Grosse Gummfluh-Rundtour


Publiziert von Bergamotte , 20. Juni 2023 um 12:55.

Region: Welt » Schweiz » Waadt » Waadtländer Alpen
Tour Datum:18 Juni 2023
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VD   CH-BE 
Zeitbedarf: 6:45
Aufstieg: 2400 m
Abstieg: 2400 m
Strecke:20km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:PW bis Parkplatz Pierreuse (P. 1104)
Kartennummer:1265 Les Mosses

Formstand und Wetter lassen keine Wünsche offen zurzeit, so geht es heute ein weiteres Mal für eine grosszügige Grattour in die Waadtländer Voralpen. Die Gipfel rund ums Naturreservat "La Pierreuse" bieten dem Alpinwanderer eine grosse Spielwiese, wie ich bereits Ende Mai erfahren durfte (*klick). Der Nordaufstieg zur Gummfluh beispielsweise geniesst für eine T6-Route grosse Beliebtheit. Verweisen möchte ich aber insbesondere auf die wilden, vergessenen Pfade in der Biolet-Nordflanke - I'll be back! Wobei, nach fünf Touren rund ums Saanenland innert Monatsfrist darf es nun mal eine andere Gegend sein.

Kurz nach sieben Uhr geht's los vom Wanderparkplatz P. 1104 im Gérine-Tal. Das Aufwärmen entfällt heute, denn die mit Fahrverbot belegte Alpstrasse zieht ab Ausgangspunkt unerbittlich bergwärts. Im Winter bei Vereisung kann das unangenehm werden (*klick). Heute aber kommt mir ein effizienter Erstaufstieg gelegen, denn das Tagespensum ist gross. Den Rocher Plat (2257m) erreiche ich durchgehend über Bergwanderwege, wobei zuletzt in der Südflanke ganz kurz die Hände zum Einsatz gelangen. Mit 1150Hm habe ich fast schon die Hälfte des Höhensolls vernichtet, aber natürlich bin ich noch nirgends. Vom Gipfel lassen sich mein Weiterweg wie auch der spätere Nordabstieg vom Biolet gut einsehen.

Den kurzen Schlenker über La Videmanette (2186m) könnte man sich sparen, aber da ich schon mal hier bin. Anschliessend folge ich durchgehend dem Grat südwärts. Der direkte Südabstieg von der Pointe de la Videman (2165m), welche vom Weg eigentlich westseitig umgangen wird, erfordert bereits einige Kletterzüge. Als problemlos erlebe ich den nachfolgenden Abstieg von der Pointe de Tso y Bots (2178m). Typisches T6-Gelände halt, die zwei Abseilstellen meines Erachtens etwas unnötig. Nun stehe ich am Einstieg der vielgelobten Gummfluh-Nordroute bzw fast, denn zuerst muss ich ein hartnäckiges Schneefeld queren, ohne Pickel wär's heikel gewesen. Was folgt, ist tatsächlich eine wunderschöne Führe. Die Schwierigkeiten bleiben überschaubar: offensichtliche Orientierung, gut gestuft, keine Kletterei im engeren Sinne. Kurzum, die T6- wird nirgends überschritten, die Route eignet sich auch für effiziente Abstiege. Wem trotzdem unwohl wird: neue Bohrhaken sind vorhanden. Oben, dort wo der NE-Grat auf die breite Rampe trifft (s. LK), quere ich nicht wie üblich zum Ostgrat rüber, sondern steige in direkter Linie weiter zur Gummfluh (2458m), damit die Hände doch noch etwas zum Einsatz gelangen.

Der Tageshöhepunkt wäre nun erreicht, Zeit für eine kurze Pause. Aber bald schon geht's weiter Richtung Pointes de Sur Combe. Deren Westsattel könnte einfach über die Gummfluh-Normalroute (Südflanke) erreicht werden, aber ich bevorzuge den Ostgrat (frei nach dem Motto "kein Weg zweimal"). Das erweist sich zuletzt als recht knifflig: ich steige eine markante Rinne ab (T6), in der Mitte unterbrochen durch eine fast vertikale Platte (III), im Abstieg mit meinen überschaubaren Kletterfähigkeiten unangenehm. Der Wiederaufstieg zur Pointes de Sur Combe (2393m) läuft dann wieder wie von alleine, bei Benutzung des Seil max. T5. Ich ziehe weiter zur nächsten Kuppe (nicht kotiert, Steinmann) und probiere anschliessend, vom dazwischenliegenden Sattel über eine Geröllrinne direkt nach Süden abzusteigen. Dumm nur, dass das Gelände weiter unten senkrecht abbricht (von oben nicht einsehbar). Also zurück über die Aufstiegsroute, die 10min / 50Hm dieses Versteigers kann ich verkraften.

