Les Pointes auf den Punkt gebracht...
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"Mi bruucht nid vil" betitelte der Pfarrer, Chronist, Dichter und langjährige Stübli-Kolumnist des Berner "Bunds", Peter Wyss, sein Buch mit Geschichten aus dem Leben der Menschen in seiner Brienzer Heimat. Die fast schon biblische Botschaft passt auch zu jemandem, der zwar nicht aus Brienz stammt, aber umso mehr dafür bekannt ist, stets mit leichtem Gepäck und schnell unterwegs zu sein: den legendären Bergführer und Extremskifahrer Kobi Reichen aus Lauenen. Von ihm kursiert die Anekdote, jeweils beim Rucksackkauf die Verkäuferinnen einschlägiger Bergsportgeschäfte zu schierer Verzweiflung gebracht zu haben, indem er bei jedem gezeigten Modell gemeint habe: "Vil z'gross, vil z'gross, hesch mer nüt chlinders?" Um schliesslich den Laden mit einem Kinderrucksack zu verlassen, oder sich in einem Gstaader Souvenirkiosk mit einem Moderucksäckli, der dortigen Prominenz zugedacht, einzudecken...Se non e vero - jedenfalls möchte unsereiner auch so wenig brauchen und herumschleppen müssen.
Schon lange hatte ich davon geträumt, die Pointes de Sur Combe hoch über der Combe de Comborsin hin zur Gummfluh überschreiten. Der Grat zwischen E- und W- Gipfel sollte laut Führer "sans difficultés" zu begehen, und auch der Aufstieg von SE zum E-Gipfel sowie der Abstieg vom W-Gipfel nach SW im oberen Alpinwanderbereich möglich sein. Zum unteren und mittleren ENE-Grat über P. 2246 bis zum E-Gipfel, der auf der Routenskizze von Alfred Oberli einen recht gezackten Eindruck macht, fehlen dagegen im Führer nähere Angaben. Und die beschriebenen Anstiege des eingespielten Klettertrios Betty und Ernest Favre sowie Louis-Maurice Henchoz von E über den Sockel zur Epaule ("passage assez lisse de 20m", "1 pas A1") und von N zum E-Gipfel ("débuter à l'aplomb du couloir") schienen mir mit S zu schwer zu sein. Gemäss Routenskizze war es aber villeicht möglich, von S zur Epaule oder zu P. 2246 zu gelangen, wozu wiederum das Kartenbild keine brauchbaren Anhaltspunkte lieferte. So blieb mir nichts anderes übrig, als den Rucksack zu packen, der natürlich für das Seil und die Kletterutensilien - um für alle möglichen Situationen gerüstet zu sein - sowie alles übrige eher zu klein als "vil z'gross" war, und selber einen Augenschein an Ort und Stelle vorzunehmen.
Als ich dann am vergangenen Samstag auf Chalberhöni startete, schienen sich nach tagelangen intensiven Regenfällen die Restwolken endlich zu verziehen und einem strahlenden Tag Platz zu machen. Aber wie ich auf dem Gummesel anlangte, von dem ich mir eine erhellende Sicht auf die Pointes erhofft hatte, waren diese bereits von undurchdringlichen Wolkenschwaden, die die Bise an Grate und Gipfel hängte, eingehüllt. In der Hoffnung, dass sich der Hochnebel doch noch lichten würde, stieg ich vom Trittlisattel zur Geröllhalde hinunter und entlang der S-Wand Richtung W hinauf und hielt Ausschau nach Zustiegsmöglichkeiten von S zum Grat. Aber es war zwecklos, der Nebel hielt sich hartnäckig und verschluckte sogar die wenigen Steinböcke, die mich allenfalls in die richtige Richtung hätten weisen können. Ich gab auf, wandelte mehr oder weniger im Blindflug zur Gummfluh und auf der anderen Seite weiter Richtung La Videmanette, wozu ein leichtes Wanderrucksäckli selbstverständlich bei weitem ausgereicht hätte. Für die Pointes müsste ich jedoch bei klarerem Wetter wieder kommen.
