Meine vierte Bergtour: Der Schattenberggrat mal andersherum


Publiziert von Waldelfe , 11. August 2017 um 21:15. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum: 3 August 2017
Wandern Schwierigkeit: T4+ - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 4:30
Aufstieg: 200 m
Abstieg: 1300 m
Strecke:8,5km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem Auto zur Talstation der Nebelhornbahn, und mit der Nebelhornbahn zur Station Höfatsblick
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Mit dem Auto zur Talstation der Nebelhornbahn
Unterkunftmöglichkeiten:Viele in Oberstdorf

Im Sommer 2017 verbrachten Nik und ich eine Woche in den Allgäuer Alpen. Bei einer Wanderung über's Koblat zum Laufbichlsee erschnupperte ich Pt. 2023m, Pt. 2001m und den Hüttenkopf, um zu sehen, in welcher Art Gelände er so gern seine Freizeit verbringt, und ob ich mich dabei gruseln würde. Die ersten paar Schritte auf dem Hüttenkopf: Mit vorsichtigen Bewegungen und den Blick nicht von dem schmalen Weglein gewendet, das von saftigem Gras gesäumt war, bahnte ich mich langsam voran - die Neugierde war größer als die Angst vor dem schmalen T4. Mir gefiel's! Ich wurde neugierig und willigte ein, als vierte Bergtour meines Lebens die Überschreitung des Schattenberggrats zu versuchen, eines schönen, schmalen und abwechlungsreichen Wandergrats zwischen Zeigersattel und Oberstdorf. Nik war die Tour vor vier Jahren als erste seiner weglosen Touren gegangen, also schien sie auch für mich gut geeignet. Er ging's von Oberstdorf rauf, wir nun abwärts, weil's heiß war.

Und Recht hatteste, Waldelfe, erinnerst Du Dich noch an den Mann, der in der Hitze zum Schattenberggkreuz heraufkam? Ou Män!

An der Station Höfatsblick sind wir losgebrochen, nachdem wir in einer völlig überfüllten Seilbahn schweigend ins Gespräch vertieft nach oben gebaumelt waren. Von der Station aus wanderten wir erst ein Stück weit auf dem Wanderweg Richtung Koblat. Auf dem grasigen Rücken zweigten wir dann nach rechts, um zunächst Punkt 2023m und Punkt 2001m zu überschreiten.

Die hatte die Waldelfe, wie gesagt, am Vortag schon erfolgreich begangen, ebenso wie den Hüttenkopf, und so mussten sie natürlich an diesem Tag das Präludium für unsere Grattour werden. Kurz vor Pt. 2023m verließen wir den offiziellen Weg und folgten dem schmalen Steiglein hinauf auf die Grasschneide, die diesen mit Pt. 2001m verbindet.

Viele Menschen suchen im Urlaub danach, sich einmal vollkommen rauszunehmen, abschalten zu können - hier auf dem Grat, fokussiert auf die 40cm, die ich zum Gehen hatte, hatte ich genau dieses Gefühl. Und es war großartig. Nicht so großartig war das Gefühl der Anstrengung, das diese Konzentrationsübung mit sich bringt...

Noch ist alles harmlos, keine schroffen Felsen zu umgehen, kein schlittriger Schotter, so wie ich es mag. Bald schon konnten wir den Paraglidern auf den Kopf spucken.

Was wir selbstverständlich auch ausgiebig taten. Und wir konnten, auf nun breiterem Rücken an ihrem Startplatz vorbei- und auf den Zeiger (1994m) gewandert, hinunter zum Zeigersattel sehen, wo unser Präludium endete und der Schattenberggrat beginnt.

Vom Zeigersattel (1900m) sind wir nach einer ehrfürchtigen Wartepause losmarschiert. Vorbei an grasenden Kühen und grüsenden Wanderen hatten wir eine wunderbare Sicht auf den Seealpsee, der wie das blaue Auge der Allgäuer Alpen gen Himmel blickt.

Mich erinnert der grandios benannte Seealpsee immer an einen Alpsee in den Alpen.

Es geht schnell ans Eingemachte - konsequent auf der Kante entlang. Und hier merkte ich schnell, dass mir etwas fehlte: Stecken wären jetzt toll gewesen! So geht es noch mal dem Gras an die Halme. Auf Tuchfühlung mit Gräsern, Latschen und Felsen, stellte ich zudem fest, dass die Notwendigkeit einer behandschuhten Hand notwendig gewesen wäre. Doch leider war auch ein vieräugiger Check des Rucksacks negativ. Was soll's...

Genau. Ohne Handschuhe haste mehr vom Zupacken - und man sieht hinterher genau, was Du taxüber alles in der Hand hattest.

Ein zweiter Check ergab dann, dass wir die Handschuhe doch dabei hatten. Dumm nur, dass wir den zweiten Suchlauf erst durchführten als wir wieder am Auto waren...

