Klettern statt Putzen...
Nachdem Kaspar Ochsner an einem Prachtstag wohl 1997 mit seinem 15kg schweren Rucksack, in dem sich neben dem Kletterzeug auch Bohrmaschine und -haken befanden, auf das Signal hoch über der Urbachflanke - früher eine "Hochburg der Wilderer und Wildheuer" - gestiegen war, um "an einer neuen Route herumzuwerkeln", hatte er auf einmal keine Lust mehr, sich in die Wand abzuseilen, "bloss um irgendwelche Stellen zu putzen und Linien zu begradigen". Stattdessen legte er sich auf einen Blumenteppich, liess sich von den Graten der Engelhörner in ihren Bann ziehen und begann von der Überschreitung aller ihrer 27 Gipfel an einem Tag zu träumen:
"Und plötzlich ist diese Sehnsucht wieder in mir, wie früher:
Dieses unbeschwerte Klettern über Schrofen, Grate und unzählige Gipfel!
Die Schwierigkeiten waren egal, nur klettern wollten wir,
den Raum geniessen, die Bewegung, die Freiheit."
Vor Jahren war ich einmal von der Augstgumm über die Leiteren direkt zur Unteren Engellücke aufgestiegen, von dort über die dazwischenliegenden Gipfel bis zur Tennlücke geklettert und über die Röhreni zurück ins Urbachtal abgestiegen. Kürzlich angeregt durch Christoph Klein, der meines Wissens den "Extrem-Pause" überarbeitet und neu herausgegeben hat, wollte ich die Überschreitung auch der ganzen Süd- zusammen mit der Mittelgruppe, allerdings vom und zurück ins Urbachtal versuchen. Der Aufstieg von Mürvorsess auf das Gross Gstellihorn kommt zwar einer zeitraubenden Liebhaberei gleich, die die Energiereserven schon vor der eigentlichen Überschreitung gänzlich aufzuzehren droht, ist dafür aber landschaftlich umso schöner. Und der Abstieg von der Hohjägiburg über die Röhreni ist zwar nicht einfach zu finden, technisch ziemlich beschwerlich, und dürfte jedwelches Zeitbudget sprengen, belohnt aber mit einem wilden Ambiente, das seinesgleichen sucht, und mit faszinierenden Ausblicken ins Haslital.
Die zusätzliche Überschreitung der Tenngruppe wäre natürlich das Rotpünktchen auf dem "i", dafür müsste unsereiner aber von einem höher gelegenen Ausgangspunkt wie z.B. dem Rosenlauibiwak (2330m), der Dossenhütte (2663m) oder einem Biwak auf der Augstgumm (2009m) starten, um genügend Zeit zu haben. Als ich jedenfalls bei beginnender Dämmerung unter der Tennlücke anlangte, von wo aus es nochmals hinauf zum Tennhorn gehen würde - was ich von Anfang an nicht geplant hatte -, war mein Mütchen restlos gekühlt, und meine einzige Sorge war, noch vor dem Eindunkeln die Burgalp zu erreichen. Die Überschreitung der Tenngruppe von der Burgalp mit der Erkletterung des Mittaghiri als Höhepunkt und dem Abstieg über die Röhreni ist aber auch für sich ein lohnendes Tourenziel.
Von Mürvorsess über Schrätteren, Enzen, Augstgumm, NE-Flanke und N-Grat auf das Gross Gestellihorn, 5-6h, WS+. Für eine ausführliche Routenbeschreibung siehe unter "Zur Feier des Jahres".
Südgruppe
Vom Gross Gstellihorn über den N-Grat zurück zur Kontaktstelle aus Gneis und Kalk. Über den "ebenen", z.T. aber ausgesetzten Äbnisgrat (I-II) zu den Sagizähnen. Diese werden exponiert über ihre griffigen, aber nicht überall festen SSW-Kanten erklettert (III). Vom 1. Sagizahn kann 5m gesichert abgeklettert oder -geseilt werden (Block), vom 2. 15m (Stand) und vom 4. 25m (Stand) auf der Urbachseite durch eine Rinnenrampe zur Unteren Engellücke. Der unterste Abschnitt des Gross Engelhorn SSW-Grats wird auf der Urbachseite auf steilem Gras umgangen, bis der Grat durch eine Rinne gewonnen werden kann. Über den gut gestuften, aber ausgesetzten und z.T. brüchigen Grat auf den S-Gipfel und nach einer Scharte auf das Gross Engelhorn. Abstieg über den ENE-Grat in eine Scharte und Umgehung des folgenden felsigen Gratabschnitts auf Grasbändern in der SSE-Flanke. Von der nächsten Scharte 25m Abseilen (Stand) auf die Urbachseite und Querung auf Grasbändern unter der Oberen Engellücke hindurch zu einer steilen Kaminrinne (II), die hinauf zum W-Gipfel (2764m) führt, Depot. Über den W-Grat einfach, aber ausgesetzt auf das Urbachengelhorn und zurück. Vom W-Gipfel E des NNE-Grats über die obere N-Flanke (brüchig) 2x25m Abseilen (Schlinge, Stand), Querung nach links zum Grat und über diesen (II, griffarme Platte III-) hinunter zum Gemsensattel, 3h 30min, ZS.
Mittelgruppe
Vom Gemsensattel über Gemsenspitze, Klein Engelhorn, Mittel-, Ulrich-, Gertrud- und Vorderspitze zur Hohjägiburg, 3-5h, S. Für eine ausführliche Routenbeschreibung siehe unter "Alle Jahre wieder".
Röhreni
Abstieg kurz entlang der NE-Rippe (II), bis nach links in das Schrofencouloir zwischen dieser und dem NNE-Grat gequert werden kann. Durch dieses steil hinunter (T6, II) und Querung zu einem Sättelchen unter der Tennlücke (2426m). Richtung NE absteigende Querung mehrer Rippen, von deren Scharten jeweils eine Geröllrinne hinunter führt. Auf ca. 2160m Abklettern (od. -seilen an Block) durch eine enge Felsrinne (zuunterst III) und weiter durch ein SE gelegenes Parallelcouloir hinunter zur plattigen Quellmulde des Schellibachs auf ca. 1960m (Lawinenreste). Abklettern über eine ca. 7m hohe griffarme Platte (V) in das Bachbett und auf der anderen Seite auf geröllbedeckten Bändern zum Beginn der Grasbänder der Röhreni. Auf dem horizontalen oberen Wildheuerpfad (Zustieg für die Kletterrouten an Signal und Pyramid) weiter nach NE, bis auf den unteren eingezeichneten ab Chieweidli gewechselt werden kann (z.T. ausgesetzt, nach der grossen Felsnische mit einer Höhle Kabel). Auf diesem hinunter zur Oberen Burgalp (Mad), weiss-rot über die Untere Burgalp und Alleschwendi zur Einmündung P. 792 in die Urbachtalstrasse und auf dieser zurück nach Mürvorsess, 4h 30min, WS/T4.
Material: Stöcke, Stirnlampe, Leichtpickel und Kletterausrüstung mit Helm, Gurt, 50m 7,5mm Seil, 5 Express, 4 Schlingen, Kk-Set sowie kleinem und mittlerem Friend.
Fahrplan: 5 Uhr Mürvorsess, 10 Uhr Gross Gstellihorn, 13.30 Gemsensattel, 16.15 Hohjägiburg, 21 Uhr retour.
Bemerkung: zwischen dem letzten Brunnen auf Enzen bzw. den Bächen auf Loicherli und dem ersten Brunnen auf der Oberen Burgalp gibt es abgesehen ggf. von Schmelzwasser aus Schneeresten kein Wasser!
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