Kurzbericht 

La Singla & Aouille Tseuque


Publiziert von jfk , 6. Dezember 2015 um 21:27.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Mittelwallis
Tour Datum: 9 Oktober 2015
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS   I 
Zeitbedarf: 3 Tage
Aufstieg: 2700 m
Abstieg: 2700 m
Strecke:32.3km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Arolla, poste
Unterkunftmöglichkeiten:Cab. des Vignettes SAC, Biv. de l'Aiguillette à la Singla SAC
Kartennummer:map.geo.admin.ch

La Singla. Fast schon erotisch tönt der Name dieses Berges, soweit denn ein Bergname überhaupt erotisch tönen kann. Was sich eher nach einer feurigen, südamerikanischen Tangotänzerin anhört, ist in Tat und Wahrheit ein abweisender und wildzerhackter Gratkamm in einem der einsamsten Gebiete der Schweiz. Was diese Kombination wohl für eine Besteigung verspricht?

3714 Meter hoch ist dieser Gipfel. Weit entfernt von den Höhen der Höchsten der Alpen und doch, nur wenige andere Gipfel haben es mir so angetan wie die Singla. Ist es die brachiale Wildheit, der Reiz des Unbekannten oder doch der Name, was mich so unwiderstehlich anzieht? Vermutlich von allem ein bisschen. Nicht zuletzt spielt aber sicherlich auch die nicht ganz unerhebliche Tatsache eine nicht ganz unerhebliche Rolle, dass mich dieser Gipfel bereits dreimal abgewiesen hat, ohne dass ich jemals wirklich in die Route eingestiegen bin. Beim ersten mal Steinschlag, beim zweiten mal Nebel und im letzten Jahr eine *Erkältung, hinderten mich bisher immer an einem Versuch. Nachdem im Frühsommer das Obergabelhorn noch *den Vorzug erhalten hatte, sollte es nun endlich klappen. Singla bedeutet übrigens das Gleiche wie Tschingel oder der Romanische Begriff Cengalo und kann mit Rasenband oder Grasnarbe übersetzt werden. Ein weit unspektakulärerer Name also, als es den Anschein macht.


Bei bestem Herbstwetter starte ich die Tour in Arolla. Durch den alten Arvenwald, an goldgelben Lärchen vorbei und über den frisch verzuckerten Glacier de Pièce, wandere ich gemütlich hoch zur mittlerweile unbewarteten Cabane des Vignettes, wo ich mein erstes Lager aufschlage. Später kraxle ich noch etwas den  Steinböcken unterhalb der Hütte nach und geniesse das Beobachten dieser schönen Tiere und das einmalige Ambiente in den Felsen von Vignettes. 

Am nächsten Morgen starte ich dann endlich in Richtung Singla. Hatte ich ursprünglich für heute noch mit den hübschen Nordwänden  der Pigne d'Arolla und des Petit Mont Collon geliebäugelt, entscheide ich mich doch schon für den Traumgipfel. Etwas zu unsicher scheinen mir die Verhältnisse für ersteres, gerade auch wegen den Bedingungen auf den Gletschern in grösseren Höhen. Im fahlen Mondeslicht schreite ich so über den Glacier d'Otemma. Bei Tagesanbruch erreiche ich den Einstieg beim Grossen Couloir. In bestem Trittfirn geht es von nun an steil höher, bis ich den NW-Grat erreiche. Dieser präsentiert sich doch schon recht winterlich und fordert entsprechend etwas mehr Zeit und Vorsicht bei der Begehung. Die Platten des Gipfelaufschwungs sind bereits ziemlich vereist und für mich free solo zu heikel. Also quere ich die hier oben gut 50° steile Westflanke und klettere über den obersten Abschnitt des Epron Chasseron auf den Gipfel. Das Panorama und meine Gefühle auf dem Gipfel sind dann einfach überwältigend. Beides ist nur schwierig in Worte zufassen und so müssen zumindest für ersteres meine Fotos reichen. 