Die Überschreitung des Hüttenkopfs (1942m) ist schmal, aber nicht schwierig. Je kleiner die Füße, umso mehr Platz hat man auf dem Grat. T4+, würde ich sagen. Trotzdem: Viel wackeln sollte man nicht. Heftiges Niesen ist keine Option.

Jetzt folgte der Abstieg vom Hüttenkopf, einen steilen Grashang hinunter zu einem Sattel mit einem markanten Erosionsfeld. Ich sah das erste echte Murmeltier meines Lebens! Abgesehen vom Vinzenz. Leider nur kurz von hinten. Dann ging es auf den nächsten, namenlosen Graskopf. Hier ist es wieder etwas breiter und dementsprechend weniger schmal.

Auf dem Graskopf wechselt der Fels, und damit die Vegetation. Zurück bleiben die schmalen Grasgrate, sie werden vom scharfkantigen Dolomit und den dazugehörigen Latschen ersetzt. Hier beginnt eine Passage, die man am Besten links, im steilen Gras, umgeht. Nördlich, unter einer Felsmauer, geht es zwar auch, ist aber rutschig und gruselig, weil's unter einem senkrecht abbricht, und man später doch wieder über den Grat auf die Südseite wechseln muss. Außerdem gibt's in der Südflanke Edelweiß, da ist's also auch botanischer.

In meinen preisreduzierten Lowa-Latschen betrat ich höchst schräges Terrain mit Gruselfaktor 4+. Was soll ich sagen, Nik hat mich heil rüber gebracht. Erst einmal auf der anderen Seite, wollte ich dann aber trotzdem  keinen Notabstieg zum See, sondern die Tour wie geplant fortsetzen. 

Ein klein's Pauserl haben wir dann aber doch eingelegt, bissl einbroten, um dann den unproblematischen Anstieg zum Seeköpfle (1920m) anzugehen. Oben wartete bereits der Schuhverkäufer aus dem Laden in Oberstdorf, den wir am nächsten Tag wiedertreffen sollten. Seinen Eltern gehört die Seealpseealp am Seealpsee.

Höfatsblick - Seeköpfle: 2h mit bissl Pausen, wir haben nicht auf die Uhr gesehen.


Oben machten wir erneut eine Pause, und lasen nach, wie lange der Ulf vom Schattenbergkreuz hierher gebraucht hatte. Wir grüßten ihn, verewigten uns ebenfalls im Gipfelbuch und genossen sowohl die Aussicht als auch ein Gummibärchen.

Oder sippzehn.

Dann machten wir uns wieder auf den Weg. Der zweite Teil des Schattenberggrats ist von anderem Charakter als der erste: breiter, gemütlicher, weniger ausgesetzt, dafür muss man viele Latschen umarmen und oft über Latschenarme latschen.

Es geht über den Östlichen Schattenbergkopf (1865m), den Westlichen Schattenbergkopf (1845m) und den
Schattenberg (1798m), die ich im Gelände beim besten Willen nicht identifizieren konnte. Der Nik erst recht nicht.

Man folgt einem dünnen Weglein - die Tour wird recht gern begangen - das gar nicht so häufig, wie man denken könnte, über die Gratkante führt, sondern meist links von ihr in der Südflanke verläuft. An ein paar Stellen, wenn man im Gras gehen kann, wo man mag, verliert sich die Spur, findet sich mit ein bissl Suchen aber immer wieder. Dieses Suchen ist, wenn man wie wir von oben kommt, leichter, weil der Weg von oben besser zu erkennen ist als von unten.

Schwierige Passagen gibt es nur wenige: bissl gruselig ist eine Stelle, an der man den Beginn einer rutschigen Rinne auf der schotterigen Kante queren muss (Augen zu und durch), kurz danach eine Passage auf der Gratkante, in der es gilt, die vielen Latschenwurzeln zu überwinden, ohne dabei zu stolpern, sowie eine kurze Einserstelle, an der ein Felsblock am Grat luftig überwunden werden muss, nur durch einen dicken Latschenast vom Abgrund getrennt.


Eine furchtbare Hitze lag in den Latschengassen. Spaß gemacht haben sie mir trotzdem.

Aber dafür roch es lecker. Irgendwie erinnerte mich der Geruch an.... an... entfernt erinnerte er mich an Latschenkieferöl. Glaub ich. Irgendwie sowas in der Richtung.

Nach immer schmaler werdenden Latschengassen rückte endlich das Schattenbergkreuz (1685m) ins Blickfeld.

Gleichzeitig mit uns kamen ein paar Trailrunner hier an, die von Oberstdorf heraufgetschoggt waren. Nette Jungs, fotografierten uns, kein bisschen außer Atem, und gleich wieder weg. Fühlt man sich echt minderwertig.

