Die Wanderung der Nebelobergrenze: Tour von Brülisau auf den Säntis via Marwees


Publiziert von MouRa , 15. Oktober 2010 um 23:42.

Region: Welt » Schweiz » Appenzell
Tour Datum:15 Oktober 2010
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: Alpstein   CH-AR   CH-SG   CH-AI 
Zeitbedarf: 8:45
Strecke:Brülisau - Bärstein - Zahme Gocht - Alp Sigel - Bogartenlücke - Marwees - Widderalpsattel - Meglisalp - Ageteplatte - Unt. Messmer - Lötzlisalpsattel - Öhrlialpsattel - Blau Schnee - Hüenerbergsattel - Girenspitz - Säntis
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Brülisau: mit Postauto
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Säntis: mit Schwebebahn / Postauto

Ich habe mir heute frei genommen, um den wahrscheinlich letzten Tag in diesem Jahr für eine anspruchsvolle Wanderung voll auszukosten. Die Tour sollte die Überquerung der Marwees und die Besteigung des Öhrlis beinhalten. Beides für mich Neuland! Aber konnte ich mein Vorhaben in die Tat umsetzten?

Um 07:45 Uhr starte ich in Brülisau unter einer dicken Nebeldecke. Ich nehme den konditionell anspruchsvollen Anstieg zur Zahmen Gocht in Angriff. Höhenmeter um Höhenmeter bringe ich hinter mich, aber der blaue Himmel will und will sich nicht zeigen. Nach Bürstein sehe ich dafür auf den Grashalmen einen deutlichen Raureif: für mich eine Premiere in diesem Herbst.

Kurz vor der Überquerung der Zahmen Gocht ist es dann endlich soweit und ich kann erstmals den blauen Himmel bestaunen. Durch die ausreichende Sicherung auf den letzten Höhenmetern ist die Schwierigkeit dieses Anstiegs deutlich vermindert. So erreiche ich problemlos den höchsten Punkt und habe einen grossartigen Ausblick auf die andere Seite mit Alp Sigel, Hoher Kasten, Stauberenchanzlen etc.

Ich kann auf der Alp Sigel beobachten, wie der Nebel den Hohen Kasten immer mehr verschlingt; aber dazu später mehr. Das Teilstück bis zur Bogartenlücke ist relativ flach. Nur auf den letzten paar Metern hinauf zum Bogartenmannli sind noch einige Höhenmeter zurückzulegen. Zudem geniesse ich die wunderbare Morgensonne in vollen Zügen, die dann jedoch kurzzeitig verschwindet, als ich auf die Nordseite wechseln muss.

Da stehe ich also: bei der Abzweigung zur Marwees (nur Marwees ist T4). Ich habe die Tour so geplant und somit gibt es jetzt kein Zurück mehr. Hoffentlich reicht meine Schwindelfreiheit aus!

Gleich zu Beginn muss der Hang traversiert werden. Da kein Schnee mehr vorhanden ist, schaffe ich dieses kurze Stück problemlos. Der Weg führt danach in einer Rinne sehr steil und in kleinen Serpentinen angelegt nach oben. Dies ist natürlich anstrengend, aber auch nicht mehr. Oben angekommen bietet sich mir dafür ein ungewohntes Bild: ich sehe zum ersten Mal zwei Gipfel der Dreifaltigkeit von hinten.

Der Weg führt jetzt wieder in Richtung Nordosten dem Hang entlang hoch. Hier warten die ersten wirklilch ausgesetzten Stellen auf mich. Um die im Weg liegenden Felsblocken zu überqueren, benötige ich auch die Hände. Lieber keine 6 in der Ästethik, dafür sicher vorwärtskommen: das ist meine Devise!

Der Weg macht beim Abgrund, der etwa über der Bogartenlücke liegt, eine 180°-Kehrung und führt anschliessend weiter hoch bis zum Gipfelkreuz Marwees 1991 m. Zwei Wanderer tragen sich gerade ins Gipfelbuch ein. Ich warte kurz, um es ihnen dann gleich zu tun. Währenddessen kann ich beobachten, wie der Hohe Kasten immer mehr im Nebel verschwindet, bis nur noch seine Antenne zu erkennen ist.

Der nun folgende Gratweg ist mehrheitlich flach mit kleineren An- und Abstiegen. Er ist jedoch oft sehr ausgesetzt, wodurch Schwindelfreiheit und Trittsicherheit eine zwingende Voraussetzung ist. Der Weg ist jedoch stabil, d. h. es gibt Felsbrocken, an welchen man sich bei Bedarf  festhalten kann. Ich habe daher - im Gegensatz zu meinem Abenteuer an der Gocht vor einigen Wochen - keine Probleme.

Im Bericht von Ivo66 habe ich gelesen, wie er ein Steinmannli auf dem Gipfel von Marwees 2056 m erbaut hat. Ich bleibe daher nicht auf dem normalen Wanderweg, sondern steige den Spuren nach auf zu diesem Gipfel. Dort ist tatsächlich ein Steinmannli! Weglos steige ich im Lot wieder hinab zum Wanderweg.

Kurz darauf erreiche ich das Ende des blau-weissen Wegs und nehme "Kurs" in Richtung Meglisalp, welche sich leider bereits im Nebel befindet.

Dieser ist auch im problemlos zu meisternden Anstieg hinauf auf die Ageteplatte mein treuer Begleiter. Erst einige hundert Meter vor dem höchsten Punkt zeigt sich wieder der blaue Himmel und so nutze ich die Gunst der Stunde und mache meine wohlverdiente Mittagspause.