Schon vier Tage später war es soweit. Das Wetter war gut, die Sicht klar und - wie sollte es anders sein - der Rucksack gleich schwer. Den Gummesel bestieg ich diesmal direkt über den bewaldeten und von Bergblumen in allen Farben, die mich immer wieder gefangen nahmen, übersäten E-Rücken. Auf dem Gipfel konnte ich dann meine Aufmerksamkeit endlich den diesmal in klarstem Sonnenlicht aufragenden Pointes zuwenden: wie anhand des Routenfotos im Führer vermutet, konnte ich einen Aufstieg von E über die glatten Kalkflühe des Sockels, der zuckerhutartig zur Combe de Comborsin abfällt, sofort ausschliessen. W davon waren aber mögliche Zustiege durch die von Graspartien durchzogene S-Wand zumindest erahnbar. Nach dem Britschespalt hatte ich dann volle Einsicht in die S-Wand, die von zwei breiten Grascouloirs durchzogen wird, durch die ein Aufstieg zur Epaule und zu P. 2246 machbar zu sein schien. Die beiden Grataufschwünge darüber sahen jedoch von weitem senkrecht und sogar überhängend aus, so dass wieder Zweifel aufkamen, und ich mit dem Gedanken, mich mit der erwähnten Berggängerroute zum E-Gipfel abzufinden, unschlüssig auf dem eingezeichneten Pfad weiter stieg. Und dafür hast Du wieder den schweren Rucksack mitgenommen? So schalt ich mich innerlich, gab mir einen Ruck, zumindest das obere Grascouloir zu P. 2246, das zusehends einladender wirkte, zu versuchen, und zog auf ca. 2150m, bereits ca. 50 Hm zu weit oben, die Handbremse.
Ich stieg vorsichtig zur Geröllhalde ab und querte diese ansteigend zum oberen Grascouloir, das sich bis zu der bereits von unten gut sichtbaren Felsrinne problemlos begehen liess. Unter einem überhängenden Klemmblock, der den Ausstieg versperrt, querte ich nach NE auf den Grat, wo ich Helm und Klettergurt anzog. Ein Blick hinab zur Epaule liess erahnen, dass auch der Gratabschnitt dazwischen im Bereich des Möglichen zu liegen schien. P. 2246 liess sich zwar ausgesetzt, aber einfach überklettern. Den folgenden Aufschwung (der 2., siehe unten) umging ich N durch eine Felsrinne und seilte mich zu einer Schrofenrampe ab, die mich von S zum Grat zurückführte. Bei der nächsten Kuppe waren die Schwierigkeiten dann bereits überstanden. Um nur 10m abzuseilen, hatte ich den ganzen Kletterkram mitgeschleppt? Dafür hätte eine 30m Reepschnur längstens ausgereicht, aber im nachhinein ist man ja bekanntlich meistens schlauer...Ich nahm mir vor, auch noch das untere Grascouloir zur Epaule und den unteren ENE-Grat zu versuchen. Aber vorerst bewegte ich mich in genussreichem Alpinwandergelände mit prächtiger Nah- und Fernsicht sowie tollen Tiefblicken über den E- zum W-Gipfel und nach dem Abstieg zum Sattel ca. 2300m über den E-Grat weiter zur Gummfluh, zu der der Mont Blanc, die Waadtländer, Walliser und Berner Alpen herüberwinkten. Der Abstieg über den NE-Grat erforderte wie immer volle Konzentration, bevor mich ein wildes Tälchen unter den mächtigen N-Abstürzen der Pointes hindurch zum Gour de Comborsin führte, wo der Bergweg zurück zum Trittlisattel abzweigt.
