Fletschhorn 3985m ab Simplon Dorf (Breitlobgrat)


Published by Bergamotte , 7 August 2021, 16h42.

Region: World » Switzerland » Valais » Oberwallis
Date of the hike: 6 August 2021
Hiking grading: T6 - Difficult High-level Alpine hike
Mountaineering grading: PD
Climbing grading: II (UIAA Grading System)
Waypoints:
Geo-Tags: CH-VS 
Time: 7:45
Height gain: 2700 m 8856 ft.
Height loss: 1775 m 5822 ft.
Access to start point:cff logo Simplon Dorf, Post
Access to end point:cff logo Kreuzboden
Accommodation:Hotels in Simplon Dorf
Maps:1309 Simplon

Vor genau einer Woche habe ich das Lagginhorn besucht (*klick). Ständiger Begleiter während des Aufstiegs: der SW-Grat des benachbarten Fletschhorns. Auf den ersten Blick schien der Felsgrat begehbar und erst noch ohne Gletscherkontakt, für mich in den Hochalpen als Solist ein entscheidendes Kriterium. Zuhause dann sofort der Blick in den SAC-Führer, wo mir eine viel spannendere Route ins Auge stach: der gesamte Breitloibgrat ab Simplon Dorf, nicht zu verwechseln mit der verkürzten Variante ab Bivacco de Zen. Ich konnte kaum glauben, dass er trotz seiner riesigen Ausmasse (3km, 1500Hm) keine Schlüsselstellen aufweisen soll - und dennoch kaum begangen wird. Eine einzige Begehung habe ich auf den Portalen Hikr und Gipfelbuch gefunden (*klick). Schön, dass es mit dieser grossartigen Bergfahrt umgehend geklappt hat, meist schleppt man solche Projekte ja ewig mit sich rum. Übrigens, den verschmähten SW-Grat habe ich ebenfalls gemacht, im Abstieg - Ost-West-Überschreitung gelungen!

Punkt sechs Uhr geht's los in Simplon Dorf (1475m). Gut geschlafen und nur leicht gefrühstückt, so kann ich ab Beginn ein ordentliches Tempo anschlagen. Denn natürlich habe ich keinerlei Interesse, neun (!?) Stunden in der Route zu verbringen, wie sie der SAC-Führer veranschlagt. Den Wanderweg verlasse ich nach wenigen Minuten und folge stattdessen dem alten Alppfad nach Schattigi Halte, der recht gut erhalten ist. Ich verlasse ihn unmittelbar vor der Bachquerung (ehemalige Kote P. 2093), um weglos kurz dem Bach zu folgen. Anschliessend an beliebiger Stelle nach rechts hoch zu einer verwachsenen Moräne und ihr entlang bis ca. 2250m. Der Breitloibgrat ist nun bereits in Griffweite und man gewinnt ihn über Steilgras (T3) an beliebiger Stelle. Auf dem Kamm angekommen kurzer Abstecher zum Bodmerhorn (2387m), damit auch dieser Berg auf Hikr dokumentiert ist. Wenige Minuten Pause, um das knappe Frühstück zu vervollständigen.

Nun geht's an den langen und lohnenden Marsch über den Breitloibgrat (3km, 1500Hm). Der breite Felsgrat bewegt sich lange Zeit im Plaisirbereich (max. T5) und kann zügig überschritten werden. Kurze Aufschwünge sind bei Bedarf in den Flanken umgehbar. Erst im Anschluss an die markante Felsschulter P. 3332 nehmen die Schwierigkeiten etwas zu. Hier erreicht übrigens die verkürzte Route ab Bivacco de Zen den Grat. Weil sie zuvor den zerschrundenen Rossbodengletscher quert, ist das eine komplett andere Tourenart. Der Grat wird nun steiler, schmaler und stellenweise erreicht man die T6/II. Umgehungen teilweise möglich. Ab hier liegen zudem gefrorene Schneereste der kürzlichen Niederschläge. Mit Pickel und umsichtiger, möglichst südseitiger Routenwahl meistere ich die Passage. Aber natürlich drücken die Bedingungen auf die bisher schöne Pace.

