Überschreitung Fletschhorn und hinterrücks auf's Lagginhorn
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Eine fantastische Tour - Überschreitung zweier Gipfel in der Weissmiesgruppe
Nun sitzen wir bereits wieder am Computer und sind aber erfüllt, überaus glücklich und wieder geerdet vom Erlebten. Wir haben uns verausgabt, wir haben gegen die Kälte und den starken Westwind angekämpft, teilweise auch etwas gehadert. Jede Minute konnten wir mit atemberaubender Aussicht ganztags geniessen, ohne mögliche Wetterumschwüngen - die uns in dieser Saison ansonsten in hohem Ausmass begleiteten - fürchten zu müssen. Möglicherweise oder sehr wahrscheinlich war es bereits das Tourenhighlight der Saison - sicher aber eine überaus würdige Tour!
Die Überschreitung von Fletschhorn und Lagginhorn haben wir von langer Hand minuziös geplant. Jedes erdenkliche Hilfsmittel haben wir dazu verwendet, Fotos beäugt, jeder Hinweis vom Nordgrat des Lagginhorns haben wir genaustens studiert und uns auf diese Tour vorbereitet. Als wir dann am 28./29. Juli dieses Jahres in den Startlöchern feststellten, dass ein starkes Niederschlagsereignis unsere Pläne zum Scheitern verurteilte, vermochten wir uns damit zu trösten, dass die Berge uns nicht davon laufen würden. Geplant ist geplant und daran sei nichts zu rütteln. Wir verbachten schöne zwei Tage im Urbachtal am Gauligletscher und versuchten uns am Rosenhorn im Berner Oberland (Bericht folgt). Als es in den letzten Tagen wieder einmal nach etwas trockeneren und sonnigeren Bedingungen aussah, konnten wir nicht anders und nahmen die Tourenplanung wieder hervor und beschlossen kurzerhand uns auf den Weg in's Wallis zu machen.
[17.08.2014] Sonntag Nachmittag sahen wir uns daher bereits in der Wiese vor der Weissmieshütte liegend. Uns erholend vom Wochenende, sinnierten wir über Vergangenes und aber vor allem über das nahe Bevorstehende - unsere Tour am Folgetag! Die Sonne und das Wetter zeigten sich von der schönsten Seite. Wann hatten wir diesen Sommer schon dieses Privileg geniessen können, am Nachmittag festzustellen, dass wir am kommenden Tag in den Bergen bei stabilem und sonnigen Wetter eine Tour ohne Wetterstress durchführen können? Nach kurzer Rekognoszierung des Zustiegs zum Tälligletscher über die östliche (linke) Seitenmoräne, verbrachten wir einen gemütlichen Abend in der aber fast vollen und eher lauten Weissmieshütte.
Nach dürftigem Schlaf waren wir am Morgen die ersten die etwa um 04.20 Uhr die Hütte verliessen. Die Moräne und den Gletscher über viel Schutt fanden wir trotz Dunkelheit und Nebelresten sehr gut. Unsere Intuition vermochte uns gut zu leiten und bald überwanden wir die Nebelobergrenze irgendwo im Blockgeländer am rechten oberen Rand des Tälligletschers (nördlich davon). Der Gletscher ist zu einem grossen Teil durch Felsblöcke und Steine bedeckt. Im Einstieg auf's Gletscherfeld zogen wir Klettergurte und Helm an, liessen aber die Steigeisen und das Seil verpackt. Im oberen Bereich, etwa auf Höhenlinie 3400m ü.M. zogen wir die Steigeisen an, seilten an und stiegen auf hart gefrorenem Firn bei besten Bedingungen unterhalb des Felsbandes hoch und erreichten nur Minuten später den Frühstücksplatz des Fletschhorn Westgrats, der in den Jegigrat mündet. Die "Schlüsselstelle", die wir ebenfalls sehr gut recherchierten und die auch durch Berichte hier im Internet mehrmals gut dokumentiert ist, bereitete uns keine Schwierigkeiten. Dies dürfte aber stark von den Bedingungen abhängen, die uns nun gut gesinnt sind. In jedem Fall ist beim Hochsteigen zwischen 3100m ü.M. und 3440m ü.M. auf potentiellen Steinschlag zu achten. Ab hier befindet man sich in der Nähe des Vorgipfels des Fletschhorns. Auf der Normalroute steigt man aber nicht direkt hoch, sondern quert zuerst den Grüebugletscher.
Fletschhorn 3985m ü.M.