Im nachhinein erinnert mich dieser Augenblick unwillkürlich an die ebenfalls sehr emotionale Ankunft auf dem Gipfel des *Bietschhorns Anfang Juli. Das Erreichen eines langersehnten Zieles, das Eins sein mit dem Berg und der Natur und die Magie des Augenblicks sind einfach unvergesslich. 

All zu sehr kann ich mich den Emotionen dann aber doch nicht hingeben, steht ja nach jedem Gipfel noch der Abstieg bevor, der auch an der Singla volle Konzentration erfordert. Am Gipfelkopf seile ich 3x15m bis auf Höhe der Querung vom Aufstieg ab. Von hier steige ich in einer knappen halben Stunde  in bestem Firn direkt durch die Westflanke hinunter zum Einstieg auf dem Glacier de Blanchen. Viel schneller wäre das auch mit Skiern an den Füssen nicht gegangen. Hat mächtig Spass gemacht!

Den Nachmittag verbringe ich faulenzend vor dem schmucken Singla Biwak unter der selbst auf knapp 3200 Metern noch wärmenden Oktobersonne. Ganz alleine bleibe ich aber nicht, zum Abendessen erreichen noch zwei nette Romandes die kleine Hütte.

Am nächsten morgen starte ich früh zu einer gemütlichen und kurzen Halbmondtour auf die Aouille Tseuque. Im fahlen Mondlicht stapfe ich über den Gletscher. Eine ganz spezielle Stimmung liegt über der Landschaft. Überall sind faszinierende Schattenspiele zu beobachten und der Sternenhimmel ist in dieser Höhe und abseits von Städten und Lichtverschmutzung absolut genial. Vom Gipfel schweift der Blick über das Valle d'Aosta und die nächtliche Lombardei bis zu den Lichtern von Mailand. All zu lange verweile ich aber nicht, ein eisiger Wind treibt mich wieder in die Tiefe. Gut ein dreiviertel Stunden nach dem Start bin ich knapp vor dem Morgengrauen wieder zurück beim Biwak. Hier nehme ich kurz noch eine Stärkung zu mir, der anschliessende Abstieg nach Arolla ist noch weit. 

Facts
  • La Singla
    Route: TOPO La Singla
    Anforderungen: kombinierte Hochtour, ZS III 45°, 650 hm
    Zeit: 3-4h vom Biwak
    Material: normale Hochtourenausrüstung
    Begehungsfrequenz: Kaum besucht (laut Hüttenbüchern neben mir nur eine Seilschaft 2015)
    Fazit: Top! Hat alles was eine schöne Hochtour braucht. I'll be back (Für die Überschreitung und/oder mit Ski)!
  • Aouille Tseuque
    Route: Vom Biwak hinunter auf den Glacier de l'Aiguillette und über diesen an den Fuss der steilen Firnflanke. Über diese (bis 45°) direkt hoch zu P.3363. Weiter über den breiten Firnrücken auf den Gipfel.
    Anforderungen: reine Firntour,  WS 45°, 450 hm
    Zeit: 1.5h vom Biwak
    Material: Gletscherausrüstung
    Begehungsfrequenz: selten besucht
    Fazit: gemütliche, nette Firntour abseits der Massen
  • Unterkünfte:
    Cabane des Vignettes SAC
    Bivouac de l'Aiguillette à la Singla
  • Ski?
    Beide Gipfel sind aus meiner Sicht  im Frühjahr interessante Ziele für anspruchsvolle Skitouren. Die Aouille Tseuque wird mit Skis dann tatsächlich auch gelegentlich besucht. Für die Singla konnte ich im jahrzehntealten Hüttenbuch kein Indiz für eine Skiabfahrt  ausmachen, obwohl sich das grosse Couloir vom NW-Grat aus perfekt für schöne Skischwünge eignet (nicht zu eng, 30°-45°). Bei perfekten Bedingungen wäre für Cracks wie danski evtl. sogar eine Direktabfahrt vom Gipfel über die Westflanke möglich? Gleich neben der Haute Route gelegen lohnt ein Abstecher ins Singlabiwak auf jeden Fall!
     

Tourengänger: jfk


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