Als ich zum zweiten Mal beim Trittlisattel ankam, begann ich das Gewicht des Rucksacks langsam zu spüren. Villeicht müsste ich wenigstens am unteren ENE-Grat eine Länge sichern, so dass Seil doch noch zum Einsatz kam, und ich den ganzen Krempel nicht ganz umsonst spazieren geführt hatte. Insgeheim hoffte ich aber natürlich trotzdem, wieder ohne Sicherung auszukommen. Kurz nach dem Britschespalt querte ich über die Geröllhalde zum unteren Grascouloir, das sich u.a. dank Wildwechseln fast noch leichter ersteigen liess als das obere, und ohne Umwege direkt zur Epaule führte. Ich gönnte mir einen schwindelerregenden Tiefblick zum Plan de Comborsin, grüsste den Gummesel und machte das Klettermaterial bereit. Den folgenden überhängenden Aufschwung (der 1., siehe unten) konnte ich N über eine Felsstufe und eine Schrofenrampe umgehen. Dann ging es in schöner Genusskletterei, die genau so schwer war, dass ich das Seil gerade nicht brauchte, über den unteren ENE bis zu P. 2246. Den 2. Aufschwung umging ich diesmal S über die untere felsige Verlängerung der Schrofenrampe, was sogar beim abschliessenden kurzen Überhang besser ging, als ich befürchtet hatte, und selbstredend wieder ohne Seil, das für diese Tour offensichtlich gar nicht notwendig war. Über L'Etivaz hatten sich inzwischen ein paar harmlose Quellwolken zusammengezogen, die mich aber nicht mehr ins Bockshorn zu jagen vermochten, als ich, etwas langsamer als beim ersten Mal, nochmals über die oberen beiden Pointes und weiter zur Gummfluh schritt. Nach einer zweiten erholsamen Gipfelrast und dem nochmaligen konzentrierten Abstieg warteten auf dem Rückweg mit den beiden Pointes de Tso y Bots und der Pointe de la Videman nur noch drei kleine blumenreiche Pünktchen, bevor ich es ab dem Col de la Videman auf dem bequemen Bergweg endlich wieder sausen lassen und die Route über die Pointes nochmals von N Revue passieren lassen konnte.
Nächstes Mal werde ich mit einem leichten Wanderrucksäckli und ohne Kletterbagage wiederkehren, denn einmal mehr hat sich der Spruch vom Pfarrer als zutreffend erwiesen:
Aufstieg: von Chalberhöni, Bodeguet (1347m) auf dem weiss-rot markierten Bergweg (wr) über Wilde Bode (1643m) bis zum E-Rücken, und über diesen durch Wald und über Gras und leichte Felsen auf den Gipfel (1901m, Kreuz), 1h, T4.
Abstieg: vom Gipfel (1901m) über das Karrenfeld auf- und absteigend nach NW, bis über eine Stufe nach SW abgestiegen werden kann (Pfadspuren). Auf überwachsenem Karst (Pfadspuren) nach WSW zurück zum Bergweg (wr) und auf diesem zum Trittlisattel (1850m), 15min.
