Von der Schneckenhölle zu Zeilkopf und Heuberg: der Meditationsweg "Blaues Land" im Praxistest


Publiziert von Vielhygler , 12. Mai 2024 um 18:47.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Bayrische Voralpen
Tour Datum:14 April 2024
Wandern Schwierigkeit: T3+ - anspruchsvolles Bergwandern
Mountainbike Schwierigkeit: L - Leicht fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Aufstieg: 250 m
Abstieg: 250 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Ohlstadt bis Ende Wankstraße, dort P 2 aka Ramm-P.
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Kartennummer:DAV BY 9 Estergebirge, Wank Herzogstand und Bayernatlas

Die kleinen Berge Zeilkopf (841 m) und Heuberg (825 m) über der Loisach sind wegen ihrer großen, freien Almflächen auffällig. Bisher bin ich immer nur auf der A 95 vorbeigefahren, jetzt wollte ich mich endlich einmal dort umsehen. Am reizvollsten schien es mir, auf der Forststraße von Ohlstadt nach Eschenlohe zu wandern und Zeilkopf und Heuberg unterwegs als Abstecher zu erkunden. Nach den beiden Gipfelchen würde ich, statt weiter auf der Straße, über freie Almwiesen zum vorher an der Bahnbrücke in Eschenlohe deponierten Bike hinunterspazieren und anschließend gemütlich an der Bahn entlang nach Ohlstadt zurückradeln. 

Etwas bedenklich hat mich bei meiner Routenplanung nur der Forststraßenhatscher von der "Kräuterbach-Brücke" bis unter den Zeilkopf gestimmt, aber was soll' s, gehören fade Waldwegpassagen etwa nicht genauso zum Bergwandern wie Latschenkämpfe, Bremsenbisse und anderes auch? Hier kommt nun die AV-Karte in' s Spiel, die nicht nur diesen Forsthatscher, sondern überhaupt den ganzen Streckenabschnitt vom Ohlstädter Kriegerdenkmal bis unter den Zeilkopf  als "MB" und "SP" bezeichnet. Hmm, was soll das sein? Die Legende weiß es: "MB" bedeutet offenbar "Meditationsweg Blaues Land" und "SP" ist das Prädikat "Spitzenwanderweg! Was es alles gibt! Wenn das keine Steilvorlage zu einer Geh-Meditation 経行 ("Kinhin") ist! Und vielleicht eignet sich die lange Waldpassage von der Kräuterbad-Brücke bis zum Zeilkopf sogar für einige Waldbäder 森林("Shinrin Yoku") zwischendurch? 
So möchte ich heute also einerseits feststellen, wie Kinhin- bzw. Shinrin Yoku- geeignet der Meditationsweg Blaues Land wirklich ist. Andererseits freue ich mich natürlich auch auf Erkundungen an Zeilkopf und Heuberg, auf Almen, Marterl...auf alles, weswegen ich auch sonst so gerne unterwegs bin.

Wegbeschreibung mit Praxistest "Meditations- und Spitzenwanderweg Blaues Land"

Zunächst deponiere ich in Eschenlohe mein Rad. Angenehmerweise kann ich auf einer Sackstraße bis zur Bahnbrücke über die Loisach fahren. Hier Bikedepot ohne Gebühr. Anschließend fahre ich nach Ohlstadt und richte hier am P. "Ramm" mein Car-Depot ein. Gebühr € 5,00 pro Tag.
Vom P. aus geht es gleich auf einer Straßenbrücke über die Kaltwasserlaine zur Wiese "Am Ramm". Ich befinde mich auf dem Weg 442 zum Heimgarten, aber "Eschenlohe über Heuberg" ist am P. ebenfalls schon beschildert. Naja, über den Heuberg geht der "Obere Weg", wie ihn die Ortsansässigen nennen, natürlich nicht, aber immerhin östlich an ihm vorbei. Von der Wiese "Am Ramm" aus kann ich Heuberg und Zeilkopf auch schon sehen. Von hier wirken sie allerdings wie ganz uninteressante Waldbuckel, denn ihre freien Almwiesen sind von Ohlstadt aus nicht zu erkennen.

