Über den scharfen Westgrat aufs Zafernhorn und weiter über den Kühgrat zur Blasenka


Publiziert von Nik Brückner , 24. Oktober 2017 um 16:10.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Lechquellengebirge
Tour Datum:17 Oktober 2017
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 4:45
Aufstieg: 1000 m
Abstieg: 1000 m
Strecke:12km

Bei meiner Tour über sämtliche Grate am Glatthorn schob sich das markante Zafernhorn mit seinem sexy Westgrat, immer wieder aufreizend in mein Blickfeld. Und so änderte ich spontan meine Tourenplanung und setzte Horn und Grat auf meine Liste. Nicht erwartet hatte ich, dass das bei den Anwohnern für einige Aufregung sorgen würde....

Erste Frage: Wo hinaufsteigen? Die Seite zum Joch hin ist mit Lawinenverbauungen - nun ja - verbaut. Da gibt es zwar meist ein Pfaderl zwegenz Instandhaltung, aber eine Wegspur ist nur im unteren Bereich zu erkennen und der Hang ist steil, das war mir zu unbequem. Die Südseite kannte ich nicht, also blieb die Nordflanke. Dort befindet sich die vom Joch aus in zwanzig Minuten erwanderbare Bartholomäusalpe, der höchste über einen bequemen Fußweg erreichbare Punkt am Beginn des Westgrats. Von dort aus zur Grathöhe mochte es weglos und wild sein, zumindest aber kurz. Das wollte ich versuchen.


Am Vortag war ich am wilden Ostgrat der Hochkünzelspitze herumgeturnt, heute konnte ich es etwas ruhiger angehen und ausschlafen. Zum Wachwerden lief "No Answer" von Dušan Jevtović, Morgens gegen neun, Viertel nach neun startete ich auf dem Parkplatz an der Passhöhe (1482m). Über einen breiten Güterweg ging es hinauf zur Bartholomäusalpe (1640m). Direkt am Gebäude zweigt ein Weg scharf nach rechts hinauf, dem folgte ich, bis er weiter oben im Hang endet. Von dort  aus konnte ich eine Geländewelle erkennen, die schräg links hinaufzieht. Dieser folgte ich eine Weile, dann hielt ich mich im nun sehr steilen Hang wieder rechts, und stieg auf hartgewordenem Boden und liegendem Gras weiter hinauf.

Dabei spürte ich Blicke in meinem Rücken... an der Alpe waren ein paar Leute gewesen, die behielten mich offenbar im Auge. Ich dachte mir nicht viel dabei - ist ja auch nicht das schlechteste, wenn ab und zu jemand nach einem schaut.

Bald war es so steil, dass ich die Stecken gegen den Pickel tauschen musste, und ich pickelte mich mühsam durch zunehmend unangenehmes Gelände hinauf. An einer geeigneten Stelle, einer kleinen Einschartung, beendete ich meine Querung und mit ein wenig Gewalt kam ich endlich am Grat an, ein Stück östlich des Bleikajochs (1890m).

...der auf der anderen Seite ein gemütlicher Grashang ist. Allerdings zugestellt mit Lawinenverbauungen. Dennoch ist der Aufstieg von der anderen Seite her deutlich besser. Nyn hat das hier beschrieben. Die Route von der Bartholomäusalpe hinauf würde ich nicht noch einmal gehen. Ich komme später nochmal darauf zurück.

Vom Pass zum Grat: Güterwege, dann weglos in unbequemem, oben heiklem Steilhang, T1 (unten) bis T6 (oben), dazwischen ein fließender Übergang, 1h


Es ging zunächst noch kurz durch den Wald, ich habe mich hier rechts der Grathöhe gehalten, und bin durch bequeme Gassen zwischen den Bäumen hindurchgewandert. Wunderbarer, lichter Bergwald, ein echter Genuss. Bald tritt man ins Freie, und steht am nun schon etwas schmaleren Grat. Von hier an zum Gipfel erwandert man alles auf der Kante.

Zunächst geht man auf einer recht schmalen, teils baumbestandenen Kante. Hier muss man ein wenig mit der Vegetation kämpfen, konkret heißt das, dass man ab und zu beherzt an einen Baumstamm greifen, und seinen hübschen Hintern über dem Abgrund um die Pflanze herumschwingen muss. Ich LIEBE das, seit ich diese Technik am Nordpfeiler der Üntschenspitze zum ersten Mal anwenden musste. Ist aber sicher nicht jedermanns Sache.