Der Übergang vom Neuschnee ins Firnfeld ab gut 3700m ist momentan fliessend. Pickel und Steigeisen sind zwingend, denn zuletzt steilt der Hang stark auf und die Unterlage präsentiert sich dort beinhart. Kurzum, das sind anspruchsvolle Verhältnisse, welche sicheres Steigeisengehen mit beherztem Frontzackeneinsatz erfordern. Ich war froh, zuhause im letzten Moment den Leicht- gegen den Allroundpickel ausgetauscht zu haben.

Wenig nordwestlich von P. 2919, dem Vereinigungspunkt der drei prominenten Ostgrate (Breitloib, Sibiluflue, Hosaas), erreiche ich die Firngrathöhe. Vor mir öffnet sich ein herrlicher Blick über den Fletschhorngletscher mit Lagginhorn und Weissmies. Und zu meiner Rechten das Fletschhorn (3985m), das ich mit kurzer Querung über den obersten Gletscherrand gewinne. Alleine kann ich das grossartige Panorama und eine ausgiebige Mittagsrast geniessen, nachdem ich fünf Stunden praktisch durchgelaufen bin. Der unbarmherzige und frostige Wind, der mich ab der Felsschulter geplagt hat, ist glücklicherweise nur noch schwach. Übrigens, jedem vor Ort sollte klar sein, dass das Gipfelkreuz nicht auf dem höchsten Punkt steht, was aufgrund der Topographie durchaus Sinn ergibt.

Der Weiterweg zum Lagginhorn über dessen Nordgrat, den gleichentags die JO Blüemlisalp gemacht hat, hätte mich durchaus auch gereizt. Aber man kann gezwungermassen nur einmal absteigen und neben dem Breitloibgrat möchte ich auch etwas Werbung für den verkannten SW-Grat machen. Er bietet ab Frühstücksplatz eine einsame, technischere Variante zur Normalroute über den spaltenreichen Grüebugletscher, empfehlenswert vorab im Aufstieg. Die Schwierigkeiten bewegen sich in einem ähnlichen Spektrum wie zuvor am Breitloibgrat (T6/II), aber die Ausgesetztheit ist markant höher. Zuerst dem firnigen Grat entlang, zwei sehr kurze, aber steile und heute beinharte Passagen mit Frontzacken absolvierend - stürzen absolut verboten. Es geht anspruchsvoll weiter mit dem stark gezackten, schmalen Felsgrat. Teile überkletternd, Teile nordseitig auf schneebedeckten Bändern umgehend zweifle ich bereits an der WS (2a)-Einschätzung des Führers. Soll das nun so weitergehen bis unten? Aber der Auftakt erweist sich als Schlüsselstelle. Der Grat geht zunehmend in einen breiten Rücken über, aufgrund des harten Schnees ist aber eine defensive Linie angebracht (ich gehe ohne Steigeisen). Vor und im kurzen Gegenanstieg zu P. 3914 wird's vorübergehend nochmals klettrig (II) und ausgesetzt.

Die Führerroute zieht oberhalb von gut 3800m westwärts zum Frühstücksplatz weg. Es gibt hier unzählige Varianten, eine überlegte Routenwahl im abschüssigen Gelände dennoch angebracht. Weiss jemand, ob der Weiterweg über den gesamten SW-Grat ohne grössere Hindernisse möglich wäre? Aus der Distanz meine ich ja, aber ein entsprechender Versuch sollte von unten erfolgen. Am Frühstücksplatz treffe ich auf die Aufstiegsspur der JO Blüemlisalp und folge ihr runter zum Tälligletscher. Was der Gletscher unterwegs zurückgelassen hat, ist - gelinde gesagt - einfach nur hässlich. Und ich bin mich von meinen unzähligen T6-Streifzügen manche Sauerei gewohnt... Bei P. 2953 - am Fuss des Lagginhorn WSW-Grats (Déjà-vu!) - treffe ich auf den guten Zustiegsweg und wenig später findet meine Überschreitung beim Kreuzboden (2398m) ihr Ende, Zivilisationsschock inklusive.


