Die Vazer und der "Alte Schyn"
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Warnung: Langer Text voller historischer "Abschweifungen".
Kurzfassung:
Biketour von Muldain nach Thusis, dann Bike/Hike von Surava zur Ruine Belfort und zurück nach Tiefencastel.
Lange Version:
Die heutige Tour bestand aus zwei örtlich getrennten Etappen: dem Alten Schyn(weg) und der Burg Belfort. Die Klammer zwischen diesen Teilen bilden die
Freiherren von Vaz
Die Vazer waren im Hochmittelalter eines der mächtigsten Adelsgeschlechter im Alpenraum. Ihr Stammsitz war erst die Burg Nivagl südöstlich von Muldain, von welcher heute nichts mehr zu sehen ist, später die Burg Belfort bei Brinzauls. Burg Nivagl wurde wohl Anfang des 11. Jahrhundert erbaut, sie gehörte zu den ältesten Burgenanlagen im Alpenraum.
An Immobilien gebrach es den Vazern nicht, in ihrer Glanzzeit gehörten ihnen gut 25 Burgen. Deren Bewirtschaftung muss ein Albtraum gewesen sein ..
1337 oder 1338 starb mit Donat der letzte männliche Vazer. Sein Erbe ging an dessen Schwiegersöhne, die Grafen von Toggenburg und von Werdenberg-Sargans. Die wurden nicht richtig glücklich damit, die Toggenburger starben 1436 aus und die Werdenberg-Sarganser waren bereits 1396 pleite.
Um eine weitere Aufsplitterung des Erbes zu verhindern, wurde 1436 der Zehngerichtebund gegründet. So standen die Vazer indirekt auch Pate beim Beginn des Drei-Bünde-Freistaates.
Neben ihren Gütern rund um Lantsch/Lenz hatten die Vazer Besitz von der Bündner Herrschaft dem Rhein entlang bis hinauf nach Waltensburg und vom Domleschg bis in den Rheinwald. Der Alte Schyn(weg) bot eine Verbindung zwischen diesen beiden Gebieten.
Der Alte Schyn
Seit der Antike wurden zwei Verkehrsrouten vom Bodenseeraum und Chur nach Italien begangen. Die «obere Strasse» führte über die Lenzerheide und dann über Julier/Maloja oder Septimer ins Veltlin oder via Albula/Ofenpass ins Vintschgau. Die «untere Strasse» führte durch das Domleschg und die Viamala-Schlucht und dann über den Splügenpass ins Veltlin oder über den San-Bernardino-Pass ins Tessin.
Durch den Weg, welcher heute "Alter Schyn" heisst, waren diese beiden Routen miteinander verbunden. Eine grössere Bedeutung für den Handelsverkehr hatte der Weg nicht, dafür war er zu gefährlich. Erst 1920 wurde ein Tunnel durch die berüchtigte Felswand «Moir» geschlagen. Doch da gab es die Strasse auf der andern Seite der Schinschlucht bereits.
St. Cassian
Wenn man mit der Bahn Richtung Tiefenastel fährt, sieht man hinter Sils eine Kapelle auf einem Hügel: die Friedhofskirche St. Cassian. Selbst vom fahrenden Zug aus ist zu sehen, dass es sich um einen früh-romanischen Bau handeln muss. Heute geht man davon aus, dass die Kirche vor dem Ende des 8. Jahrhunderts errichtet und seither kaum verändert wurde.
Das Schiff ist klein, vielleicht 8 x 6 m gross und hat nur winzige Schartenfenster - schon das ein Hinweis, dass am Bau in all der Zeit nichts Wesentliches geändert wurde.
Da man vom Turm aus das einstige Kirchenkastell Hohenrätien sieht, ist ein Zusammenhang zwischen diesen Bauten naheliegend. Und allenfalls mit den beiden Burgen in der Nähe: Baldenstein und Campi/Campell.
