Anmerkung vorab, damit kein falscher Eindruck entsteht: ich bin seit mittlerweile 26 Jahren in den Alpen unterwegs und habe in der überwiegenden Mehrzahl nur positive Erlebnisse und Eindrücke in vielen Unterkünften sammeln dürfen. Gerade deshalb ist mir dann jene Hütte gegenteilig in Erinnerung geblieben!
Die 100 nervigsten Hüttenerlebnisse Teil 2 oder: aus einer Erfahrung wird man noch lange nicht klug.... Die Hütte, deren Name wir seitdem nicht mehr nennen, aus Angst, wir müssten, wie durch einen Harry-Potter-Zauberspruch, noch einmal dort für eine Nacht ausharren, ist Ausgangspunkt für einen der leichsteten 4000er im Wallis.
Nun sollte es tatsächlich so weit sein, der erste 4000er, zusammen mit der allertollsten Lieblingsbegleiterin, stand auf dem Programm. Nichts Nervenaufreibendes, nur eine lockere Firntour hatte sich ihr Lieblingsbegleiter (meistens) ausgesucht. Der Hüttenaufstieg von Zinal hoch zur Hütte, deren Name unter "Wegpunkte" an 2. Stelle steht, ist laaaang und mit dem kompletten Gletschergeraffel aaaanstrengend. Obwohl Begleiterin`s Rucksack nach der ersten Hüttenübernachtung (Allmagellerhütte) mittlerweile spürbar leichter geworden war, kam durch Steigeisen und Co. immer noch ein stattliches Gewicht zusammen. Kurz gesagt, wir "schneckten" hinauf zur Cabane und mit mutmachenden Worten wie "wir schaffens noch vorm Dunkelwerden, mein Schatz, laß dir ruuhig Zeit :-)" erreichten wir denn auch irgendwann die Unterkunft.... und ich fiel, trotz strahlend blauem Himmel, aus allen Wolken. Hatte ich die Hütte in toller Erinnerung, 1994 war ich zum ersten mal dort oben, damals ein ruhiges Etablissement, war es nun das genaue Gegenteil: Pickepacke übervoll! Große Gruppen, viele zum ersten Mal auf einer Hütte, ohne jedliche Erfahrung und total überfordert, was zu tun bzw noch wichtiger: Was zu lassen ist!!
Im Schlafraum eingepfercht mit geschätzen 30-40 Menschen, das schon beschriebene obligate Tüten-aller-Länder-vereinigt-euch-Rascheln, selbst meine liebste Neben-mir-Liegerin fing nachts an, im Schlaf Unbewältiges vom Tage, verbal zu verarbeiten!
Und nicht zu vergessen:
Der mathematische Hüttendreisatz:
1. Wer viel Flüssigkeit verbraucht,
2. muß abends viel Flüssigkeit trinken,
3. muß nachts diese Flüssigkeit wieder abgeben!
Dementsprechend gab es ein "fröhliches" Kommen und Gehen. Der Münsterländer an sich pflegt diese Situation mit dem Satz "es ging zu wie im Taubenschlag" zu beschreiben.
Kurz und knapp zusammen gefasst: an Schlaf war nur unzureichend zu denken. Mittlerweile kam ich mir gegenüber der weltbesten Begleiterin auch schon als der 1001-Märchenonkel vor, nichts traf zu, was WoPo vorher beschrieben hatte.
Höchstens das genaue Gegenteil!!
Auch morgens staunte ich immer wieder, WIEVIEL Hektik Menschen verursachen können (hier und dort kippt gerne mal ein Stühlchen um oder in der allgemeinen Aufbruchstimmung klirrt die eine oder andere Kaffeetasse.. klar, wenn man seinen Rucksack schon im Frühstücksraum aufsetzt!!).
Und wie lange es dauert bis große Gruppen tatsächlich losmarschieren. Da wir in diesem Jahr nicht die Schnellsten waren, wollten wir lieber zum Schluß gehen, um nicht von allen überholt zu werden (macht sich psychemäßig nicht immer gut). Ich dachte schon, vor dem Dunkelwerden kommen wir überhaupt nicht mehr los. Überraschenderweise konnten wir dann doch noch losmarschieren, hinein in die Gletscherwelt und hinauf in die mit reichlich dünner Luft ausgestatteten Höhen.