Das Fletschhorn ist ein erhabener Berg, der einige schöne Grate sternförmig in fast alle Himmelsrichtungen zu Tale führt. Es entsendet zugleich mehrere Gletscher vom Gipfel in die mittleren Höhen seiner Gestalt, darunter der gleichnamige Fletschhorngletscher, der das Lagginhorn vom Fletschhorn trennt. In westsüdlicher Richtung führt der grössere Grüebugletscher einige Abbrüche und viel Eis in die Niederungen. Darunter bildete der auch stark abschmelzende Gletscher im Bereich seiner Zunge einige kleine Gletscherseen. Der imposanteste Gletscher führt wohl vom stark verwechteten Gipfelgrat des Fletschhorns direkt nordöstlich seine steil abfallende Wand in den Rossbodegletscher Richtung Simplonpass. Den Blick von der Simplonpasshöhe vergesse ich nie und achte mich immer wenn ich da stehe. Immer und immer wieder denke ich mir: Wie kann man da nur hochsteigen?
Dei Normalroute (WS, 4h von der Weissmieshütte) führte uns vom Frühstücksplatz (Pkt. 3527) relativ stabil in der Höhe mehr oder weniger nördlich, danach leicht rechts drehend in Richtung des oberen Nordwestgrats des Fletschorns. Unterhalb des Eisabbruchs stiegen wir schnelleren Schritten hoch und erreichten aber bald über einen steilen Bergschrund den Grat. Ab hier wurden wir vom böigen Westwind geplagt. Wir verkürzten das Seil und zogen Handschuhe und Mütze an und stiegen sukzessive auf dem Grat hoch und erreichten bald, ca. um 08.00 Uhr den Gipfel (3.5h). Ein wunderbarer Blick in alle Himmelsrichtungen zauberte uns trotz Kälte ein grosses Lächeln ins Gesicht. Unser Blick fixierte aber anstelle der schönen Bergen im Berner Oberland und der Aussicht auf die Monte Rosa und die Mischabelgruppe eher das gegenüberliegende schöne Exemplar eines Nordgrates, dass uns so richtig in den Bann zog: Der Nordgrat des Lagginhorns!

Wir besprachen uns kurz mit der ankommenden Zweierseilschaft aus Italien und meinten beide, dass wir den Grat in Angriff nehmen würden.
Lagginhorn 4010m ü.M.
Das Lagginhorn ist der zweithöchste Berg in der Weissmiesgruppe und weil es die "magische" Grenze der Höhenlinie 4000m ü.M. überschreitet, wird es im Vergleich zum nur 25m tiefer gelegenen Gipfel des Fletschhorns um einiges mehr bestiegen. Wenn man die Normalroute betrachtet zu unrecht, wie wir meinen! Die Besteigung des Lagginhorns über die Normalroute (WSW-Grat) ist verhältnismässig einfach, kann aber unter den am Berg je nach Bedingungen bestehenden Verhältnissen unangenehm sein. Der Gipfel des Lagginhorns steht auf zwei ausgeprägten Graten die sich von Norden nach Süden ziehen. Auf dem Gipfel herrschen enge Platzverhältnisse. Im Norden mündet der Grat in's Fletschjoch und im Süden in's Lagginjoch. Das Lagginjoch ist der "Pass" zwischen den beiden 4000er Lagginhorn und Weissmies weiter südlich. Das Lagginhorn kann demnach von allen Seiten bestiegen werden. Interessant sind aber vor allem Südgrat und eben der fantastische Nordgrat. Und weil man den Nordgrat üblicherweise mit dem wundervollen Gipfel des Fletschhorns kombiniert, ist es zweifelsohne eine der schönsten, wenn nicht die schönste Tour in der Weissmiesgruppe!
Geologisch besteht die gesamte Weissmiesgruppe aus grob geschichteten und ziemlich alten plattigen kristallinen Schichten, abwechslungsweise mit Sedimenten des Karbons/Perms und der Trias. Die Gesteine weisen ein erhöhtes Alter auf, weswegen sie gegeben durch dadurch von eher instabiler Art zu Tage treten.
So standen wir bald unten am Fletschjoch und sammelten nochmals all unsere Kräfte, kauten ohne Hunger auf etwas Schokolade rum und sahen zu, wie sich die Italienische Seilschaft langsam das steile Eingangsfirnfeld hoch mühte. Wir fühlten uns fit, hatten keinen Höhenkoller, keine Kopfschmerzen und empfanden uns physisch stark. Ausser dem vielen Schnee auf dem Grat war an diesem Tage nichts, dass uns davon abhalten konnte, nicht in den Grat einzusteigen.
