Dent Blanche 4357m (Süd- / Wandfluegrat)
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Der "Weisse Zahn" im Wallis - Dent Blanche 4357m via Südgrat
Touren, bei welchen man ein paar Tage nach Erreichen des Gipfels immer noch die Mundwinkel nach oben verzieht, gleichzeitig ein Gefühl von Freude aber auch Stolz verspührt, glücklich ist, auch "dabei" gewesen und doch froh, wieder unten zu sein - das sind die Momente im Leben, welche definitiv in Stein gemeisselt und garantiert nicht in Sand geschrieben sind. Die bleiben - für immer und ewig. Und genau so eine Tour ist die Dent Blanche 4357m mit dem Auf- bzw. Abstieg über den Südgrat, auch genannt Wandfluegrat. Ein Feuerwerk von Eindrücken und Gefühlen.
Rückblick: Einige Monate ist es her, als ich via Hikr.org meinen Seilpartner und Vorsteiger alpinpower kennengelernt habe. Inmitten einer hitzigen Hikr-Diskussion schrieb er mir mit motivierenden und aufmunterenden Worten, ich soll doch einfach drüber hinweg schauen und mit ihm einmal auf eine Tour kommen. Die Höhenluft sei genau das richtige und er hätte diverse Projekte, kleinere wie grössere und eines davon war die Dent Blanche. Für mich fernab der Realität, war dieser Gipfel doch einerseits in einer für mich noch unangetasteten Region, dazu kam, dass ich der Meinung bin, dass man für solche Touren ein eingespieltes Team sein sollte, wo nicht nur die Kondition und die Theorie stimmt, sondern eben auch das Zwischenmenschliche, insbesondere das gegenseitige Vertrauen. Und genau dieses Vertrauen konnten wir in der Zwischenzeit aufbauen und einem Abenteuer wie dasjenige der Dent Blanche stand nichts mehr im Wege.
Während alpinpower mit seiner SAC-Sektion auf dem Nadelhorn 4327m herumturnt, besteige ich zur Akklimatisation am 7. August im Val d'Hérens den "Wander-3000er" Mont de l'Etoile 3370m. Am Sonntag, 8. August, treffen wir uns in Evolène, fahren mit dem PW nach Ferpècle, wo es am Strassenende bei P. 1828 einen grossen kostenlosen Parkplatz hat. Ein paar Meter weiter oben steht sogar noch eine Gaststätte , wo man sich für den langen Hüttenaufstieg ein letztes Mal stärken könnte.
Der Hüttenaufstieg zu der offiziell höchst gelegenen bewarteten SAC-Hütte, der Cabane de la Dent Blanche 3507m, ist sehr abwechslungsreich und mit rund 1700 Höhenmeter einer der längsten in der Schweiz. Bis zum Gletscherbeginn weisen rot-weisse Markierungen den Weg, ab dann führen blau-weisse Markierungen oder Markierungsstäbe zur Hütte. Vorallem die Etappe nach dem Gletscherbeginn nimmt Zeit in Anspruch - sei es wegen dem vielen Geröll, über welches man steigen muss oder dann wegen dem weichen Firnfeld, über welches man zuoberst die Hütte erreicht. Steigeisen könnten hier evtl. bei kalten Temperaturen nützlich sein - in unserem Falle blieben diese im Rucksack, das Schweisstuch kam schon eher zum Einsatz. Grösste Gefahr bildet meines Erachtens eher die letzten 20 Meter vor der Hütte - schliesslich steht die Hüttentoilette, ein klassisches Alpen-Plumpsklo, nur wenige Meter vom Aufstieg entfernt und je nach Windrichtung kann denn hier schon mal das eine oder andere Klopapier geflogen kommen... Ausnahmsweise darf man dann zu Recht Scheisse sagen... Wer übrigens genügend Zeit hat wie wir, der macht besser unterhalb des grossen Firnfeldes seine Mittags- und Sünnelepause, denn es besteht durchaus das Risiko, dass auf der kleinen Hüttenterrasse ein derart starker Wind weht, welcher einem trotz Sonnenschein in die Hütte zwingt.
