Luftige Pirouette rund um La Pierreuse
"Die Freiheit, aufzubrechen, wohin ich will" (Friedrich Hölderlin), von Reinhold Messner hochgehalten, und Titel eines seiner zahlreichen lesenswerten Bücher, endet laut Alexander Huber in der Regel in einer fixen Idee mit einer Reihe von Sachzwängen, und kehrt erst wieder, wenn diese, oftmals nach wiederholtem Scheitern, in die Tat umgesetzt ist. Nicht anders verhält es sich, wenn eine solche Idee von jemandem anders stammt, in meinem Fall diesmal von
Bergamotte, der mir im Juni die "komplette Umrundung des Naturreservats La Pierreuse" vorschlug. Die erste von ihm erwähnte schwierige Stelle, der Salaires-Grat, war mir von einer Begehung im September 2004 bekannt, die zweite, ein Nordabstieg vom Rocher Plat, wollte ich zuerst im Aufstieg erkunden. Obwohl das Resultat meiner Entdeckungstour zu wünschen übrig liess, machte ich mich nach einigen anderen Projekten, und als die Tage schon wieder beunruhigend schnell kürzer wurden, auf den Weg, dessen erstes Drittel für mich Neuland war, das zweites, wie erwähnt, vertraut, und für dessen drittes ich mir verschiedene Optionen offen hielt.
Am südlichen Sternenhimmel leuchtete der Orion, als ich mit minimaler Kletterausrüstung im Rucksack und der Stirnlampe entlang der ruhig rauschenden La Gérine loslief. Der erste Gipfel, Le Sex Rouge, war ideal zum Aufwärmen, und nachdem ich in der Dämmerung den leider nicht mehr eingezeichneten, aber blau markierten Pfad durch Craucodor gefunden hatte, war auch der Weiterweg zur unscheinbaren Tête de la Scia keine Hexerei mehr. Beim Aufstieg über den abwechslungsreichen, ca. 1,5km langen und ebenfalls blau markierten Rocher du Midi NE-Grat kamen mir angesichts des mit gewonnener Höhe zunehmend in Erscheinung tretenden und mich erwartenden munteren Gipfelreigens zwischendurch Zweifel an meinem Vorhaben, ich versuchte aber, nicht zu weit nach vorne zu schauen und mich auf die Logik des nächsten Schritts zu konzentrieren und zuversichtlich zu bleiben. Der Gang über die, vom Abstieg über die SE-Flanke unübersichtlich, unzugänglich und sperrige wirkende Coumatta, im Führer als "montagne étrange" beschrieben, löste sich dann vor Ort in genussreiches Wohlgefallen auf, und schon stand ich beim Col de la Douve vor dem zweiten Drittel, der Königsetappe der gesamten Tour.
Mit Helm und Gurt gelangte ich vom Plan de la Douve über La Douvette zur Schlüsselstelle des Tages, der "brèche impressionante devant un mur". Hier hatte ich letztmals vor bald 20 Jahren, wie im Führer angegeben ("lancer la corde en double sur une fiche de fer ou un rognon rocheux"), das Seil über eine Eisenstange auf der Gegenseite des Schlunds geworfen und mich daran hochgezogen. Anstelle dieser Stange konnte ich dort aber nur zwei Bohrhaken ausmachen, und weil mir das Manöver mit dem Felskopf zu unsicher erschien, blieb mir nichts anderes, als es mit Hilfe von diesen beiden zu versuchen, was mit Stand an einem Block und einer zusätzlichen Zwischensicherung an einem Rock schliesslich überraschend gut und sogar frei gelang. Beim Aufnehmen des Seils gewahrte ich auf La Douvette eine geführte Tourengruppe, die ich aber während dem Abklettern und Abseilen von La Douve über den vielgestaltig gestuften E-Grat wieder aus den Augen verlor. Viel Luft, und nicht nur warme vom kammnah böigen Föhn, der leider auch immer wieder für Wolken und damit für wenig fotogene Lichtverhältnisse sorgte, erwartete mich auf dem atemberaubend ausgesetzten, aus kompaktem Kalk bestehenden Grat von Les Salaires, der etwa in der Mitte vom Grand V unterbrochen wird. Hier liess ich angesichts eines Brandt'schen Zweiers auf der Gegenseite, die zudem die unangenehmen Eigenschaften im Schatten liegender und damit feuchter Felsen aufwies, nach dem Abseilen das Seil hängen, und kletterte, daran wenigstens zu Beginn noch halbwegs gesichert, zurück zum Grat hoch. Ein letzter Abseiler brachte mich zum Plan des Salaires, dem Ausgangspunkt für die nun folgende Überschreitung des imposanten Dreigestirns von Château-d'Oex.
