Säntis Chammroute


Publiziert von Becks , 24. August 2011 um 17:18.

Region: Welt » Schweiz » Appenzell
Tour Datum:17 Januar 2009
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Alpstein   CH-AI   CH-AR   CH-SG 
Zeitbedarf: 4:00
Aufstieg: 1150 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Per Auto oder postbus bis zur Schwägalp

Kurzes Vorwort:
Auf die Route wurde ich durch Michael Boos vor einigen Jahren aufmerksam gemacht, mit dem Hinweis, dass es sich um einen sehr schönen Anstieg im Winter handelt. Zusammen sind wir die Route 2x gegangen, einmal mit der Gipfelturmvariante, einmal als Überschreitung mit Abstieg über den Normalweg (Tierwis - Schwägalp). Dies hier war mein erster Soloausflug über diese Route.


Ausrüstung:
Steigeisen, 2 Eisbeile, Helm. Für die Sicherung eines Nachsteigers womöglich ein 30m Halbseil, als Vorsteiger hat es nicht wirklich viele Punkte, an denen man etwas am Untergrund befestigen kann. Für die Variante (Gipfelturm direkt) würde ich zwei Halbseile, ein paar Exen, zwei oder drei Klemmkeile und ein oder zwei Friends einpacken.
 

Grobe Route:
Startpunkt ist die Schwägalp. Vom Restaurant aus folgt man einem Winterwanderweg und erklimmt dann über ein kurzes den Chammhalden, der sich bis zum Massiv des Säntis hinzieht. Vom dortigen Einstiegspunkt folgt man dem Hang durch Rinnen bzw. ebeneren Zwischenpassagen aufwärts (II, bei Verhauer schnell mal III, meistens 35°, Stellen auch mal 50°), bis man den Grat zwischen Gierenspitze und Öhrli erreicht. Man steigt dann dicht am Fels der Gierenspitze haltend etwa 50 Hm ab, quert zum Blauschnee und erreicht dann in einer kleinen Kerbe unterhalb des Gipfelaufbaus den Normalweg. Ab dort geht es dann noch die letzten Hm am Stahlseil rauf zur Bahn. Als Variante kann vom Blauschnee aus zum Gipfelturm gequert und dieser direkt erklommen werden (III+).

Reguläre Knackpunkte sind eine Querung im oberen Drittel, bei man einem Band schräg nach rechts oben folgen muss sowie die anschliessende Rinne (II). Zur Not kann hier aber über ein breites Band in Richtung unterer Stützpfeiler der Bahn ausgebrochen werden. Nicht reguläre Knackpunkte bieten Verhauer (siehe auch Bilder).


Tourenbericht:
Sa. 17.01.09., Im Norden nix Neues. Seit Wochen kein Neuschnee, die Pulverhänge entweder zerpflügt oder zu Eis erstarrt, bäää für Skitour. Am Sonntag soll zudem die Schönwetterlage einbrechen, also bleibt nur ein Tag für einen Ausflug.

8:00 Uhr - 100% bedeckter Himmel, sieht nicht wirklich gut aus. Kommt die Schlechtwetterfront doch zu früh? Also eben in der Bude herumkramen, was solls.

10:00 Uhr - wo sind die Wolken hin und Mist, nun ist es zu spät, oder nicht? Blick auf den Fahrplan der Säntisbahn, 17 Uhr fährt die Letzte ins Tal. Bleiben 7h für Packen, Anfahrt und Tour, wird knapp.

11:40 Uhr - Abmarsch an der Schwägalp.

12:00 Uhr - Die ersten Meter mit Eisen zeigen schon gleich, was weiter geboten wird. Ein kurzer steilerer Quergang, dann die erste Rampe rauf mit einer kleinen Nase mit 55°. Der weitere Weg folgt der im Aufstieg sichtbaren Rinne und ist relativ einfach.
 
ca 13 Uhr. Verheddert, juchei. Ich steh am oberen Ende eines Rinnenabschnitts an einem Felsriegel und kann entweder lässig nach links mich hinaus tasten, oder den dort beginnenden Felsgrat angehen. Der Fels sieht gut aus, also direkt hinauf.
 
