Ein traumhaft idyllischer See und drei Almbuckel: Untypische Köchel im Murnauer Moos


Publiziert von Vielhygler , 26. Dezember 2023 um 15:13.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Ammergauer Alpen
Tour Datum: 7 Oktober 2023
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Mountainbike Schwierigkeit: L - Leicht fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 100 m
Abstieg: 100 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Parkmöglichkeiten an der B2 Höhe Hechendorf und Ohlstadt. Siehe jeweils Wegbeschreibungen
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Kartennummer:DAV BY 9 Estergebirge, Herzogstand, Bayernatlas, Zeitreise Bayernatlas und Bayernatlas

Im südlichen Murnauer Moos befinden sich sieben kleine, meist bewaldete Berge, die schroff aus der ebenen Moosfläche herausragen wie Inseln aus einem See. In älteren Karten sind sie als "Kögel" oder "Kögl", in neueren als Köchel verzeichnet, entscheidend jedoch ist etwas anderes, nämlich daß sie überhaupt noch da sind! Erfolgreich haben sie 100 000 Jahre lang dem Gletscherschliff der letzten Eiszeit widerstanden - durch die unnachgiebige Härte ihres Gesteins. Genau diese Eigenschaft der Köchel hat in der Neuzeit allerdings auch Begehrlichkeiten geweckt...mit teilweise gravierenden Folgen.
 
In diesem Bericht möchte ich die einzigen zwei nicht bewaldeten Köchel, nämlich den doppelgipfeligen Heumoosberg (642 m und 639 m) sowie den Weghauser Köchel (657 m) näher erkunden. Am Anfang dieses Berichts soll jedoch ein weiterer Köchel stehen, der buchstäblich verschwunden ist.
 
Der untergegangene Moosberg (weiland 659 m)
 
Ursprünglich gab es nämlich nicht nur sieben, sodern acht Köchel im Murnauer Moos und der Moosberg (659 m) gehörte zur sogenannten "ersten", der am weitesten nördlich stehenden Reihe von Köcheln, die das Murnauer Moos von Westen nach Osten durchziehen. Im Westen dieser nördlichsten Reihe steht der Wiesmahdköchel (665 m), der Schmatzerlköchel (657 m) nimmt eine mittige Position ein und noch weiter östlich, schon nahe der Loisach, würde noch der Moosberg (659 m) kommen, eigentlich...
Den Moosberg sucht man heute allerdings vergebens, denn das unnachgiebig harte, dem Gletscherschliff über viele Jahrtausende  widerstehende Gestein des Moosbergs  mußte vor ein paar Jahrzehnten der noch viel unnachgiebigeren Härte des gewinnorientierten Bergbaus weichen und dies im ganz wörtlichen Sinne, denn der Moosberg existiert heute nicht mehr. Anders gesagt liegt das, was einmal der Moosberg gewesen ist, heute als Schotter, der jahrzehntelang in ganz Deutschland unter dem Handelsnamen "Glaukoquarzit" vertrieben wurde, auf Bahngleisen oder Straßenpflastern herum.
Es ging sehr schnell: die amtliche Karte von 1936 zeigt den Moosberg mit 659 Metern Höhe ganz unversehrt - noch, denn der bedrohliche Schriftzug "Hartsteinwerk" ist neben dem Moosberg auf dieser Karte schon verzeichnet. 1937 brachte die Fa. Zehender & Co. drei Backenbrecher mit einer  Abbauleistung von je 20 Tonnen pro Stunde zum Einsatz und 1950 war der Köchel gänzlich abgetragen und das Gelände flach.
Aber das war noch nicht das Ende, denn der Bergbau ging immer weiter in die Tiefe. Andererseits gingen die Kosten für das Abpumpen des Grundwassers und den Staubschutz immer weiter in die Höhe und 1972 war das "Hartsteinwerk Moosberg" nicht mehr profitabel. Die Betreiber planten, aus der 80 Meter tiefen, riesigen Grube mitten im Murnauer Moos wenigstens noch eine wirtschaftlich rentable Mülldeponie zu machen, aber dieses Vorhaben wurde nicht mehr verwirklicht. Die Grube wurde sich selbst überlassen und lief innerhalb zweier Jahre ganz von selbst mit Grundwasser voll. So entstand ein See, der zunächst einfach "Steinbruchsee" genannt wurde. Heute gehört das Gelände dem Landkreis und der Steinbruchsee wurde in  Neuer Moosbergsee umbenannt.
Am Ende steht eine Art Happy End, denn in den letzten Jahren hat sich der Neue Moosbergsee zu einem der landschaftlich eindrucksvollsten Seen des Alpenvorlands entwickelt!
 