Pointes de Sur Combe
Aufstieg ENE-Grat: vom Trittlisattel (1850m) wr bis zum Britschespalt S P. 1952, nach diesem durch ein schwach ausgeprägtes Tälchen nach WNW zur Geröllhalde und diese horizontal nach N querend zum Einstieg in das E bzw. untere Grascouloir bei ca. 1970m. Zu diesem über Gras und leichte Felsen schräg ansteigend nach NE und E des am tiefsten hinunterreichenden markanten Felsrückens durch eine Grasrinne auf die nächste Stufe. Am W Couloirrand über Gras und Schrofen hinauf, bis nach NE in eine Felsrinne gequert werden kann. Durch diese und zuletzt über einen Grashang zur Epaule ca. 2170m am Beginn des ENE-Grats, 1h, T6, I-II. Der 1. überhängende Aufschwung kann N umgangen werden, indem man in eine Grasmulde quert, eine Felsstufe erklettert (II) und über eine Schrofenrampe nach SE wieder den Grat gewinnt. Über diesen in schöner Kletterei (II), einmal eine leicht abdrängende Stufe überwindend (III), zum NE Vorgipfel von P. 2246. Letzterer (zuoberst Abseilschlinge) wird zu einer Scharte hin überklettert (II). Um die anzupeilende Schrofenrampe S vom Grat nach dem 2. senkrechten Aufschwung zu erreichen, gibt es 2 Möglichkeiten: 1. man umgeht diesen N auf Gras und gelangt durch einen Kamin (II) zu dessen Anhöhe, von der an einem Felskopf 10m nach SW zur Schrofenrinne abgeseilt werden kann, oder man steigt 2. von der Scharte nach S zur felsigen Verlängerung der Schrofenrampe nach unten, klettert unterhalb einer massiven Felsleiste schräg hinauf (II), bis man über diese (ca. 1m, leicht überhängend, III) die Schrofenrampe gewinnen kann. Über diese nach SW hinauf und nach NW auf leichten Felsen zurück zum Grat, der zu einer Kuppe führt. Nun auf dem einfachen, von anregenden Felspassagen unterbrochenen Schrofengrat über den E-Gipfel P. 2346 und einen Zwischengipfel (Steinmann), und nach einer tieferen Scharte nach NW zum W-Gipfel P. 2393, 1h, WS. Insgesamt 2h.
Abstieg SW-Couloir: vom W-Gipfel P. 2993 nach NW in eine Scharte und durch ein Grascouloir, unterbrochen von einem Felsriegel (II, Fixseil) nach SW hinunter zum Sattel ca. 2300m, 15min, T4.
Zustiegsvariante durch das W bzw. obere Grascouloir zu P. 2246: vom Trittlisattel (1850m) wr über den Britschespalt S P. 1952 bis zur Weggabelung ca. 1950m. Auf dem eingezeichneten Pfad bis ca. 1990m, dann weglos auf Gras und Geröll nach NW zum Einstieg in das W bzw. obere Grascouloir bei ca. 2100m. Durch dieses auf Gras und leichten Felsen E ausholend in einem Bogen zur obersten Felsrinne, die bis unter einen grossen eingeklemmten Block erklettert werden kann (II). Ausstieg nach NE und auf einer Grasrampe und leichten Felsen, zuletzt durch einen Spalt, zum NE Vorgipfel von P. 2242, 1h 15min, T6. Weiter auf dem mittlere und oberen ENE-Grat wie oben beschrieben.
Gummfluh
Aufstieg E-Grat: vom Sattel ca. 2300m nach W einen Gendarmen S umgehend zu einer Schrofenrinne und durch diese (I) zum E-Grat. Ein 1. Aufschwung kann direkt erklettert (II-III, Bh, Hk) oder N durch eine Schrofen- und Grasrinne umgangen werden, dann über einen 2. und 3. Aufschwung einfach auf den Gipfel (2458m), 30min, L oder T4.
Abstieg NE-Grat: vom Gipfel (2458m) auf Gras und Schrofen über den oberen NE-Grat (T5) zu einer Terrasse, weiter über den unteren NE-Grat (Stellen II, Bh) zum Sattel ca. 2225m und nach NW über eine steile Rampe (Stellen II, Bh) hinunter zum Col 2134, 30min, T6.
Rückweg über Pointe und Col de la Videman
Vom Col 2134 in schöner Kletterei (II, Bh) hinauf zur Pointe de Tso y Bots (2178m). Auf dem Grasgrat (Pfadspuren, Stellen I) über P. 2137 und die Pointe de la Videman (2165m) zum Col de la Videman (2033m) und wr über Les Praz (1771m), Comborsin (1659m) und Obers (1585m) und Unders Beust (1485m) zurück, 2h, T4.
Verhältnisse: sonnig und warm, nachmittags Quellwolken. Wege, Gras und Felsen trocken, Erde schattseitig z.T. noch feucht und rutschig.
Material: Leichthelm, Leichtpickel und 30m Reepschnur (für alle Fälle) zusätzlich zu üblicher Alpinwanderausrüstung. Für Seilschaften genügen ein 30m Einfachseil und etwas flexibles Sicherungsmaterial.