Die Cabane de la Dent Blanche ist mit 55 Betten zwar reichlich ausgestattet, dadurch aber, dass diese auf 2 Stöcke verteilt sind, müssen sich alle 55 Alpinisten für die Futterpause auf den selben Quadratmetern im Parterre aufhalten. Dass es dann schnell einmal sehr eng werden kann - es essen alle gleichzeitig - ist selbsterklärend. Die Hüttenwartin mit ihrem nepalesischen Hüttengehilfen - ein Himalaya Sherpa - machen jedoch einen grossartigen Job und auch das Essen darf gelobt werden. Wer sich dann noch freiwillig zum Abtrocknen des Geschirr meldet, wird mit einem feinen Grappa belohnt - mir wackeln noch heute die Ohren davon... Frühstück ist exakt um 04.00 Uhr, entsprechend liegen die meisten schon vor 22.00 Uhr unter den kratzenden Wolldecken. Die Hütte ist übrigens nur während 10 Wochen im Jahr bewartet und dies auch nur, wenn keine grösseren Schneefälle angesagt sind. Andernfalls geniesst die Hüttencrew einen Heliflug und macht einen Abgang ins Tal. Die Toilette Marke “Natur pur” ist wie erwähnt draussen neben der Hütte, immerhin haben 2 WC-Ringe den Weg hinauf gefunden, sodass wenigstens das obligatorische Absitzen (ja ja, liebe Männer!) zu keiner Tortur wird. Wasser ist wie so oft auf dieser Höhe Mangelware – der Brunnen neben der Hütte tropft mehr als dass er läuft und die beiden Regenfässer, welche mit Schnee gefüllt sind, können das morgendliche Zähneputzen auch nicht angenehmer gestalten. So schmunzle ich ein wenig beim Gedanken an die “Dent Blanche” – denn wirklich weisse Zähne dürfte wohl niemand auf dem Gipfel oben haben – entweder, man hat sich diese während dem Aufstieg bereits ausgebissen oder aber die Menükarte der Hütte lässt sich daran ablesen (bzw. abriechen)...
9. August, 03.45 Uhr – mehrere Wecker klingeln. Noch nie habe ich es erlebt, dass auf einen Schlag eine beinahe ausgebuchte Hütte vollständig geschlossen aufsteht – endlich weiss ich, wie es ist, als Ameise in einem Ameisenhaufen zu leben. Und man glaubt es kaum, trotz der mangelnden Platzverhältnisse sitzen alle schön brav um 04.00 Uhr am Frühstückstisch – es gleicht ein wenig dem Matterhorn-Hörnlihütte-Frühstück, wenn alle Aspiranten bereits mit Klettergstältli und schweren Schuhen ausgerüstet ihre Mahlzeit einnehmen.
Wir verlassen die Cabane exakt um 04.22 Uhr, steigen im Lichte unserer Stirnlampen unter tausenden von leuchtenden Sternen über die direkt hinter der Hütte beginnenden Felsrippe zum ersten Schneefeld auf. Hier seilen wir an, montieren unsere Steigeisen und steigen über den kurzen steilen Schneegrat zur Wandfluelücke 3701m hinauf. Es folgt ein weiterer Gratrücken aus Schutt, man umgeht zuoberst P. 3882 rechts und kommt zur Traversierung zum eigentlichen Südgrat, welche über teilweise steil abfallender Firn führt. Während wir P. 3907 dicht hintereinander links umgehen, steigt mein Pulsschlag auf ein Maximum - solche steilen, schräg abfallenden Etappen mit hartgefrorenem Firn, manchmal sogar beinahe Blankeis, mag ich überhaupt nicht und ich bin froh, als wir den Einstieg im Fels unbeschadet erreichen.
Wieder einfacher geht es auf harter Materie steil nach oben, erste Gratbuckel werden übergangen und schon stehen wir vor dem markanten und auch bekannten Grand Gendarme 4097m. Die Sonne steigt just in diesem Moment in den farbenfrohen Himmel, einmal mehr kommen wir in den Genuss eines unvergesslichen Farbenspiels, welches wir aufgrund prominenten, nun beleuchtenden Gipfel so schnell nicht vergessen werden. Wir geniessen die willkommene Wärme, der Wind zieht noch arg um unsere Ohren, die Vorfreude ist riesig - wir wollen hoch zum Gipfel!
Man könnte nun diesen markanten Felsturm überklettern (IV, H) - wie viele andere Seilschaften weichen auch wir links in die Westflanke aus und steigen bei den Eisenstiften angekommen ohne Zwischensicherungen steil hoch bis zum kleinen Joch hinter dem Grand Gendarme. Nun ist es auch Zeit, dem Körper endlich mal wieder ein wenig Energie hinzuzuführen - gerade dieses Joch ist ein perfekter Platz dazu. Erstens können andere Seilschaften problemlos an einem vorbei ziehen, zweitens lässt das Panorama der nun goldig beleuchteten Walliser Gipfel keine Wünsche offen und drittens kommt man so vielleicht in den Genuss, wenn gerade Alpinisten den äusserst ausgesetzten Grand Gendarme überklettern - ein Schauspiel par Excellance.
