Morgehorn Südwandrippe & weiter zur Blüemlisalp


Publiziert von jfk , 5. Februar 2023 um 20:04.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Frutigland
Tour Datum:19 Juni 2022
Hochtouren Schwierigkeit: S-
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 2500 m
Abstieg: 2870 m
Strecke:22.5km
Kartennummer:map.geo.admin.ch

"...da zogen bereits finstere Wolken am Himmel zusammen. Peitschende Winde stürzten herab und rüttelten an den Felsen. Hagel fiel vom Himmel. Die Berge konnten dem Sturm nicht standhalten. Sie brachen ein und begruben die Blüemlisalp unter einem Meer von Stein und Eis. Von Jörg und Kathi sahen und hörten die Menschen nie mehr."

So das düstere Ende der Blüemlisalpsage. Die Blüemlisalp hat seit jeher die Fantasie der Menschen angeregt. Sei das in den diversen Varianten besagter Sage oder in bekannten Liedern. Meine persönlichen Träume zur Blümlisalp handelten hingegen, wie bei so manchem Alpinisten, von weniger mythischem. Die schöne und häufig begangene Überschreitung hatte es mir schon länger angetan. Wobei immerhin der selten begangene Auftakt zu meiner Tour, die Südwandrippe aufs Morgehorn, noch etwas Wildnis zu versprühen versprach und ein klein wenig sagenumwoben schien.

Nicht wie von Polo Hofer besungen "i re Sommernacht", sondern an einem lauen Sommerabend blicke ich vom Bahnhof Kandersteg hoch zur Blüemlisalp. Gerade habe ich die letzte Verbindung hoch ins Gasteretal verpasst. Beim Bahnhofskiosk treffe ich zum Glück den Chauffeur eines Alpen-Taxis, der mich dann zwar nicht ganz günstig aber immerhin noch einigermassen bei Zeiten hoch nach Selden fährt. Zu Fuss geht's durch das wilde Tal, das mich etwas an die Kanadischen Rockys erinnert, hoch zum Kanderfirn, an dessen Rand ich mein kleines Biwak für heute Nacht aufschlage. 
In den warmen Schlafsack gekuschelt, genisse ich die einsame und karge Wildnis, die diesen Ort umgibt und schlummere langsam ins Reich der Träume hinüber.

Am nächsten Morgen gehts früh aus dem Schlafsack. Im Licht der Stinlampe wandere ich über die Weiten des Kanderfirns, bis eine steile Gletscherrampe hoch zur Südwandrippe führt, die ich mit den ersten Sonnenstrahlen erreiche. Ich fühle mich ungewohnt müde. Ein zweites Frühstück und ein Mini-Powernap in der Morgensonne bringen die nötige Energie in Körper und Geist, so dass ich zwar etwas im Ungewissen ob dem was kommt, aber trotzdem mit einem guten Gefühl losklettern kann.
Der erste, anspruchsvolle, steile-plattige Teil geht dank gutem "Gspüri" für die beste Route und perfekten, trockenen Verhältnissen leichter als erwartet. Der zweite Teil ist zwar splittrig-brüchig aber leicht. So bleibt Zeit das eindrückliche Ambiente zu geniessen. Weit unten leuchten die weiten Flächen vom Kanderfin und dem Petersgrat. Dahinter ragen die Eisriesen der Berneralpen und die 4000er des Wallis in den stahlblauen Himmel. Fast könnte man meinen, man klettere über den Gletschern Grönlands.

Lagsam wird das Gelände wieder ernsthafter. Am steilen Gipfelaufschwung verlässt mich dann mein "Gspüri" kurz etwas und ich halte mich zu direkt an die Rippe. Also einmal kurz abseilen und nun wieder auf der richtigen Route nach links in einen steilen Kamin in wiederum durchaus vernünftigem Fels. Es folgt, steiles Schneegestapfe und eine kleine Wühlerei an der grossen Wächte vorbei, dann stehe ich auf dem Gipfelgrat.
Was für eine geile Aussicht, was für eine spannende Route!