 Der doppelgipfelige Heumoosberg (642 m und 639 m)...
 
...gehört zur zweiten, weiter südlich im Murnauer Moos gelegenen Reihe, die aus drei Köcheln besteht. Ganz im Westen liegt der Lange Köchel (717 m), die mittlere Position nimmt der Weghausköchel (684 m) ein und der Heumoosberg schließt die Reihe im Osten ab.
Good news first: der Heumoosberg ist, anders als der nördlich benachbarte Moosberg noch vorhanden, immerhin! Sicherlich hat die Tatsache, daß er, anders als der Moosberg, nicht aus helvetischem Quarzsandstein, sondern aus ebenfalls bergbautauglichem, würmeiszeitlichen Niederterrassenschotter besteht, nicht zu seiner Rettung beigetragen. Verantwortlich dafür waren wohl eher andere Umstände, wie konkurrierende Nutzungen, Eigentumsverhältnisse usw...
Der im Murnauer Moos sehr randständig positionierte, nirgendwo schroffe, sondern längliche und sanft gewellte Heumoosberg ist landschaftlich ausgesprochen unauffällig. Dazu trägt vor allem bei, daß der Heumoosberg, im Grunde eine weitläufige Alm mit zwei Grasgipfeln, ringsherum von hohen Bäumen umstanden ist. Somit ist er weder vom Murnauer Moos noch von der  B2 aus erkennbar. Der landwirtschaftlich intensiv genutzte Höhenzug des Heumoosbergs mit seinen Wiesen, Häusern und Stadeln ist in jeder Hinsicht ein untypischer Köchel. Oft wird er nicht einmal zu ihnen gezählt, obwohl er aufgrund seiner geologischen Zusammensetzung eindeutig in' s "Köchelverzeichnis" gehört. Seine beiden höchsten Punkte sind Almkuppen, ausgesprochen hübsch, bequem zu erreichen und aussichtsreich.
 
Der Weghauser Köchel (657 m)...
 
