Hochblasse


Publiziert von schuhlos , 8. Juli 2014 um 23:44.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Ammergauer Alpen
Tour Datum: 6 Juli 2014
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   D 
Zeitbedarf: 4:30
Aufstieg: 1000 m
Abstieg: 1000 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Hotel Ammerwald / Ammerwaldalm
Kartennummer:DAV BY 6 Ammergauer West

Das mit dem allerschönsten Berg möchte ich nach meinem Besuch am Sonntag schon sehr in Frage stellen – und fragen wird man ja wohl noch dürfen.

Geplant hatte ich die Hochblasse als Rundtour anzugehen: Aufstieg durchs Roggental, Abstieg über die Jägerhütte.

Einen Talhatsch nach Abschluss einer Bergtour mag ich gar nicht und stelle deshalb mein Auto am ländlich rustikalen Hotel Ammerwald ab. Zurück zur Ammerwaldalm will ich den in meiner Karte eingezeichneten Wanderweg gehen. Und damit fängt es schon an, von wegen schöner Berg. Wanderweg ist keiner zu finden und ich gehe das ausgetrocknete Flussbett (Gries) vom Roggentalbach entlang.

Na ja, irgendwann bin ich dann auf dem Steig, der durchs Roggental Richtung Hochplatte und natürlich auch auf die Hochblasse führt. Gerade habe ich mich mit dem ersten Ärgernis abgefunden taucht schon das zweite auf: Nutzen doch zwei Burschen mit Hund eine meiner kleinen Fotopausen um mich zu überholen. Hab mir schon überlegt ob ich nicht einfach umdrehe und auf den Pürschling gehe.

Ich habe dann tief durchgeschnauft und mir ein paar Mal gesagt: „der Berg ist schön, ich will hinauf…, der Berg ist schön, ich will hinauf“. So konnte ich mich doch motivieren weiter zu gehen.

Hinter mir kamen dann noch drei oder vier Wanderer, wieder mit Hund, aber denen lasse ich keine Chance mich zu überholen. Auch sonst passiert bis zur Roggentalgabel nichts Negatives mehr. Ich bin wieder halbwegs gut gelaunt und biege nach links zum Roggentalsattel ab.

Auf diesem Wegabschnitt sehe ich dann auch die ersten Gamsen. Der Hund von den zwei Überholern – die sind ja immer noch vor mir – ist, obwohl nicht angeleint, die ganze Zeit bei Fuß von seinem Herrchen. Und besonders scheu scheinen die Gamsen nicht zu sein. Immerhin kann ich ein paar schöne Aufnahmen machen.

Ohne Pause bin ich am Roggentalsattel links abgebogen und will direkt rauf auf die Hochblasse. Ich glaube ich hätte es nicht machen sollen. Kaum strecke ich meinen Kopf über das erste Felsköpferl stehen da ganz frech 2 Gams – sozusagen mitten im Weg. Denk ich mir, die krieg ich schon und hab mit meinem Fotoapparat ein paar Mal auf sie geschossen. Die wollen gar nicht abhauen! Also langsam drauf zu. Erst als ich nur noch einen Steinwurf von ihnen entfernt bin, verziehen sie sich langsam und gemütlich.

Schöner Berg soll das sein, wenn man warten muss bis die Gamsen endlich Platz machen? Hätte gerade noch gefehlt, dass der Chef von der Murmelbande auftaucht und eine Eintrittskarte verlangt.

Am Gipfel geht es dann weiter: Ich mach mir ja eigentlich nichts aus einem Gipfelkreuz, aber so klein und dann noch schief? Wie groß uns stolz blickt dagegen das Gipfelkreuz von der Hochplatte runter. Aber immerhin wenigstens einzigartig – zumindest kenn ich kein zweites solches Gipfelkreuz. Die üblichen Formalitäten im Gipfelbuch erledigt und ein windstilles Plätzchen südseitig gesucht.

Beim Blick nach Süden über eine Kuppe fängt es schon wieder an: Ein Rudel Gamsen – mindestens 20 Stück, groß und klein, dick und dünn, auf einem Haufen – steht da in 100 Metern Entfernung. Das Rudel nimmt mich zwar wahr, aber keine besondere Notiz von mir. Keine hektische Flucht, keine lauten Warnrufe, tun die einfach so, wie wenn es ganz normal wäre, dass ihnen einer beim Frühstück über die Schulter schaut.

Nach einer geschätzten Viertelstunde Beobachtung und ein paar Fotos tue ich es ihnen gleich und verhalte mich so wie wenn ich sie gar nicht gesehen hätte, getreu dem Motto: „no ned amoi ignoriern!“ und leg mich direkt vor dem Gipfelsteinmann in die Sonne.

Aber ich bin noch lange nicht fertig mit meinen Eindrücken. Jetzt packe ich nämlich meine Brotzeit aus. Speck, Kas und Brot sind in Ordnung, hab ich ja selber eingepackt, aber das begleitende Bier. Wie gut wäre doch jetzt eine schön gekühlte Halbe Dunkles am Pürschling. Dagegen muss ich mit dem mindestens lauwarmen Blastikflaschnblembl vorlieb nehmen. Vielleicht mache ich ja einen kleinen Kiosk auf den Hochblasse auf.

