Kurzbericht 

Kanisfluh - Überschreitung zum 50ten


Publiziert von Nyn , 8. November 2021 um 07:53.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Bregenzerwald-Gebirge
Tour Datum:20 Oktober 2021
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Aufstieg: 1450 m
Abstieg: 1450 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Mellau kommend etwa 200m VOR dem Abzweig in Au Richtung Damüls auf einspurigem Brückle zum Ortsteil Argenstein. Am Tennisplatz vorbei noch kurz links und zu einigen Häusern, wo am Straßenrand (beschränkt!) parkiert werden kann. Unweit davon beginnt der Fußpfad zum Ahornenvorsäß

Vor etwa 50 Jahren war ich das erste Mal auf der Kanisfluh. Damals mein erster 2000er. Mei, war ich stolz.
In den 80er-Jahren ging es dann ein 2tes Mal da hoch, aber wiederum "nur" auf die Holenke.
Diesesmal habe ich mir die recht anspruchsvolle Überschreitung vorgenommen, üblicherweise wird sie von Ost nach West gegangen. Es soll ein sonniger, warmer und trockener Föhntag  werden.

Abweichend von bisherigen Begehern starte ich nicht an der Brücke Richtung Damüls und steige auch nicht am westlichen Waldrand ab dem oberen Ende des Ahornenvorsäß zur berühmten Jagdhütte auf, sondern nehme mir Argenstein als AP. Dort parkiere ich am Beginn des schönen Fußwegs zum Ahornenvorsäß, welches ich mittels eines Forstwegs (Schranke, Schild : "Gefahr durch Waldarbeit") bald wieder verlasse. (2te Kehre nach den ersten beiden Häusern, Höhenkote ca. 950m)
Nach kurzer Zeit gelange ich zu einem Hüttle, wo der Weg zwar noch etwas weiter, aber wieder abwärts führt.
Hier steige ich weglos in wnw Richtung durch den Steilwald und unter Umgehung einiger eingelagerten Felsriegel empor (ca. T4, auch mal mit Händehilfe), bis ich auf etwa 1150m Höhe den zweiten, oberen Forstweg ("Ahornen") erreiche. Diesem folge ich bis zum senkrechten Abbruch des mal steileren, mal auch flacheren SO-Rückens, welchem ich nun, mal direkt an der Kante, mal parallel dazu, aufwärts folge. Herrliche Gegend!
Erst weiter oben werden die Gamsspuren ausgeprägter, aber auch der sich von lichterem Hochwald zu niedrigeren Gestrüppgruppen wandelnde Bewuchs gibt mir die Route vor. Kurz vor dem Jagdhüttel (ca 1630m) betrete ich freies Wiesengelände und komme in die pralle Sonne, die trotz Ende Oktober ordentlich brennt - dankenswert durch den wechselnd kühl blasenden Föhn angenehm gemildert.

Am Jagdhüttle mache ich erstmal gemütlich Vesperpause.
Der Abschnitt hinauf zur grasigen rundlichen Kuppe P.1856, dem Kanisfluh Ostgipfel, ist dann herrlich grasig kurzweilig.

ÜBERSCHREITUNG
Die Überschreitung selber wurde bereits mehrfach beschrieben, so daß ich hier nur in meiner typischen -"Vor Ort der Nase nach", "Details bisheriger Begeher nicht gelesen"! - Manier.... Abweichungen und Ergänzungen hinzufüge.
Den "Rest" erzählen wie gewohnt meine Bilder.

Sonnenkopf: Leicht links des Grates über schrofige Stufen und eine kurze kaminartige Steilrinne, kurz I

Metzlerköpfle: Das Kreuz habe ich beim Zustieg bemerkt, jedoch die Erhebung von südlich unterhalb nicht als eigenständigen Gipfel erkannt, sondern als Martel interpretiert.

Runder Kopf: Ich war nicht zum obersten Gratansatz hochgestiegen, sondern etwas südlich unterhalb unterwegs. Vom Sonnenkopf hatte ich zwar die Übersicht gehabt, die kurze sehr steile Schlußgraswand auf der Nordseite (Ich las später T6, II) war von weiter weg schwer zu beurteilen, es lag aber im Gipfelbereich nordseitig Schnee. Einen Pickel hatte ich dabei, zweifelte jedoch ein wenig an der Eignung meiner Schuhe - so daß ich hier, wohl eher unbewusst, die völlig trockene, dafür meiner Einschätzung nach klettertechnisch schwierigere (knapp an die III heran!!) Variante an der Südwestseite wählte, wo der sperrende senkrechte Riegel eine einzige, jedoch erkennbare Schwachstelle hat. Diese bin ich hoch, dann über Steilschrofen und Gras zum obersten Ostgrat (s. Bild)

Abstieg vom Runden Kopf: Der hat mMn mit I (vgl hier) rein gar nix zu tun. Oder bin ich da so anders gekraxelt, nämlich direkt an der Kante runter? Die realistische Bewertung dort ist satt II, dazu ausgesetzt. Es handelt sich weder um ein Band, noch ist der Fels immer fest, sondern die stumpfe Kante ist teils leicht brüchig, teils grobblockig senkrecht (unten). Wenn da einer der größeren Blöcke, auf die ich mangels Alternative mehrfach stehen und mich dran ablassen muss! ..ausbricht, was nicht ganz unwahrscheinlich ist, dann.... > T6-, II