Dem Südfuss der Gummfluh entlang quere ich westwärts und gelange so zum Kamm oberhalb der Mulde des Grand Crau. Das ist wunderschönes, wildes Gelände hier, bizarre Felsformationen inklusive. Man kann durchgehend dem meist breiten Grat folgen oder auch in die Flanken ausweichen (T4). Die letzten Meter zur neuen Kote des Brecaca (2319m), danke spez für den Hinweis, sind etwas ausgesetzt. Der Weiterweg über den Grat Richtung Biolet bleibt wild (meist T5), die Schwierigkeiten kann man durch die Routenwahl aber prinzipiell selbst bestimmen. Was für eine tolle, einsame Umgebung hier! Der Schlussaufschwung durch die Südflanke zu Le Biolet (2293m) erfordert harmlosen Einsatz der Hände. Auch hier finden sich Bohrhaken. Deren grosszügigen Einsatz im ganzen Gebiet hat mich doch erstaunt, wenn nicht irritiert.

Bekannt ist vorab die Gummfluh, aber persönlich hat mich der Biolet noch mehr begeistert. Man findet hier verschiedene, kaum mehr begangene Routen im (gehobenen) Alpinwanderstil. So lässt sich zum Beispiel vom Gipfel über felsdurchsetztes Steilgras direkt nach Norden bis zu einer Terrasse absteigen (T6), um dann über Rampen nach Westen oder Osten (Potse di Gaule) rauszuqueren. Letztere Variante hätte mich heute gereizt, doch nach mittlerweile 5h Marschzeit verspürte ich keine Lust mehr, für die schneebedeckte Rampe extra die Steigeisen zu montieren. Zumal sich die Alternative so verlockend angenehm präsentierte: zurück durch die Südflanke und linkerhand eine herrlich lange Geröllrinne runtersurfen - da fliegen die Höhenmeter nur so dahin (und die Lebensjahre des Schuhs ebenso). Im Kessel von Potse de Gaule wähnt man sich definitiv fernab jeglicher Zivilisation - hier befindet man sich im Reich der Gemsen.

Im Vorfeld war mir nicht ganz klar, welche Schwierigkeiten mich im Ausstieg aus diesem Kessel nach unten erwarten würden. Im Topo des Führer ist die Route zwar eingezeichnet, aber nicht beschrieben. Und ein Foto, das ich auf dem Rocher du Midi aufgenommen hatte, gab nur bedingt Aufschluss. Tatsächlich ergaben sich keine nennenswerte Schwierigkeiten: am unteren Ende des Kessels gelange ich zu einer markanten Rinne, welche ich zunächst rechts (E) umgehe, T5. Zurück in der Rinne treffe ich zu meinem Erstaunen auf ganz passable Trittspuren, welche definitiv nicht (nur) von Gemsen stammen. Das erleichtert den Abstieg über das verwachsene Steilgrasgelände erheblich (T5), bei Nässe wohl schnell heikel. Über ein breites Geröllfeld gewinne ich im Anschluss den Wanderweg der beliebten Pierreuse-Rundtour.

Ich habe immer noch nicht genug. Somit statt Direktabstieg zum Ausgangspunkt kurzer Gegenanstieg zur Tête de la Minaude (1742m). Das ist wohl eher ein Winterziel, denn bloss eine schwache Spur führt zur Graskuppe. Aber der Blick in die Nordflanke des Biolet lohnt alleweil. Weglos steige ich dessen Westflanke ab, um kurz vor La Plâne (1555m) wieder den Wanderweg zu gewinnen. Zwecks Tour Enrichment - als wäre das bisherige Programm nicht schon lohnend genug - baue ich als Digéstif noch die Überschreitung der Tête de la Scia (1630m) ein. Der Pfad ab La Montagnette hoch ist noch schwach erkennbar, der bewaldete Gipfel selber gibt nichts her. Als Leckerbissen erweist sich jedoch der nachfolgende Abstieg nach Westen: der alte Pfad (s. Swisstopo-Zeitreise) schlängelt sich originell durch den Abbruch (eine Stelle T5). Regelmässige blaue Markierungen bestätigen die Routenwahl. Unten im ursprünglichen Wald des Craucodor meine ich mehrmals, die Route verloren zu haben, um dann doch wieder auf blaue Striche zu treffen. Wenig oberhalb von Rodosex Dessous treffe ich auf den Wanderweg, welcher mich zügig zum Ausgangspunkt retour bringt. Dort setze ich mich an die Gérine, bade die beanspruchten Füsse und labe mich am deponierten, schön kühlen Weizenbier.


Zeiten (kum)
1:35  Rocher Plat
2:30  Pointe de Tso y Bots
3:10  Gummfluh
3:40  Pointes de Sur Combe
4:25  Brecaca
5:00  Le Biolet
5:40  Tête de la Minaude
6:15  Tête de la Scia
6:45  Parkplatz Pierreuse

Tourengänger: Bergamotte
Communities: T6


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