Während der Brotzeit schaue ich so in die Runde plötzlich wird mir mit großem Grauen bewusst, wie viele mir unbekannte Berge da im großen Rund rumstehen. Klar kenne ich den einen oder anderen Gipfel, auf manchen war ich sogar schon droben. Aber so viele Gipfel und im gleichen Moment bin ich total deprimiert, weil der Herr Deuschle die Berge auch noch alle beim Namen kennt.

Ungewohnt auch diese ständige Summen der Fliegen, Mücken und sonstigem Getier, hört man sonst ja schon gar nicht mehr. Nur ganz gelegentlich höre ich von der Hochplatte rüber ein paar Stimmen.

Noch etwas fällt mir plötzlich auf. Jetzt sitze ich seit mindestens einer Stunde am Gipfel und noch kein Mensch hat sich am Gipfel blicken lassen. Aber ich hab doch gerade was gehört – schnell mal vorsichtig nachschauen. Steht doch zwischen Gipfelsteinmann und Gipfelkreuz tatsächlich eine Gams – gut dass ich nicht mehr zum Gipfelkreuz zurück muss, wer weiß wann die mich vorbeigelassen hätte. Sie scheint meine Gedanken zu ahnen und verschwindet nach einem kurzen Blick in die Südhänge wieder nach Norden.

Am schlimmsten aber in den geschätzten drei Stunden, die ich am Gipfel verweile, ist die Einsamkeit. Immer wieder schaue ich hinauf zur Hochplatte und jedes Mal kann ich mindestens 5 Bergsteiger am Gipfel und genauso viele die am Grat auf- oder absteigen zählen. Und ich sitze hier ganz alleine, erst zu Hause habe ich festgestellt, dass auch noch mein Mobiltelefon auf stumm gestellt war. Das heißt, einschließlich anschließenden Abstieg über den Westrücken zur Jägerhütte wenigstens vier Stunden kein Kontakt zur Außenwelt, da kann man doch verrückt werden, oder?

An der Jägerhütte kann ich wenigstens ein kühles Dunkles, gebraut vom König Ludwig, ergattern und will den Bergtag frohgemut beim Abstieg über den Schützensteig ausklingen lassen. Aber ich bin noch nicht weit von der Hütte weg, als mich das nächste Malheur einholt. Der Akku von meiner Kamera lässt mich im Stich und damit noch viele schöne Motive unfotografiert.

Soviel zum Thema schönster Berg sagt zumindest Winterbaer – wer bis hierher durchgehalten hat, möchte bitte auch noch den Rest lesen:
  1. Zum Wanderweg vom Hotel Ammerwald zur Ammerwaldalm: Daheim hab ich die Karte noch mal genau angeschaut – selber schuld, wenn man die gestrichelte Grenzmarkierung als Wanderweg anschaut.
  2. Soll mich doch, mit oder ohne Hund, überholen wer will, wenn mir etwas gefällt bleib ich gerne stehen um zu schauen oder fotografieren. Bezeichnend war eine Geste eines der beiden Überholer Richtung Geierköpfe mit der Bemerkung: „Schaut schön aus“ ohne auch nur einen Sekundenbruchteil stehen zu bleiben. Und die anderen waren halt wirklich langsamer, trotz meiner Fotopausen.
  3. Gamsen dürfen mir den Weg verstellen, da warte ich gerne und nutze die Gelegenheit für Fotos. Leider habe ich keine Murmeltiere gesehen, obwohl ich mich wirklich bemüht habe äußerst leise zu sein. Wahrscheinlich sieht man die auch nur, wenn man genau weiß, wo sie sind - zum Beispiel hier: http://www.hikr.org/tour/post79654.html
  4. Zum Gipfelkreuz, wahrlich keine besondere Schönheit, aber etwas Besonderes. Und ich bin eh der Meinung, dass nicht immer Größe zählt. Wirklich schön und liebevoll dagegen ist das Gipfelbuch und ich betrachte es als Vorrecht mich in die Reihe der Hikr´s allen voran  Winterbaer einschreiben zu dürfen.
  5. Hektik habe ich im Alltag zum Beispiel bei der Arbeit genug, da genieße ich es doch wirklich gerne mal den Gamsen beim Frühstück, Dohlen beim Flug oder Insekten beim Krabbeln zuzuschauen.
  6. Lieber noch fast kochendes Bier oder Durschten als da oben einen Kiosk hinstellen. Und so friedliebend  Winterbaer ist, sowas könnte für den Kioskbesitzer gefährlich sein.
  7. Und wie erholend ist doch diese Ruhe da oben. Bitte liebe Bergsteiger, wenn ihr nicht leise sein könnt, geht weiter auf die Modeberge unter euresgleichen und lasst solche Oasen weiterhin links liegen.
  8. Und wer vor so einer Tour den Akku seiner Kamera nicht aufgeladen hat, der ist wie Punkt 1) ganz einfach selber schuld.


