Auf's Korn genommen: Corn da Tinizong
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Bei der Durchreise auf der Albulastrecke oder der Julierpassstrasse hatte ich mir schon wiederholt vorgenomen, endlich den sagenhaften Parc Ela zu besuchen. Nach eingehendem Karten- und Führerstudium sollte es diesen Sommer endlich soweit sein, bis dann die ergiebigen Schneefälle Ende August meine Pläne abrupt zunichte machten. Anstelle einer beschaulichen mehrtägigen Durchquerung des Parks entschied ich mich deshalb, bei nächster Gelegenheit wenigstens eine abgekürzte Variante zu versuchen, die, wie ich den Berichten von Delta und karstencz entnehmen konnte, nicht allzu schwierig sein sollte, sofern nicht schattseitig schon Schnee lag...
5 Uhr 13 setzt sich der Schnellzug in Bewegung und rollt bald mit Höchstgeschwindigkeit Richtung Zürich. Mit der Lektüre von "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" komme ich indessen nur langsam voran, und ich bin immer wieder versucht, das Buch wegzulegen und im "20 Minuten" zu blättern. Mit der Morgendämmerung um 7 Uhr wird die 4-stündige Zugfahrt durch Aussichten aus dem Zugfenster zwar aufgelockert, aber auch von meiner wachsendern Skepsis begleitet: schon in Ziegelbrücke sehe ich am Gross Kärpf zuoberst Schnee liegen, und später erkenne ich vom Domleschg aus auch am Piz Beverin Schneereste. In Filisur dann die unvermeidliche Gewissheit: auch das obere Drittel der Tinzenhorn N-Flanke ist noch eingeschneit. Ich beginne an meinem Vorhaben ernsthaft zu zweifeln und stelle mich auf eine beschauliche eintägige Herbstwanderung ein...Endlich hält der Zug in Bergün und ich klappe das Buch zu: der verlorenen Zeit könnte ich später auf der Rückfahrt wieder nachstudieren, jetzt gilt es zunächst einmal, keine Zeit mehr zu verlieren...
Aufstieg: von der Staziun Bravuogn auf der Strasse ins Dorf hinunter und auf dem weiss-rot markierten Hüttenweg (die Abkürzung zu P. 1989 war wegen Holzschlag gesperrt) über die Chamanna d'Uglix (Zahlencode für Schlüsselfach) und den Pass 2385 zu den Chamonas d'Ela, und weiter nach S bis ca. 2300m. Nach W über felsdurchsetztes Gras steil hinauf zur Geröllhalde N von Bot Radond (2509m), und Pfadspuren und Steinmännern folgend zum Beginn der von P. 2854 des NE-Grats (Fil da Stidier) herunter ziehenden breiten Felsrippe, T3. Weiter nach W zuerst auf Pfadspuren über Geröll, dann auf Bändern unter dem NE-Grat (Steinmänner) bis ca. 3000m unterhalb einer Gratscharte (Stockdepot). Einfach auf den Grat und über diesen zum Gipfelaufbau. Horizontale Querung auf einem Band nach links in die SE-Flanke zu einer Felsstufe. Durch den rechten von 3 Kaminen ca. 5m hinauf (II+, Schlinge, Absteilstelle) und auf einem Band nach links auf eine geneigte Terrasse. Auf dieser über Geröll und Felsen links haltend hinauf und durch eine Rinne (II) auf eine weitere geneigte Terrasse. Links über eine Felsrippe hinauf (II) und durch eine enge Rinne (II) auf den Gipfelgrat. (Steinmänner für verschiedene Varianten; die beschriebene Route verläuft ab dem Band zuerst kurz rechts, dann links von der von Delta eingezeichneten Route). Ein erster Gendarm wird überklettert (II), dann ca. 2m ausgesetzt hinunter auf ein abschüssiges Band NW vom Grat (bei Schnee Sicherungsmöglichkeit an Felszacken). Auf dem Band zu einer griffigen Felsstufe und über diese und Bänder nach links zurück auf den Grat (II) und einfach zum Gipfel, WS+, II+.
Abstieg: auf der gleichen Route bis ca. 2550m hinunter (die Abseilstellen können bei trockenen Verhältnissen abgeklettert werden), dann Querung der E-Flanke auf Geröll nach S auf den weiss-rot markierten Bergweg und diesem folgend hinauf zum Pass digls Orgels. Auf dem Bergweg am wunderschönen Lai Tigiel vorbei und E des Ragn Tigiel hinunter nach Bartg und zur Brücke 1659, dann zuerst S, nach einer weiteren Brücke N des Ragn d'Err hinunter nach Tinizong, T3.
Ausrüstung: Helm, 20m Reepschnur, Leichtpickel. Für Seilschaften 30m Seil und etwas flexibles Sicherungsmaterial.
Fahrplan: 9.13 Ankunft Bergün/Bravuogn, 13.45 Gipfel, 17.40 Abfahrt Tinizong.
Auf der Rückfahrt durch das Oberhalbstein konnte ich die Suche nach der verlorenen Zeit wieder fortsetzen, diesmal aber ohne Buch und vor mich hindämmernd, denn für die komplexen, mehrstimmig komponierten Sätze war ich einfach zu müde. Erst in Zürich war ich wieder wach genug, um wenigstens den "Blick am Abend" durchzublättern...