So verkürzten wir das Seil wieder und stiegen in's steile Firnfeld ein und begannen die ersten Felsen in Abwechslung mit weiteren steilen Firnfeldern zu erklettern. Uns machte es richtig Spass. Eine grosse Freude kam auf, an dem was wir taten, ungestört, in der Sonne, alleine unterwegs. Im unteren Abschnitt kamen "kaum" Schwierigkeiten auf. Dies änderte sich aber mit zunehmender Höhe, denn der Grat wird ausgesetzter, der - zum Glück - gut zugefrorene Schnee immer kantiger und auch der Wind lies auf der Westseite immer wieder unserer Balance entgegenwirken. Einige Male steigt man ganz leicht in die Nordostwand und erklettert dann in gutem Fels wieder auf den Grat. Einige stellen konnten wir bis in den mittleren Abschnitt noch gut mit Bandschlingen absichern. Je höher wir aber gelangten, desto stärker ist der Grat zugeschneit und desto weniger Absicherungsmöglichkeiten bestehen dadurch. Im oberen Abschnitt folgen mindestens zwei annähernd vertikale Felsabschnitte, teilweise mit Schnee und Eis durchzogen, die man direkt auf der Gratkante überklettern muss - ein Ausweichen auf Nordost- oder Westwand wäre ungemütlich. Dadurch dass diese Passagen kaum abgesichert werden können, mussten wir vom kurzen Seil ins mittellange Seil wechseln und ab und zu musste ich etwas in den Vorstieg.
Immer noch stark konzentriert und zunehmend gefordert erreichten wir etwa 40 Höhenmeter vor dem Gipfelfirnfeld die heikelste Passage. Im Vorstieg mit rund 20m Seil stieg ich zu den vorletzten Blöcken auf, in der Hoffnung, da einen Stand einrichten zu können. Der Aufstieg ist äusserst ausgesetzt, fast vertikal stieg ich in Firn mit vollem Pickeleinsatz hoch und fand einen Platz zum Sichern, was den Schlussaufstieg etwas entschärfte. Wenigstens ist der Schnee zu dieser Zeit schön grifig und hart. Danach folgt, kurz bevor man den Gipfelfirn wieder fast vertikal erklimmt die zweite III-er Stelle in aber gutem Fels. Aussicht auf den Grat von diesem Punkt:

Die letzten Felsen erkletterten wir nochals vorsichtig. Die Holländische Seilschaft hat uns jetzt aufgeholt und wir erreichen den Gipfel des Lagginhorns über den zuerst recht schräg abfallenden und damit ausgesetzten Gipfelfirn, danach leicht über Schnee und mittelgrosse Blöcke. Mit riesiger Freude über die bisherige Tour und den optimalen Verlauf konnten wir kurz innehalten und die Aussicht geniessen. Leider war es - des Windes wegen - wieder so kalt, dass wir uns aber bald für den Abstieg entschieden.
Das Gipfelfirnfeld nun in westliche Richtung auf der Normalroute im Abstieg ist z.Z. gut gespurt, der Abstieg bietet im Ganzen kaum Schwierigkeiten - ausser dass sich unsere müden Beine langsam bemerkbar machten.. Nach dem Gipfelfirn erreichten wir bald den etwas mühsamen Blockgrat, der uns dann auf den Lagginhorngletscher und zurück über lose Steine und Fels zur Weissmieshütte führte. Zurück in der Hütte gönnten wir uns einen guten Kaffee und konnten den Nachmittag mit dem Erlebnis in den Erinnerungen so richtig geniessen!
Fazit
Die Überschreitung über einen sehr lohnenswerten fast-Viertausender - das Fletschhorn 3984.5 m ü.M. - ist auch ohne Lagginhorn 4010m ü.M. in jedem Fall eine sehr schöne Tour, wobei jedem Ersteiger eine ultimative Aussicht geboten wird. Das Lagginhorn und sein wunderbarer Nordgrat ist eine fabelhafte, nicht zu unterschätzende Tour, die von allen 5 Seilschaften unterschätzt wurde. Dies liegt wohl einerseits an der offiziellen Bewertung aus dem Walliser Hochtourenführer [Vom Trient zum Nufenenepass, Hermann Biner, 3. Auflage 2002] und andererseits aber auch - wie immer - an den Bedingungen. In jedem Fall dürfte die Tour uns in guter Erinnerung bleiben und ist wohl auch Anknüpfungspunkt für weitere ähnliche Grattouren.
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