Ich versorgte die Kletterausrüstung und schaltete wieder auf Alpinwandern um. Unter vorübergehend blauerem Himmel folgte ich dem vergleichsweise leichten Grat zuerst zu Le Biolet und Brecaca, die beide zuletzt nur über einen Nebengrat erreichbar sind. Ich begegnete einem einsamen, Rast haltenden Wanderer und näherte mich der Gummfluh, wo ich unter der S-Wand von einem Rudel junger Steinböcke begrüsst wurde. In der nicht zu verfehlenden, inzwischen auch mit einem Kabel ausgestatteten Rampe traf ich auf je eine Zweiergruppe im Auf- und Abstieg. Als ich endlich auf dem Gipfel der Gummfluh ankam, begann sich der Himmel von SW her schon wieder zu bedecken. Mich daran erinnernd, dass der Abstieg, den ich mindestens schon ein halbes Dutzend mal gegangen war, mit keinem Mal leichter geworden war, blieb Ich nicht lange, sondern machte mich unverzüglich konzentriert ans Werk. Den Rocher Plat, der während der ganzen Tour als Fragezeichen im NE gethront hatte, nun immer näher kommend direkt vor mir, begann ich die bisher losen Gedankenfetzen zu drei konkreten Abstiegsmöglichkeiten zusammenzufassen: 1. E-Grat-Creux du Pralet, 2. W-Grat, 3. NW-Flanke. Der E-Grat wäre am einfachsten gewesen, aber mit zusätzlichen Höhenmetern verbunden, und zudem hätte er ästhetisch nicht zum Rundenkonzept gepasst. Auf dem W-Grat, den ich von einem Aufstieg her kannte, hätte ich zuerst abseilen, dann heikel abklettern und mich zuunterst und bei der Querung zum N-Grat durch sperrige Vegetation kämpfen müssen, was riskant und angesichts der fortgeschrittenen Stunde zu zeitraubend gewesen wäre. Blieb nur die NW-Flanke, bei der ich letztes Mal hoffentlich eine elegante Durchstiegsmöglichkeit übersehen hatte...
Endlich beim Sattel über dem Chenau Rouge vor dem letzten Drittel angekommen, durfte ich aber zunächst erstmals wieder durchatmen und Luft holen, und beim vergnüglichen Gang über den leichten, mit Blumen, darunter viele Edelweiss, übersäten Grat zu La Videmanette, wich mein Gedankenkarussel zunehmend einer Gelassenheit und der Zuversicht, auf dem Rocher Plat dann schon den richtigen Entscheid zu treffen. Der Aufstieg zu diesem erforderte nochmals etwas forza muscolare, während einige Regentropfen versuchten, erneut Zweifel heraufzubeschwören. Auf dem Gipfel machten diese aber vielmehr der Neu- und Wissbegier Platz, ob eine gangbare Route durch die NW-Flanke nicht doch möglich wäre, und ohne lange zu zögern querte ich über den Gipfelfirst nach W, wo ich ohne Abseilen über die 3. statt 2. Rippe von N abklettern konnte. Auch die Querung der NW-Flanke war problemlos möglich, und der Felsriegel, bei dem ich letztes Mal beim Aufstieg umgekehrt war, weil mir das Abklettern damals zu heikel erschien, erwies sich an der gleichen Stelle ebenfalls als unproblematisch. So einfach kann es also sein, wenn man offen ist und sich nicht von Befürchtungen leiten lässt...Nun war der Weg frei zum N-Grat und weiter zum Rocher Pourri. Nach dem Abstieg durch das mir bereits bekannte Geröllcouloir ergab sich auch hier eine deutlich bequemere Variante über die unterer NW-Flanke als letztes Mal, nämlich durch zwei aufeinanderfolgende Rinnen, anstelle des mühseligen Gekraxels über baumbewachsene und sperrige Felsen. Auf dem letzten Gipfel, der Pointe de Cananéen angekommen, machte ich nochmals eine Pause und blickte zurück zum Sex Rouge, und konnte es kaum glauben, die ganze Gipfelrunde von dort bis hierher geschafft zu haben. Ein letzter Hatscher durch zwischendurch unangenehm steilen Bergwald brachte mich zurück ins Tal, wo mich wieder die stetig rauschende La Gérine willkommen hiess.
