Fletschhorn 3985m ab Simplon Dorf (Sibilufluegrat)


Publiziert von Bergamotte , 2. August 2023 um 10:23.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum:31 Juli 2023
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 10:30
Aufstieg: 3250 m
Abstieg: 1580 m
Strecke:20km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Simpon Dorf, Post
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Hohsaas
Unterkunftmöglichkeiten:Lagginbiwak SAC
Kartennummer:1309 Simplon

Im 2021 habe ich das Fletschhorn ab Simplon Dorf über den gesamten Breitloibgrat begangen (*klick). Ich war derart begeistert von dieser hochalpinen "Pioniertour", dass ich das Erlebnis möglichst rasch auf die eine oder andere Art wiederholen wollte. Nun, weit suchen brauchte ich nicht, denn der benachbarte Sibilufluegrat ist hinsichtlich Länge, Geologie und Schwierigkeit praktisch ein Zwilling. Nach zwei (gefühlt ewigen) Jahren war es heute endlich soweit mit der Neuauflage, dieses Mal in Begleitung von Andreas. Als "Abstieg" haben wir den Weiterweg zum Lagginhorn gewählt, vermutlich die attraktivste Variante. Und damit konnten wir erst noch die magische 3000Hm-Grenze knacken.

Die Anreise nach Simplon Dorf (1475m) erfolgt am Vorabend, wo wir im sympathischen Hotel Fletschhorn - wo sonst? - preiswert speisen und übernachten. Können wir weiterempfehlen. Um 4:30 brechen wir auf zur grossen Bergfahrt rüber ins Saastal. Der Gratzustieg erfolgt bis P. 2190 bequem über den Wanderweg, welcher weiterführt ins Lagginbiwak, dem üblichen Ausgangspunkt für den Sibilufluegrat. Wir aber lieben Hochtouren aus dem Tal und wollen vor allem den gesamten Grat ab Wenghorn (2591m) begehen. Dieses erreichen wir ab P. 2190 weglos über den SSE-Kamm, T4-T5.

Der Übergang zum Rothorn (3108m) zieht sich in die Länge, obschon es bloss 500Hm sind. Doch das Gelände gewinnt an Wildheit: Blockfels, Schutt u.ä. Bei guter Linienwahl verbleibt man in der oberen T5. Auf dem zweiten Gipfel, gerne auch mit Ski besucht, montiere ich den Helm und wenige Minuten später stehen wir im Sattel P. 3018, wo die Normalroute vom Lagginbiwak hochzieht. Hier beginnt der eigentliche Sibilufluegrat. Der Auftakt ist lohnend: Kletterei eine markante Platte hoch, durchzogen mit zahlreichen Verschneidungen. Anschliessend geht der Grat ins typische Muster über: wilder Blockfels, Schutt, brüchig. Dazwischen auch immer schöne Kletterstellen. Man verbleibt idealerweise durchgehend in Gratnähe. Wenige IIIer Stellen können kleinräumig umgangen werden. Insgesamt WS/II, für mich eher T6. Sichern scheint mir in diesem Fels wenig sinnvoll bzw. möglich.

Der Aufstieg zieht sich, wir kommen weniger schnell voran als gedacht. Doch angesichts frühem Start und stabiler Wetterlage kein Grund zur Sorge. Endlich erreichen wir das Firnfeld, wo sich der Sibilufluegrat mit dem Breitloibgrat vereint. Andreas und ich hatten letztere Route bereits 2021 (separat) begangen und den Aufstieg über den aperen Firn als recht heikel erlebt - Sturz verboten. Heute präsentiert sich die Situation etwas gutmütiger, aber stellenweise doch knusprig. Wir seilen uns an, um allenfalls eine Eisschraube setzen zu können (nicht nötig). Zu unserer Überraschung treffen wir - kurz vor dem Ausstieg - auf ein eingeschneites Fixseil. Eine gute Sache, gerade für einen allfälligen Abstieg.

Vom Ausstieg verbleiben zwanzig Minuten rüber zum Fletschhorn (3985m), wobei sich Kreuz und Gipfelbuch bereits bei P. 3981 befinden, was topografisch Sinn ergibt. Damals im Jahr 2021 hatte ich bei meinem exotischen Abstieg über den SW-Grat den eigentlichen Gipfel automatisch mitgenommen, heute verzichten wir darauf und machen uns nach kurzer Pause an den Gegenabstieg über den Fletschhorngletscher. Er ist spaltenarm, aber nicht ganz spaltenfrei, zurzeit passen die Verhältnisse. 