Seeköpfle - Schattenbergkreuz: 1:45 mit bissl Pausen, wir haben nicht auf die Uhr gesehen.


Erneut hatten wir Sichtkontakt mit bunten Paraglidern, einer eher unbunten Höfats, und Oberstdorf - unser Ziel, zu dem wir nun aufbrachen.

Oder besser: abbrachen, denn es geht hinunter, nur noch, und steil dazu, aber dafür auf einem guten, neu hergerichteten Weg, den uns die Sektion Oberstdorf spendiert hatte. Danke für die Mühe, Leute!

Die Zivilisation näherte sich mit großen Schritten und wir uns am Kühberg (908m) den Sprungschanzen, genauer gesagt, den Schattenbergschanzen. Benannt nach dem Berg, auf dem wir eben noch gestanden hatten.

Vom Kühberg aus ging es dann auf breiten Wegen in wenigen Minuten hinunter zur Talstation der Nebelhornbahn (823m) in Oberstdorf.

Schattenbergkreuz - Nebelhornbahn-Talstation: 1:20 ohne weitere Pausen.


Und weil zivilisierte Orte immer leckere Dielen haben, haben wir noch ordentlich eingeeist: Der Eisdieler in der Eisdiele hat uns ein Eis gedielt.

Und die Waldelfe hat sich als grattauglich erwiesen! Grat-tour-lation, Waldelfe! Großartig! Dann bald wieder, würd' ich sagen!


Fazit:

Die Tour ist nicht nur landschaftlich fantastisch, sie hat mir auch gezeigt, dass ich mich in weglosem Gelände bewegen kann, und was dafür notwenig ist. Ein Sprung in's kalte Wasser, aber auch ein guter Einstieg ins gehobene Bergwandern und eine tolle Gelegenheit, um kennenzulernen, was es dafür braucht.

Tourengänger: Nik Brückner, Waldelfe


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Kommentare (9)


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Nic hat gesagt: Glückwunsch!
Gesendet am 11. August 2017 um 21:31
Nicht schlecht für die vierte Bergtour! Demnächst geht es dann wohl bald über die Höfats oder? ;-) Da geh ich dann aber auch mit! :-)

VG Nico

Waldelfe hat gesagt: Danke!
Gesendet am 12. August 2017 um 08:27
Hi Nico, vielen Dank für die Glückwünsche. Was die Höfats anbelangt, da schicke ich erst einmal den Nik vor. Aber Nik sagt mir gerade, dass er die Höfats gerne mit Dir geht.

Schöner Gruß

Waldelfe

Nik Brückner hat gesagt: RE:Danke!
Gesendet am 12. August 2017 um 09:22
Hi Nico!

Sag einfach Bescheid, wenn Du die Höfats trockengefönt hast, dann bin ich sofort da!

Gruß,

Nik

Tuppie hat gesagt:
Gesendet am 12. August 2017 um 19:52
Sehr schöner Bericht und gutes, reiches Bildmaterial, welches mich nun entgültig davon überzeugt hat, die Tour auch mal zu machen. Das traue ich mir schon noch zu. DANKE dafür!

Lieben Gruß
Thomas

P.S.: Oberstdorf liegt in Deutschland ;-)

Waldelfe hat gesagt: RE:
Gesendet am 13. August 2017 um 08:44
Hallo Thomas!

Freut uns sehr, wenn wir Dich zu einer Tour inspirieren können. Wir wünschen Dir viel Spaß dabei! Und das mit Oberstdorf.... wissen wir eigentlich, haben wir beide übersehen. Danke für den Hinweis.

Gruß,

Waldelfe & Nik

Tuppie hat gesagt: RE:
Gesendet am 13. August 2017 um 08:57
Grüß Dich Waldelfe und Nik,

der Hinweis war auch nicht bierernst gemeint ;-)

Aber im Ernst: ein sehr schöner, kurzweiliger Bericht, der mich mit den vielen Fotos, nachdem ich etwas gehadert hatte, davon überzeugt hat, dass ich die Tour dann auch mal machen werde. Sicher der schönste Weg Richtung Nebelhorn (oder vom Nebelhorn).

LG
Thomas

Waldelfe hat gesagt: RE:
Gesendet am 13. August 2017 um 14:52
Grüß Dich, Tuppie und Thomas,

Kein Problem, der Hinweis war ja richtig.

Wir sind in den Tagen auch mal vom Nebelhorn Richtung Rubihorn und Geißalpsee gelaufen, das fand ich eigentlich sogar noch schöner. Da kann man so schön am See pausen.

Gruß,

Waldelfe

pato hat gesagt: chat
Gesendet am 15. September 2017 um 19:55
geht auch wo anders

Nik Brückner hat gesagt: RE:chat
Gesendet am 12. Oktober 2017 um 15:04
Aber auch hier. Jede(r) wie er/sie mag.


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