ca 13:30 Uhr Wieder verheddert, Mist. Die Rinne verengt sich und endet 15m weiter oben in einem Felsriegel. Netterweise existiert zwar ein kleiner Durchschlupf, aber da sitzt eine Wechte drin und grinst mich an. Ein kurzer Aufstieg und zwei Ausbruchsversuche auf den Grat rechts davon zeigen: Nein, das wird hier nix. Zu steil, kaum Griffe und Tritte, und dann ein unbekannt verlaufender Grat. Also wieder runter, Ausbruch nach links in eine steilere Zone, welche sich um einen Felskopf herum zieht. Sieht auch mies aus, der Firn ist unterhölt und trägt nicht, k.A. ob darunter nun Stufen sind oder es sich um eine blanke Felsplatte bis runter handelt. Also wieder Umkehr. Zwischendrin dann der dritte Anlauf. Eine schmale Vertiefung 3m rauf, dabei immer schön den morschen Schnee entfernt und Stufen gesucht (Auch gefrorener Dreck bietet Beilen Halt). Am Felsriegel dann eine ebenso schmale Rinne steil nach links rauf (die ist zum Glück sehr ausgeprägt und bietet einige Griffe), dann einmal etwas wackelig in eine Verschneidung hinein und hoch geklemmt, ein wackeliger Tritt ohne guten Halt, zwei, drei weitere interessante Bewegungen und schon bin ich wieder im steilen, mit Gras durchsetzten Mix. Die Beile haben wieder Halt, die Füsse auch, weiter.

ca 14:30 Uhr die letzte schwierigere Passage kommt näher. Nachdem ich einen breiten Abschnitt mit wenig Gefälle hinter mich gebracht habe, folgt nun eine Querung und die finale Rinne. Die Querung ist dank Firn problemlos, wenn auch steil, zudem sind noch ein paar alte Spuren von anderen Leuten im Firn eingegraben und bieten Halt. Auch der untere Teil der Rinne ist unspannend, lediglich von oben rieseln Eisstücke und Kieselsteine herab. Im mittleren Teil dann noch einmal Spass. Der Fels ist relativ blank gefegt, aber leider gilt das auch für den Ausstieg in den oberen Teil. Also ein paar nette Tritte folgend nach rechts raus auf den Grat (so wie früher schon einmal) und wieder steh ich im Dreck. 50° steil ist der Grat und gerade so abgeblasen, dass man nicht im Firn klettern kann, aber auch nicht den Untergrund sieht. Super gelöst, Herr Beck, die Rinne wäre doch vielleicht das kleinere Übel gewesen. Also erneut mit den Beilen hochtasten und die Spitzen am Fels platt hauen, bis 10m weiter oben endlich griffiger Firn auftaucht. Dann noch eben vom Grat in die Rinne zurück gequert (super Herr Beck, man sieht nix und die Beile halten auch nicht wirklich), dann ist der Rest Ehrensache. Im starken Fön hoch zur Kante, runter zum Blauschnee und dann die Eisenstiegen rauf zur Bahn.

15:30 Uhr - Touchdown und Begrüssung durch einen Bahnmitarbeiter ("Hab Dich von der Bahn aus g'sehn, wie isses denn?"), die Kleiderfarbe ist also korrekt, man verliert mich nicht so leicht. Kurzer besuch auf der Gipfelterasse, dort eine Touristin vom Blankeis "retten" und dann per Bahn runter.


 


Tourengänger: Becks


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Kommentare (9)


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marmotta hat gesagt:
Gesendet am 24. August 2011 um 19:12
Interessanter Bericht, der eindrücklich dokumentiert, wie eine im Sommer bzw. bei schneefreien Verhältnissen einfache Wanderroute im Winter zum hochalpinen Unternehmen wird!

Im oberen Drittel hätte es nach dem Geröllband - also v o r der heiklen Rinne, wo Du offenbar auf den Sporn rechts davon geraten bist, einen u.U. einfacheren Ausstieg nach links über das Band und weiter direkt zum Hüenerberg gegeben (s. hier), wobei ich nicht genau weiss, wie gut der oberste Felsabschnitt im Winter gangbar ist...

G.
marmotta

alpstein hat gesagt: Einfache Wanderroute ?
Gesendet am 24. August 2011 um 21:37
Hallo Michael,

die Chammhaldenroute ist aus meiner Sicht nicht besonders schwierig, wenn man in der "luftigen Querung" mental kein Problem hat. Sie als "einfache Wanderroute" zu bezeichnen halte ich nicht für okay. Oder willst Du uns zeigen, was Du für ein toller Alpinist Du bist?

Ich habe großen Respekt vor dem, was Du im Alpstein schon alles gemeistert hast. Ich bitte aber um etwas seriösere Kommentare in diesem Forum.