Wir stehen am Fuss des eindrücklichen Lagginhorn-Nordgrats und Andreas hat nach gut 8h (!) Tourenzeit und in dieser Höhe keine bessere Idee, als den Angriff aufs Strava-Segment. Zuerst lasse ich ihn ziehen, aber dann übermannt mich doch der Stolz und ich hechle hinterher. Tatsächlich ist der Grat bei aperen Verhältnissen wie gemacht für einen schnellen Aufstieg: fester Fels, keine Schlüsselstellen, einfache Routenfindung dank Steigeisenspuren. Der Führer bewertet mit ZS-/3a; meines Erachtens passt auch eine WS+/2c. Potentielle IIIer Stellen sind sehr kurz. Bei Vereisung oder Neuschnee wird das natürlich eine andere Geschichte.

Auf dem Lagginhorn (4010m) trifft mich beinahe der Schlag: sind wir hier denn an der Bahnhofstrasse!? Einen solchen Trubel habe ich bei meinen bisherigen zwei Besuchen nicht erlebt. So pausieren wir erneut nur kurz, mein Proviant ist ohnehin durch, und machen uns nach ein paar Fotos an den Abstieg über die Normalroute. Das geht praktisch ohne Schneekontakt und Steigeisen sind unnötig. Die Mehrheit der Bergsteiger sieht das anders und wählt einen absolut unnötigen Schlenker nach Norden über Neuschnee... ein typischer Fall von unüberlegtem Herdentrieb. Auf der recht kurzen Strecke bis zum kümmerlichen Rest des Lagginhorngletschers - wir ersparen unseren mittelalterlichen Knien den gesamten SW-Grat - begegnen wir allerhand Volk. Heute dürften weit über 100 Personen am Berg unterwegs gewesen sein. Man darf's ja nicht laut sagen, aber das Barrhorn ist schon seit Jahren nicht mehr der höchste Wandergipfel der Schweiz (bei aperen Verhältnissen).

Auch wenn unser Endpunkt Hohsaas (3142m) komfortabel hoch liegt, zieht sich auch diese Passage. Wobei unsere Beine verständlicherweise nicht mehr ganz frisch sind. Nach P. 3122 heisst es die Augen offenhalten: in der felsigen Nordflanke unbedingt den Steinmännern folgen (bis T5-). Man quert die geschliffenen Platten des ehemaligen Hohlaubgletschers und einen Gegenanstieg später findet unsere lange Reise bei der Bergstation ihr Ende. Bevor's an die weitere Heimreise geht, werden unten in der Saaser Bäckerei die dringend benötigten Kalorien nachgefüllt. Danke, Andreas, für die schöne Bergkameradschaft.


Zeiten (inkl. Pausen)
2:00  Wenghorn
3:50  Rothorn
7:25  Fletschhorn
8:45  Lagginhorn
10:30  Hohsaas

Tourengänger: Bergamotte


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Kommentare (5)


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Stefan_F hat gesagt:
Gesendet am 2. August 2023 um 11:00
Eine sehr interessante Tour und wrklich mal was anderes. Sollte mich mal jemand fragen, ob wir auf das Fletsch- oder Lagginhorn steigen, erinnere ich mich gern an deinen Bericht.

beste Grüße, Stefan

jimmy hat gesagt: Memento
Gesendet am 2. August 2023 um 20:18
https://www.polizei-schweiz.ch/saas-grund-zwei-bergsteiger-stuerzen-am-lagginhorn-in-den-tod/
Leider passiert auch dies am vielbegangenen Lagginhorn.

Bergamotte hat gesagt: RE:Memento
Gesendet am 2. August 2023 um 20:31
Klar, je häufiger ein Berg begangen wird, desto mehr Unfälle gibt es. Das ist statistisch zwingend und gilt für einfache wie schwierige Routen.

Alpin_Rise hat gesagt: RE:Memento
Gesendet am 3. August 2023 um 10:12
Das Lagginhorn ist notorisch, hier kumulieren sich verschiedene Faktoren immer wieder zu Todesfällen. Letztes Jahr gleiche Jahreszeit konnte ich von einem ruhigeren Nebenberg eine Bergung beobachten...
Leider spricht die unbestechliche Statistik auch gegen sogenannt "Erfahrene", sprich Vielgeher, zu denen ich mich eine Zeitlang auch zählte.

Sichere Touren und G, Rise

Persönliche Neugierde: welchen Grat findest du genussreicher, Breitloib oder Sibiluflue? Oder Hans wie Heiri?

Bergamotte hat gesagt: RE:Memento
Gesendet am 4. August 2023 um 14:08
Hans was Heiri. Die Unterschiede liegen in Details wie z.B. dem Zustieg. Persönlich hat mir der Breitloibgrat eine Spur besser gefallen, ich habe ihn homogener in Erinnerung.


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