Meditationsweg Blaues Land  Abschnitt 1:  Kriegerdenkmal - Sportplatz

Auf der Wirtschaftsstraße erreiche ich am Greiter Bach unmittelbar vor dem Wald Schneckenhölle die Ausschilderung des Spitzenwander- und "Meditationswegs Blaues Land". Ich kann diesen auch gleich nach links für einen kurzen Abstecher zum Kriegerdenkmal nutzen. Es sind nur ein paar Schritte zum Kriegerdenkmal und wieder zurück. Anschließend folge ich der Ausschilderung "Eschenlohe über Heuberg" und gehe nach Südwesten.
Von einem Meditationswanderweg merke ich zunächst nicht viel, denn es folgt eine eher anregende Wiesenpassage den Greiter Bach entlang. Der bequeme, aber etwas wurzelige Fußweg erreicht über eine nette Bachbrücke hinweg eine Schotterstraße. In wenigen Schritten erreiche ich auf ihr einen Stadel, der oberhalb einiger Sportplätze steht.
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 経行 ("Kinhin") und 森林浴, ("Shinrin Yoku") Testbewertung:
Für einen tieferen Meditationszustand ist dieses Wegstück noch nicht geeignet. Zum Waldbaden bräuchte es mehr Wald.  
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Meditationsweg Blaues Land  Abschnitt 2:  Sportplatz - Im Boschet

Nach den Sportplatzen geht der Meditationsweg wieder auf der Straße weiter, die zunächst noch am Rand des Waldes "Brandgras" oberhalb der hübschen Buckelwiesen "Im Boschet" verläuft. Sehr beeindruckend sind hier die schönen Tannen, die mitten in den Wiesen stehen. 
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 経行 und 森林浴, 森林 Testbewertung:
Auf dem zurückliegenden Abschnitt wäre die Wegbeschaffenheit bereits recht gut für eine Kinhin-Meditation geeignet. Es sind allerdings noch ablenkende Reize in Form von hübschen Buckelwiesen vorhanden. Shinrin Yoku? Es fehlt noch dichter Wald auf beiden Wegseiten. 
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Meditationsweg Blaues Land  Abschnitt 3:  Kräuterbachbrücke - Grenzstein am Zeilkopf

Nach den Buckelwiesen erreicht die schnurgerade nun Forststraße dichten Wald und schon kurz vor der Kräuterbach-Brücke packe ich die Stecken in den Rucksack.
Meditatives  Gehen ("Kinhin") und Waldbaden ("Shinrin Yoku") lassen sich ausgezeichnet miteinander verbinden. Am besten haben sich Intervalle von jeweils 5 bis 10 Minuten bewährt. Begonnen wird immer mit 5 bis 10 Minuten Kinhin. Bei der Kinhin-Meditation wird der Atem mit dem Gehen synchronisiert. Den Fuß beim Einatmen anheben und beim Ausatmen den Boden berühren lassen. Es muss sichergestellt sein, daß der Fuß zuerst mit der Ferse, dann mit dem Fußballen und zuletzt mit den Zehen auftritt. Achtsam wird gefühlt, wie Ferse, Fußballen und Zehen den Boden berühren. 
Nach 5 bis 10 Minuten Kinhin folgen 5 bis 10 Minuten Shinrin Yoku. Anschließend wieder mit dem Shashu Mudra beginnen und mit Kinhin fortsetzen usw...
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 経行 und 森林浴, - Testbewertung:
Die Forststraße von der Kräuterbach-Brücke bis zum Grenzstein ist für Kinhin-Meditationen außerordentlich gut geeignet, denn sie weist auf dieser Passage keinerlei Schlaglöcher auf und ist auch nur an zwei Stellen zu Anfangs leicht kurvig. Es besteht kaum Gefahr, während des meditativen Dahinschreitens zu stolpern oder aus einer Kurve getragen zu werden. Auch was die Badeeignung des Waldes für Shinrin Yoku betrifft, ist die Strecke ein Volltreffer!
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Vom Grenzstein zum Gipfel des Zeilkopfs (841 m)