Der Vorteil, wenn man etwas später loszieht, eine konzentrierte Wegsuche ist nicht erforderlich, wir brauchten nur den Spuren von ca 130 Fußpaaren folgen.
Der Nachteil: die Sonne steigt hurtig höher und höher und damit wird der Firn weicher und weicher. Das ist nicht angenehm, erst recht nicht für weltbeste Begleiterinnen. Leider sind ihre nun in unregelmäßigen Abständen gesprochenden Worte nicht zitierfähig. Den Buckel runterrutschen ist eine quasi liebevolle Umschreibung dessen, was sie mir eigentlich sagte. Ihr persönlicher Spaßfaktor rutschte gegen Null und ab sofort war der Firn ihr 2.persönlicher Feind (der 1. rutsche gerade immer noch den Buckel ....) . Mal ging es einen Schritt vor und 2 Schritte zurück, mal steckte das Bein bis zum Oberschenkel im Schnee fest und wenn alles paletti war, drückte der Schuh oder die Nase lief (schon schlimm, aber...) und die Taschentücher lagen unten in der Hütte (... nun doppelt schlimm!), deren Namen wir in diesem Augenblick erst recht nicht nennen wollen. Nur wenn uns sich im Abstieg befindliche Seilschaften entgegen kamen, ging es ihr schlagartig wieder gut und sie konnte bestgelaunt grüßen bzw kuze Plaudereien einfließen lassen. Die gute Laune war aber dann schlagartigst im Nichts aufgelöst, wenn diese Seilschaften unseren Blicken entschwunden waren.
Aber irgendwann ist auch der längste Gletscheranstieg zu Ende und die Münsterländer Flach - Schneckenfraktion näherte sich dem Gipfel. Einen letzten steilen Schlußanstieg und es ging kein Fitzelchen mehr weiter höher. Zugegeben, die Gipfeleuphorie meiner Liebsten hatte ich mir vorher schon eher etwas anders ausgemalt (mindestens eine mit feuchten Augen gehauchte Liebeserklärung an den Begleiter, seiner Tourenauswahl und den Schwur ,mit ihm nur noch hoch hinaus zu wollen), aber sie schubste mich auch nicht weiter den Buckel hinunter :-)))) Manchmal muß Mann mal mit kleinen Zeichen zufrieden sein!!
Normalerweise hätte der Begleiter der weltbesten Begleiterin noch den Vorschlag der Vorgipfelbesteigung vorgebracht, aber in Anbetracht zur momentanen runtergerutschen Buckel - Minderfraktion zu zählen, nahm ich davon geflissentlich Abstand. Nach Erfüllung der Gipfelfotopflicht war der Lockruf von Kaffee, Kuchen, Walliser Käseschnitten und schneefreien Zonen bei der weltbesten Begleiterin nicht mehr zu überhören. So langsam wir auch die Bishornhänge hinauf geschneckt waren, so schnell wie an jenem Tage bin ich selten die Hänge hinunter gerauscht. Fast hätte ich mich einfach in den Schnee gesetzt und mich ziehen lassen, aber selbst das wäre meiner im Kaffeewahn befindlichen Schneeexpertin nicht mehr aufgefallen. Der (manchmal) pfiffige Hinterhergezogene weiß ja: dem Einen tanzen kleine und große Weißbierflaschen vor der Nase rum, der Anderen Kaffeetassen................... und ich verzichte jetzt mal auf eine Wertung.....!
Da unsere Tourenplanung für den weiteren Abstieg noch einen Abstecher zur Cabane d`Ar Pitetta vorsah, war eine weitere Übernachtung auf der "No name" Hütte geplant.