Der Grat über die Wyssi Frau hinüber zum Blüemlisalphorn ist wunderschön und in perfekten Bedingungen. Die Müdigkeit vom Morgen ist wie verflogen und ich bin richtig im Flow. Ein echter Traum diesen Grat so begehen zu dürfen! 1 3/4 Stunden dauert das ganze, bis ich mich zum Zmittag unter das Gipfelkreuz des Blüemlisalphorns setzen darf. Es bleibt noch der Abstieg hinunter zum Bahnhof Kandersteg, wobei vorallem die eindrücklichenTiefblicke vom Gipfelgrat und von der Obern Fründenschnur hinunter zum Öschinensee und - als einzigem Makel der Tour - Der mühsame, hartgepresste Schutt zwischen Rothornpass & Fründenschnuer in Erinnerung bleiben. Das wohlverdiente Bad fordert dann eher ungewohnt, zum Abschluss noch einen Slalom durch die zahlreichen Selfie Sticks am Insta Hotspot Öschinensee.


Route
Karte, Topo I, Topo II

Morgehorn Südwandrippe (S- III+, 3-4h vom Einstieg zum Gipfel, 600hm)
Aus dem Gasteretal kommend, erst am südlichen Ufer des Kanderfirns, dann geggen die Mitte des Gletschers haltend zum breiten Firnhang südöstlich unterhalb der Rippe (2700m). Dieser Punkt kann auch direkt von der Mutthornhütte (2899m) erreicht werden. Über diesen hinauf, wobei bei Ausaperung auf ca. 2900 m ein rund 5 m hoher Felsriegel überwunden werden muss (plattig, bei starker Ausaperung heikel). Nun über den oberen teil des Firnfelds (denn man bei der angesprochenen, starken Ausaperung vom Kanderfirn her auch gegen P. 2904 ausholend erreichen kann). Am linken, oberen Ende des Firnfelds, bei einem markanten, gelben Fels, ca. 40m westlich unterhalb eines grossen Risskamins, betritt man die Felsen der Südwand (Einstieg ca. 3050m).

Über ein bequemes Band aus gelblichen und weissen Felsen horizontal nach links an die Rippe. Ein erster, steiler Aufschwung wird in kompaktem, plattigem Fels einer breiten Verschneidung entlang rechts umgangen (II-III+, 1 H. Laut dem Silbernagelführer besteht der Aufschwung aus zwei abgespaltenen Türmen. Das ist so beim Zustieg aus dem Gasteretal und auf der Rippe selbst nicht erkennbar). Nach gut 100hm erreicht man den weniger steilen, leichten Mittelteil. Dieser besteht aus kleinplattigem, mit Schuttsplittern bedecktem Fels ohne Sicherungsmöglichkeiten. Ein kurzer, hübscher Firngrat, unterbricht im Frühsommer den Mittelteil, bevor wiederum leichter Fels & Schutt  zum obersten, Rippenabschnitt führen (T5 I-II, 350hm). Ein erster, steiler Aufschwung wird links umgangen (Kamin & Rinne, 1H). Nun je nach Firnverhältnissen und grösse der Wächte am Gipfelgrat direkt über Firn hoch oder zurück auf die Rippe queren und so zum Gipfel (Letzter Abschnitt: II-III+(Kamin), 45°-50°, 150hm).

Morgehorn - Blümlisalphorn (ZS+ III, 2-4h)
Die Route folgt mehr oder weniger direkt dem Grat. Die wenigen, kurzen Abweichungen sind logisch und mit Steigeisenspuren oder Haken/Stangen gut erkennbar. Die anspruchsvolleren Felspassagen (kurze Stellen III) sind gut mit Stangen und Bohrhaken abgesichert. Begehungszeiten und Schwierigkeit sind stark von den Verhältnissen im Firn abhängig. Auf der Wysse Frau hat man Zeitlich einen Drittel der Strecke geschafft. Achtung bei Blankeis oder grossen Wächten!