Fahrplan: 7.15 Start, 8.15 Gummesel, 10 Uhr P. 2246, 12 Uhr Gummfluh, 13.30 Gour de Comborsin, 14.45 Schulter ca. 2170m, 16.15 Gummfluh, 17.45 Col de la Videman, 19 Uhr retour.
Bemerkung: es handelt sich um eine wunderschöne Gratüberschreitung im Bereich T6/WS, die aber nur bei trockenen Verhältnissen unternommen werden sollte.
Schon lange hatte ich davon geträumt, die Pointes de Sur Combe hoch über der Combe de Comborsin hin zur Gummfluh überschreiten. Der Grat zwischen E- und W- Gipfel sollte laut Führer "sans difficultés" zu begehen, und auch der Aufstieg von SE zum E-Gipfel sowie der Abstieg vom W-Gipfel nach SW im oberen Alpinwanderbereich möglich sein. Zum unteren und mittleren ENE-Grat über P. 2246 bis zum E-Gipfel, der auf der Routenskizze von Alfred Oberli einen recht gezackten Eindruck macht, fehlen dagegen im Führer nähere Angaben. Und die beschriebenen Anstiege des eingespielten Klettertrios Betty und Ernest Favre sowie Louis-Maurice Henchoz von E über den Sockel zur Epaule ("passage assez lisse de 20m", "1 pas A1") und von N zum E-Gipfel ("débuter à l'aplomb du couloir") schienen mir mit S zu schwer zu sein. Gemäss Routenskizze war es aber villeicht möglich, von S zur Epaule oder zu P. 2246 zu gelangen, wozu wiederum das Kartenbild keine brauchbaren Anhaltspunkte lieferte. So blieb mir nichts anderes übrig, als den Rucksack zu packen, der natürlich für das Seil und die Kletterutensilien - um für alle möglichen Situationen gerüstet zu sein - sowie alles übrige eher zu klein als "vil z'gross" war, und selber einen Augenschein an Ort und Stelle vorzunehmen.
Als ich dann am vergangenen Samstag auf Chalberhöni startete, schienen sich nach tagelangen intensiven Regenfällen die Restwolken endlich zu verziehen und einem strahlenden Tag Platz zu machen. Aber wie ich auf dem Gummesel anlangte, von dem ich mir eine erhellende Sicht auf die Pointes erhofft hatte, waren diese bereits von undurchdringlichen Wolkenschwaden, die die Bise an Grate und Gipfel hängte, eingehüllt. In der Hoffnung, dass sich der Hochnebel doch noch lichten würde, stieg ich vom Trittlisattel zur Geröllhalde hinunter und entlang der S-Wand Richtung W hinauf und hielt Ausschau nach Zustiegsmöglichkeiten von S zum Grat. Aber es war zwecklos, der Nebel hielt sich hartnäckig und verschluckte sogar die wenigen Steinböcke, die mich allenfalls in die richtige Richtung hätten weisen können. Ich gab auf, wandelte mehr oder weniger im Blindflug zur Gummfluh und auf der anderen Seite weiter Richtung La Videmanette, wozu ein leichtes Wanderrucksäckli selbstverständlich bei weitem ausgereicht hätte. Für die Pointes müsste ich jedoch bei klarerem Wetter wieder kommen.
