Weitwander-Tour durch eine mir unbekannte Region - komplette Einsamkeit dank unkonventioneller Tourenplanung
Der Napf war mir bis jetzt nur als bewaldetes Hügelland, wo man Gold suchen kann, bekannt. Wieso auch dorthin reisen? Nagelfluh-Berge gibt's vor der Haustüre genug. Doch irgendwann siegt die Lust Neues zu sehen und der Moment für einen Ausflug ins Napf-Bergland schien genau richtig: Der Schnee seit kurzem weg, noch kaum Wanderer in der Region, Schönwetter, das bis Samstag-Morgen halten sollte. So liess ich mich zur etwas unkonventionellen, aber insgesamt lohenden Variante hinreissen am Feierabend in Entlebuch zu starten, bis Sonnenuntergang zu wandern, und am nächsten Morgen (vor dem Regen) den Rest der Tour nach Trueb abzuschliessen. Diese Napf-Traverse ist relativ lang (2000 Höhenmeter, 30km, mit ca. 7h unterwegs auch als Tagestour zu schaffen) und taugt schon eher zum Konditionstest denn als Bergtour. Dennoch ist das Gelände stellenweise erstaunlich spannend und bietet ab und zu sogar Herausforderungen im "Züri-Oberland-Style". An dieser Stelle sei noch auf die Tour von
Bergamotte verwiesen, dessen Route praktisch gleich ist, aber auf zwei volle Tage verteilt.
Um 16.20 geht es am Bahnhof Entlebuch los - Feierabend (zumindest arbeitstechnisch). Zuerst muss die Bergkette überschritten werden, welche die Kleine Emme von der Fontanne trennt. Am direktesten geschieht dies bei der malerischen Kapelle bei Oberhüseren (Pt. 914) entlang der nicht gerade motivierenden Wanderwegweiser zum Napf (>5 Stunden). Durch das erstaunlich tief eingeschnittene Tal der Fontanne erreiche ich das Dörfchen Romoos auf einer schönen Terrasse. Hier wird der Wanderer sogar von jedem passierenden Auto aus freundlich begrüsst - man fühlt sich also willkommener als z.B. in Zürich. Obwohl ich (absichtlich) keine Karte dabei habe erreiche ich nach steilem Aufstieg Holzwegen, ohne ein einziges Mal auf den Holzweg abgedriftet zu sein.
Nun beginnt die eigentliche Tour über die Bergkämme des Napf. Für die nächsten rund 20 Kilometer wird sich ein Hügel an den nächsten reihen. Der erste ist gleich der steilste: Die Asphalt-Strasse nach Goldsite führt unter eindrücklichen Flühen hindurch. Wieso nur ist "Züri Oberland Alpin" noch nicht im Napf angekommen (bis jetzt schwierigste Tour im ganzen Gebiet T4-!)? Gleich rechts der senkrechten Wände arbeite ich mir einen sehr steilen Erd-/Grashang hoch, in dem man durchaus das Bedürfnis verspürt (und die Möglichkeit hat) sich mit den Zähnen festzubeissen. Nach ca. 20m wird's weniger steil und ich treffe auf ein erstes Stahlseil, das etwas neben meiner Route hochkommt: Gute Nase - das erste Mal im Napf und zielsicher den wahrscheinlich einzigen Klettersteig des Gebietes entdeckt. Eine weiter Stufe wird (einfacher) an einem weiteren Stahlseil überwunden und bald stehe ich auf dem netten Nagelfluh-Zahn der Bärnschwand (Pt. 1153). Beim Weiterweg treffe ich auf einen Wandweg, der recht exponiert auf ein Band in die Südflanke quert. Schlüsselstelle ist die Querung einer Rinne, welche ich momentan nur wirklich trittsicheren Wanderern empfehlen würde (ist aber anzunehmen, dass der Weg bald ausgebessert wird).
Weiter geht's über Goldsitenegg, Mättebergegg zum riesigen Gipfelkreuz auf dem Ober Änzi. Leider etwas viel Strassen in diesem Abschnitt. Anschliessend gibt es die ersten Schneefelder zu queren und der Blick auf den Napf-Gipfel im Abendlicht eröffnet sich. Auf dem Hängst (Gipfelbuch!) bieten sich Einblicke in den imposanten Felskessel auf der Nordseite und wenig später (ca. 3h von Entlebuch) erreiche ich den Napf. Es muss nicht betont werden, dass ich bis hierhin nicht einen einzigen Wanderer angetroffen habe. In der hereinbrechenden Dunkelheit überquere ich den spannenden Gratabschnitt von Grüeblihängst und Napfflue.
Der nächste Morgen ist eher trist - grau, neblig, fast unheimlich still. In stetem Auf und Ab wandere ich über verschiedenste Gipfel. Gämsen und Rehe blicken ungläubig von ihrem Frühstück auf den seit kurzem schneefreien Wiesen auf, wenn ich mir nähere. Nach der Oberlushütte wird die Tour nochmals spannend mir den Traversen von Farnli-Esel und der Geissgratflue. Dort verlasse ich schliesslich den Hauptkamm und wandere über die Gipfel von Hohmattflue und Schynezingge nach Süden. Ein letzter, im Grau leider auch nicht sonderlich aussichtsreicher Gipfel wird mit dem Stauffenchnubel passiert. Über die weitläufigen, aber immer lieblichen und abwechslungsreichen Hügel geht es über Unter Stauffen zum Chloschterberg und dann hinunter nach Trueb. 10 Uhr morgens. Ich bin nicht verregnet worden.
Kommentare (3)