Hänge(ten)partie
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Wohl jedem Alpsteinwanderer, der schon mal den klassischen "Säntisweg" zwischen Ebenalp und Säntis begangen hat, dürfte das wuchtige und langgestreckte Bergmassiv der Hängeten aufgefallen sein. Abweisende Felswände, furchterregend steile Gras-Schrofen-Flanken und ein stellenweise extrem ausgesetzter und brüchiger Felsgrat machen ihn jedoch zu einem unnahbaren und (dem Wanderer) unbekannten Gipfel. Und genau das reizt den Alpinwanderer, denn klettertechnisch bietet der Aufstieg auf den Grat und dessen Überschreitung bis zum höchsten Punkt keine nennenswerten Schwierigkeiten, es ist vielmehr die Exponiertheit und der äusserst brüchige Fels, welche die Begehung zu einer Nerven- und Mutprobe machen, die höchste Konzentration und Vorsicht verlangt! Seit dem 01. August 2009 hat es auf dem höchsten Punkt (2211 m) ein Gipfelbuch, das dankenswerterweise von
Urs und
Stefan Ammann gespendet und deponiert wurde. Und da der Berg so unendlich langgezogen ist, weist er sinnigerweise mehrere Gipfel auf, namentlich West-, Haupt- und Ostgipfel. Auf letzerem befindet sich ebenfalls ein (historisches) Gipfelbuch, wie wir seit dieser unglaublichen Tour von
Delta und
Maveric wissen…
Die Wetterfrösche kündigten für heute den letzten 100 %-gewitterfreien Tag für diese Woche an - also schnell einen freien Tag genommen und ab in den Alpstein. Denn dort hatte ich noch eine offene Rechnung zu begleichen: Bei meinem ersten Versuch, den höchsten Punkt der Hängeten (2211 m) zu erreichen, hatte sich mir eine Horde halbstarker Steinböcke in den Weg gestellt, der zweite Versuch war dann eher halbherzig, war eine Begehung des Hängeten-Grats dazumals wegen eines starken Föhnsturms ohnehin völlig aussichtslos. Aller guten Dinge sind drei, sagte ich mir - und plante, heute auf ziemlich direktem Weg von der Schwägalp zum Hüenerberg aufzusteigen, um so noch vor der grossen Mittagshitze die Hintere Öhrligrueb und damit den Einstieg in den Nordkamin der Hängeten zu erreichen.
Der Aufstieg zum Hüenerberg über die Chammhalden-Route galt eine Zeit lang wohl einmal als Geheimtipp für einen einsamen Aufstiegsweg zum Säntis. Zwischenzeitlich ist die Route allerdings derart stark frequentiert, dass sich ein deutlicher Weg herausgebildet hat, unterbrochen von drei kurzen Felskraxelpassagen, die ebenfalls entsprechend "poliert" sind. Und selbst heute, an einem "stinknormalen" Werktag war ich nicht der Einzige in der Route: Mit mir stieg ein anderer Berggänger mit dem gleichen Ziel aus dem Postauto, so dass wir das erste Stück bis zum grossen Geröllband auf ca. 2050 m gemeinsam gingen. Dort trennten sich unsere Wege. Während mein vorübergehender Begleiter der "klassischen" Route mit direktem Ausstieg im Hüenerbergsattel folgte, um von dort den Girenspitz über dessen Nordostgrat zu erreichen, hielt ich mich links und querte in nordöstlicher Richtung das grosse Geröllband. Auch diese Variante der Chammhalden-Route ist mit (teils verblassenden) orangen Punkten bzw. Strichen markiert, sie scheint aber nicht mehr begangen zu werden, es finden sich praktisch keine Begehungsspuren. Die Schwierigkeiten sind ähnlich denen auf der klassischen Chammhaldenroute (T5), während allerdings dort durch die häufigen Begehungen alles mehr oder weniger ausgeräumt ist, verlangt das viele lose Material auf der von mir begangenen "alten" Variante eine ziemlich vorsichtige Gangart. Bei noch vorhandenem (Alt-)Schnee ist von einer Begehung abzuraten, zumindest ohne Alpinausrüstung und entsprechende Erfahrung. Momentan sind die Verhältnisse sehr gut, es ist alles trocken und ein letzter, kleiner Altschneerest in dem grossen zu querenden Gerölltrichter kann problemlos umgangen werden. Der Ausstieg auf die Kammhöhe des Hüenerbergs erfolgt etwas westlich von P. 2309. War´s in der schattigen Nord"wand" des Säntis noch angenehm kühl gewesen, brannte nun die Julisonne ordentlich auf mein Haupt. In herrlicher, aussichtsreicher Gratwanderung überschritt ich den Hüenerberg (ein kleiner Steinmann ziert den Gipfel P. 2312) in seiner ganzen Länge und stieg am Ende zum Sattel der Höch Nideri (2121 m) ab. Die Überschreitung des Hüenerbergs ist nirgens schwierig, aber stellenweise etwas exponiert (T4). Nach Abstieg von P. 2312 weicht man einem Gratabbruch am besten in der Südflanke aus, wo auf schmalen Schrofenbändern traversiert werden kann (kurz T5).