Schon vier Tage später war es soweit. Das Wetter war gut, die Sicht klar und - wie sollte es anders sein - der Rucksack gleich schwer. Den Gummesel bestieg ich diesmal direkt über den bewaldeten und von Bergblumen in allen Farben, die mich immer wieder gefangen nahmen, übersäten E-Rücken. Auf dem Gipfel konnte ich dann meine Aufmerksamkeit endlich den diesmal in klarstem Sonnenlicht aufragenden Pointes zuwenden: wie anhand des Routenfotos im Führer vermutet, konnte ich einen Aufstieg von E über die glatten Kalkflühe des Sockels, der zuckerhutartig zur Combe de Comborsin abfällt, sofort ausschliessen. W davon waren aber mögliche Zustiege durch die von Graspartien durchzogene S-Wand zumindest erahnbar. Nach dem Britschespalt hatte ich dann volle Einsicht in die S-Wand, die von zwei breiten Grascouloirs durchzogen wird, durch die ein Aufstieg zur Epaule und zu P. 2246 machbar zu sein schien. Die beiden Grataufschwünge darüber sahen jedoch von weitem senkrecht und sogar überhängend aus, so dass wieder Zweifel aufkamen, und ich mit dem Gedanken, mich mit der erwähnten Berggängerroute zum E-Gipfel abzufinden, unschlüssig auf dem eingezeichneten Pfad weiter stieg. Und dafür hast Du wieder den schweren Rucksack mitgenommen? So schalt ich mich innerlich, gab mir einen Ruck, zumindest das obere Grascouloir zu P. 2246, das zusehends einladender wirkte, zu versuchen, und zog auf ca. 2150m, bereits ca. 50 Hm zu weit oben, die Handbremse.
Ich stieg vorsichtig zur Geröllhalde ab und querte diese ansteigend zum oberen Grascouloir, das sich bis zu der bereits von unten gut sichtbaren Felsrinne problemlos begehen liess. Unter einem überhängenden Klemmblock, der den Ausstieg versperrt, querte ich nach NE auf den Grat, wo ich Helm und Klettergurt anzog. Ein Blick hinab zur Epaule liess erahnen, dass auch der Gratabschnitt dazwischen im Bereich des Möglichen zu liegen schien. P. 2246 liess sich zwar ausgesetzt, aber einfach überklettern. Den folgenden Aufschwung (der 2., siehe unten) umging ich N durch eine Felsrinne und seilte mich zu einer Schrofenrampe ab, die mich von S zum Grat zurückführte. Bei der nächsten Kuppe waren die Schwierigkeiten dann bereits überstanden. Um nur 10m abzuseilen, hatte ich den ganzen Kletterkram mitgeschleppt? Dafür hätte eine 30m Reepschnur längstens ausgereicht, aber im nachhinein ist man ja bekanntlich meistens schlauer...Ich nahm mir vor, auch noch das untere Grascouloir zur Epaule und den unteren ENE-Grat zu versuchen. Aber vorerst bewegte ich mich in genussreichem Alpinwandergelände mit prächtiger Nah- und Fernsicht sowie tollen Tiefblicken über den E- zum W-Gipfel und nach dem Abstieg zum Sattel ca. 2300m über den E-Grat weiter zur Gummfluh, zu der der Mont Blanc, die Waadtländer, Walliser und Berner Alpen herüberwinkten. Der Abstieg über den NE-Grat erforderte wie immer volle Konzentration, bevor mich ein wildes Tälchen unter den mächtigen N-Abstürzen der Pointes hindurch zum Gour de Comborsin führte, wo der Bergweg zurück zum Trittlisattel abzweigt.