St. Cassian ist ein äusserst seltenes Patrozinium nödlich der Alpen, eventuell gibt es eine Verbindung zu den noch älteren Cassian-Bauten in Lantsch.
Cassian soll übrigens von seinen Schülern mit Schreibstiften erdolcht worden sein. Das würde ihnen heutzutage sicher einen ernsten Verweis durch die Schulleitung einbringen ..
Die Route: Abschnitt Muldain - Thusis
Erst fuhr ich mit Bahn und Bus via Lenzerheide nach Muldain. Das war noch speziell: Niemand erwartet Biker in einer Skiregion. Das machte die Ein- und Aussteigerei bei den Haltestellen mühsam.
Unterwegs passiert man bei Malix die stattliche Ruine der Burg Strassberg, welche vermutlich von den Vazern erbaut wurde.
Ein paar Kilometer weiter, in Churwalden, sieht man die Reste des Prämonstratenserkloster Churwalden, das wohl auf Initiative der Vazer gegründet worden war. Sie nutzten es als Grablege der Familienmitglieder und statteten es entsprechend angemessen aus.
Ab Muldain ist der Wanderweg mit "Thusis", manchmal auch mit "Alter Schyn" signalisiert. Als Bikeroute ist er auch die 6. Etappe der nationalen 'Alpine-Bike'-Route.
Zwischen Tiefencastel und Sils hat die Albula/Alvra und ihre Gletscher-Vorgänger eine mehrere hundert Meter tiefe Schlucht in den weichen Bündnerschiefer gegraben. Das schiefrig-bröckelige Gestein ist für Strassen wenig geeignet, die Vorgängerstrasse auf der linken Talseite senkte sich ständig. Und dass das RhB-Trassee hält, grenzt an ein Wunder.
Der Weg durch die Schlucht ist stellenweise etwas ruppig, aber ausgezeichnet ausgebaut (knapp WS). Und die Landschaft ist spektakulär!
Bei trockenen Verhältnissen ist das eine äusserst lohnende Vorfrühlingstour. Und nicht überlaufen: Genau null Personen habe ich zwischen Muldain und Sils getroffen.
Die Route: Abschnitt Surava - Ruine Belfort
Nach der Busfahrt von Thusis nach Surava fuhr ich mit dem Bike zum Wegbeginn nach der Belfort-Brücke unterhalb der Ruine Belfort.
Derzeit kann nur von Surava hochgefahren werden, die Ortschaft Brienz/Brinzauls ist wegen der andauernden Felssturzgefahr geräumt und die ganze Umgebung ist auch für Fussgänger gesperrt.
Die Ruine ist von der Brücke aus in knapp zehn Minuten zu erreichen. Offiziell ist dieser Weg gesperrt, er ist aber gut zu begehen (T3). Der "normale" Zugang beginnt bei der (jetzt nicht bedienten) Bushaltestelle "Belfort".
Burg Belfort
Die Burg Belfort stand auf einem Felsrücken östlich der Gemeinde Brienz/Brinzauls und oberhalb von Surava.
Die Burg wurde um 1200 von den Vazern erbaut, welche damals ihren Wohnsitz von Nivagl nach Belfort verlegten. Sie war bis zu ihrer Zerstörung in den Schwabenkriegen (1499) durchgehend bewohnt, von der ehemals stattlichen Anlage ist deshalb noch recht viel erhalten.
Die Fotos zeigen, wie mächtig die Bauten einst waren. Da wurde geklotzt und nicht gekleckert.
Nach dem Besuch der Ruine fuhr ich mit dem Bike nach Tiefencastel und von dort per Bahn zurück nach Unterterzen. Beim Bahnhof Tiefencastel fragte mich ein Mann, wo ich gewesen sei. Als ich sagte, auf Burg Belfort, meinte er, er sei dabei gewesen, als die Standseilbahn (siehe Bild) gebaut worden sei.
Das war eine ziemlich aufwendige (Kul-)Tour, die Reiserei mit zwei mal drei ÖV-Etappen verlangte einiges an Planung.
