Wir lassen uns aufs Zafernhorn schieben, oder: Der Föhn als Rückenwind.


Publiziert von Schubi , 3. November 2021 um 18:29. Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Lechquellengebirge
Tour Datum:30 Oktober 2021
Wandern Schwierigkeit: T4+ - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Aufstieg: 1010 m
Abstieg: 1010 m
Strecke:12,8 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Parkplatz an der Paßstraßen-Kurve etwas südlich unterhalb des Faschinajochs
Zufahrt zum Ankunftspunkt:s.o.

Der Nyns Markus kennt im Lechquellengebirge jeden Berg und jeden Baum beim Vornamen. Kein Wunder, ist er hier doch schon von Kindesbeinen an unterwegs. Da liess ich mir seine Einladung für eine gemeinsame Tour dort nicht zweimal geben, denn in dieser Ecke war ich noch so gar nicht unterwegs.
"Bevor der Winter kommt, nochmal schnell in die Berge!" So dachten und telefonierten wir letzte Woche, denn für Samstag war trockenes Wetter angesagt. Und zwar im Rahmen einer Föhn-Wetterlage, wir stellten uns also auf kräftige Höhenwinde ein. Aber Baumstämme wie uns schiebt so schnell nix um. Im Gegenteil: netterweise schob uns der Föhnwind sogar hier und da den Steig herauf.

Wir suchten uns zwei Gipfel aus: Blasenka/Hochlicht und Zafernhorn, gut erreichbar vom Faschinajoch und mit einer schönen Gratbegehung dazwischen. Eine kompakte, nicht zu schwierige Tour eigentlich – und trotzdem stellten wir den Wecker recht früh, denn die Wetterlage sollte gegen Nachmittag instabiler werden.

 

Als Soundtrack zu gut durchlüfteten Touren wie dieser empfehlen wir Something Like A Storm von den Great Lake Swimmers.

Im Morgenlicht starten wir vom Parkplatz etwas südlich unterhalb des Faschinajochs. Von ihm kommt man nach wenigen Metern links auf einen Forstweg, welcher wiederum bald in einen schönen Bergpfad übergeht. Dieser führt uns markiert durch Wald und einen kleine Tobel rustikal herüber zur Wegkreuzung "Brüche" und herauf zur Zafernmaisäß. Zwischendurch kurz Asphalt, aber oberhalb (auch oberhalb der hinter uns gelassenen Baumgrenze) bald wieder pfadig-rustikal um ein paar Felsnasen und Tobel herum – ein wirklich netter Steig. Auch unseren schönster Touren-Abschnitt des Tages, den Kühgrat von Blasenka/Hochlicht westlich rüber zum Zafernhorn bekommen wir nun von unten zu Gesicht. Im Sattel zwischen ihm und Blasenka/Hochlicht kurze Rast und Besprechung. Markus beschliesst, hier im nordostseitigen Windschatten bissel länger zu pausen und überlasst es mir, herauf zu Blasenka und Hochlicht zu steigen (schliesslich war Markus schon einige Male da). Etwas verwirrend ist die Namensgebung, auf manchen Karten heißt der gesamte Berg Blasenka, auf anderen nur der vorgelagerte Absatz ... ich stiefle den Pfad weiter und kämpfe dabei gegen den immer noch zunehmenden Föhnsturm an. Das Schlussstück ist ein langgezogener Grasbuckel, dessen Südwestnase "Blasenka" von den Talbewohnern ein eigenes Gipfelkreuz bekommen hat. Der Kalauer "vom Föhn auf die Blasenka geblasen" fällt mir als möglicher Tourenbericht-Titel ein. Ich verwerfe ihn wieder, lasse das Nasen-Gipfelkreuz aus und gehe schnurstracks hoch zur höchsten Stelle des Hochlichts (2109 m). Droben herrscht dann locker Orkanstärke und ich muss mich gegen die Böen stemmen, um nicht von ihnen in den Abgrund auf der Nordseite geschoben zu werden. Die üblichen Rundum-Fotos werden diesmal in deutlich stabilerer Körperhaltung geschossen. Dann plötzlich, von einem Moment auf den anderen, hört der Föhn-Sturm auf und es ist fast windstill. Auch akustisch still. Schräg. Als hätte jemand einen Aus-Schalter betätigt. Auch die Sonne verschwindet hinter den nun dickeren Wolken. Weiter unten setzen die Böen aber wieder ein und werden uns den Rest der Tour noch lustig erfreuen.