Danke und Grüße
Hanspeter

marmotta hat gesagt: RE:Einfache Wanderroute ?
Gesendet am 24. August 2011 um 22:00
Lieber Hans-Peter,

noch mal (womit wir fast wieder bei dieser Diskussion wären: Die "Chammhaldenroute" am Säntis IST -per definitionem- technisch einfach: es hat eine fast durchgehende Wegspur und die Kraxelei über insgesamt 3 Felsstufen übersteigt den I. Schwierigkeitsgrad nicht. Mithin handelt es sich um eine Wanderung (T5). Als solche beschreibt sie im übrigen auch der Säntisführer. Um dort (im Sommer und bei trockenen, insbesondere schneefreien Verhältnissen wohlgemerkt!) aufzusteigen, muss man wahrlich kein "toller Alpinist" sein. Dass ein Fehltritt an einigen Stellen fatale Folgen haben kann, liegt naturgemäss am Gelände, durch das die Route verläuft - das triftt aber genauso auf ganz viele andere Wanderwege im Alpstein zu.

Auf keinen Fall habe ich zum Ausdruck bringen wollen, dass es sich um einen völlig gefahrlosen Weg handelt, mir ging es hier ausschliesslich um die technischen Schwierigkeiten - und die sind m.E. (im Sommer bzw. in der schneefreien Zeit) gering. Ich denke, Du weisst, dass ich immer auf potenzielle Gefahren hinweise, so auch in meinen Berichten zur Chammhaldenroute, die bei Schnee und Eis ohne enstsprechende Ausrüstung und Können lebensgefährlich sein kann!

G.
marmotta

alpstein hat gesagt: RE:Einfache Wanderroute ?
Gesendet am 25. August 2011 um 09:07
Hallo Michael,

danke für Deine Antwort.

Was mich an Deinem Kommentar gestört hat, war die Bezeichnung "einfache" Wanderroute und ich habe mich gefragt, ob die anderen Routen, die auf den Säntis führen, dann wohl als "Spazierwege" zu qualifizieren sind, was aber sicher nicht der Fall ist.

Ich habe mir auch die Chammhalden-Berichte gerade noch einmal zu Gemüte geführt. Die Route wird durchweg mit T5 und teilweise bis II bewertet. Somit denke ich, dass das Adjektiv "anspruchsvoll" die objektiven Schwierigkeiten, die den Bergtourer auf dieser Route erwarten, besser wieder gibt. Dies kommt auch in den meisten Berichten so zum Ausdruck.

Aber nix für ungut.

Grüße nach Konstanz
Hanspeter







alpstein hat gesagt: RE:Einfache Wanderroute ?
Gesendet am 26. August 2011 um 04:33
Hallo Michael,

nachdem ich 2x über meinen ersten Kommentar geschlafen habe, möchte ich ihn, was meine etwas krasse Wortwahl Dir gegenüber anbelangt, revidieren, was die Einschätzung der Route anbelangt, aber so belassen.

Grüße
Hanspeter

marmotta hat gesagt: Denk ich an die Chammhalden in der Nacht...
Gesendet am 26. August 2011 um 07:20
Jetzt hab ich aber doch fast ein schlechtes Gewissen - wenn ich sehe, dass Dich mein Kommentar offenbar auch noch um den Schlaf bringt (oder ist die frühe Uhrzeit Deines Kommentars der grossen Hitze bzw. dem damit verbundenen frühen Aufbruch zu einer Tour geschuldet?) ;-)

Im Ernst: Ich denke, wir sollten (hier auf Hikr und auch anderswo im Leben) nicht immer jedes Wort auf die Goldwaage legen. Aus dem Zusammenhang gerissen, tönt "einfacher Wanderweg" in Bezug auf die Chammhaldenroute ja schon etwas krass. Meine Aussage bezog sich aber ausdrücklich auf den frappanten Unterschied der Schwierigkeiten zwischen Sommer und Winter. Und im Verhältnis zu den Schwierigkeiten, wie sie Becks hier für seine Solo-Winterbegehung beschreibt, kann man die Route im Sommer aus meiner Sicht sehr wohl als "einfach" bezeichnen.

Aber, jedem seine Meinung...

G.
marmotta

Becks hat gesagt: RE:Denk ich an die Chammhalden in der Nacht...
Gesendet am 26. August 2011 um 09:28
Ich kann ja hier mal eine Brücke schlagen. :)

Fügt man ein Wort hinzu, schon klingt die Aussage viel passender:

"Interessanter Bericht, der eindrücklich dokumentiert, wie eine im Sommer bzw. bei schneefreien Verhältnissen vergleichsweise einfache Wanderroute im Winter zum hochalpinen Unternehmen wird!"

alpstein hat gesagt: RE:Denk ich an die Chammhalden in der Nacht...
Gesendet am 27. August 2011 um 06:08
Danke, ja so liest sich das Ganze schon viel anders.


alpstein hat gesagt: RE:Denk ich an die Chammhalden in der Nacht...
Gesendet am 27. August 2011 um 06:07
...das frühe Aufstehen war einer Tour geschuldet ;-)

Gruß
Hp


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