Für die weitere Kletterei über die folgenden Türme verweise ich auf die Führerliteratur, wobei wir hier wahrscheinlich nicht alles exakt so gemacht haben, wie vorgegeben. Gerade die Stelle, welche man scheinbar rechts umgeht, haben wir garantiert auch links umgangen, denn uns ist im Nachhinein nicht bewusst, dass wir jemals in einer "Sonnen-Seite" geklettert sind. Entgegen Stimmen welche behaupten, wenn man den Grand Gendarme erfolgreich umgangen hätte, dass der Aufstieg dann nur noch einfacher wird, sind wir felsenfest der Überzeugung, dass die eigentlichen Schwierigkeiten erst danach kommen. Mir fällt beispielsweise eine längere heikle Traversierung in der Westflanke ein, wo es nur dürftige Absicherungen gibt, oder dann aber auch Stellen, wo der Sichtkontakt zum Vorsteiger unterbrochen wird und man so infolge des Windes wortlos miteinander kommunzieren muss. Wie bereits erwähnt - eine geniale Tour für ein eingespieltes Team wie es auch wir waren.
Es kommt dann nach langer, anhaltender Kletterei doch auch der Zeitpunkt, wo der Grat sich ein wenig zurücklegt und die Schwierigkeiten sich nur noch im max. II. Grad bewegen. Auch wir meinten, dass das Gipfelkreuz nun in wenigen Minuten erreicht ist - zum Glück hat uns eine entgegenkommende Seilschaft noch gesagt, dass es nochmals rund 30 Minuten dauert - so konnten wir unsere Kräfte richtig einteilen. Die letzten Meter gehören natürlich zu den schönsten überhaupt - über einen schmalen, jedoch gut begehbaren Schneegrat erreichen wir nach ein wenig mehr als 4 1/2h das ersehnte und nun wirklich verdiente Gipfelkreuz der Dent Blanche 4357m - wir sind schlichtweg überwältigt.
Traumhaftes Wetter, den Gipfel für uns alleine, eine Aussicht wie man es sich nur wünscht - da kommen Emotionen hoch und die lassen wir auch raus. Momente des Glücks, Momente der Stille, Momente des gemeinsamen Erfolges. Schön natürlich auch, dass wir im heutigen modernen Zeitalter der Technologie Mobilfunk-Empfang haben, um die Gipfelgrüsse auch den Zuhause gebliebenen senden zu können. Wir geniessen mehrere Minuten alleine den Gipfel, weitere Seilschaften stossen dazu und nach 45 Minuten des Glücks ist es auch für uns Zeit, den langen Abstieg unter die Füsse bzw. Hände zu nehmen.
Auch hier verweise ich auf die detailliert beschriebene Führerliteratur, welche wir jedoch nicht in Anspruch nahmen. Die Linie ist mehr oder weniger gegeben und dort, wo man sich fragt, ob man nun den Turm überklettern oder nach rechts in die Westflanke ausweichen soll, da raten wir ganz klar zum überklettern. Mehrere Abseilstände dienen als Hilfe, dort wo keine vorhanden sind kann mit Schlingen gesichert und abgeklettert werden. Was hier nun auf die Schnelle zusammengefasst geschrieben ist, zieht sich in Tat und Wahrheit ziemlich in die Länge - vorallem, wenn noch viele andere Seilschaften (teilweise im Aufstieg) unterwegs sind. Wir benötigen bis P. 3907, wo wir uns eine weitere kulinarische Pause gönnen, rund 4 1/2h. Nach einer weiteren, sehr gemütlichen halben Stunde erreichen wir die Hütte, somit total 5h vom Gipfel aus gemessen.
Hier freuen wir uns ein zweites Mal - denn nun ist die Tour auch wirklich auch geschafft, die Schwierigkeiten hinter uns gelassen und der Kopf wieder frei, um zu realisieren, was die letzten Stunden alles war. Erneut ein unbeschreibliches Gefühl. Vor uns liegt noch der lange Abstieg ins Tal, welchen wir nach einer kulinarischen Pause bei der Hütte bestreiten. Die rund 1700m vergehen mehr oder weniger wie im Fluge - einzelne Etappen können rutschend über die vorhandenen aufgeweichten Firnfelder (Vorsicht im unteren Firnfeld, Querspalten!) zurückgelegt werden und hat man einmal Bricola 2415m erreicht, so steht zwar auf dem Wegweiser die Zahl 50min geschrieben - aber nicht einmal Tagesausflügler ohne Dent Blanche-Besteigung schaffen dies - 1h scheint hier doch eher angebracht.