Vom Höch Nideri-Sattel folgte ich kurz dem Wanderweg Richtung Öhrlisattel, der hier (drahtseil-)versichert ist, bis ich unterhalb des Nordkamins der Hängeten (etwa beim "u" des Wortes "Hinter Öhrligrueb" auf der LK) meinen Rucksack deponierte und zum Wandfuss aufstieg.
Der Nordkamin ist mit Schutt und Geröll beladen, was den Aufstieg bis zur ersten Verengung etwas mühsam macht (es kann aber auch gut links auf der begrenzenden Felsrippe aufgestiegen werden). Die erste enge Stufe im Kamin ist auch gleich die schwierigste: Die glatten Wände erfordern etwas Stemmarbeit und kräftigen Armeinsatz, für einigermassen gewandte Menschen aber auch im Abstieg gut zu bewältigen (II). Anschliessend in leichter, genussvoller Kletterei (T5, I) bis in die Scharte im Hängeten-Grat. Der sich von hier zum Hauptgipfel und höchsten Punkt ziehende Grat wird praktisch immer auf der Schneide begangen. Der erste Abschnitt ist ziemlich scharf und erfordert 1-2 Kletterzüge, anschliessend kann man auf einem breiten und leichten Abschnitt etwas durchschnaufen, bevor man sich dem letzten, unglaublich ausgesetzten und brüchigen Gratabschnitt vor dem Gipfel nähert (T6).
Da mir hier gleich mal das Herz in die Hose rutschte, probierte ich zunächst, über die Südflanke (ebenfalls ziemlich ausgesetzt) bis unter die Gipfelwand zu steigen, um den Gipfel allenfalls über diese zu erklettern. Dies erschien mir dann aber noch waghalsiger, so dass ich wieder zum Grat zurückkehrte und zunächst geduckt, später im Reitsitz über die nur aus scharfkantigen Felsblöcken bestehende Schneide hoppelte. Ging besser als ich dachte, dennoch war mir angesichts des äusserst brüchigen Gesteins und der bodenlosen Tiefblicke rechts und links von meinen Schuhen alles andere als wohl. Schliesslich musste ich ja auch wieder über diesen "Reitergrat" zurück - ich geb zu, ich bin schon entspannter auf einem Gipfel gesessen… ;-)
Das Gipfelbuch weist gerade einmal 10 Einträge auf, wobei ein nicht unerheblicher Prozentsatz von ein und demselben Begeher stammt.
Dass die Reit-Passage auf der Gratschneide über dem Felsenfenster nur mit äusserster Vorsicht und nach vorheriger Festigkeitsprüfung angegangen werden darf, zeigte sich auf dem Rückweg, als sich einer der Felsblöcke, der zuvor noch einen stabilen Eindruck gemacht hatte und über den ich auf dem Hinweg relativ sorglos drüber "geritten" war, unter der Belastung löste. Ich stiess den ca. 20 kg schweren Block die Südflanke hinunter, wo er unter lautem Getöse in tausend Stücke zerbrach...