Kurzfassung:
Biketour von Muldain nach Thusis, dann Bike/Hike von Surava zur Ruine Belfort und zurück nach Tiefencastel.
Lange Version:
Die heutige Tour bestand aus zwei örtlich getrennten Etappen: dem Alten Schyn(weg) und der Burg Belfort. Die Klammer zwischen diesen Teilen bilden die
Freiherren von Vaz
Die Vazer waren im Hochmittelalter eines der mächtigsten Adelsgeschlechter im Alpenraum. Ihr Stammsitz war erst die Burg Nivagl südöstlich von Muldain, von welcher heute nichts mehr zu sehen ist, später die Burg Belfort bei Brinzauls. Burg Nivagl wurde wohl Anfang des 11. Jahrhundert erbaut, sie gehörte zu den ältesten Burgenanlagen im Alpenraum.
An Immobilien gebrach es den Vazern nicht, in ihrer Glanzzeit gehörten ihnen gut 25 Burgen. Deren Bewirtschaftung muss ein Albtraum gewesen sein ..
1337 oder 1338 starb mit Donat der letzte männliche Vazer. Sein Erbe ging an dessen Schwiegersöhne, die Grafen von Toggenburg und von Werdenberg-Sargans. Die wurden nicht richtig glücklich damit, die Toggenburger starben 1436 aus und die Werdenberg-Sarganser waren bereits 1396 pleite.
Um eine weitere Aufsplitterung des Erbes zu verhindern, wurde 1436 der Zehngerichtebund gegründet. So standen die Vazer indirekt auch Pate beim Beginn des Drei-Bünde-Freistaates.
Neben ihren Gütern rund um Lantsch/Lenz hatten die Vazer Besitz von der Bündner Herrschaft dem Rhein entlang bis hinauf nach Waltensburg und vom Domleschg bis in den Rheinwald. Der Alte Schyn(weg) bot eine Verbindung zwischen diesen beiden Gebieten.
Der Alte Schyn
Seit der Antike wurden zwei Verkehrsrouten vom Bodenseeraum und Chur nach Italien begangen. Die «obere Strasse» führte über die Lenzerheide und dann über Julier/Maloja oder Septimer ins Veltlin oder via Albula/Ofenpass ins Vintschgau. Die «untere Strasse» führte durch das Domleschg und die Viamala-Schlucht und dann über den Splügenpass ins Veltlin oder über den San-Bernardino-Pass ins Tessin.
Durch den Weg, welcher heute "Alter Schyn" heisst, waren diese beiden Routen miteinander verbunden. Eine grössere Bedeutung für den Handelsverkehr hatte der Weg nicht, dafür war er zu gefährlich. Erst 1920 wurde ein Tunnel durch die berüchtigte Felswand «Moir» geschlagen. Doch da gab es die Strasse auf der andern Seite der Schinschlucht bereits.
St. Cassian
Wenn man mit der Bahn Richtung Tiefenastel fährt, sieht man hinter Sils eine Kapelle auf einem Hügel: die Friedhofskirche St. Cassian. Selbst vom fahrenden Zug aus ist zu sehen, dass es sich um einen früh-romanischen Bau handeln muss. Heute geht man davon aus, dass die Kirche vor dem Ende des 8. Jahrhunderts errichtet und seither kaum verändert wurde.
Das Schiff ist klein, vielleicht 8 x 6 m gross und hat nur winzige Schartenfenster - schon das ein Hinweis, dass am Bau in all der Zeit nichts Wesentliches geändert wurde.
Da man vom Turm aus das einstige Kirchenkastell Hohenrätien sieht, ist ein Zusammenhang zwischen diesen Bauten naheliegend. Und allenfalls mit den beiden Burgen in der Nähe: Baldenstein und Campi/Campell.
St. Cassian ist ein äusserst seltenes Patrozinium nödlich der Alpen, eventuell gibt es eine Verbindung zu den noch älteren Cassian-Bauten in Lantsch.