Als ich zum zweiten Mal beim Trittlisattel ankam, begann ich das Gewicht des Rucksacks langsam zu spüren. Villeicht müsste ich wenigstens am unteren ENE-Grat eine Länge sichern, so dass Seil doch noch zum Einsatz kam, und ich den ganzen Krempel nicht ganz umsonst spazieren geführt hatte. Insgeheim hoffte ich aber natürlich trotzdem, wieder ohne Sicherung auszukommen. Kurz nach dem Britschespalt querte ich über die Geröllhalde zum unteren Grascouloir, das sich u.a. dank Wildwechseln fast noch leichter ersteigen liess als das obere, und ohne Umwege direkt zur Epaule führte. Ich gönnte mir einen schwindelerregenden Tiefblick zum Plan de Comborsin, grüsste den Gummesel und machte das Klettermaterial bereit. Den folgenden überhängenden Aufschwung (der 1., siehe unten) konnte ich N über eine Felsstufe und eine Schrofenrampe umgehen. Dann ging es in schöner Genusskletterei, die genau so schwer war, dass ich das Seil gerade nicht brauchte, über den unteren ENE bis zu P. 2246. Den 2. Aufschwung umging ich diesmal S über die untere felsige Verlängerung der Schrofenrampe, was sogar beim abschliessenden kurzen Überhang besser ging, als ich befürchtet hatte, und selbstredend wieder ohne Seil, das für diese Tour offensichtlich gar nicht notwendig war. Über L'Etivaz hatten sich inzwischen ein paar harmlose Quellwolken zusammengezogen, die mich aber nicht mehr ins Bockshorn zu jagen vermochten, als ich, etwas langsamer als beim ersten Mal, nochmals über die oberen beiden Pointes und weiter zur Gummfluh schritt. Nach einer zweiten erholsamen Gipfelrast und dem nochmaligen konzentrierten Abstieg warteten auf dem Rückweg mit den beiden Pointes de Tso y Bots und der Pointe de la Videman nur noch drei kleine blumenreiche Pünktchen, bevor ich es ab dem Col de la Videman auf dem bequemen Bergweg endlich wieder sausen lassen und die Route über die Pointes nochmals von N Revue passieren lassen konnte.
Nächstes Mal werde ich mit einem leichten Wanderrucksäckli und ohne Kletterbagage wiederkehren, denn einmal mehr hat sich der Spruch vom Pfarrer als zutreffend erwiesen:
Mi bruucht nid vil,
aber vil bruucht's eim,
we me nid vil bruucht...
Aufstieg: von Chalberhöni, Bodeguet (1347m) auf dem weiss-rot markierten Bergweg (wr) über Wilde Bode (1643m) bis zum E-Rücken, und über diesen durch Wald und über Gras und leichte Felsen auf den Gipfel (1901m, Kreuz), 1h, T4.
Abstieg: vom Gipfel (1901m) über das Karrenfeld auf- und absteigend nach NW, bis über eine Stufe nach SW abgestiegen werden kann (Pfadspuren). Auf überwachsenem Karst (Pfadspuren) nach WSW zurück zum Bergweg (wr) und auf diesem zum Trittlisattel (1850m), 15min.
Pointes de Sur Combe
Aufstieg ENE-Grat: vom Trittlisattel (1850m) wr bis zum Britschespalt S P. 1952, nach diesem durch ein schwach ausgeprägtes Tälchen nach WNW zur Geröllhalde und diese horizontal nach N querend zum Einstieg in das E bzw. untere Grascouloir bei ca. 1970m. Zu diesem über Gras und leichte Felsen schräg ansteigend nach NE und E des am tiefsten hinunterreichenden markanten Felsrückens durch eine Grasrinne auf die nächste Stufe. Am W Couloirrand über Gras und Schrofen hinauf, bis nach NE in eine Felsrinne gequert werden kann. Durch diese und zuletzt über einen Grashang zur Epaule ca. 2170m am Beginn des ENE-Grats, 1h, T6, I-II. Der 1. überhängende Aufschwung kann N umgangen werden, indem man in eine Grasmulde quert, eine Felsstufe erklettert (II) und über eine Schrofenrampe nach SE wieder den Grat gewinnt. Über diesen in schöner Kletterei (II), einmal eine leicht abdrängende Stufe überwindend (III), zum NE Vorgipfel von P. 2246. Letzterer (zuoberst Abseilschlinge) wird zu einer Scharte hin überklettert (II). Um die anzupeilende Schrofenrampe S vom Grat nach dem 2. senkrechten Aufschwung zu erreichen, gibt es 2 Möglichkeiten: 1. man umgeht diesen N auf Gras und gelangt durch einen Kamin (II) zu dessen Anhöhe, von der an einem Felskopf 10m nach SW zur Schrofenrinne abgeseilt werden kann, oder man steigt 2. von der Scharte nach S zur felsigen Verlängerung der Schrofenrampe nach unten, klettert unterhalb einer massiven Felsleiste schräg hinauf (II), bis man über diese (ca. 1m, leicht überhängend, III) die Schrofenrampe gewinnen kann. Über diese nach SW hinauf und nach NW auf leichten Felsen zurück zum Grat, der zu einer Kuppe führt. Nun auf dem einfachen, von anregenden Felspassagen unterbrochenen Schrofengrat über den E-Gipfel P. 2346 und einen Zwischengipfel (Steinmann), und nach einer tieferen Scharte nach NW zum W-Gipfel P. 2393, 1h, WS. Insgesamt 2h.