Le Sex Rouge-Tête de la Scia-Rocher du Midi-Coumatta
Vom Parkplatz 1004 auf der Alpstrasse (gelb) bis ca. 1240m, dann auf dem Bergweg (weiss-rot, wr) über Rodosex Dessous bis zum Waldrand, und diesem entlang nach N auf Le Sex Rouge (1484m), T3. Abstieg nach WSW (Weide) nach Rodosex Dessus (1439m), T2. Auf dem auf älteren Karten eingezeichneten Weg (blau) nach SSE (Weide) zum Kessel von Craucodor, und durch diesen und über Steilstufe bei P. 1529 (Wald) zur Tête de la Scia (1630m), T4. Auf dem langen NE-Grat (zuerst Wald, dann Gras und leichte Felsen, blau) über P. 1866, P. 2003 und P. 2032 auf den Rocher du Midi (2097m), T4. Abstieg auf dem Bergweg (wr) über die SE-Flanke (Gras, Geröll) zum Col de Base (1854m), T3. Auf einem Pfad kurz nach SSE unter den gewundenen N-Grat, und diesem entlang (Gras, leichte Felsen) auf die Coumatta (2049m), T4. Abstieg über den SE-Grat (Gras, leichte Felsen), wobei eine Steilstufe und einige Gendarmen rechts umgangen werden können, wonach über das letzte Gratdrittel (Fels, I-II) der Col de la Douve (2003) erreicht wird, T6. 4h-4h 30min.
La Douve-Les Salaires-Le Biolet-Brecaca-Gummfluh
Vom Col de la Douve (2003m) wr nach NE zum Plan de la Douve (ca. 2040m, ev. Abstecher zu P. 2051), nach E und SE (Gras) zum SW-Grat, und über diesen (I) auf La Douvette (2144m), L. Nach NE 10m Abseilen (Block) oder Abklettern (Bh) und über einen Gendarmen (II) vor eine tiefe Scharte (Schlüsselstelle), WS. Stand an Block, Spreizschritt (IV+), auf der anderen Seite (2 Bh) hinauf (IV) zu Stand an Block, und weiter über den SW-Grat (I) auf La Douve (2170m), ZS. Abstieg über den E-Grat (Fels, Schrofen) in 3 Stufen (Les Escaliers), wobei bei der 1. und 3. 10m und 20m abgeseilt (Bh-Stände) und sonst abgeklettert (I-II) werden kann. Danach dem unteren Grat entlang (Fels, Gras, Umgehungen rechts) einfach zum Col des Salaires (2087m), WS. Über den W-Rücken (Gras) auf den Les Salaires W-Gipfel (2135m), und über den nun schmaleren Grat (Gras, Fels, I) zum Grand V, einer tiefen Scharte. 20m Abseilen (Bh-Stand) und auf der anderen Seite links der Kante (alte Route, grasdurchsetzter Fels, Hk, II+, oft feucht), oder dieser entlang (neue Route, Fels, Bh, IV?) hinauf. Weiter auf dem Grat (Gras, Fels, I) zum E-Gipfel (2170m), ZS-. Abklettern nach E und 20m Abseilen (Bh-Stand) zum Plan des Salaires (ca. 2120m), der nach E gequert wird (Gras), WS. Auf dem WSW-Grat über P. 2193 (Gras, felsige Gendarmen, die rechts oder links umgangen werden können) zu P. 2261, Depot. Rechts von einem gezackten Felsgrätchen nach N, und über die S-Flanke (2m hohe Stufe, Bh, II, Pfadspuren) auf Le Biolet (2293m), T5. Zurück zu P. 2261, und Abstieg über den E-Grat (Gras, leichte Felsen) zum Sattel 2145, T4. Auf dem WSW-Grat (Gras, felsige Gendarmen, die v.a. rechts umgangen werden können) zum Brecaca S- (2319m) und entlang einem Felsgrätchen nach NE zum Hauptgipfel (2319m), T5. Zurück und Abstieg über den SE-Grat (Gras, leichte Felsen) zum Sattel 2276m, T4. Auf dem SW-Grat (Gras, leichte Felsen, Umgehungen v.a. rechts) unter die S-Flanke, über eine Rampe (Gras, leichte Felsen, Pfadspur, Kabel) zum E-Grat, und diesem entlang (leichte Felsen, Pfadspuren) auf die Gummfluh (2458m), T5. Abstieg über die NE-Flanke (Schrofen, Geröll) und die NE-Rippe (Gras, Fels, Bh, I) zu einer Rampe, und über diese (Gras, Schrofen, Bh, I) nach NW hinunter zum Sattel 2134, T6. 5h-5h 30min.
