L’Évêque 3716 m abgebrochen (3. Tag Arolla - Pigne - l’Évêque - Arolla)


Publiziert von schwarzert , 15. August 2012 um 17:15.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Unterwallis
Tour Datum: 2 August 2012
Hochtouren Schwierigkeit: L
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 8:30
Aufstieg: 800 m
Abstieg: 1750 m

Krönender Höhepunkt unserer Tour soll ein Besuch beim Bischof sein (l’Évêque, franz.). Zu ambitioniert für uns? In unserem Hochtourenführer ist die Route mit PD angegeben, Hänge bis 35°, das scheint machbar. Aber: On verra - wir werden sehen ...
Dankbar stelle ich morgens fest, dass ich im Vergleich zur Vornacht zwar gefühlt tausendmal aufgewacht bin, aber zwischendrin wenigstens geschlafen habe - besser als keinmal aufwachen, weil nie einschlafen!
Frühstück gibt es auf der Vignette-Hütte um 5.30 Uhr. Bis dann alle alles gerichtet haben, vergeht nochmal eine ganze Weile, so dass wir erst gegen 6.30 Uhr starten können. Auf der Hütte geht es eng zu, im schmalen Korridor vor dem Ausgang herrscht Gedränge, jede/r versucht an sein Zeug zu kommen. Als einer neben mir seine bestrumpften Füße von den Hüttenschuhen befreit, entgehe ich nur knapp einem Ohnmachtsanfall - aber so ist das eben hier oben!
Vor der Hütte geht das Gedränge weiter. Eine zT schon etwas demolierte Eisenleiter führt hinab auf den oberen Rand des Glacier de Pièce, der bis zur Hütte reicht. Viele geführte Gruppen sind auf der Hütte, die legen hier alle schon Steigeisen und Seil an. Wir gehen zügig die paar Meter, dann weiter über den Col de Vignettes. Dort teilt sich die Spur: die obere Trasse führt zum Pigne, die untere ins weitläufige Becken des Glacier d'Otemma. Über einen steilen Schuttabstieg erreichen wir den Gletscher, seilen an und steigen noch einige Meter ab, bis wir die fast ebene Gletscherfläche erreichen. So stelle ich es mir auf dem Konkordiaplatz vor: Gletscher von allen Seiten, so weit das Auge reicht! Antarktis im Herzen Europas! Über den Scheitelpunkt, den Col de Charmotane (3037m), von wo der Glacier d'Otemma nach Südwesten und der Glacier de Mont Collon nach Nordosten fließt, queren wir Richtung Nordosthänge des Petit Mont Collon. Hier ist allerhand Volk unterwegs, das mehrheitlich zum Col de l’Évêque strömt und von dort ins Italienische. Wir zweigen dagegen nach Osten ab und gehen geradewegs auf eine kleine Rampe zu, über die sich die Firnhänge des "Bischofs" gewinnen lassen. Hatte der obere Firnhang tags zuvor noch beängstigend steil ausgesehen, so gewinnen wir beim Näherkommen den Eindruck, das Ganze müsste doch zu schaffen sei, zumal sich deutlich eine Spur durch den aufsteilenden Gipfelhang erkennen lässt.
Nach der Rampe geht es zwischen zwei großen Spalten hindurch auf die Ostseite des Hangs, wo uns eine alte Spur weiterführt. Einige wenige Spalten sind auf Schneebrücken zu überwinden, nichts davon sieht dramatisch aus. So erreichen wir den Fuß des Gipfelhangs, Pt 3523. Die 35° laut Führer machen vor Ort zwar einen steileren Eindruck, aber das will ja nichts heißen ... Direkt vor uns ist eine Zweierseilschaft (auch) aus dem deutschen Südwesten unterwegs. Ich bewundere immer den Mut von Leuten, die sich zu zweit auf einen Gletscher wagen; ich persönlich finde das lebensgefährlich; vor über 30 Jahren haben wir in einem Eiskurs mal durchgespielt, wie es sich anfühlt, allein eine zweite Person in einer Spalte zu halten und dann noch einen T-Anker zu setzen ... aussichtslos! Jedenfalls ziehen die beiden los und beginnen mit dem Aufstieg, merkwürdigerweise gehen sie senkrecht die Wand hoch, statt der Spur zu folgen - noch verstehen wir nicht, warum.
Wir wechseln vom langen aufs kurze Seil und machen uns an den Aufstieg. Weicher Firn lässt uns tief einsinken - das verspricht ein anstrengender Aufstieg zu werden. Doch dann, nach etwa dreißig Metern, greifen die  Eisen auf einmal knapp unter der Schneedecke: Eis! Wer aufmerksam den Führer gelesen hat, erinnert sich jetzt auf einmal an die Bemerkung über den "manchmal vereisten Hang". Jetzt ist "manchmal" und damit Schluss mit lustig, und plötzlich kapieren wir, warum die beiden anderen vor uns die direttissima wählen: Sie gehen mit den Frontalzacken und setzen Zwischensicherungen - die einzig sichere Möglichkeit, diesen Hang zu überwinden. Doch das ist für uns als 4er-Seilschaft nicht ohne weiteres machbar. Wir kehren erstmal um und besprechen die Lage. Inzwischen ist eine andere Seilschaft angekommen, drei Norweger mit ihrem Schweizer Bergführer. Der hängt zwei seiner Leute kurzerhand aus dem Seil und beginnt mit dem Dritten den Aufstieg, direkt in der Falllinie der beiden anderen. Und dann noch ohne jede Sicherung! Ich kann fast nicht hinschauen und rechne damit, dass jeden Moment einer ins Rutschen kommt und alle anderen mitreißt. Für uns ist an diesem Punkt jedenfalls Schluss, schade, die Audienz bei seiner Eminenz kommt nicht zustande, aber angesichts der Umstände die einzig vernünftige Entscheidung. Es bräuchte dazu wesentlich mehr Übung, als wir haben, und mit der Aussicht auf Nachmittagsgewitter wollen wir keinen ewig langen Auf- und Abstieg riskieren!