...gehört zur dritten, am weitesten südlich im Murnauer Moos gelegenen Reihe von Köcheln, die nur zwei Vertreter hat: im Westen den steilen Steinköchel (717 m) und im Osten den Weghauser Köchel (657 m) direkt oberhalb des Gutes Weghaus.
Genauso wie der Heumoosberg besteht auch der Weghauser Köchel aus würmeiszeitlichem Niederterrassenschotter. Doch anders als der Heumoosberg ist der Weghauser Köchel vom Bergbau nicht gänzlich verschont worden. Dieser wurde allerdings schon im 19. Jhd. betrieben, man versuchte es damals mit einem Mühlsteinbruch. Doch der Bergbau bei Weghaus war offenbar nicht rentabel, jedenfalls hat er sich nicht lange halten können. Weitere Versuche unterblieben. So ist auch dem Weghauser Köchel das traurige Schicksal des Moosbergs erspart geblieben.
Daß der der Weghauser Köchel heute noch unvermindert vorhanden ist, ist gut so, denn er ist nicht nur der kleinste, sondern auch der hübscheste Murnauer Moos - Köchel! Dazu trägt vor allem seine Erscheinung bei, denn er ist von einer fast perfekt kegeligen Gestalt. Wie die zwei Heumoosberg-Gipfel ist auch der Weghauser Köchel  eine Almkuppe, allerdings kann er zusätzlich an seinem höchsten Punkt mit einem großen Solitärbaum aufwarten. Von der Autobahn aus gesehen ist er besonders durch diesen Baum eindeutig ein "Hingucker", den viele kennen und schätzen, allerdings meistens, ohne ihn je besucht zu haben.
Eigenartig ist die Lage des Weghauser Köchels, denn das ganze Gut Weghaus samt seinem Köchel ist Lummerland-artig auf allen Seiten  eingeschlossen, aber nicht von Meer, sondern von Straßen. Auf der Westseite verläuft der Autobahnzaun der A 95, auf der Nordseite befindet sich die ebenfalls umzäunte Ausfahrtsrampe der A 95, auf der Ostseite laufen die Leitplanken der Bundesstraße B2 entlang und auf seiner Südseite führt eine Teerstraße von der B2 über die Autobahn bis zur Fußgängerbrücke über die Ramsach. Platz ist in Weghaus gerade einmal genug für die kurzen Einfahrten, die wenigen Gebäude und...für den Köchel selbst.
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Am 12. Oktober war ich am Neuen Moosbergsee unterwegs, am 16. Oktober am Heumoosberg und danach am Weghauser Köchel.  Hier zu den kurzen Wegbeschreibungen zum See und zu den Köcheln. Die kleinen Ausflüge können beliebig kombiniert werden.
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Moosberg / Neuer Moosbergsee: etwa 450 Meter südlich von der Einmündung der aus der Ortsmitte Hechendorfs kommenden Partenkirchener Straße befindet sich an der westlichen Seite der Bundesstraße 2 der P. 622 mit einem Marterl, einem Schild "Naturschutz", einem gelben Wanderpfeil und einem kostenlosen Parkplatz. Hier Car-Depot. Nun zunächst auf Teer, dann auf Splitt, ~ 600 Meter durch das Weidmoos nach Westen fahren. Nach einer langgezogenen Linkskurve und weiteren ~ 200 Metern befinden sich zwei Weiher auf der östlichen Straßenseite, die nicht auf der Fläche des ehemaligen Moosbergs liegen. Dann weist ein aus der "aktiven Zeit" des Moosbergs übriggebliebenes Schild von der Straße aus nach rechts (Westen): "Vorsicht Steinbruch, Lebensgefahr!" Nach nochmals ~ 200 Metern steht ein Infoschild zur römischen und auch jüngsten Moosberg-Vergangenheit auf der westlichen Straßenseite. An vielen Stellen gehen nun von der Straße aus kurze Stichpfade nach Südwesten zum Seeufer. Direkt südlich des Sees befindet sich auf der Randfläche des ehemaligen Moosbergs ein kleiner, steiler, etwa 10 Meter hoher Waldbuckel - vielleicht ist das ein Rest des Original-Moosbergs?
Bitte im Murnauer Moos die Naturschutzbestimmungen, vor allem den Schutz von Wiesenbrütern, beachten. Keinesfalls Hunde frei laufen lassen!
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Heumoosberg: Car-Abstellmöglichkeit an der Ausfahrt von der B2 nach Ohlstadt. Zurück mit dem Bike auf die B2 und 200 Meter nach Norden. Nun einem "Gloaßenweg", einem Weg mit Gras zwischen den Fahrspuren ~ 600 Meter nach Westen folgen. Dann mündet der Gloaßenweg in einen breiteren Weg ein, der von Süden kommt und nach Westen weitergeht. Vor dem Straßenende mit zwei Stadeln am Fügseegraben führt ein Wirtschaftsweg nach Norden und erreicht nach ~ 450 Metern Wald. Gleich darauf bei einem Baum mit dem Schild: "Römerradweg" das Rad deponieren und die  Straßenabfahrt nach rechts (Osten) nehmen. Die Straße passiert noch im Wald zwei Viehgatter mit einer Hütte dazwischen, anschließend führen Traktorspuren durch eine sanft ansteigende freie Viehweide nach Norden zum südlichen P. 639 des Heumoosbergs. Lohnende Umsicht in alle Richtungen.
Von der Wiesenkuppe aus am Zaunpfad weiter nach Norden in eine Senke mit Gebäuden. Es erstreckt sich nach Norden eine sehr reizvolle Almlandschaft mit vielen Stadeln und Buckeln. Auch Mitte Oktober stehen hier noch Kälber und Pferde auf der Weide. Nun der Wirtschaftsstraße nach Norden folgen, bis ein Traktorweg über freie Wiesen nach Osten ansteigt. Am nördlichen Grasgipfel des Heumoosbergs (641 m) steht am Zaun eine Stange. Vom höchsten Punkt wieder freie Umsicht in alle Richtungen.
Nun auf einem Zaunpfad weiter nach Norden und anschließend nach Westen an einem maroden Stadel mit Sitzbank vorbei zurück zur Straße gehen. Der Wirtschaftsweg führt an schönen Bäumen, Wiesen, Stadeln und Marterln vorbei und erreicht nach dem letzten Stadel in wenigen Schritten durch etwas Wald die Straße ("Römerweg"), die an der Ostseite des Neuen Moosbergsees entlangläuft. (Lohnende Abstecher auf Pfad zum See möglich). Hier Anknüpfungspunkt zur Wanderung zum Neuen Moosbergsee. Nun auf der Straße nach links (Süden) gehen. An einer Kreuzung mit dem Schild "Römerradweg" und zwei gelben Pfeilen der ausgeschilderten Richtung nach links folgen. Bald ist wieder das Bike-Depot am Baum mit dem Schild "Römerradweg" erreicht.
Bitte, soweit man sich im Naturschutzgebiet Murnauer Moos befindet, die Naturschutzbestimmungen, vor allem den Schutz von Wiesenbrütern, beachten
Bitte beim Betreten der landwirtschaftlichen Nutzflächen die Gatter wieder schließen und keine Hunde auf die Tierweiden mitnehmen! Die Tiere bitte nicht füttern und die Futterwiesen von April bis September nicht betreten, sondern in dieser Zeit auf Wegen oder Traktorfahrspuren bleiben...
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Weghauser Köchel: Start an der B2 Höhe Autobahnausfahrt Ohlstadt. Dort sind gleich nördlich kleine Parkbuchten. Nach Süden 100 Meter zur Abfahrt von der B2 nach Weghaus zurückgehen. Diese Teerstraße ist für den öffentlichen Verkehr gesperrt. Insgesamt drei Einfahrten zum Gut mit Gebäuden (und dem Köchel direkt nordöstlich dahinter) sind mit Verbotsschildern ("Privatstraße") gesperrt. Ich bin aus Interesse auf der Teerstraße bis zur Brücke über die Autobahn gegangen. Dort guter Überblick auf die Lummerland-artige Gesamtsituation des Gutes Weghaus mit seinem Weghauser Köchel.
Zum Köchel selbst bin ich direkt von der Autobahnausfahrt aus gelangt. Dazu in südwestlicher Richtung weglos durch 10 Meter Wald zu einem verrosteten, stark durchhängenden Stacheldraht vordringen und diesen übersteigen. Anschließend beginnt der von Schafen, Kälbern und Pferden beweidete Graskegel des Weghauser Köchels anzusteigen. Nun darauf achten, auf dem frei zugänglichen, außerhalb der gespannten Leine liegenden Bereich der Weide zur bereits sichtbaren Wiesenkuppe mit Laubbaum anzusteigen. In wenigen Schritten wird so der höchste Punkt des Weghauser Köchels erreicht.
Der Verlauf der Weideleine kann sich ändern! Bitte keine Hunde mitnehmen! Tiere bitte nicht füttern! Bitte die Futterwiesen von April bis September nicht betreten.
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Info: Gute Infos von Ingrid Geiersberger (Webseite Bund Naturschutz) zum Murnauer Moos, seiner Geschichte und zu den Köcheln gibt es hier. Insbesondere S. 28f sowie S. 44f.