Pointe de Tso y Bots-La Videmanette-Rocher Plat-Rocher Pourri-Pointe de Cananéen
Vom Sattel 2134 über die S-Rippe (I-II) auf die Pointe de Ts y Bots (2178m), dann nach N dem Grat entlang (Gras. leichte Felsen, Pfadspuren) über P. 2137 und die Pointe de la Videman (2165m) zum Col de la Videman (2033m), T4. Zuerst wr, dann auf dem eingezeichneten Pfad über den SW-Grat auf La Videmanette (2186m), T2. Abstieg zurück bis zu einem abzweigenden Pfad, und auf diesem nach NW zum Sattel 2128, T2. Wr nach NW, über die SE-Flanke und den NE-Grat (Gras, Schrofen, zuoberst Felsstufe, 5m, I, Kette) auf den Rocher Plat (2257m), T3. Abstieg über den horizontalen Gipfelfirst (leichte Felsen, Scharte II) nach W, Abstieg zur 2. W-Rippe von N, und Abklettern (5m, II) zur 3. Kurz auf dieser (leichte Felsen) nach W hinab, dann nach NW (Gras, Schrofen, I) hinunter, und wieder nach W (Gras) bis ca. 2150m. Nach N quer über die NW-Flanke (Gras, Schrofen) zu einem Graben, der NE von einem Felsriegel begrenzt wird. Bei dessen Schwachstelle hinauf (5m, II), und weiter nach NNE (Gras, Schrofen, Wildwechsel, zuletzt Felsstufe, II) zum N Grat. Diesem entlang (Gras, Pfadspuren), Gendarmen links umgehend zum Sattel 1958, WS oder T6. Über den S-Grat (Gras, leichte Felsen), zuletzt den felsigen Gipfelaufbau links umgehend (Schrofen) auf den Rocher Pourri (2008), T4. Über den Gipfelfirst (Fels, I-II) zum N-Gipfel (2002), von diesem nach SSE in das markante nördliche W-Couloir, und durch dieses (Geröll) hinunter bis ca. 1850m. Unter den nördlichen Begrenzungsfelsen auf einem Pfad nach NE zu einer steilen Rinne, und durch diese nach NW hinab (Gras, Geröll), bis auf einem ausgesetzten Band (Wildwechsel) auf die linke Begrenzungsrippe gequert werden kann. Auf der anderen Seite nach WNW durch eine weitere Rinne (Gras, Erde), zuletzt durch eine Kaminrinne (liegender Baumstamm, I) zum Kar und nach W leicht ansteigend zum Sattel 1769, T5. Über die wenig ausgeprägte SE-Rippe (Wald, Weide) auf die Pointe de Cananéen (1842m), T3. Abstieg über die NW-Flanke (Wald, Weide, Pfadspuren) zum eingezeichneten Weg und über P. 1641 zur Alphütte von Cananéen. Nach W (steiler Bergwald) zwischen den Felsen hindurch zum Wegweiser 1279, wr zum Wegweiser 1183, und gelb zurück, T4. 3h 30min-4h.
Insgesamt 12h 30min-14h.
