Musflue - Ruessiflue Überschreitung


Publiziert von Tobi , 18. Juli 2010 um 22:13.

Region: Welt » Schweiz » Obwalden
Tour Datum: 9 Juli 2010
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Pilatusgebiet   CH-OW 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 1250 m
Abstieg: 1250 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem PW bis Lütoldsmatt
Kartennummer:1170 Alpnach

Während der ganzen Woche jeder Tag schöner und sonniger als der andere, so hielt ich es im Bürostuhl nicht mehr aus. Also am Donnerstag kurz beim Chef nachgefragt und den Freitag frei gemacht. Da ich am Abend noch einen Termin hatte, musste etwas Kurzes in der Nähe her: die Musflue und Ruessiflue erfüllten beide diese Bedingungen.

Mit dem PW kurve ich zur Lütoldsmatt hoch bis zum Parkplatz kurz vor dem Pt 1149m. Ab hier folge ich zu Fuss einige Meter der Fahrstrasse Richtung Längenschwand. Auf der Karte ist mir der markante Süd-Grat hoch zum westlichsten Punkt 1598 der Musflue ins Auge gestochen. Über diesen möchte ich den höchsten Punkt der Musflue erreichen. So biege ich nach kurzer Zeit rechts in den Wald ein.

Nach etwa 100 Höhenmeter im mässig steilen, grasigen Wald erreiche ich die erste Felsstufe. Diese lässt sich ohne grosse Kletterei durch eine steile Grasrinnen bewältigen. Auch die folgenden felsigen Abschnitte lassen sich meist im grasigen Gelände umgehen, können aber auch nach Belieben im soliden Fels erklommen werden (T5, II). Ich steige tendenziell Richtung links auf und halte mich an die Felsen. So erreiche ich ein Waldstück, das isoliert auf einem grossen Felsriegel steht, wie er auch auf der Karte zu erkennen ist. Dieses erhöhte Waldstück leitet direkt und unschwierig hoch zum Pt 1598 der Musflue. Der "Gipfelaufbau" dieses Punktes muss aber noch erklettert werden. Die Kletterei ist zwar technisch einfach, aber die Griffe werden beharrlich von den massenhaft vorhandenen Waldameisen verteidigt. So kann auch der höchste westliche Punkt der Musflue nicht bestiegen werden, die Ameisen haben ihn besetzt und mindestens noch um einen halben Meter erhöht.

Ich folge nun dem felsigen Grat Richtung Osten. Bald muss ich in einem grasigen Couloir in einen Sattel absteigen. Wer direkt auf der Krete bleiben möchte, müsste ein Seil mitnehmen und etwa 20 Meter abseilen. Vom Sattel geht es nun interessant weiter auf dem Grat. Wem die Kraxelei (I-II) auf diesem zu anspruchsvoll bzw. ausgesetzt ist, oder die darauf wachsenden Gewächse als zu mühsam empfindet, kann auch in der südlichen Flanke queren.

Der Grat wird leider viel zu schnell wieder breiter und grasiger. Die felsige Erhebung kurz vor dem höchsten Punkt der Musflue wird nordseitig umgangen. Dieser Felsklotz lädt zu einer kleinen Klettereinlage (II) ein: Auf der Ostseite hängt ein Seil, das dem Zustand nach allerdings schon einige Zeit dem Wetter ausgesetzt ist. Allzuviel Vertrauen darin habe ich nicht, dann verlasse ich mich lieber auf die Aststümpfe einer fast parallel zur Felswand stehenden kahlen Tanne. Von der Erhebung kraxle ich dann einfacher (T5, I) auf der Südseite hinunter und komme durch ein Felstor wieder zurück zum Ausgangspunkt dieses kleinen Kletterausfluges.

Über den breiten Grasgrat erreiche ich nun einfach den höchsten Punkt der Musflue (1757m). Von hier kann ich nun endlich ohne störende Tannen die freie Sicht von den Berner Alpen bis hinüber zum Glärnisch geniessen. Aber auch der Tiefblick auf den Sarner- und Alpnachersee ist nicht zu verachten! Wahrlich ein Gipfel, der zum Verweilen einlädt, sogar eine kleine Feuerstelle wäre vorhanden.

Nach dem Gipfelbucheintrag mache ich mich an den Abstieg. Für diesen wähle ich die direkte Linie runter zum Meisibach. Leider bleibe ich etwas zu lange auf dem Grat und befinde mich bald in mit Felsen durchsetztem Waldgelände. Das Gelände ist wegen der dicken Schicht dürrer Tannennadeln nicht zu unterschätzen, was mir spätestens nach einer kleinen Rutschpartie bewusst wird. Ich traversiere etwas nach rechts und kann dann einfach auf der Weide bis zum Weg absteigen. Besser man bleibt von anfang an in der grasigen Rinne, so ist dieser direkte Abstieg leichter zu meistern (T5).

Beim Packen des Rucksacks am morgen bin ich wohl noch nicht ganz wach gewesen, jedenfalls habe ich nur eine 1.5l Flasche mit dabei. Da diese nun schon fast leer ist, mache ich einen kurzen Abstecher zur Alp Fräkmunt (1499m). Doch leider ist dieser Umweg umsonst, da dort keine Brunnen zu finden ist. Also erfolglos wieder zurück zum Chlusband-Einstieg.

Die Überschreitung des Ruessigrat ist auf hikr.org von ossi, Alpin_Rise und ironknee bereits bestens beschrieben (hier und hier). Ich habe diese Berichte in ausgedruckter Fom mitgenommen, was sich als sehr nützlich erweist.