Cassian soll übrigens von seinen Schülern mit Schreibstiften erdolcht worden sein. Das würde ihnen heutzutage sicher einen ernsten Verweis durch die Schulleitung einbringen ..
Die Route: Abschnitt Muldain - Thusis
Erst fuhr ich mit Bahn und Bus via Lenzerheide nach Muldain. Das war noch speziell: Niemand erwartet Biker in einer Skiregion. Das machte die Ein- und Aussteigerei bei den Haltestellen mühsam.
Unterwegs passiert man bei Malix die stattliche Ruine der Burg Strassberg, welche vermutlich von den Vazern erbaut wurde.
Ein paar Kilometer weiter, in Churwalden, sieht man die Reste des Prämonstratenserkloster Churwalden, das wohl auf Initiative der Vazer gegründet worden war. Sie nutzten es als Grablege der Familienmitglieder und statteten es entsprechend angemessen aus.
Ab Muldain ist der Wanderweg mit "Thusis", manchmal auch mit "Alter Schyn" signalisiert. Als Bikeroute ist er auch die 6. Etappe der nationalen 'Alpine-Bike'-Route.
Zwischen Tiefencastel und Sils hat die Albula/Alvra und ihre Gletscher-Vorgänger eine mehrere hundert Meter tiefe Schlucht in den weichen Bündnerschiefer gegraben. Das schiefrig-bröckelige Gestein ist für Strassen wenig geeignet, die Vorgängerstrasse auf der linken Talseite senkte sich ständig. Und dass das RhB-Trassee hält, grenzt an ein Wunder.
Der Weg durch die Schlucht ist stellenweise etwas ruppig, aber ausgezeichnet ausgebaut (knapp WS). Und die Landschaft ist spektakulär!
Bei trockenen Verhältnissen ist das eine äusserst lohnende Vorfrühlingstour. Und nicht überlaufen: Genau null Personen habe ich zwischen Muldain und Sils getroffen.
Die Route: Abschnitt Surava - Ruine Belfort
Nach der Busfahrt von Thusis nach Surava fuhr ich mit dem Bike zum Wegbeginn nach der Belfort-Brücke unterhalb der Ruine Belfort.
Derzeit kann nur von Surava hochgefahren werden, die Ortschaft Brienz/Brinzauls ist wegen der andauernden Felssturzgefahr geräumt und die ganze Umgebung ist auch für Fussgänger gesperrt.
Die Ruine ist von der Brücke aus in knapp zehn Minuten zu erreichen. Offiziell ist dieser Weg gesperrt, er ist aber gut zu begehen (T3). Der "normale" Zugang beginnt bei der (jetzt nicht bedienten) Bushaltestelle "Belfort".
Burg Belfort
Die Burg Belfort stand auf einem Felsrücken östlich der Gemeinde Brienz/Brinzauls und oberhalb von Surava.
Die Burg wurde um 1200 von den Vazern erbaut, welche damals ihren Wohnsitz von Nivagl nach Belfort verlegten. Sie war bis zu ihrer Zerstörung in den Schwabenkriegen (1499) durchgehend bewohnt, von der ehemals stattlichen Anlage ist deshalb noch recht viel erhalten.
Die Fotos zeigen, wie mächtig die Bauten einst waren. Da wurde geklotzt und nicht gekleckert.
Nach dem Besuch der Ruine fuhr ich mit dem Bike nach Tiefencastel und von dort per Bahn zurück nach Unterterzen. Beim Bahnhof Tiefencastel fragte mich ein Mann, wo ich gewesen sei. Als ich sagte, auf Burg Belfort, meinte er, er sei dabei gewesen, als die Standseilbahn (siehe Bild) gebaut worden sei.
Das war eine ziemlich aufwendige (Kul-)Tour, die Reiserei mit zwei mal drei ÖV-Etappen verlangte einiges an Planung.
Tourengänger:
PStraub

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