Verhältnisse: bei kammnah mässigem Föhn wechselnd bewölkt und mild. Spätnachmittags beim Aufstieg zum Rocher Plat einige Regentropfen. Gras morgens nass, dann wie Wege und Felsen weitgehend trocken.
Material: Stirnlampe, Leichthelm, -pickel (nicht gebraucht) und -klettergurt, 50m 7,5mm Zwillingsseil (1 Strang), 4 Express, 3 Schlingen, 1 mittlerer Camalot und 1 Satz Rocks zusätzlich zu üblicher Alpinwanderausrüstung.
Fahrplan: 5.45 Start, 9.30 Coumatta, 15 Uhr Gummfluh, 18.15 Pointe de Cananéen, 19.30 retour.

Am südlichen Sternenhimmel leuchtete der Orion, als ich mit minimaler Kletterausrüstung im Rucksack und der Stirnlampe entlang der ruhig rauschenden La Gérine loslief. Der erste Gipfel, Le Sex Rouge, war ideal zum Aufwärmen, und nachdem ich in der Dämmerung den leider nicht mehr eingezeichneten, aber blau markierten Pfad durch Craucodor gefunden hatte, war auch der Weiterweg zur unscheinbaren Tête de la Scia keine Hexerei mehr. Beim Aufstieg über den abwechslungsreichen, ca. 1,5km langen und ebenfalls blau markierten Rocher du Midi NE-Grat kamen mir angesichts des mit gewonnener Höhe zunehmend in Erscheinung tretenden und mich erwartenden munteren Gipfelreigens zwischendurch Zweifel an meinem Vorhaben, ich versuchte aber, nicht zu weit nach vorne zu schauen und mich auf die Logik des nächsten Schritts zu konzentrieren und zuversichtlich zu bleiben. Der Gang über die, vom Abstieg über die SE-Flanke unübersichtlich, unzugänglich und sperrige wirkende Coumatta, im Führer als "montagne étrange" beschrieben, löste sich dann vor Ort in genussreiches Wohlgefallen auf, und schon stand ich beim Col de la Douve vor dem zweiten Drittel, der Königsetappe der gesamten Tour.
Mit Helm und Gurt gelangte ich vom Plan de la Douve über La Douvette zur Schlüsselstelle des Tages, der "brèche impressionante devant un mur". Hier hatte ich letztmals vor bald 20 Jahren, wie im Führer angegeben ("lancer la corde en double sur une fiche de fer ou un rognon rocheux"), das Seil über eine Eisenstange auf der Gegenseite des Schlunds geworfen und mich daran hochgezogen. Anstelle dieser Stange konnte ich dort aber nur zwei Bohrhaken ausmachen, und weil mir das Manöver mit dem Felskopf zu unsicher erschien, blieb mir nichts anderes, als es mit Hilfe von diesen beiden zu versuchen, was mit Stand an einem Block und einer zusätzlichen Zwischensicherung an einem Rock schliesslich überraschend gut und sogar frei gelang. Beim Aufnehmen des Seils gewahrte ich auf La Douvette eine geführte Tourengruppe, die ich aber während dem Abklettern und Abseilen von La Douve über den vielgestaltig gestuften E-Grat wieder aus den Augen verlor. Viel Luft, und nicht nur warme vom kammnah böigen Föhn, der leider auch immer wieder für Wolken und damit für wenig fotogene Lichtverhältnisse sorgte, erwartete mich auf dem atemberaubend ausgesetzten, aus kompaktem Kalk bestehenden Grat von Les Salaires, der etwa in der Mitte vom Grand V unterbrochen wird. Hier liess ich angesichts eines Brandt'schen Zweiers auf der Gegenseite, die zudem die unangenehmen Eigenschaften im Schatten liegender und damit feuchter Felsen aufwies, nach dem Abseilen das Seil hängen, und kletterte, daran wenigstens zu Beginn noch halbwegs gesichert, zurück zum Grat hoch. Ein letzter Abseiler brachte mich zum Plan des Salaires, dem Ausgangspunkt für die nun folgende Überschreitung des imposanten Dreigestirns von Château-d'Oex.
