Absturz am Großglockner - 24 lange Stunden unterwegs


Publiziert von mountainrescue , 7. März 2012 um 07:49. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Glocknergruppe
Tour Datum:13 September 2002
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   A-T   A-K 
Zeitbedarf: 23:45
Aufstieg: 1800 m
Abstieg: 1800 m
Strecke:Neues Lucknerhaus-Lucknerhütte-Stüdlhütte-Ködnitzkees-Adlersruhe-Glockner
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Über Lienz-Huben nach Kals und dort zum Neuen Lucknerhaus
Unterkunftmöglichkeiten:Lucknerhaus, Lucknerhütte, Stüdlhütte, Erzherzog Johann Hütte

Fast jeder Bergsteiger hat den Wunsch, wenigstens einmal in seinem Leben, auf dem Gipfel des Großglockners zu stehen.

Ein herrlicher Herbst - seit Tagen anhaltendes Schönwetter ließ uns nicht lange überlegen und wir beschlossen dem Großglockner einen Besuch abzustatten. Ein Kamerad wollte sich noch einmal einen langgehegten Wunsch erfüllen und mit seinem "reifen" Alter den Glockner besteigen. Gesagt - Getan!

Der Wecker schrillte an diesem Morgen sehr früh, nämlich um 1.00 Uhr. Der Rucksack war am Vortag gepackt und ich war auch schnell "reisefertig". Um 2.00 Uhr erfolgte die Abfahrt nach Kals am Großglockner. Diesen Aufstieg kannte ich von einigen vorhergegangenen Besteigungen und es ist, für mich, der beste Anstieg auf den Berg. Wir hatten geplant über die Stüdlhütte auf die Erzherzog-Johann-Hütte aufzusteigen, kurz zu rasten und am Nachmittag den Gipfel zu besteigen. Anschließend wollten wir übernachten und am nächsten Tag absteigen und wieder zurück nach Hause zu fahren. Es kommt aber manchmal anders als man denkt...

Am Parkplatz, beim Lucknerhaus, machten sich, gemeinsam mit uns, nur wenige Bergsteiger auf den Weg. Ruhig und verlassen lag er da - es war noch sehr früh am Morgen.

Gemütlich stiegen wir Richtung Lucknerhütte an, wo der Tag langsam "heraufdämmerte".

Es zeichnete sich ein herrlicher Bergtag ab. Kurz vor der Stüdlhütte traten wir in die wärmende Sonne.




Nach einem kräftigen Frühstück erfolgte der weitere Anstieg, der uns über das Ködnitzkees auf die Adlersruhe führte.



Langsam und bedächtig erfolgte der Anstieg zur höchstgelegenen Schutzhütte Österreichs. Über die Burgwartscharte erfolgt der Anstieg auf die Erzherzog-Johann-Hütte auf 3451m. Das letzte Stück, das direkt zur Hütte leitet, ist mit Stahlseilen gesichert und erleichtert so, auch dem nicht so sicheren Bergsteiger, einen problemlosen Anstieg zur Schutzhütte.

Man steigt direkt aus den Felsen aus und steht vor der Adlersruh, der höchstgelegenen Schutzhütte Österreichs. Es "wurlte" rund um die Hütte; es war ein ständiges Kommen und Gehen. Während die Einen sich bereit machten für den Gipfelgang, kamen die Anderen bereits von ihm zurück.

Es war inzwischen Mittag geworden und wir beschlossen unsere Flüssigkeitsbedarf in der Hütte aufzufüllen. Die Hütte war leer und wir hatten genügend Platz, um eine ruhige Pause vor dem "Gipfelsturm" zu genießen.


Nun ging es ans "Eingemachte" - die Steigeisen wurden angelegt und Klettergurt und Seil kamen ebenfalls aus dem Rucksack. Der Anstieg über das berühmte "Eisleitl" präsentierte sich heute als etwas steilerer Firnschneehang, in den die zahlreichen Besteiger eine breite Spur getreten hatten.