Als der Nebel steigt und steigt und ich schliesslich in der Nebelsuppe sitze, beende ich meine Pause und nehme den Abstieg in Angriff. Der obere Teil ist äusserst steil und wahrscheinlich ausgesetzt (ich sehe max. 10 Meter weit!), jedoch fast durchgehend mit Stahlseilen gesichert.

Meine Tour führt mich weiter zum Unteren Messmer und dann hinauf zum Lötzlisalpsattel. Ich würde gerne etwas darüber schreiben, aber leider beträgt meine Sichtweite nach wie vor max. 10 Meter. Ich kann nur erahnen, dass der Weg teilweise ausgesetzt sein muss! Ich bin hier bereits einmal durchgelaufen, aber das ist schon ein Weilchen her...

Endlich auf fast 2000 M. ü. M. verzieht sich der Nebel und ich habe freien Blick auf die Altenalptürm. Beeindruckend, wie sie da stehen und unten nichts als Nebel.

Im Schatten, aber zumindest über dem Nebel, geht es weiter - vielfach über Geröll - in Richtung Öhrlisattel. Das Öhrli ist gut zu erkennen und mit seiner einzigartigen Form wunderschön anzusehen.
Auf dem Sattel angekommen verzichte ich aufgrund der forgeschrittenen Zeit (es ist 14:45 Uhr und um 17:22 Uhr fährt das letzte Postauto ab der Schwägalp) und der Tatsache, dass ich mich ziemlich müde fühle, auf die Besteigung des Öhrli. Das steht wohl auch im nächsten Jahr noch dort!

Anstattdessen wartet ein ziemlich mühsam zu begehender Weg auf mich: immer wieder müssen grosse Felsbrocken überstiegen werden, wodurch ich nur langsam vorwärtskomme. Man erinnere sich: das letzte Postauto...

Als ich den Säntis bereits nahe vor mir sehe, wundere ich mich, wo denn der Blau Schnee bleibt. Ist er vielleicht schon komplett geschmolzen? Nein, das ist er nicht: ein kleiner kümmerlicher Rest - gefroren - liegt noch dort. Ich muss aufpassen, dass ich nicht ausrutsche. Die nachfolgenden letzten Höhenmeter bis zum Hüenerbergsattel erfordern nochmals meine ganze Konzentration. Mit Stahlseilen bestens abgesichert führt der Wege am Fels entlang hoch. Das eine oder andere Mal ist auch der Einsatz der Hände zu empfehlen.

Da ich jetzt doch ein bisschen schneller gewesen bin als erwartet und kurz vor dem Ziel auch die Müdigkeit nicht mehr so spürbar ist, mache ich einen kleinen Abstecher hinauf auf den Girenspitz. Hier sehe ich zum ersten Mal, welche beeindruckenden Bilder die mittlerweile über 2000 M. ü. M. liegende Nebelgrenze an den Himmel zaubert. Von den sieben Churfirsten ragen nur noch die Spitzen aus dem Nebel heraus. Der Glärnisch und der Tödi ist ebenso zu erkennen. Dafür sind die sonst so schön anzusehenden Nagelfluhberge, mit dem Speer als höchsten, verschwunden.

Ich mache mich wieder auf den Weg, um dieses beeindruckende Panorama auch auf dem Säntis noch geniessen zu können. Über die gut gesicherte, aber steile "Himmelsleiter" erreiche ich in wenigen Minuten König Säntis. Heute zum Glück ohne Gegenverkehr auf diesem Engpass.

Auf den Terrassen bin ich überwältigt von den Ausblicken, welche sich mir bieten. Ich bin noch nie an einem Tag mit so hoher Nebelobergrenze auf dem Säntis gewesen. Die tieferen Berge sind zwar nicht zu sehen, die Fernsicht auf die höheren ist aber umwerfend! So kann ich mich fast nicht losreissen, muss dann aber doch mit der Schwebebahn auf die Schwägalp reisen, um das Postauto nicht zu verpassen!

Fazit: Eine wiederum wunderbare Tour im Alpstein, auf welcher ich einiges zwar nicht sehen konnte. Das, was ich sah, sah ich aber in einer neuen und beeindruckenden Perspektive. Schade, dass es für das Öhrli nicht mehr gereicht hat!

Tourengänger: MouRa


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Kommentare (4)


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alpstein hat gesagt:
Gesendet am 16. Oktober 2010 um 08:19
Alle Achtung, das Pensum dieser Tour würde mir für drei reichen ;-)

Der Herbst zeigt sich auf den tollen Fotos von seiner schönsten Seite.

Grüße
Hanspeter

MouRa hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. Oktober 2010 um 09:21
Hallo Hanspeter

Ich habe dieses Jahr zeitlich deutlich längere Touren gemacht. Aber irgendwie scheint diese das gewisse Etwas in sich gehabt zu haben, denn im Anstieg zum Öhrlisattel war ich total kaputt und kam nur noch im Schneckentempo vorwärts.

PS: Ich musste das Pensum in einer Tour machen, zumal nur vom Säntis eine Schwebebahn runter fährt. Und man muss ja auf die Knie achten...

Gruss MouRa

Kobe15 hat gesagt:
Gesendet am 21. Oktober 2010 um 20:28
Hallo MouRa, gratuliere dir zum eindrücklichen Bericht. Das war eine beachtliche Tour! Die Fotos sind einzigartig - so hat auch der Nebel seinen Reiz (aber erst wenn man drüber ist).
Gruss Kobe15

MouRa hat gesagt: RE:
Gesendet am 22. Oktober 2010 um 19:39
Danke, Kobe15. Tatsächlich war der Mittelteil im Nebel nicht "allzu" interessant. Die einzigartigen Ausblicke vor- und nachher waren jedoch Entschädigung genug.

LG MouRa


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