Die Passage ist bei entsprechender Vorsicht gut zu bewältigen, wiederholen würde ich die Begehung aber eher nicht.
Vom Öhrlisattel (2119 m) folgte ich den markierten Wanderwegen über den Lötzlisalpsattel zum Schäfler, wo ich auf einen trüben Saft einkehrte, um das herrliche Alpstein-Panorama noch einmal in aller Ruhe zu geniessen.
Abstieg zur Ebenalp und von dort gelenkschonend mit der Seilbahn hinunter nach Wasserauen.
Tour im Alleingang




Die Wetterfrösche kündigten für heute den letzten 100 %-gewitterfreien Tag für diese Woche an - also schnell einen freien Tag genommen und ab in den Alpstein. Denn dort hatte ich noch eine offene Rechnung zu begleichen: Bei meinem ersten Versuch, den höchsten Punkt der Hängeten (2211 m) zu erreichen, hatte sich mir eine Horde halbstarker Steinböcke in den Weg gestellt, der zweite Versuch war dann eher halbherzig, war eine Begehung des Hängeten-Grats dazumals wegen eines starken Föhnsturms ohnehin völlig aussichtslos. Aller guten Dinge sind drei, sagte ich mir - und plante, heute auf ziemlich direktem Weg von der Schwägalp zum Hüenerberg aufzusteigen, um so noch vor der grossen Mittagshitze die Hintere Öhrligrueb und damit den Einstieg in den Nordkamin der Hängeten zu erreichen.
Der Aufstieg zum Hüenerberg über die Chammhalden-Route galt eine Zeit lang wohl einmal als Geheimtipp für einen einsamen Aufstiegsweg zum Säntis. Zwischenzeitlich ist die Route allerdings derart stark frequentiert, dass sich ein deutlicher Weg herausgebildet hat, unterbrochen von drei kurzen Felskraxelpassagen, die ebenfalls entsprechend "poliert" sind. Und selbst heute, an einem "stinknormalen" Werktag war ich nicht der Einzige in der Route: Mit mir stieg ein anderer Berggänger mit dem gleichen Ziel aus dem Postauto, so dass wir das erste Stück bis zum grossen Geröllband auf ca. 2050 m gemeinsam gingen. Dort trennten sich unsere Wege. Während mein vorübergehender Begleiter der "klassischen" Route mit direktem Ausstieg im Hüenerbergsattel folgte, um von dort den Girenspitz über dessen Nordostgrat zu erreichen, hielt ich mich links und querte in nordöstlicher Richtung das grosse Geröllband. Auch diese Variante der Chammhalden-Route ist mit (teils verblassenden) orangen Punkten bzw. Strichen markiert, sie scheint aber nicht mehr begangen zu werden, es finden sich praktisch keine Begehungsspuren. Die Schwierigkeiten sind ähnlich denen auf der klassischen Chammhaldenroute (T5), während allerdings dort durch die häufigen Begehungen alles mehr oder weniger ausgeräumt ist, verlangt das viele lose Material auf der von mir begangenen "alten" Variante eine ziemlich vorsichtige Gangart. Bei noch vorhandenem (Alt-)Schnee ist von einer Begehung abzuraten, zumindest ohne Alpinausrüstung und entsprechende Erfahrung. Momentan sind die Verhältnisse sehr gut, es ist alles trocken und ein letzter, kleiner Altschneerest in dem grossen zu querenden Gerölltrichter kann problemlos umgangen werden. Der Ausstieg auf die Kammhöhe des Hüenerbergs erfolgt etwas westlich von P. 2309. War´s in der schattigen Nord"wand" des Säntis noch angenehm kühl gewesen, brannte nun die Julisonne ordentlich auf mein Haupt. In herrlicher, aussichtsreicher Gratwanderung überschritt ich den Hüenerberg (ein kleiner Steinmann ziert den Gipfel P. 2312) in seiner ganzen Länge und stieg am Ende zum Sattel der Höch Nideri (2121 m) ab. Die Überschreitung des Hüenerbergs ist nirgens schwierig, aber stellenweise etwas exponiert (T4). Nach Abstieg von P. 2312 weicht man einem Gratabbruch am besten in der Südflanke aus, wo auf schmalen Schrofenbändern traversiert werden kann (kurz T5).