Zu zweit gehen wir übungsweise noch ein kleines Stück in den Hang, jeder baut einen Standplatz, und wir merken, dass es schon Routine braucht, um so einen Hang in annehmbarer Zeit zu schaffen: da verklemmen sich die Handschuhe im Karabiner, da wird kurzerhand das falsche Seil ausgehängt, da bleibt der Pickel im Eis stecken ... eine meiner beiden Eisschrauben, ca. 30 Jahre alt, ist damals wohl doch aus russischem Armeeschrott gefertigt worden: sie will einfach nicht ins Eis, und ich muss fast die Schaufel meines Pickels demolieren, bis sie dann endlich zieht, während die neue sich mit zwei Fingern wie Butter hineindrehen lässt ... alles interessante Erfahrungen für die Zukunft!
Unsere beiden Kameraden vergnügen sich indes im englischen smalltalk mit den beiden Norwegern. Was sie denn machen sollen, wenn die beiden anderen nicht zurückkehren, will ich wissen. Sie hätten eine Nummer zum Anrufen (die Flugrettung) - na wunderbar!
Wir machen uns auf derselben Route wieder auf den Rückweg und entgehen kurz vor der Hütte noch knapp einem Eisschlag. Vor dem Col des Vignettes hat es immer wieder Steinschlag, der nur für die obere Trasse gefährlich werden kann. Richtig übel können aber die Seracs werden, die oben im Steilhang himmelwärts ragen. Wir gehen seil- und steigeisenfrei, und ich bin schon weiter, als es plötzlich kracht. Zwei Brocken rollen mit Karacho auf den Weg zu, ich schreie noch zurück, zum Glück sind die anderen schon über die Stelle hinaus, wo die beiden Trümmer den Weg passieren und dann über das Steileis in die Tiefe stürzen.
Nach einer Kaffeepause treten wir noch den Abstieg nach Arolla an. Bald unterhalb der Hütte ist auf einige verdeckte Querspalten zu achten, ansonsten sollte man sich auf dem Gletscher möglichst mittig orientieren. Wir gehen zu weit rechts, kommen ins Geröll und müssen, da kein Weg in Sicht, wieder zurück auf den Gletscher. Noch eine weitere Rampe hinab - alles sehr gut und leicht zu gehen - und wir sind unten. Wieder kein Weg in Sicht, kein Steinmännchen, keine Markierung, nichts. Dafür der angeschwollene Gletscherbach links von uns, der partout nicht zu queren ist. Laut Karte müsste der Weg jenseits (links) vom Bach verlaufen, so gehen wir ein Stück zurück und überqueren beim Gletschertor das Wasser. Jetzt sind wir auf der richtigen Seite und finden nach ein paar Metern prompt den Weg und kurz darauf eine Markierung. Auf bezeichnetem Steig nun hinunter nach Arolla, im unteren Teil eine Weile auf der beeindruckenden Seitenmoräne des Glacier de Tsijiore Nouve (klingt nicht unbedingt französisch, so wie viele Namen in dieser Gegend!). Wir sitzen im Auto und fahren das Tal hinunter, da beginnt es zu regnen - ohne Gewitter und trockenen Fußes sind wir am Ziel angelangt! Zuhause sind wir dann glücklich um 1.30 Uhr nachts, aber dafür wenigstens den Staus vom kommenden Wochenende entronnen.

Zeit: 8:30h

1. Tag: Cabane des Dix
2. Tag: Pigne d'Arolla

Tourengänger: schwarzert


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Kommentare (1)


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Melanie hat gesagt: Respekt...
Gesendet am 16. August 2012 um 09:17
Hallo schwarzert,
mein Respekt vor dem ehrlichen Bericht und Eurer Entscheidung. Die eigenen Grenzen erkennen ist wichtiger als ein Gipfel finde ich, und das Üben dort hat Euch sicherlich auch was gebracht.
Bin ebenfalls Hochtourenanfänger, und war vor drei Wochen auch mal in einer Situation, wo ich schon mehrmals tief durchschnaufen musste und eigentlich nur mit Coaching von meinem Partner rauf, bzw. runter gekomment bin, hier am Balfrin .
Schlussendlich war es eine Erfahrung, beim nächsten mal geht's leichter.
Daher Bravo an Euch, langsam die Möglichkeiten ausloten, die Berge sind nächstes Jahr auch noch da.
Gruss
Melanie


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