Holenke: Die direkte Kante soll kleingriffig sein, leider ist sie völlig nass. So wähle ich die etwas leichtere Umgehung via Schleife in die Nordseite. Dort ist es auch feucht, aber leidlich gut gestuft, die Absätze dafür teils leicht beschneet. Zudem sind über mir Steinböcke am Grat. Konzentration....
Püh - nicht schwerer wie I, aber ziemlich spacy. Einer der Böcke wechselt keine 5m direkt über mir im gut 65-70 Grad steilen Gelände unterhalb des Grates...Pfffffffff, was für eine Perspektive. Wenn der auf mich drauf fällt, dann helfen mir die fetten Graspolstergriffe nix.....tut er aber nicht. In Gelände, wo ich nicht mal im Traum dran denken würde, weiter direkt hochzusteigen, bewegen sich diese Künstler mit einer Sicherheit quer und sogar abwärts, die mir nur den Atmen stocken lässt! Die letzten Meter zum HG sind leicht. 2 weitere Steinböcke machen nach gutem Zureden freundlich Platz.

Am Gipfel BergsteigerVolk, das über den Normalweg hochkam und eine tolle Fernsicht. Nach etwa einer halben h wird es mir ob dem kühler werdenden Wind und eingeschleierter Sonne zunehmend auch kühl. Der Abstieg entlang des WW des Westgrats ist breit ausgetreten, stellenweise rutschig.

Den Abstecher zum "Hähle" lasse ich mir dann natürlich nicht nehmen: Spektakulär!

(Am Hohen Stoß:) Den Zugang habe ich mir noch angesehen. Näher dran ist ein Seilstück in der SSW-Flanke zu erkennen, welches zunächst ein abschüssiges Gras-Band an dessen Ende etwas entschärft und dann  -schlecht zu erkennen- durch eine dort ansetzende schrofige Steilrinne wohl weiterhilft (geschätzt  I-II Grad, Zugang dorthin auch heikel, nix für Wanderer). Ich bin bereits zu müde, das heute noch rauf (und runter?) zu kraxeln und spare mir den Hohen Stoß für ein anderes Mal auf.

So steige ich gemütlich über den WW zur Edelweißhütte ab. Mit tollen Ausblicken ins BWG und LQG. Über die Feuersteinalpe und das Ahornenvorsäß wandere ich zurück ins Tal.

FAZIT
Tolle, sehr vielseitige und aussichtige Überschreitung für Könner. Der Runde Kopf stellt sowohl im Auf- wie im Abstieg die Schlüsselpassage dar, er lässt sich auch komplett umgehen (nordseitig wie Bergrebell, als auch tiefer südseitig auf abschüssigen Grasbändern - beides trotzdem nicht ohne! - keine Gewähr!).
Bei Nässe besser ganz unterlassen. Die Holenke ist als Einziger der Kanisfluhgipfel mit Weg erschlossen.
Wer dafür von Süden anreist, kann mit PKW bis kurz vor die Edelweißhütte fahren.

Und was das Beste für mich ist?
Es gelingt mir, mein kleines Trauma vom Hörnlegrat erfolgreich aufzulösen.
Die Tour davor auf das Pfrondhorn via Südsporn und anschließender Überschreitung der Löffelspitze, da war ich noch gehemmt und zuweilen übervorsichtig. Es hat zwar auch dort Spaß gemacht, Wolken und Nebelmeer haben mich total verzaubert, aber rein vom Steigen und Kraxeln her war ich nicht schon wieder voll ich selbst gewesen.
Hier passt meine Mischung von Konzentration und Lockerheit wieder. Das ist auch notwendig, weil die Kanisfluh-Überschreitung doch etliche ordentlich angriffige Stellen hat. Klar, einige sind umgehbar, aber dann würde ich ja die anregendsten Stellen verpassen....
Ich genieße diese Tour jedenfalls außerordentlich und bin sehr glücklich darüber, dass ich mich technisch wie psychisch wieder gut im Griff habe.



Tourengänger: Nyn


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Kommentare (5)


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alpstein hat gesagt: Gratulation
Gesendet am 8. November 2021 um 09:21
Ein sehr spannendes Unternehmen, das mich (ausnahmsweise) auch 100 Fotos durchklicken ließ.

Deine frühen Erfahrungen auf der Holenke und am Diedamskopf decken sich zeitlich mit meinen.

Grüße
Hanspeter


Nyn hat gesagt: RE:Gratulation
Gesendet am 8. November 2021 um 09:45
Danke dir, Hanspeter

Schubi hat gesagt:
Gesendet am 8. November 2021 um 14:31
Gratulation zu diesem Unternehmen! Spannend zu lesen auch die Stelle mit den Steinböcken.
Schönen Gruß, Frank

Nyn hat gesagt: RE: Steinböcke
Gesendet am 8. November 2021 um 15:09
Die scheinen dort sehr oft am Grat zu verweilen und genießen womöglich die Aufmerksamkeit der Holenke - Be(rg)steiger.
Ich traf am Gipfel einen älteren Herrn, der im Ahornenvorsäß eine Hütte besitzt, der meinte, er käme öfters hier hoch, nur zum Steinböcke-Gucken. Auch andere Besucher, die eben am Gipfel ankamen, fragten, ob die Steinböcke denn da wären. Diese gehören also offenbar zum festen "Inventar".

hannes80 hat gesagt:
Gesendet am 8. November 2021 um 20:30
Klasse Tour, will ich auch schon ewig mal gehen. Die Steinböcke sind genial. Grüße! Hannes


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