"Doch wird man sehen, wie gewisse flüchtige und zufällige Eindrücke viel besser noch in die Vergangenheit führen, mit einer subtileren Genauigkeit, einem Flug, der leichter, immaterieller, schwindelnder, unfehlbarer und unvergänglicher ist als solche organische Verrenkungen." (Guermantes)
"Die verlorene Zeit wird nur bei den Reichen wiedergefunden. Für die Armen verzeichnet sie nur die undeutlichen Spuren des Weges zum Tode." (Albert Camus, Der erste Mensch)
5 Uhr 13 setzt sich der Schnellzug in Bewegung und rollt bald mit Höchstgeschwindigkeit Richtung Zürich. Mit der Lektüre von "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" komme ich indessen nur langsam voran, und ich bin immer wieder versucht, das Buch wegzulegen und im "20 Minuten" zu blättern. Mit der Morgendämmerung um 7 Uhr wird die 4-stündige Zugfahrt durch Aussichten aus dem Zugfenster zwar aufgelockert, aber auch von meiner wachsendern Skepsis begleitet: schon in Ziegelbrücke sehe ich am Gross Kärpf zuoberst Schnee liegen, und später erkenne ich vom Domleschg aus auch am Piz Beverin Schneereste. In Filisur dann die unvermeidliche Gewissheit: auch das obere Drittel der Tinzenhorn N-Flanke ist noch eingeschneit. Ich beginne an meinem Vorhaben ernsthaft zu zweifeln und stelle mich auf eine beschauliche eintägige Herbstwanderung ein...Endlich hält der Zug in Bergün und ich klappe das Buch zu: der verlorenen Zeit könnte ich später auf der Rückfahrt wieder nachstudieren, jetzt gilt es zunächst einmal, keine Zeit mehr zu verlieren...
Aufstieg: von der Staziun Bravuogn auf der Strasse ins Dorf hinunter und auf dem weiss-rot markierten Hüttenweg (die Abkürzung zu P. 1989 war wegen Holzschlag gesperrt) über die Chamanna d'Uglix (Zahlencode für Schlüsselfach) und den Pass 2385 zu den Chamonas d'Ela, und weiter nach S bis ca. 2300m. Nach W über felsdurchsetztes Gras steil hinauf zur Geröllhalde N von Bot Radond (2509m), und Pfadspuren und Steinmännern folgend zum Beginn der von P. 2854 des NE-Grats (Fil da Stidier) herunter ziehenden breiten Felsrippe, T3. Weiter nach W zuerst auf Pfadspuren über Geröll, dann auf Bändern unter dem NE-Grat (Steinmänner) bis ca. 3000m unterhalb einer Gratscharte (Stockdepot). Einfach auf den Grat und über diesen zum Gipfelaufbau. Horizontale Querung auf einem Band nach links in die SE-Flanke zu einer Felsstufe. Durch den rechten von 3 Kaminen ca. 5m hinauf (II+, Schlinge, Absteilstelle) und auf einem Band nach links auf eine geneigte Terrasse. Auf dieser über Geröll und Felsen links haltend hinauf und durch eine Rinne (II) auf eine weitere geneigte Terrasse. Links über eine Felsrippe hinauf (II) und durch eine enge Rinne (II) auf den Gipfelgrat. (Steinmänner für verschiedene Varianten; die beschriebene Route verläuft ab dem Band zuerst kurz rechts, dann links von der von Delta eingezeichneten Route). Ein erster Gendarm wird überklettert (II), dann ca. 2m ausgesetzt hinunter auf ein abschüssiges Band NW vom Grat (bei Schnee Sicherungsmöglichkeit an Felszacken). Auf dem Band zu einer griffigen Felsstufe und über diese und Bänder nach links zurück auf den Grat (II) und einfach zum Gipfel, WS+, II+.
Abstieg: auf der gleichen Route bis ca. 2550m hinunter (die Abseilstellen können bei trockenen Verhältnissen abgeklettert werden), dann Querung der E-Flanke auf Geröll nach S auf den weiss-rot markierten Bergweg und diesem folgend hinauf zum Pass digls Orgels. Auf dem Bergweg am wunderschönen Lai Tigiel vorbei und E des Ragn Tigiel hinunter nach Bartg und zur Brücke 1659, dann zuerst S, nach einer weiteren Brücke N des Ragn d'Err hinunter nach Tinizong, T3.
Ausrüstung: Helm, 20m Reepschnur, Leichtpickel. Für Seilschaften 30m Seil und etwas flexibles Sicherungsmaterial.
Fahrplan: 9.13 Ankunft Bergün/Bravuogn, 13.45 Gipfel, 17.40 Abfahrt Tinizong.
Auf der Rückfahrt durch das Oberhalbstein konnte ich die Suche nach der verlorenen Zeit wieder fortsetzen, diesmal aber ohne Buch und vor mich hindämmernd, denn für die komplexen, mehrstimmig komponierten Sätze war ich einfach zu müde. Erst in Zürich war ich wieder wach genug, um wenigstens den "Blick am Abend" durchzublättern...
"Doch wird man sehen, wie gewisse flüchtige und zufällige Eindrücke viel besser noch in die Vergangenheit führen, mit einer subtileren Genauigkeit, einem Flug, der leichter, immaterieller, schwindelnder, unfehlbarer und unvergänglicher ist als solche organische Verrenkungen." (Guermantes)
"Die verlorene Zeit wird nur bei den Reichen wiedergefunden. Für die Armen verzeichnet sie nur die undeutlichen Spuren des Weges zum Tode." (Albert Camus, Der erste Mensch)
Tourengänger:
lorenzo

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