Ich versorgte die Kletterausrüstung und schaltete wieder auf Alpinwandern um. Unter vorübergehend blauerem Himmel folgte ich dem vergleichsweise leichten Grat zuerst zu Le Biolet und Brecaca, die beide zuletzt nur über einen Nebengrat erreichbar sind. Ich begegnete einem einsamen, Rast haltenden Wanderer und näherte mich der Gummfluh, wo ich unter der S-Wand von einem Rudel junger Steinböcke begrüsst wurde. In der nicht zu verfehlenden, inzwischen auch mit einem Kabel ausgestatteten Rampe traf ich auf je eine Zweiergruppe im Auf- und Abstieg. Als ich endlich auf dem Gipfel der Gummfluh ankam, begann sich der Himmel von SW her schon wieder zu bedecken. Mich daran erinnernd, dass der Abstieg, den ich mindestens schon ein halbes Dutzend mal gegangen war, mit keinem Mal leichter geworden war, blieb Ich nicht lange, sondern machte mich unverzüglich konzentriert ans Werk. Den Rocher Plat, der während der ganzen Tour als Fragezeichen im NE gethront hatte, nun immer näher kommend direkt vor mir, begann ich die bisher losen Gedankenfetzen zu drei konkreten Abstiegsmöglichkeiten zusammenzufassen: 1. E-Grat-Creux du Pralet, 2. W-Grat, 3. NW-Flanke. Der E-Grat wäre am einfachsten gewesen, aber mit zusätzlichen Höhenmetern verbunden, und zudem hätte er ästhetisch nicht zum Rundenkonzept gepasst. Auf dem W-Grat, den ich von einem Aufstieg her kannte, hätte ich zuerst abseilen, dann heikel abklettern und mich zuunterst und bei der Querung zum N-Grat durch sperrige Vegetation kämpfen müssen, was riskant und angesichts der fortgeschrittenen Stunde zu zeitraubend gewesen wäre. Blieb nur die NW-Flanke, bei der ich letztes Mal hoffentlich eine elegante Durchstiegsmöglichkeit übersehen hatte...
Endlich beim Sattel über dem Chenau Rouge vor dem letzten Drittel angekommen, durfte ich aber zunächst erstmals wieder durchatmen und Luft holen, und beim vergnüglichen Gang über den leichten, mit Blumen, darunter viele Edelweiss, übersäten Grat zu La Videmanette, wich mein Gedankenkarussel zunehmend einer Gelassenheit und der Zuversicht, auf dem Rocher Plat dann schon den richtigen Entscheid zu treffen. Der Aufstieg zu diesem erforderte nochmals etwas forza muscolare, während einige Regentropfen versuchten, erneut Zweifel heraufzubeschwören. Auf dem Gipfel machten diese aber vielmehr der Neu- und Wissbegier Platz, ob eine gangbare Route durch die NW-Flanke nicht doch möglich wäre, und ohne lange zu zögern querte ich über den Gipfelfirst nach W, wo ich ohne Abseilen über die 3. statt 2. Rippe von N abklettern konnte. Auch die Querung der NW-Flanke war problemlos möglich, und der Felsriegel, bei dem ich letztes Mal beim Aufstieg umgekehrt war, weil mir das Abklettern damals zu heikel erschien, erwies sich an der gleichen Stelle ebenfalls als unproblematisch. So einfach kann es also sein, wenn man offen ist und sich nicht von Befürchtungen leiten lässt...Nun war der Weg frei zum N-Grat und weiter zum Rocher Pourri. Nach dem Abstieg durch das mir bereits bekannte Geröllcouloir ergab sich auch hier eine deutlich bequemere Variante über die unterer NW-Flanke als letztes Mal, nämlich durch zwei aufeinanderfolgende Rinnen, anstelle des mühseligen Gekraxels über baumbewachsene und sperrige Felsen. Auf dem letzten Gipfel, der Pointe de Cananéen angekommen, machte ich nochmals eine Pause und blickte zurück zum Sex Rouge, und konnte es kaum glauben, die ganze Gipfelrunde von dort bis hierher geschafft zu haben. Ein letzter Hatscher durch zwischendurch unangenehm steilen Bergwald brachte mich zurück ins Tal, wo mich wieder die stetig rauschende La Gérine willkommen hiess.