Auch die 2. Nacht diente nicht gerade zu Werbezwecken für erholsames Schlafen, dafür aber mit einer neuen Feststellung: unten vor dem geöffneten Fenster hörten wir ab und an entspannte Bächlein munter dahinplätschern. So mancher Bergfreund sah wohl seinen Gipfelerfolg am näxten Tag gefährdet, wenn er nachts noch den "weiten,weiten" Weg zur Kloschüssel in Angriff nehmen müßte. Sage da nach jemand, der heutige Bergsteiger vermag nicht vorrausschauend zu planen......... (no comment!)
Aber auch die Schlechteste aller Nächte hatte irgendwann ein Ende und nach kurzem Frühstück packten wir frohen Herzens unsere Siebensachen und flüchteten von diesem Ort des Grauens. Wir stiegen zunächst auf dem normalen Hüttenweg bis auf 2990m ab, verfolgten von dort aus ein kleines Weglein bis zur Mulde des Baches von Barme (ca 2700m) ,um dann auf deutlichen Wegspuren links Richtung Col de Milon (2990m) abzubiegen. An steilen Abschnitten sind hier und dort Versicherungen angebracht, manchmal etwas mühsam aber nirgendwo schwierig. Von der Hütte bis zum Col werden je nach Tempo 2 bis 2,5 Std veranschlagt... und wer noch etwas länger braucht, sagt sich einfach: die Anderen waren auf der Flucht, aber wir waren genussvoll
wandern!! :-) Erwähnte ich übrigens schon, den tollen Blick vom Col? Nein?? Ok, also: vom Col de Milon (liest sich jetzt richtig offiziell) hat man (gutes Wetter vorrausgesetzt!) einen grandiosen (aha, noch mal steigern können!) Blick Richtung Weißhorn, Zinalrothorn und Besso. Hurtigen Schrittes gings nun hinab zur Ar-Pitetta-Hütte, unser Projekt coffee meets beer sollte endlich in die Tat umgesetzt werden. Wir genossen ein r u h i g e s Stündchen ohne Hektik vor dieser wirklich gemütlichen Hütte, den tollen Ausblick und unsere Vorfreude auf eine warme Dusche drunten im Tale..
Wenn man es sich erst einmal richtig gemütlich gemacht hat, fällt das Aufstehen umso schwerer. Aber wir hatten noch schlappe 1100 Höhenmeter Abstieg vor uns. Die beiden Kollegen hochgewuchtet (werden normalerweise als Rucksäcke bezeichnet, hatten in dieser Situation gerade aber eine nicht druckreife Bezeichnung erhalten!) und nach ein paar Minuten konnte man unsere ungelenken Bewegungen auch wieder wandern nennen. Wir hielten uns nun auf dem normalen Hüttenabstieg bis zu einem kleinen No-name-See (ja, richtig, hatte ausnahmsweise tatsächlich keinen Namen, sowohl in der Schweizer Landeskarte, wie auch im Clubführer). Da wir in der Hütte auf eine kleine Abstiegsraffinesse aufmerksam gemacht wurden, hielten wir uns ab dem Seelein in Richtung "Pas du Chasseur". Wie sich herausstellte, war es ein ziemlich steiler Abstieg, zum Schluß an Ketten gesichert an einer Felswand durch einen richtig speckig glatten Durchschlupf hinunter bis zum Talgrund des Zinaltals. Als wirklich genussvoll würd ich diese Variante jetzt nicht gerade bezeichnen (vor allen Dingen mit Tourengepäck am Rücken), aber wer es mag, der hat vielleicht Spaß daran. Tippe deshalb, das der Spaßfaktor im Aufstieg wesentlich größer wäre! Zum Abschluß dann nur noch gute 2-3 km lockeres Auswandern, und wir waren am Ziel unserer (spontanen) Träume: Zinal.
Die darauffolgende Nacht war geprägt von einem köstlichen, weil erholsamen Schlaf. Nur einmal wurde ich kurz von einem untrüglichen Geräusch geweckt: ein munter dahinplätscherndes Bächlein.... aber diesmal war es ein "Echter!" Denn traue niemals einen Bach, machet er nur leisen Krach!! .-))
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