Es folgt ein Abschnitt, wo der Grat ein gemütlicher Grasrücken ist. Dann schwingt sich der Grat erstmals ordentlich hinauf, links ein Grashang, rechts Erosionsgelände. In diesem Bereich gäbe es, nebenbei bemerkt, Abstiegs- bzw. Aufstiegsmöghlichkeiten von Norden, über steile, teils erlenbestandene Rippen. Wer hier heraufkommt, verpasst aber natürlich die erste Hälfte des Grats.

Hier muss man achtgeben, wer noch nicht wusste, dass es so etwas wie Graswächten gibt, kann es hier erfahren. Man geht, wie bei Schnee, besser nicht genau auf der Kante, sondern etwas im Hang, weil man nie weiß, was sich unter einem befindet. Kann auch mal nur Luft sein....

An diesem Aufschwung ist man dann mit der einzigen brüchigen Stelle konfrontiert, einer vielleicht eineinhalb, zwei Meter hohen Stufe, die man rechts oder links (in ähnlichem Gelände) umgehen könnte. Ich nahm sie lieber frontal, das entpuppte sich als gar nicht mal die schlechteste Lösung.

Darüber geht es mäßig steil und wieder breiter an den Schlussanstieg heran. Dieser steilt in seiner unteren Hälfte ordentlich, und seiner oberen noch ordentlicher auf. Man kommt aber gut ohne Pickel zurecht, weil hier offenbar Gämsen munter rauf und runtersteigen, und so über die Zeit eine regelrechte Treppe entstanden ist.

Dann ist es geschafft! Der Gipfelgrat ist vergleichsweise einfaches, wenn auch immer noch ausgesetztes Gehgelände. In wenigen Minuten steht man am Gipfelkreuz des Zafernhorns (2107m)

Auf dem Grat: Weglose Gratüberschreitung, T5, eine Stelle II und kurze Kraxeleien, maximal I, 1h


Ich hatte den Gipfel ein Weilchen für mich allein, und genoss die tolle Rundumsicht, zum Feuerstein, zum Glatthorn, zu Gungern und Klipperen, zur Kanisfluh, zu Diedamskopf und Üntschenspitze und zum Annalper Stecken. Dann stieg auf dem Normalweg ein älteres Paar herauf. Wir unterhielten uns ein Weilchen, dann stellten sie mir eine Frage zur Route, die ich nicht beantworten konnte, weil ich über den Westgrat gekommen war. "Ach Du warst das!" "Wieso?" "Na, Du hast die Älpler auf der Bartholomäusalpe ganz schön in Aufregung versetzt!" Stellte sich heraus, dass sie mich tatsächlich die ganze Zeit beobachtet hatten, mit einem Fernglas sogar, und in der festen Überzeugung, dass ein Aufstieg zum Grat über die Nordflanke hinter ihrem Haus unmöglich war. Na, ich konnte alle Beteiligten beruhigen, schließlich stand ich auf dem Gipfel, es musste ja gutgegangen sein. Und mit dem Pickel in der einen und der nötigen Erfahrung in der anderen Hand kommt man da schon rauf. Der Pickel ermöglicht einem den Anstieg, die Erfahrung den Abstieg, wenn  man erkennt, dass es tatsächlich nicht geht.

Wir schwatzten noch ein Weilchen, dann machte ich mich auf den etwa zwanzigminütigen Abstieg über den Normalweg zur Zaferafurka (1875m). Hier steht die kleine, von Hubert Stark 1995 errichtete Hubertuskapelle, der ich noch einen Besuch abstattete. Dann wandte ich mich vom Weg ab, und begab mich auf den Verbindungsgrat, der vom Zafernhorn zur Blasenka hinüberzieht, den Kühgrat.

Der Kühgrat ist vergleichsweise einfach, aber nicht weniger schön als der Westgrat des Zafernhorns. Es geht auf der Kante, (zu) oft aber auch links oder rechts daneben hinüber, auf einem kleinen Wegerl, und man fragt sich lange, warum das T4 sein soll. Einige kurze Abstiege in kleine Sättelchen, und ein Aufstieg über eine brüchige Stufe können diese Bewertung allerdings durchaus rechtfertigen. Kurios sind Fundamente am Grat, die auf das Jahr 1900 datiert sind, vermutlich gehörten sie einst zu einer Materialseilbahn.

Die Schlüsselstellen befinden sich im zweiten, östlichen Teil des Grats, dazu gehören die angesprochene brüchige Stufe, und ein Abstieg über brüchige Platten. Danach hat man's dann geschafft, und man kann nun wahlweise auf dem markierten Weg über den Südwestgipfel oder weglos über den Grashang direkt zur Blasenka aufsteigen. Ich habe mich für letzteres entschieden und wanderte gemütlich über den mäßig steilen Wiesenhang zum breiten Gipfel der Blasenka (2109m) hinauf, der auch die Namen Hochlicht und einfach Mutta trägt.