Abstieg Normalroute und Obere Fründenschnuer (WS+ T5+)
Dem Grat entlang über Firn, Schutt und plattigen Fels hinunter in den Rothornsattel (3177m) (WS+ II, in den schwierigeren Passagen alle 20-25m total 15 Eisenstangen).
Vom Satel entlang dem sehr breiten, abschüssigen Band aus mühsamem, hartgepresten Schutt nach NW abwärts traversieren, bis man in einem grossen Bogen die letzten Firnreste des Oberen Oeschinengletschers erreicht (ca. 2400m). Das Gelände wird ab hier bis zur Fründenschnuer unübersichtlich und ist kurz dem Eisschlag des Gletschers ausgesetzt. Man steigt weiter über Schutt nach NW-Abwärts und peilt ein markantes Känzelchen mit Rasendreieck an, welches schon von weit oben her sichtbar ist und einen guten Orientierungspunkt bildet. Nun steigt man über Schroffen wieder zu besagtem Känzelchen auf, wo dann die Obere Fründenschnuer (Schafschnuer) Beginnt. Dieser Einstieg darf nicht verpasst werden! Weiter unten bricht das Gelände senkrecht ab. Nun aussichtsreich aber ohne nennenswerte Schwierigkeiten der Schnuer entlang und über die Alp Underbärgli an den Öschinensee und nach Kandersteg (T5+).

Anmerkungen
Bei den angetroffenen, perfekten Verhältnissen (trockener Fels, guter Firn) werden die angegebenen Schwierigkeiten von S- & ZS+ für Südwandrippe & Traverse kaum erreicht. Nichtsdestotrotz bleibt die Tour ernsthaft! Bei Wassereis oder Neuschnee dürfte die Südwandrippe schnell heikel bis gefährlich werden und auch die Blüemlisalpüberschreitung hat bei Vereisung oder mit grossen Wächten durchaus ihre Tücken. Zudem muss die Südwandrippe komplett selbst abgesichert werden und das ist im abwärts geschichteten, splittrig-plattigen Fels über weite Strecken nur mehr schlecht als recht möglich (Es stecken total zwei alte Haken in der rund 600m hohen Route!).

Trotzdem reiht sich die Südwandrippe in die Liste der versteckten Berneroberländer Perlen. Der Fels ist für die Region über weite Strecken gut oder zumindest nicht störend und man bewegt sich in einer sehr eindrücklichen, archaischen Hochgebirgswelt. Gerade in Kombination mit der klassischen Blüemlisalp Überschreitung sehr lohnend! Für mich eine der schönsten Hochtouren mittlerer Schwierigkeit in den Berneralpen. Zusammen mit dem Schönbiel-Hufeisen das Highlight einer kleinen aber feinen Hochtourensaison 2022.

PS: Gelobt wird die Südwandrippe auch kurz in einer schönen SRF-Doku, über die Traverse von Lauterbrunnen dem Grat entlang nach Kandersteg durch die beiden Profialpinisten Stephan Siegrist und Jonas Schild (hier). Ein spannender Film, der neben langen Oberländer Graten auch den Erfolgsdruck im Profialpinismus beleuchtet.

Tourengänger: jfk


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Galerie


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Kommentare (6)


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lorenzo hat gesagt: Wow...
Gesendet am 5. Februar 2023 um 20:30
...just great!

Felix hat gesagt:
Gesendet am 6. Februar 2023 um 09:24
unglaublich; grossartig!

Wimpy hat gesagt:
Gesendet am 6. Februar 2023 um 19:10
Schöne Bilder einer grossartigen Bergfahrt. Merci für diesen Bericht.
L G Wimpy

Fraroe hat gesagt:
Gesendet am 6. Februar 2023 um 20:57
Herzliche Gratulation zu einer weiteren superTour von dir.
Rösly und Franz

Linard03 hat gesagt:
Gesendet am 8. Februar 2023 um 09:18
Gratulation zu dieser Spezial-Variante!
Für mich bleibt die Blüemlisalp-Traverse eine der schönsten Hochtouren, welche ich je gemacht habe.

boerscht hat gesagt:
Gesendet am 8. Februar 2023 um 20:01
Wiedermal sehr geniale Tour und tolle Bilder dazu!


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