Der direkte Aufstieg auf den Grat über den ersten Aufschwung erscheint mir doch etwas zu gewagt. Dies insbesondere, weil ich mir nicht sicher bin, ob von unten der gesamte Aufschwung ersichtlich ist, oder ob oben noch grössere Schwierigkeiten warten. So folge ich den Wegspuren, die in der Südflanke unter dem Grat hindurchführen. Ich traversiere etwas mehr als 100m unter den Felsen durch und realisiere erst dann, dass ich nun schon an der Stelle stehe, an welcher über ein senkrechtes Wändchen kurz und kräftig wieder zurück auf den Grat geklettert werden kann, um den dritten Aufschwung in Angriff zu nehmen. Also gehe ich wieder etwas zurück und klettere wahrscheinlich an der Stelle hoch auf den Grat, an welcher Alpin_Rise abgeklettert ist, um den Abstieg in den Sattel vor dem dritten Aufschwung zu umgehen.

Dadurch erreiche ich erst kurz vor dem Gratbuch endlich den Grat. Dieses Buch in seiner runden Metalkasette entdecke ich nur durch Zufall, weil ich warten muss, da gerade eine Dreierseilschaft den Abstieg in den Sattel blockiert. Vor mir befinden sich insgesamt vier Seilschaften, welche an diesem Grat die Seilsicherung üben. Da ich ohne Sicherung unterwegs bin, kann ich sie ohne Probleme überholen. Dazu klettere ich ca. drei Meter in der Nordflanke ab, und quere dann auf einem schmalen Gesims zum Sattel, statt diesen direkt auf dem Grat zu erreichen.

Im dritten Aufschwung ist die nächste Seilschaft am Üben. So entschliesse ich mich, statt direkt über die Rinne auf den Grat zurückzuklettern, diese Stelle wie von Alpine_Rise beschrieben links zu umgehen. Allerdings lese ich seine Beschreibung zu wenig genau und folge einfach dem immer breiter werdenden Grasband in die Nordflanke. Ich blicke immer wieder nach oben, kann aber keine vernünftigen Aufstieg auf den Grat entdecken. Nach etwa hundert Meter sehe ich ein schmales Band mit vereinzelten Graspolstern, welches ca. zehn Meter in die Felswand hochführt. Oben stelle ich allerdings fest, dass es nicht ganz bis auf den Grat reicht, es müssten nochmals ca. zehn Meter an einem senkrechten Riss geklettert werden. Also kehre ich um und laufe wieder alles zurück.

Unterdessen ist der direkte Aufstieg des dritten Aufschwungs frei und ich erreiche mit einigen kräftigen Zügen den Grat. Von nun an geht es zügig auf dem ca. drei Meter breiten Grat weiter bis zum Brotmesser. Hier muss ich zuerst mal leer schlucken, aber die Stelle ist dank dem soliden Felsen und etwas Mut mit Genuss zu meistern.

Nach dieser Schlüsselstelle wird der Grat immer breiter und auch weniger ausgesetzt, bis man bei Pt 1943 leider sein Ende erreicht. Von hier wandere ich schliesslich ohne weiteren Felskontakt über die Grasflanke auf das Matthorn (2044m). Hier trinke ich meine Wasserflasche leer und hoffe, diese unterwegs nachfüllen zu können.

Der Abstieg vom Mattstock erfolgt auf dem markierten Bergweg. Bei der Alphütte bei Pt 1688 will ich etwas trinken. Auf dem Tisch vor der Hütte stehen zwar ein Thermoskrug Kaffee und etliche Flaschen Schnapps, aber dies eignet sich wenig um meinen Durst zu stillen. In der Hütte reagiert niemand auf mein Klopfen an der Tür. Also öffne ich vorsichtig den oberen Teil der Stalltür und Rufe hinein, jedoch ohne Antwort zu erhalten. Doch ich habe Glück, der Wasserhahnen befindet sich direkt neben der Tür und ich kann ohne "Hausfriedensbruch" meine Wasserflasche durch die Türe hindurch füllen. Gerade als ich beginnen will, kommt aber ein knurrender Hund angeschlichen und bellt mich an. Als ich mich aber davon wenig beeindruckt zeige, geht er wieder zurück ins Nebenzimmer. Leider habe ich kein Münz dabei, das ich als Dank für meinen "Wasserklau" hinterlegen kann, aber ich komme sicher nochmals hier vorbei und kann mich dann erkenntlich zeigen.

Mit voller Wasserflasche setzte ich meinen Weg fort und erreiche über die breite Fahrstrasse vorbei an den Alphütten Fräkmunt (1499m) und Schwandi (1329m) die Alpwirtschaft Lüdoltsmatt. Hier stille ich nochmals meinen Durst mit einem Eichhof alkoholfrei, bevor ich die letzten Meter zurück zum Auto in Angriff nehmen.


Fazit: Im Vergleich zur Ruessiflue verblasst die Grattour über die Musflue geradezu. Eine solch intensive und ausgesetzt Gratkraxelei habe ich bisher noch nie erlebt, ich werde diese Überschreitung sicher nochmals wiederholen.

Tourengänger: Tobi


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17 Okt 17
Matthorn (2040m) via Ruessiflue · أجنبي
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T5 II

Kommentare (1)


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Tobi hat gesagt: Nachtrag vom 08.12.2014
Gesendet am 8. Dezember 2014 um 11:50
Beim Blättern im alten SAC-Führer von 1932 ist mir aufgefallen, dass dort der Pt 1598 als "Sagenfluh" bezeichnet wird. Auch auf der Landkarten von 1931 taucht diese Bezeichnung auf. Ich habe deshalb diesen Gipfel als neuen Wegpunkt erfasst.


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