Mit den letzten Sonnenstrahlen im Gesicht geniessen wir ein feines Nachtessen in Evolène direkt neben dem Hotel Dent Blanche - passender könnte es nicht sein und ein 3-Gang-Menü guter Qualität für CHF 22.00 lässt auch hier keine Wünsche offen. Die anschliessende Fahrt nach Hause zieht sich hingegen in die Länge und mit dem Glockenschlag für Mitternacht betrete ich die Wohung und freue mich nun endlich auf warmes, sauberes Wasser und eine Tube Zahnpasta :-)
Mir bleibt zu guter letzt noch der Dank an meinen vorsteigenden Seilpartner alpinpower, welcher sicheren Fusses und mit gekonnter Seilführung wesentlich dazu beigetragen hat, dass dieses Abenteuer Dent Blanche für mich wohl zum schönsten Bergerlebnis überhaupt geführt hat. Herzlichen Dank lieber Hans.
Marschzeiten:
Ferpècle - Cabane de la Dent Blanche: 4 1/4h (gemütlich, ohne Pausen > 5min)
Cabane de la Dent Blanche - Gipfel Dent Blanche: 4 1/2h (Start 04.22 Uhr, Gipfel 09.00 Uhr)
Gipfel Dent Blanche - Cabane de la Dent Blanche: 5h
Cabane de la Dent Blanche - Ferpècle: 3h (zügig)
Material:
- Steigeisen, Pickel
- mind. 30m Seil (hatten wir und ging gerade knapp), 40m vermutlich perfekt
- 2 Exen
- 2 Schlingen
- Abseilgerät
- Helm
- Keile, Friends, etc. sind nicht notwendig
- Eisschrauben sind grundsätzlich nicht notwendig, bei Blankeis jedoch für die Traversierung nützlich
Interessantes aus Wikipedia:
Sehr wahrscheinlich liegt beim Dent Blanche („Weisser Zahn“) eine Namensverwechslung mit dem Dent d'Hérens vor, welche vor langer Zeit einem Mönch bei der Abschrift einer Karte unterlaufen ist. Diese These wird dadurch untermauert, dass der Dent d’Hérens vom Val d’Hérens nur an ganz wenigen Orten sichtbar ist, während der Dent Blanche wesentlich weniger weisse Firnflächen aufweist als der Dent d’Hérens.
Ein deutscher Name ist für den Dent Blanche heute nicht mehr gebräuchlich. Historisch verbürgt ist jedoch der Name „Steinbockhorn“.
Und noch ein bisschen Geografie:
Von der Spitze der mächtigen Pyramide des Dent Blanche verlaufen vier Grate genau in die vier Haupthimmelsrichtungen, wobei der Grat nach Süden nicht ganz so steil ausgeprägt ist und allmählich im Grat der Wandfluh ausläuft. Der Dent Blanche bildet zusammen mit ihren östlichen Nachbargipfeln Ober Gabelhorn und Zinalrothorn den südlichen Talabschluss des Val de Zinal, das zum Talsystem des Val d'Anniviers gehört. Westlich des Berges beginnt das Val d'Hérens, im Tal am Südostfuss des Dent Blanche erstreckt sich der Zmuttgletscher, dessen Schmelzwasser nach Zermatt und dann durch das Mattertal abfliesst.
Die Nordostflanke des Dent Blanche ist bis fast zum Gipfel vergletschert. Bei allen übrigen Flanken reicht das Gletschereis nicht höher als auf 3'700 m. Am Westhang des Dent Blanche erstrecken sich zwei kurze, 1 bis höchstens 2 km lange Gletscher: der Glacier de la Dent Blanche und der Glacier des Manzettes. Am Fuss der Südostflanke hat der 4 km lange Schönbielgletscher, ein nördlicher Seitengletscher des Zmuttgletschers, seinen Ursprung. Nach Nordosten in Richtung Val de Zinal ergiesst sich der Glacier du Grand Cornier, der sich zusammen mit anderen Gletschern zum Zinalgletscher vereinigt.
Route Nr. 350 - SAC Hochtouren im Wallis - Hermann Biner
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