank an Polizei und Feuerwehr, die sich an diesem Wochende richtig reingehängt haben, an einer Straße, die niemand braucht, weil dort oben kein Mensch wohnt - nur weil ein paar Leute sich in den Kopf gesetzt haben, im Winter im Wald herumzulaufen, und auf Brettern herumzurutschen. Die hätten sich an einem kalten, ungemütlichen Wochenende wie diesem sicher auch was Schöneres vorstellen können. Danke!


...und wir? Ab in die Sauna - mit der Brinibaybeline! Na klar!


Tourengänger: Nik Brückner, Waldelfe


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (4)


Kommentar hinzufügen

WolfgangM hat gesagt: Aha, es gibt noch andere Verrückte!
Gesendet am 17. Januar 2019 um 00:11
Ich war nämlich genau am gleichen Tag auch dort oben: Ich startete ca. 13:00 ab Hundsbach-Viehläger (dorthin fährt ein Kleinbus) mit Schneeschuhen Richtung Ochsenstall. Alle paar Minuten krachten igendwo eisbepackte Äste von den Bäumen. Um das Risiko zu mindern, hielt ich mich immer in der Mitte des breiten Forstwegs, wo man Himmel und keine Bäume über sich hat. Ca. 15:00 aß ich Im Ochsenstall die obligatorische Erbsensuppe, es waren auch noch einige andere Gäste da. Dann hinauf in den dichten Nebel der Hornisgrinde, wo es zum Glück weniger höhere Bäume mit Eisschlag-Gefahr gibt. Vom Funkturm war nichts zu sehen, aber dort können auch gefährliche Eiszapfen runterfallen. Da ich die Gegend fast auswendig kenne, fand ich auch ohne Sicht den Hornisgrinde-Gipfel und ging dann runter zum Mummelsee (16:40), um mit dem Bus nach Hause zu fahren. Aber nichts da - die Straße nach Norden war gesperrt, und die Straße nach Süden wurde nach Auskunft von Hotelgästen und des Mummelsee-Wirts auch soeben gesperrt. Was tun? Glücklicherweise kam kurz darauf von Süden ein gelb blinkendes Auto mit dem Chef des Verkehrsamts Seebach, der auf der soeben gesperrten Straße noch einmal Patrouille fuhr. Er nahm mich dankenswerterweise mit bis Abzweig Seebach (wäre sonst 1 Stunde Fußmarsch). Ab dort gab es wieder Verkehr talwärts, und ein anderer Mitarbeiter des Verkehrsamts, der zum Tanken ins Tal fuhr, nahm mich mit zum rettenden Bahnhof Ottenhöfen.

Im Rückblick war die ganze Wanderaktion angesichts der gefährlichen Wettersituation ziemlich leichtsinnig und gefährlich. Zumal am Abend dann noch stärkerer Wind aufkam und nicht nur vereiste Äste, sondern ganze Bäume umstürzten. Leute, bleibt bei so einem Wetter zu Hause!

Nik Brückner hat gesagt: RE:Aha, es gibt noch andere Verrückte!
Gesendet am 17. Januar 2019 um 10:41
Servus Wolfgang!

Haha, was für eine Geschichte! Da hatten wir ja richtig Glück. Wir waren deutlich früher unterwegs als Du, und bis auf die Sperrung zwischen Mummelsee und Unterstmatt war es eigentlich so wie immer. Viele Skifahrer, viele Rodler, viele Wanderer. Nur die Langläufer schauten in die Röhre. Aber wir hatten uns vorher über die Verhältnisse informiert, und deshalb die Langlaufski gleich zuhaus gelassen. Das Netz war übers Wochenende eh sehr informativ, und so wussten wir, was auf uns zukommt und hatten keinerlei Probleme. Aber Du hast schon Recht! Obacht geben auf die Verhältnisse!

Gruß,

Nik

Schubi hat gesagt:
Gesendet am 10. Januar 2020 um 14:27
Servus Nik.
Diese eure Tour wurde mir von Hikr angezeigt, als ich unsere neuliche Grinde-Tour gesten hier publiziert hab. Und ich erinner mich, dass du mir ja bei unseren letzten Treffen von diesem Frost-Erlebnis erzählt hast ...
Hammer-Bilder habt ihr da erlebt und gemacht! So einen Tag würde ich auf der Grinde gern auch einmal erleben ;-)
Ihr seid ja sogar wie wir auch die Schleife über den Hundsrücken gelaufen. Der war für uns eine neue Ecke und wir fanden ihn sympathisch wild und still.
Also dann bis übernächsten Sonntag!
Frank

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. Januar 2020 um 14:59
Ja, wir freuen uns schon drauf! Hoffen wir mal auf richtig viel Schnee....!

Lieben Gruß,

Nik


Kommentar hinzufügen»