Le Sex Rouge-Tête de la Scia-Rocher du Midi-Coumatta
Vom Parkplatz 1004 auf der Alpstrasse (gelb) bis ca. 1240m, dann auf dem Bergweg (weiss-rot, wr) über Rodosex Dessous bis zum Waldrand, und diesem entlang nach N auf Le Sex Rouge (1484m), T3. Abstieg nach WSW (Weide) nach Rodosex Dessus (1439m), T2. Auf dem auf älteren Karten eingezeichneten Weg (blau) nach SSE (Weide) zum Kessel von Craucodor, und durch diesen und über Steilstufe bei P. 1529 (Wald) zur Tête de la Scia (1630m), T4. Auf dem langen NE-Grat (zuerst Wald, dann Gras und leichte Felsen, blau) über P. 1866, P. 2003 und P. 2032 auf den Rocher du Midi (2097m), T4. Abstieg auf dem Bergweg (wr) über die SE-Flanke (Gras, Geröll) zum Col de Base (1854m), T3. Auf einem Pfad kurz nach SSE unter den gewundenen N-Grat, und diesem entlang (Gras, leichte Felsen) auf die Coumatta (2049m), T4. Abstieg über den SE-Grat (Gras, leichte Felsen), wobei eine Steilstufe und einige Gendarmen rechts umgangen werden können, wonach über das letzte Gratdrittel (Fels, I-II) der Col de la Douve (2003) erreicht wird, T6. 4h-4h 30min.
La Douve-Les Salaires-Le Biolet-Brecaca-Gummfluh
Vom Col de la Douve (2003m) wr nach NE zum Plan de la Douve (ca. 2040m, ev. Abstecher zu P. 2051), nach E und SE (Gras) zum SW-Grat, und über diesen (I) auf La Douvette (2144m), L. Nach NE 10m Abseilen (Block) oder Abklettern (Bh) und über einen Gendarmen (II) vor eine tiefe Scharte (Schlüsselstelle), WS. Stand an Block, Spreizschritt (IV+), auf der anderen Seite (2 Bh) hinauf (IV) zu Stand an Block, und weiter über den SW-Grat (I) auf La Douve (2170m), ZS. Abstieg über den E-Grat (Fels, Schrofen) in 3 Stufen (Les Escaliers), wobei bei der 1. und 3. 10m und 20m abgeseilt (Bh-Stände) und sonst abgeklettert (I-II) werden kann. Danach dem unteren Grat entlang (Fels, Gras, Umgehungen rechts) einfach zum Col des Salaires (2087m), WS. Über den W-Rücken (Gras) auf den Les Salaires W-Gipfel (2135m), und über den nun schmaleren Grat (Gras, Fels, I) zum Grand V, einer tiefen Scharte. 20m Abseilen (Bh-Stand) und auf der anderen Seite links der Kante (alte Route, grasdurchsetzter Fels, Hk, II+, oft feucht), oder dieser entlang (neue Route, Fels, Bh, IV?) hinauf. Weiter auf dem Grat (Gras, Fels, I) zum E-Gipfel (2170m), ZS-. Abklettern nach E und 20m Abseilen (Bh-Stand) zum Plan des Salaires (ca. 2120m), der nach E gequert wird (Gras), WS. Auf dem WSW-Grat über P. 2193 (Gras, felsige Gendarmen, die rechts oder links umgangen werden können) zu P. 2261, Depot. Rechts von einem gezackten Felsgrätchen nach N, und über die S-Flanke (2m hohe Stufe, Bh, II, Pfadspuren) auf Le Biolet (2293m), T5. Zurück zu P. 2261, und Abstieg über den E-Grat (Gras, leichte Felsen) zum Sattel 2145, T4. Auf dem WSW-Grat (Gras, felsige Gendarmen, die v.a. rechts umgangen werden können) zum Brecaca S- (2319m) und entlang einem Felsgrätchen nach NE zum Hauptgipfel (2319m), T5. Zurück und Abstieg über den SE-Grat (Gras, leichte Felsen) zum Sattel 2276m, T4. Auf dem SW-Grat (Gras, leichte Felsen, Umgehungen v.a. rechts) unter die S-Flanke, über eine Rampe (Gras, leichte Felsen, Pfadspur, Kabel) zum E-Grat, und diesem entlang (leichte Felsen, Pfadspuren) auf die Gummfluh (2458m), T5. Abstieg über die NE-Flanke (Schrofen, Geröll) und die NE-Rippe (Gras, Fels, Bh, I) zu einer Rampe, und über diese (Gras, Schrofen, Bh, I) nach NW hinunter zum Sattel 2134, T6. 5h-5h 30min.