Abschließende Bemerkungen:
Der Weg durchs Gries zurück zur Ammerwaldalm ist sicher eine empfehlenswerte Alternative zur Bundesstraße (Am Ende der Forststraße, wo es links auf den Schützensteig geht nach rechts über den Bach, dann folgt ein kurzer Pfad, der zum Gries führt – Ihr braucht nur der Grenze entlang gehen). Trotz Sonntag und herrlichstem Wetter war die gesamte Tour relativ einsam. Eine Einkehr in der Jägerhütte kann nur empfohlen werden, es sind wirklich nette und engagierte Wirtsleute.

Ich kann hoffentlich bald mal wieder ein paar ruhige Sonnenstunden auf der Hochblasse verbringen.

Tourengänger: schuhlos


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Kommentare (5)


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countryboy hat gesagt: 7:1
Gesendet am 9. Juli 2014 um 00:28
Gut gelaunt - ich verweise auf meinen Titel - schau ich nochmal bei hikr rein und stosse auf deinen äusserst unterhaltsamen Bericht. Eine humoristisch sarkastische Perle. :-) Ein Lesevergnügen!

schuhlos hat gesagt: RE:7:1
Gesendet am 9. Juli 2014 um 10:01
Danke fürs Lesen und mich freuts wenn es gefällt.

Winterbaer hat gesagt: Kiosk
Gesendet am 9. Juli 2014 um 12:45
> Und so friedliebend Winterbaer ist, sowas könnte für den Kioskbesitzer gefährlich sein.
Stimmt!!!!! Da hat sich schon mal einer aufgeregt:-)

[viehdeo.com/video-das-beste-aus-verstehen-sie-spass-reinhold...]

Winterbaer hat gesagt:
Gesendet am 9. Juli 2014 um 12:03
Lieber Chris, vielen Dank für den schönen, lustigen Bericht!

Die Murmels kannst Du auf diese Weise nicht sehen, weil sie unter dem Roggentalsattel im Köllebachtal sind, wenn sie denn noch da und nicht schon ganz ausgestorben sind.
Ich find auch den Abstieg über`s Köllebachtal noch schöner, als den durch die Latschen am Rücken.
Deine Grenzwanderung ist auch sehr lustig! Das alles barfuß???? Im Flussbett? Du bist schon der Härteste!

Ja, hoffen wir, dass die Hochblasse noch lange unattraktiv für die lauten Hochplattenbesucher und Co. bleibt. Wir hatten allerdings in den inzwischen sicher schon 60-70 Besuchen da oben auch schon manchen Schreihals, leider!
Schön, dass Du die Einsamkeit und die Wegsperren so gut wegstecken konntest:-)
Das mit den Hunden ist so eine Sache: wenn wir den Jäger treffen, der hat seinen Hund immer an der Leine. Der sagt, wenn ein Hund mal zum Jagen anfängt, hält ihn nix mehr. Und die Jagdhunde sind ja wirklich gut erzogen und abgerichtet.

Schön, dass Du oben warst auf diesem besonderen Berg! Auch über den Schotter ab dem Roggentalsattel bist Du barfuß? Der Wahnsinn! Respekt!

VG Uschi

schuhlos hat gesagt: RE:
Gesendet am 9. Juli 2014 um 14:30
Zum Barfuss gehen muss ich da was klarstellen (ganzkleinwerd). Ich mach das zwar sehr gerne und immer mehr. Aber zumindest den Abstieg mach ich wirklich fast immer mit Schuhen. Wenn die Leute am Pürschling dann fragen warum ich nicht wieder barfuss runtergehe, sag ich immer nur: „Wenn Du auch barfuss runtergehst, mach ich´s auch".
Zur Hochblasse bin ich etwa die Hälfte barfuss rauf gegangen. Das Bachbett war nicht schlimm, aber die anderen Wege waren teilweise übel mit recht scharfkantigen Steinen. Und nach einer leidlichen Erfahrung ziehe ich mir lieber etwas früher die Schuhe an, bevor ich danach ein paar Tage gar nicht mehr barfuss gehen mag, weil die Sohlen immer noch brennen (Aufstieg von Ehrwald auf die Zugspitze barfuss bis zur Knorrhütte :-). Am Gipfel der Hochblasse hab ich mir die Schuhe dann bis zum Abstieg wieder ausgezogen.
Ich bin auch nicht der große Freund von freilaufenden Hunden, aber der hat anscheinend wirklich gut gehorcht, immerhin waren die 3 geschätzt höchstens 50 Meter von den Gamsen weg (Gamsbild 1 und 2). Trotzdem bin ich auch der Meinung der Jäger, dass ein Hund, wenn er mal einem Wild nachrennt kaum zu bremsen ist.
Dank auch Dir fürs Lesen und für die Rückmeldung oder wie man heute sagt Feedback.
Chris


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