Nach einer letzten Shinrin Yoku - Phase habe ich meine Aufmerksamkeit langsam wieder gesteigert und ich beginne, Einzelheiten wahrzunehmen. Findlinge liegen am Weg und mein Blick richtet sich nach links (Osten) auf steile Wälder mit den schroffen Pfaffenwänden darüber. Rechterhand  befinden sich ebenfalls steiler Wald, ich muß mich hier schon direkt unterhalb des Gipfels des Zeilkopfs befinden. In einem Flachstück komme ich an einen beeindruckenden Grenzstein samt Infotafel. Dieser wohl von den Pfaffenwänden heruntergefallene "Sturzblock" mit einem Gewicht von 8,7 Tonnen markiert seit dem 17. Jhd. die Grenze zwischen den Klöstern Ettal und Schlehdorf.
So, nun soll es zum Zeilkopf gehen. Nach dem Grenzstein erreiche ich in wenigen Schritten einen auch in der Karte verzeichneten Karrenweg, der von der Straße nach rechts abzweigt. Gleich wird auf ihm ein Gatter erreicht, jenseits dessen sich sonnige Almwiesen befinden. Der Karrenweg endet hier. Ich steige ein Stück auf der Alm nach Westen an und genieße weiter oben ganz freie Aussichten auf Wetterstein und Ammergauer. Nach meinem Abstecher zu Zeilkopf und Heuberg werde ich über schöne Almwiesen zur Eschenloher Bahnbrücke hinabschlendern, darauf freue ich mich jetzt schon!
Doch zunächst wird der Zeilkopf von Südwesten nach Nordosten auf seinem Grat überwandert. Klingt ambitioniert, doch es handelt sich nur um gemütliches Gestapfe in lichtem Buchenwald. Der Grat ist überall breit und stets deutlich ausgeprägt. Nach einem etwas steileren Anfangsstück wird ein Flachstück erreicht und von dort sind es nur noch ein paar Schritte zu einer Kuppe mit dem höchsten Punkt. Der bewaldete Zeilkopf (841 m) ist on Top etwas zu flach, um irgendwelche Aussichten zu bieten, doch als hübscher Mischwaldgipfel hebt er sich wohltuend von den stachelig-düsteren Tannenwald-Szenerien ab, die ich auch immer wieder an höchster Stelle auffinde.

Vom Zeilkopf zum Heuberg (825 m)

Der Abstieg auf dem breiten Grat nach Nordosten ist zunächst fast eine Kopie des Anstiegs. Nach der Gipfelkuppe folgt ein Flachstück. Wo verlasse ich nun den Grat am besten in Richtung Heuberg? Durch Baumlaub spähend kann ich den Heuberg (825 m) im Norden bald schon ganz gut ausmachen, außerdem erkenne ich in einer Senke auch eine von West nach Ost verlaufende Forststraße und einen Stadel. Zu diesem gehe ich weglos eine deutlich steilere Passage hinab (wenige Schritte T3+).
Am Stadel angekommen, stehe ich vor einem hohen Zaun aus Maschendraht, der auf der nördlichen Seite der Forststraße entlangläuft. Ich folge dem Zaun auf' s Geratewohl nach rechts (Osten), bis er überraschend die Straße verlassend nach Norden schwenkt. Vielleicht ist ja nur ein Waldstück und nicht der ganze Heuberg umfriedet? Es wird sich herausstellen, daß es genau so ist.
Ich verlasse die Straße und steige den Zaunpfosten entlang weglos nach Nordwesten auf. Direkt vor mir baut sich nun die schroffe Südseite des Heubergs auf. Ich halte mich, dieser ausweichend, zunächst weiter an den Zaun, bis dieser abermals abknickt und die Richtung des Heubergs verlässt.
Von dieser Stelle kann ich deutlich sehen, daß sich auf der südwestlichen Seite des Heubergs das angenehmste sowie landschaftlich schönste, weglose Anstiegsgelände befindet. Was ich noch nicht sehen kann, ist, daß ich über einen niedrigen Stacheldraht hinweg aussichtsreiche Almwiesen auf der westlichen Seite des Heubergs erreichen werde. Was für eine Überraschung: über einen malerische gelegenen Stadel hinweg entfaltet sich ein wunderschöner Blick auf das Murnauer Moos und seine Köchel. Ich stapfe auf dieser Alm vergnügt nach Osten bis zum Waldrand hinauf. 
Die eigentliche Gipfelkuppe des Heubergs war dann von der daruntergelegenen Wiesenidylle aus nur noch eine Formsache von nicht einmal fünf Minuten, in denen ich, was die gebotene Szenerie angeht, den Zeilkopfgipfel gewissermaßen noch einmal erreiche. Ich kehre gerne bald zum "Sichtgipfel" des Heubergs, also der Almwiese zurück und gönne mir eine Pause.