Von Gipfel zu Gipfel: Gratüberschreitung auf schmalen Weglein, einige wenige Stellen T4, sonst leichter, 1:15h

Von hier aus hat man eine tolle Sicht: zum Hochblanken und zur Mittagsspitze, zur Kanisfluh, zu Gungern und Klipperen, zum Diedamskopf, zu den Gipfeln rund um den Annalper Stecken und zum schwierigen Feuerstein. Besonders genau aber hab ich mir den Westgrat des Zitterklapfens angesehen. Der stand noch auf meiner Liste.

Auf dem Rückweg nahm ich den Südwestgipfel (2004m) der Blasenka noch mit, und wanderte dann auf dem markierten Weg hinunter Richtung Bärenalpe (1683m). Das ist ein guter Weg, lediglich kurz vor der Alpe muss man seilversichert einen steilen, felsigen Tobel queren. Danach geht es auf breiten Güter- und schmalen Wanderwegen gut ausgeschildert zurück nach Faschina (1482m)

Blasenka - Faschina: Wander- und Güterwege, T3 und leichter, 1:20


Fazit:

Eine höchst exklusive Tour: Laut Auskunft in Damüls geht die niemand. Gut, der Aufstieg zum Westgrat des Zafernhorns ist mühsam, aber am Grat gibt es, außer jener einen brüchigen Stufe, keine abstoßende Stelle. Im Gegenteil, der Grat ist wunderschön, weitestgehend gut begehbar, und der Anstieg über die Kante zum Gipfel macht einen Riesenspaß. Ein Video, das eine Begehung des Westgrats zeigt, gibt es hier zu sehen.

Der Weiterweg zur Blasenka wird dafür recht oft begangen, hier ist ein richtiges kleines Weglein entstanden, das Wandervergnügen ist hier allerdings keineswegs geringer. Alles in Allem ist das eine tolle Überschreitung, die jedem empfohlen werden kann, der gern wild unterwegs ist.

Noch ein wenig abenteuerlicher wurde es dann am nächsten Tag, da ging's über den Ostgrat auf den Annalper Stecken.



Mögliche Anstiegsvarianten:

Im Herbst 2022 ist wohl jemand bei dem Versuch, von der Bartholomäusalpe zum Grat hinaufzugelangen, abgestürzt, und hat sich dabei schwer verletzt. Also: lieber die Finger von dieser Variante lassen! Ich hab's mir auf dem Rückweg angesehen: Man könnte an der westlichen Begrenzung des Engstlertobels (aka Stutztobel) von Süden auf den Grat gelangen, weglos durch steilen Bergwald (siehe zum Beispiel in Nyns Tourenbericht, oder in diesem Video hier). Das dürfte zumindest im oberen Teil gut gehen, unten ist der Wald halt recht dicht. Was die Lawinenverbauungen im Westen angeht - das hab ich im Frühjahr 2018 mal ausprobiert. Hier führt zwar ein Weglein schräg den Hang hinauf, das endet aber mit dem Weidezaun. Drüber befindet sich ein dichtes Labyrinth an Lawinenverbauungen - hier würde ich's nicht versuchen.


Idee:

Ein halbes Jahr später bin ich vom Gumpener Grätle über die Nordrippe zum Zafernhorn aufgestiegen. Damit lässt sich nun an eine weglose Überschreitung des Zafernhorn denken, mit dem Aufstieg über die Nordrippe und dem Abstieg über den Westgrat. Vielleicht macht das ja mal jemand, wer weiß. Könnte spannend sein.


Ausrüstung:

Helm, Stecken, und für den Anstieg von der Bartholomäusalpe aus ein Pickel.

Tourengänger: Nik Brückner


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Kommentare (2)


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Nyn hat gesagt: Zugänge zum Westgrat
Gesendet am 24. Februar 2024 um 11:19
Danke für die Ergänzungen, Nik.
Von "oben" und am Rückweg nahe der Bartholomä-Alpe sah für mich dein wegloser Nordanstieg zum Bleikajoch zwar kürzer, und für geübte Steilgras- und Weglosgänger auch machbar aus, aber wie du schreibst und wie der tragische Unfall beweist, ists dort hoch wohl unangenehmer und wohl einiges gefährlicher als auf "meiner" ebenso weglosen Südvariante.

Nik Brückner hat gesagt: RE:Zugänge zum Westgrat
Gesendet am 26. Februar 2024 um 09:54
Ganz sicher. Auf jeden Fall sollte man dafür Helm und Pickel mitnehmen - die Südvariante dürfte aber deutlich besser sein.


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