Abstieg SW-Couloir: vom W-Gipfel P. 2993 nach NW in eine Scharte und durch ein Grascouloir, unterbrochen von einem Felsriegel (II, Fixseil) nach SW hinunter zum Sattel ca. 2300m, 15min, T4.
Zustiegsvariante durch das W bzw. obere Grascouloir zu P. 2246: vom Trittlisattel (1850m) wr über den Britschespalt S P. 1952 bis zur Weggabelung ca. 1950m. Auf dem eingezeichneten Pfad bis ca. 1990m, dann weglos auf Gras und Geröll nach NW zum Einstieg in das W bzw. obere Grascouloir bei ca. 2100m. Durch dieses auf Gras und leichten Felsen E ausholend in einem Bogen zur obersten Felsrinne, die bis unter einen grossen eingeklemmten Block erklettert werden kann (II). Ausstieg nach NE und auf einer Grasrampe und leichten Felsen, zuletzt durch einen Spalt, zum NE Vorgipfel von P. 2242, 1h 15min, T6. Weiter auf dem mittlere und oberen ENE-Grat wie oben beschrieben.
Gummfluh
Aufstieg E-Grat: vom Sattel ca. 2300m nach W einen Gendarmen S umgehend zu einer Schrofenrinne und durch diese (I) zum E-Grat. Ein 1. Aufschwung kann direkt erklettert (II-III, Bh, Hk) oder N durch eine Schrofen- und Grasrinne umgangen werden, dann über einen 2. und 3. Aufschwung einfach auf den Gipfel (2458m), 30min, L oder T4.
Abstieg NE-Grat: vom Gipfel (2458m) auf Gras und Schrofen über den oberen NE-Grat (T5) zu einer Terrasse, weiter über den unteren NE-Grat (Stellen II, Bh) zum Sattel ca. 2225m und nach NW über eine steile Rampe (Stellen II, Bh) hinunter zum Col 2134, 30min, T6.
Rückweg über Pointe und Col de la Videman
Vom Col 2134 in schöner Kletterei (II, Bh) hinauf zur Pointe de Tso y Bots (2178m). Auf dem Grasgrat (Pfadspuren, Stellen I) über P. 2137 und die Pointe de la Videman (2165m) zum Col de la Videman (2033m) und wr über Les Praz (1771m), Comborsin (1659m) und Obers (1585m) und Unders Beust (1485m) zurück, 2h, T4.
Verhältnisse: sonnig und warm, nachmittags Quellwolken. Wege, Gras und Felsen trocken, Erde schattseitig z.T. noch feucht und rutschig.
Material: Leichthelm, Leichtpickel und 30m Reepschnur (für alle Fälle) zusätzlich zu üblicher Alpinwanderausrüstung. Für Seilschaften genügen ein 30m Einfachseil und etwas flexibles Sicherungsmaterial.
Fahrplan: 7.15 Start, 8.15 Gummesel, 10 Uhr P. 2246, 12 Uhr Gummfluh, 13.30 Gour de Comborsin, 14.45 Schulter ca. 2170m, 16.15 Gummfluh, 17.45 Col de la Videman, 19 Uhr retour.
Bemerkung: es handelt sich um eine wunderschöne Gratüberschreitung im Bereich T6/WS, die aber nur bei trockenen Verhältnissen unternommen werden sollte.
Tourengänger:
lorenzo

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