Rückweg vom Heuberg über den Zeilkopf zum Bike-Depot an der Eschenloher Eisenbahnbrücke

Nun sollte es zu den Wiesen unterhalb des Zeilkopfes zurückgehen. Dazu lautet die Wegbeschreibung der Einfachheit halber: Hinweg wie Rückweg.
Anschließend folgte das viel berichtenswertere, genüßliche Hinunterschlendern über freie Almwiesen in Richtung Eisenbahnbrücke. Wunderbare Ausichten, nirgendwo steil oder matschig. Kein Wunder, daß Einheimische ebenfalls dort gerne hinabgehen, sie haben mir auch von einem Marterl berichtet, das ich quasi automatisch auffinde. Dort beginnt auch schon ein Karrenweg, der zunehmend steiler werdend, fast genau bis zur Brücke hinabführt. An einer einzigen Stelle stehen viele blaue Enziane: meine Lieblingsblumen am Berg, danke!

Rückweg nach Ohlstadt, Ausklang und Fazit.

Nicht weiter erwähnenswert ist der Bike-Rückweg nach Ohlstadt, der überraschend schnell absolviert wurde, weil das Gelände flach ist. Der Ausklang erfolgte in Ohlstadt bei einem Cappucino. Und das Fazit? Die beiden Gipfel werde ich wohl nicht noch einmal besuchen, obwohl es recht nett war dort. Von der Bahnbrücke Eschenlohe die Wiesen in Richtung Zeilkopf hinauf? Werde ich mit der Vielhyglerin bestimmt mal machen! 

Tourengänger: Vielhygler


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Kommentare (4)


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Schubi hat gesagt:
Gesendet am 13. Mai 2024 um 19:09
Hallo Andreas.
Das ist mit den eingebauten meditativen Elementen ja mal ein recht anderer Ansatz zum Touren – sehr informativ.
Vielleicht ist es eine Idee, den für den Weg verantwortlich Zeichnenden (Landratsamt? Gemeinde?) den Link zu deinem Touren-/Erfahrungsbericht bericht zu schicken?
Beste Grüße
Frank

Vielhygler hat gesagt: Hmm...
Gesendet am 14. Mai 2024 um 09:42
Hallo Frank,

Vielleicht eher nicht, denn die Gemeinden wollen ja vorrangig, daß man auf solchen Wegen dann auch bleibt und sich nicht zu irgendwelchen weiteren Zielen in die Büsche schlägt...

Viele Grüße aus Bayern
Andreas

detlefpalm hat gesagt: SP
Gesendet am 14. Mai 2024 um 08:06
Ein Spitzenbericht!

Vielhygler hat gesagt: RE:SP
Gesendet am 14. Mai 2024 um 09:43
Merci ;-)



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