Vom Höch Nideri-Sattel folgte ich kurz dem Wanderweg Richtung Öhrlisattel, der hier (drahtseil-)versichert ist, bis ich unterhalb des Nordkamins der Hängeten (etwa beim "u" des Wortes "Hinter Öhrligrueb" auf der LK) meinen Rucksack deponierte und zum Wandfuss aufstieg.
Der Nordkamin ist mit Schutt und Geröll beladen, was den Aufstieg bis zur ersten Verengung etwas mühsam macht (es kann aber auch gut links auf der begrenzenden Felsrippe aufgestiegen werden). Die erste enge Stufe im Kamin ist auch gleich die schwierigste: Die glatten Wände erfordern etwas Stemmarbeit und kräftigen Armeinsatz, für einigermassen gewandte Menschen aber auch im Abstieg gut zu bewältigen (II). Anschliessend in leichter, genussvoller Kletterei (T5, I) bis in die Scharte im Hängeten-Grat. Der sich von hier zum Hauptgipfel und höchsten Punkt ziehende Grat wird praktisch immer auf der Schneide begangen. Der erste Abschnitt ist ziemlich scharf und erfordert 1-2 Kletterzüge, anschliessend kann man auf einem breiten und leichten Abschnitt etwas durchschnaufen, bevor man sich dem letzten, unglaublich ausgesetzten und brüchigen Gratabschnitt vor dem Gipfel nähert (T6).
Da mir hier gleich mal das Herz in die Hose rutschte, probierte ich zunächst, über die Südflanke (ebenfalls ziemlich ausgesetzt) bis unter die Gipfelwand zu steigen, um den Gipfel allenfalls über diese zu erklettern. Dies erschien mir dann aber noch waghalsiger, so dass ich wieder zum Grat zurückkehrte und zunächst geduckt, später im Reitsitz über die nur aus scharfkantigen Felsblöcken bestehende Schneide hoppelte. Ging besser als ich dachte, dennoch war mir angesichts des äusserst brüchigen Gesteins und der bodenlosen Tiefblicke rechts und links von meinen Schuhen alles andere als wohl. Schliesslich musste ich ja auch wieder über diesen "Reitergrat" zurück - ich geb zu, ich bin schon entspannter auf einem Gipfel gesessen… ;-)
Das Gipfelbuch weist gerade einmal 10 Einträge auf, wobei ein nicht unerheblicher Prozentsatz von ein und demselben Begeher stammt.
Dass die Reit-Passage auf der Gratschneide über dem Felsenfenster nur mit äusserster Vorsicht und nach vorheriger Festigkeitsprüfung angegangen werden darf, zeigte sich auf dem Rückweg, als sich einer der Felsblöcke, der zuvor noch einen stabilen Eindruck gemacht hatte und über den ich auf dem Hinweg relativ sorglos drüber "geritten" war, unter der Belastung löste. Ich stiess den ca. 20 kg schweren Block die Südflanke hinunter, wo er unter lautem Getöse in tausend Stücke zerbrach...
Die Passage ist bei entsprechender Vorsicht gut zu bewältigen, wiederholen würde ich die Begehung aber eher nicht.
Vom Öhrlisattel (2119 m) folgte ich den markierten Wanderwegen über den Lötzlisalpsattel zum Schäfler, wo ich auf einen trüben Saft einkehrte, um das herrliche Alpstein-Panorama noch einmal in aller Ruhe zu geniessen.
Abstieg zur Ebenalp und von dort gelenkschonend mit der Seilbahn hinunter nach Wasserauen.
Tour im Alleingang
Tourengänger:
marmotta

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