Zusatzinfo Weghaus: im Jahresheft 2012 des Geschichtsvereins Eschenlohe ist ein Artikel von Franziska Lobenhofer-Hirschbold erschienen, der sich mit der sog. "U-Verlagerung Ente" in den B2-Tunnels bei Eschenlohe beschäftigt. In den umgebauten Tunneln ließ die Messerschmitt GmbH 1944 und 1945 von über 1000 Zwangsarbeitern Teile von Kampfflugzeugen produzieren.
Das damalige "Bezirksamt Garmisch-Partenkirchen" (heute "Landratsamt") hat Monatsberichte über den Bestand an Zwangsarbeitern dieser Rüstungsfabrik verfasst. Im Mai 1944 heißt es: "Die Russen sind lagermäßig in Eschenlohe, die Franzosen lagermäßig in Weghaus untergebracht". Ich habe über ein solches Lager in Weghaus nichts finden können, außer einem bei eBay für € 300,00 angebotenen Feldpostbriefumschlag mit dem Lager als Absender.

Tourengänger: Vielhygler


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Kommentare (2)


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Woife hat gesagt:
Gesendet am 21. Januar 2024 um 10:05
Herzlichen Dank für diesen sehr informativen Bericht! Servus! Wolfgang

Vielhygler hat gesagt: RE:
Gesendet am 24. Januar 2024 um 17:40
Gern geschehen, Wolfgang. Wenn es etwas trockener ist, kommen noch zwei weitere Köchel dazu. Servus,
Andreas


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