Zeiten (kum)
1:25  Bodmerhorn
5:05  Fletschhorn
7:45  Kreuzboden

Hike partners: Bergamotte


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Comments (13)


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Sent 7 August 2021, 19h18
Bravo !

Ich... ich werde versuchen, dasselbe zu tun, aber nur bis zum Bodmerhorn ...

tenor says: Gratulation!
Sent 7 August 2021, 21h17
Gratuliere, das ist grosses Kino!

Bombo says:
Sent 8 August 2021, 05h58
Sensationell G., bravo! Gib acht und weiterhin so tolle Touren!

Lg,
D.

Zolliker says: Super!
Sent 8 August 2021, 14h09
Das liest sich wie ein Krimi!

Sent 8 August 2021, 14h45
Danke, Jungs, für die netten Worte. Freut mich, wenn meine Touren auch anderen gefallen.

Daniele66 says:
Sent 8 August 2021, 20h51
Molto bello Complimenti Daniele66

El Chasqui says: Bravo!
Sent 9 August 2021, 21h41
Fascht fadegrad vo obe rächts nach une links, bravo!

Bertrand says:
Sent 17 August 2021, 09h33
J'avais fait ce Breitlaubgrat de simplon Dorf en septembre 1998 avec ma femme et des amis...mais comme on était bien moins forts que toi on a mis 2 jours ! Superbe bivouac sur la selle 3300m. Par contre toute la fin presque en glace, avec crampons/piolet en alu + 1 broche à glace pour deux on s'est vraiment fait très peur...on était descendus par la voie normale. Bravo à toi pour faire ça en solo à la journée...

Bergamotte says: RE:
Sent 17 August 2021, 15h08
Ein Biwak auf dem grossen Balkon bei 3300m stelle ich mir herrlich vor. Und ja, die Firnpassagen oben bilden bei harten Verhältnissen definitiv die Schlüsselstelle. Stürzen absolut verboten. Das wird im Führer leider unterschlagen und ich wäre beinahe noch mit den Halbschuhen und Ministeigeisen ohne Frontzacken losgezogen...

Sent 17 August 2021, 19h49
Salut Bertrand, das war u.a. mit mir, nicht wahr? Bin mir nicht mehr ganz sicher, aber fast;-)!
Ich sehe auf Hikr, dass ihr gesund und munter seid - herzliche Grüsse jedenfalls, Reto

Bertrand says: RE:
Sent 18 August 2021, 08h46
Du, es könnte sein, bin mir da auch nicht mehr so sicher...auf jeden Fall waren auch Agnès, Raphaël und Vaérie Renard dabei. Ich mag mich noch gut errinern, wie jemand mir im letzten Eisaufschwung ein Seil von oben hingeworfen hat, kurz bevor ich mit den Alu-eiseli abgerutscht/stürzt wäre...

Alpin_Rise says: Schöne Kartendiagonale durchgezogen!!
Sent 17 August 2021, 14h04
> Weiss jemand, ob der gesamte SW-Grat ohne grössere Hindernisse möglich wäre?

Der gesamte SW-Grat geht angeblich ruckzuck, ist aber IMHO mit Eisschlaggefahr zu erkaufen.

Tolle Tour, wäre ganz mein Geschmack, wenn ich denn noch im Hochgebürg unterwegs wäre. Mittlerweile reizt mich die Vegetationsgrenze mehr, je wilder desto besser ;-)

G, Rise

Bergamotte says: RE:Schöne Kartendiagonale durchgezogen!!
Sent 17 August 2021, 15h02
Ah spannend, den Bericht hatte ich übersehen. Gemäss Schilderung bin ich froh, die Sache nicht von oben probiert zu haben.


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