Pointe de Tso y Bots-La Videmanette-Rocher Plat-Rocher Pourri-Pointe de Cananéen
Vom Sattel 2134 über die S-Rippe (I-II) auf die Pointe de Ts y Bots (2178m), dann nach N dem Grat entlang (Gras. leichte Felsen, Pfadspuren) über P. 2137 und die Pointe de la Videman (2165m) zum Col de la Videman (2033m), T4. Zuerst wr, dann auf dem eingezeichneten Pfad über den SW-Grat auf La Videmanette (2186m), T2. Abstieg zurück bis zu einem abzweigenden Pfad, und auf diesem nach NW zum Sattel 2128, T2. Wr nach NW, über die SE-Flanke und den NE-Grat (Gras, Schrofen, zuoberst Felsstufe, 5m, I, Kette) auf den Rocher Plat (2257m), T3. Abstieg über den horizontalen Gipfelfirst (leichte Felsen, Scharte II) nach W, Abstieg zur 2. W-Rippe von N, und Abklettern (5m, II) zur 3. Kurz auf dieser (leichte Felsen) nach W hinab, dann nach NW (Gras, Schrofen, I) hinunter, und wieder nach W (Gras) bis ca. 2150m. Nach N quer über die NW-Flanke (Gras, Schrofen) zu einem Graben, der NE von einem Felsriegel begrenzt wird. Bei dessen Schwachstelle hinauf (5m, II), und weiter nach NNE (Gras, Schrofen, Wildwechsel, zuletzt Felsstufe, II) zum N Grat. Diesem entlang (Gras, Pfadspuren), Gendarmen links umgehend zum Sattel 1958, WS oder T6. Über den S-Grat (Gras, leichte Felsen), zuletzt den felsigen Gipfelaufbau links umgehend (Schrofen) auf den Rocher Pourri (2008), T4. Über den Gipfelfirst (Fels, I-II) zum N-Gipfel (2002), von diesem nach SSE in das markante nördliche W-Couloir, und durch dieses (Geröll) hinunter bis ca. 1850m. Unter den nördlichen Begrenzungsfelsen auf einem Pfad nach NE zu einer steilen Rinne, und durch diese nach NW hinab (Gras, Geröll), bis auf einem ausgesetzten Band (Wildwechsel) auf die linke Begrenzungsrippe gequert werden kann. Auf der anderen Seite nach WNW durch eine weitere Rinne (Gras, Erde), zuletzt durch eine Kaminrinne (liegender Baumstamm, I) zum Kar und nach W leicht ansteigend zum Sattel 1769, T5. Über die wenig ausgeprägte SE-Rippe (Wald, Weide) auf die Pointe de Cananéen (1842m), T3. Abstieg über die NW-Flanke (Wald, Weide, Pfadspuren) zum eingezeichneten Weg und über P. 1641 zur Alphütte von Cananéen. Nach W (steiler Bergwald) zwischen den Felsen hindurch zum Wegweiser 1279, wr zum Wegweiser 1183, und gelb zurück, T4. 3h 30min-4h.
Insgesamt 12h 30min-14h.
Verhältnisse: bei kammnah mässigem Föhn wechselnd bewölkt und mild. Spätnachmittags beim Aufstieg zum Rocher Plat einige Regentropfen. Gras morgens nass, dann wie Wege und Felsen weitgehend trocken.
Material: Stirnlampe, Leichthelm, -pickel (nicht gebraucht) und -klettergurt, 50m 7,5mm Zwillingsseil (1 Strang), 4 Express, 3 Schlingen, 1 mittlerer Camalot und 1 Satz Rocks zusätzlich zu üblicher Alpinwanderausrüstung.
Fahrplan: 5.45 Start, 9.30 Coumatta, 15 Uhr Gummfluh, 18.15 Pointe de Cananéen, 19.30 retour.
Tourengänger:
lorenzo

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