Nun wurde auch die "dünnere" Luft langsam spürbar bzw. machte sich auch der Anstieg von bereits 1500Hm bemerkbar. Bei den Felsen vom Großglockner angelangt, blieben die Steigeisen zurück und ich übernahm die Führung. Meine Kameraden sicherte ich am Seil und wir stiegen bedächtig dem Kleinglockner entgegen. In den Felsen hat man, an langen Stangen, die Möglichkeit zu sichern und diese sollte man einfach, der Sicherheit wegen, nützen. Ganz wichtig ist auch sich nicht von der teilweise herrschenden Hektik anstecken zu lassen - das ist aber oft leichter gesagt, als getan!

Am berühmten Übergang zum Großglockner, war wie immer, Warten angesagt. Man muss in die bekannte Scharte absteigen, um auf der gegenüberliegenden Seite schließlich die letzten Meter auf den Gipfel zu klettern. Hier erleichtert ebenfalls ein gespanntes Stahlseil den Abstieg in die Scharte. Es hängt jedoch, je nach Schneemenge, eventuell ganz schön hoch über einem.

Aber es war ein wunderschöner, windstiller Tag und so genossen wir die Wartezeit einfach mit Schauen. Der Übergang über die Scharte war diesmal relativ "breit" und stellte kein wirkliches Problem dar. Auf der rechten Seite, gesehen vom Abstieg vom Kleinglockner in die Scharte, hat man einen beeindruckenden Blick in die, aus Norden heraufziehende Pallavicini-Rinne. Schließlich standen wir am Gipfel des Großglockners!


Nach einer relativ ruhigen Gipfelstunde ging es an den Abstieg. Ich sicherte meine Kameraden und bald standen wir wieder am Kleinglockner.

Hinter uns kamen noch einige Bergsteiger nach. Zügig stiegen meine Kameraden ab, während ich sie am Seil sicherte. Hinter uns sah ich 2 Bergsteiger, denen es offensichtlich zu langsam ging und die ohne Seil Richtung Eisleitl abstiegen. Meine Kameraden waren gerade bei den, am Beginn des Eisleitl's deponierten Steigeisen angekommen, als ich nochmals zurückschaute und die beiden Absteigenden beobachtete. Der vorangehende wollte mit einem kurzen Sprung einen Felsabsatz erreichen, als er unvermittelt ausrutschte und im Anschluss daran direkt auf mich zustürzte.... Ich war, Gott sei Dank, noch an einer Stange selbstgesichert! Er kollerte den Berg herunter und ich dachte schon, dass er bis auf das Ködnitzkees abstürzen würde... sein Schutzengel jedoch hielt die Hand über ihn. 2m vor mir befand sich ein kleiner vorstehender Felsen und genau auf bzw. dem Vorsprung blieb er liegen. Sein hinter ihm gehender Kamerad hatte den Absturz schreckensstarr mitverfolgt. Während Heli mich sicherte, packte Armin sein Handy aus und versuchte über die Bergnotrufnummer 140 die LWZ zu erreichen und dort einen Hubschrauber zu ordern. Ich stieg zu dem Abgestürzten auf. Vorsichtig begann ich ihn zu untersuchen und im Anschluß versuchte ihn in eine bequemere Lage zu bringen.  Sein Fuß, im Bereich des Knöchels, stand in unnatürlichem Winkel weg.  Auch blutete er aus dem Kopf ziemlich stark und ich verband diese Wunde notdürftig. Er wurde langsam "munter", realisierte jedoch nicht, was passiert war.  Es war ziemlich schwierig sich auf diesem schmalen Felsvorsprung zu bewegen. Inzwischen war es Armin gelungen einen Hubschrauber zu "organisieren". Die rundumstehenden BergsteigerInnen, die ebenfalls Zeugen dieses Beinaheabsturz geworden waren, waren ziemlich geschockt. Sie stiegen umso vorsichtiger ab... Ich sprach dem immer wieder "wegdämmernden" Bergkameraden Mut zu und versuchte ihn "wach" zu halten. Endlich, ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen war, hörte ich das wohlbekannte "Klopfen" eines anfliegenden Hubschraubers. Inzwischen war jedoch leichter Nebel aufgezogen, der rund um den Kleinglockner "wabberte". Armin nahm die Y-Stellung ein, um dem Hubschrauberpiloten die Unfallstelle zu signalisieren. Einmal mehr erwies sich, wie wichtig Bekleidung ist, die sich vom Grau der Felsen deutlich abhebt. Langsam flog der Pilot sein Gerät an den Berg, um sich einen ersten Überblick über die Situation zu verschaffen, um im Anschluss daran in einem großen Bogen auf das flache Plateau vor der Adlersruhe zu fliegen und dort zu landen. Flugretter und Notfallsani wurden an das Seil genommen und kurz darauf befand sich der Pilot schon wieder im Anflug auf uns. Was dann folgte war für sie ein oft geübtes und durchgeführtes Manöver. Sie "landeten" unmittelbar neben mir, verpackten den Verunfallten rasch und schon waren sie weg.