Ich rumple wieder herab und sammle den pausierenden Markus am Sattel ein. Jetzt also zum eigentlich schönsten Teil der Runde, dem Grat zwischen Blasenka und Zafernhorn, laut Nikbrueckners *Bericht auch "Kühgrat" genannt. Im steten Wechel von Gras, Gehölz, Fels, Gehen, Steigen und Kraxeln wurschteln wir uns auf ihm entlang. Herrlich kurzweilig ist diese Passage. Hier und da ist es ausgesetzt, aber Griffe an Baumstämmen und Wurzeln helfen oft beim stabilen Fortkommen. Die Schlüsselstelle ist ein Aufschwung von ca 12 Metern, der überkraxelt werden muss, das geht in verschiedenen Varianten. Wir entscheiden uns für ein Ankraxeln halbrechts, circa auf der Hälfte luftiges Queren auf einem schmalen Felsband nach links und dort über gestufte Grasbüschel bis ganz herauf: T4+/I. Auch im weiteren Verlauf kommen die Hände gerne zum Einsatz, aber eher so um T3/I. An den exponierten Stellen warten wir bei etwaigen Windböen immer erstmal auf ihr Abflauen.

Schliesslich kommt die Einsattelung (Zaferafurka) zum Zafernhorn in Sicht und ab hier, auf nun wieder markiertem Pfad, stapfen wir hoch zum zweiten Gipfel des Tages. Ein kleines Highlight ist dabei der Tiefblick die Nordostwand herab. Oben am Gipfelkreuz des Zafernhorns (2107 m) pfeift der Föhn wieder kräftig und formt uns schneidige Frisuren (aber das gehört nunmal zu seinem Job ...). Zum Glück haben wir unsere Stirnbänder aufgezogen, sonst würden wir nämlich auch noch ordentlich mit den Ohren schlackern. Damit uns die Brotzeit nicht aus der Box geweht wird, nehmen wir sie hinter einem windschützenden Fels etwas unterhalb ein. Markus hat die gute Idee, den Rückweg ab hier etwas weglos abzukürzen. Das geht fix und einfach, und zwar direkt über die grasige Südwestflanke herab zu einem baumbestandenen Rücken und weiter runter zur Zafernmaisäß, wo wir wieder auf den markierten Wanderpfad vom Hinweg treffen. Ein paar Tropfen fallen nun vom Himmel, aber es lohnt nicht, die Regenjacken aus dem Rucksack zu holen. Schliesslich noch nordwestlich zurück zum Ausgangspunkt.

Fazit: ein Glück, dass wir unsere Idee umgesetzt haben und spontan in die Berge gestartet sind. Föhn hin, Sturm her: Seemänner wie uns bringt nix zum Kentern. Es wurde eine kurzweilige Tour, die Neugierde auf noch weitere Ecken des Lechquellengebirges geweckt hat. Danke an Markus für die Einladung und fachkundliche Begleitung!

Tourengänger: Schubi, Nyn
Communities: Photographie


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T4+ I
30 Okt 21
Blue Men am Kühgrat · Nyn

Kommentare (1)


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Nyn hat gesagt:
Gesendet am 3. November 2021 um 19:15
Lieber Frank, ich habe unserere erste gemeinsame "richtige" Bergtour sehr genossen. Danke für alles!

Markus


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