Wir packten nun unsere Sachen zusammen und machten uns ebenfalls an den Abstieg zurück zur Adlersruhe. Dort angekommen war es inzwischen 17.30 Uhr und schließlich kamen wir überein noch heute ins Tal abzusteigen und nach Hause zu fahren. Der Hüttenwirt ersuchte uns noch bei der Polizei in Kals vorbeizuschauen und dort unseren Unfallbericht abzugeben. Bis wir im Tal waren verging einige Zeit und auch am Posten in Kals verbrachten wir noch etwas Zeit. Bis wir schließlich unterwegs Richtung Heimat waren, war es inzwischen spät geworden. Nichtsdestotrotz brachte uns Armin sicher zurück nach Hause, wo ich müde, um 2.00 Uhr morgens, endlich aus dem Auto stieg.

24 Stunden am Großglockner waren zu Ende gegangen.
Ein langer Tag liegt hinter uns

 
Fazit der Tour: Der Großglockner ist bei sicheren Witterungsbedingungen eine sehr schöne und imposante Hochtour.  Bei guter Vorbereitung bzw. sicheren BergkameradInnen ist der Berg ein beeindruckendes Erlebnis.
Gemütlicher ist es, den Berg auf 2 Tage "aufzuteilen". Am ersten Tag Aufstieg bis zur Erzherzog-Johann-Hütte und am Nachmittag den Gipfel zu besteigen. Anschließend den Sonnenuntergang genießen und am nächsten Tag absteigen und die Heimreise antreten.
Man muss jedoch, an schönen Tagen mit sehr vielen BergsteigerInnen rechnen und sollte sich, von der teilweise herrschenden Hektik nicht anstecken lassen. Das ist aber leichter gesagt als getan.
Unterschätzen sollte man den Berg aber auf gar keinen Fall!


Tourengänger: mountainrescue


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Kommentare (4)


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Sputnik Pro hat gesagt: Gratuliere zur 24h-Tour
Gesendet am 7. März 2012 um 09:57
Super Leistung, den Großglockner in einem Zug zu besteigen, auch wenn es so ursprünglich nicht geplant war. So etwas ähnliches machte ich am Musala, dem höchsten Berg Bulgariens.

Beim Leiterl und dem Übergang vom Klein- zum Großglockner sah ich letztes Jahr, als ich schon im Abstieg war, einige Alpinisten die überfordert waren und / oder ziemlich gestresst trotz den optimalen Bedingungen. Da wundert es mich wahrlich nicht dass sich dort immer wieder Unfälle ereignen.

Gruss, Sputnik

mountainrescue hat gesagt: RE:Gratuliere zur 24h-Tour
Gesendet am 7. März 2012 um 12:54
Hallo Sputnik!
Danke für deinen Kommentar. Der 24stünder war ja nicht wirklich geplant und ich bin froh, dass ich nicht mehr die 4 Stunden nach Hause fahren mußte...

Da oben spielt es sich, zeitenweise, ganz schön ab. Ich war doch einige Male oben und da habe ich von: "Mit dir geh ich nie mehr auf den Berg!" bzw. dem Nervenzusammenbruch nahe BergsteigerInnen, alles gehört und gesehen.

Mich wundert's, bei dem Andrang, dass nicht wesentlich mehr passiert!!! Der Großglockner übt eine Faszination auf uns ÖsterreicherInnen aus (und nicht nur auf uns) und so will halt jede(r) BergsteigerIn, zumindest, einmal auf dem Gipfel stehen.
Herzlichst
Erich

tschiin76 hat gesagt: Hast du..
Gesendet am 7. März 2012 um 17:54
...mal noch etwas vom Verunfallten gehört?

LG

mountainrescue hat gesagt: RE:Hast du..
Gesendet am 8. März 2012 um 10:49
Ja, er hat sich bei uns für die Hilfe bedankt!

LG
MR


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