3./4. Kirchlispitze und Schwarzhornüberschreitung


Publiziert von Michael26 , 18. August 2021 um 08:41.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Rätikon
Tour Datum: 6 August 2021
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   CH-GR 
Zeitbedarf: 2 Tage

Im Unwettersommer 2021 ist es nicht einfach ein stabiles Schönwetterfenster zu finden und daher verzichten wir auf Hochtouren und fahren für 2 Tage ins Rätikon. Der Wetterbericht ist bis zuletzt unbeständig und es ist uns klar, dass wir unsere Touren flexibel an den Wetterverlauf anpassen müssen.

Am Freitag 6.8. brechen wir morgens zur Lindauerhütte auf, die wir nach einer entspannten Wanderung gegen 11 h erreichen. Wir gehen weiter zum Öfapass, um eine mögliche Überschreitung der Drusenfluh am nächsten Tag zu erkunden. Gm. AV Führer kann man östlich und westlich vom Öfapass ein- und zum Imhofsattel und Westgrat aufsteigen, danach wird die Wegbeschreibung sehr unklar. Meine Hoffnung ist den Wegverlauf vom Öfapass aus besser einschätzen zu können.

Leider sind alle höheren Gipfel hinter dichten Wolken versteckt. Links sehe ich den wolkenverhangenen Eistobel, durch den ich im Vorjahr aufgestiegen bin (siehe Tourenbericht vom 27. Juli 20 https://www.hikr.org/tour/post155773.html ), der nun wenig einladend aussieht, genau so wenig einladend wie die düster herab ziehende Blodigrinne. Noch weniger einladend sieht der Einstieg der Drusenfluh-Erstbegehung aus, der östlich vom Öfapass über steile Karrenplatten in den Nebel hinauf zieht. Besser wird es erst, als wir den Öfapass überschritten haben und zum Schweizertor absteigen. Zumindest der Einstieg über die hellen Gneisplatten hinauf in die Schweizermulde erscheint mir gut machbar, weiter oben steckt weiterhin alles im Nebel.

Da es erst gegen 13 h ist und mir eine Drusenfluhbesteigung am Folgetag ungewiss erscheint, entschließe ich mich einen Abstecher auf die Kirchlispitzen zu machen. Am westlichen Grat war ich schon mehrmals unterwegs (siehe Tourenberichte vom 21.08.2017 https://www.hikr.org/tour/post124933.html und 08.08.2015 https://www.hikr.org/tour/post100760.html ), nun möchte ich mir den östlichen Abschnitt ansehen.
Der Aufstieg vom Verajoch auf die 3. Spitze stellt den Normalweg auf die Kirchlispitzen dar und lässt sich problemlos begehen. Steinmännchen zeigen den Weg und ich erreiche, ohne ernsthaft Klettern zu müssen, die Gratkante. Nun geht es ebenso einfach nach rechts auf die mit einem Kreuz ausgestattete Spitze, nur ganz oben muss ich etwas den Fels anfassen, da ich direkt auf der Gratkante bleibe (man könnte auch nach rechts ausweichen und die Spitze ohne Kletterei erreichen).

Auf dem Gipfel angekommen genieße ich den Ausblick. Weiter im Westen sehe ich die 1. und 2. Spitze, auf denen ich schon gestanden bin, und den Ausstieg der Nordverschneidung, den wir 2011 nicht ganz erreicht haben, im Westen den weiteren Gratverlauf und dahinter die gewaltige Drusenfluh, leider immer noch in Nebelschwaden, dahinter die Silvretta und im Süden die Bernina, die höheren Berge alle schon auffallend in weiß gekleidet.

Nun möchte ich den Gratverlauf Richtung Osten weiter erkunden und mache mich auf den Weg zur 4. Spitze. Auf dem breiten Gratrücken ist dies zunächst sehr einfach, bis sich der Grat hinter der 4. Spitze einschnürt und eine scharfe und exponierte Linie bildet. Nun wird es spannend und in den nächsten ca. 15 Minuten habe ich feuchte Hände und reichlich Luft unter den Sohlen. Dabei halte ich mich stets auf der nördlichen Seite der Gratkante, um dem Sog der Tiefe auf der Südseite zu entgehen, auf der die Wand hunderte Meter senkrecht abbricht. Aber auch die Nordseite ist reichlich exponiert und ein steiler Abbruch.

Der Grat senkt sich kontinuierlich ab und ich erreiche eine sehr markante Stelle. Vor mir bildet der fast wagrechte Grat eine Art Dach, mit einem schmalen Sims in der Mitte und links und rechts steil abfallenden Seitenflächen, wie von Menschenhand gemacht. Hier kann man sich nirgends festhalten und nach kurzem Zögern balanziere ich hinüber. Danach steige ich kurz hoch und bekomme einen guten Überblick auf den weiteren Gratverlauf zur 5. Spitze. Zunächst geht es unschwierig zu den Einschartungen zwischen 4. und 5. Spitze hinunter, danach in wildem Auf und Ab zum Doppelgipfel der 5. Spitze weiter, auf der zwei freche Dohlen sitzen und sich über mein Bemühungen amüsieren. Wie man von der 5. Spitze eine Überschreitung fortsetzen könnte, ist mir schleierhaft, den die Gratkante bricht dahinter senkrecht ab und irgendwo nach links durch die brüchige und steile Schrofenwand nach Norden abzusteigen, erscheint mir ebenfalls halsbrecherisch. Weiß jemand wie die Überschreitung von hier aus weiter geht ?
Jedenfalls drehe ich an dieser Stelle um, klettere über den Grat zurück auf die 4. Spitze und weiter bis zum Normalweg, über den ich zum Verajoch absteige.

Am Abend auf der Lindauer Hütte entscheiden wir uns gegen einen Versuch an der Drusenfluh, da der Wetterbericht für den kommenden Tag ab dem Nachmittag Regen ankündigt und wir, nach allem was wir gesehen haben, nicht glauben, schnell genug die Überschreitung durchziehen zu können. Der Gedanke bei Regen und Nebel auf diesem gewaltigen Berg einen Weg suchen zu müssen, ist abschreckend. Stattdessen planen wir das Schwarzhorn aus der Schwarzen Scharte zum Schwarzhornsattel zu überschreiten und von dort nach Latschau abzusteigen.   

Als wir am nächsten Morgen in die Schwarze Scharte aufsteigen, bemerken wir einen Hubschrauber, der am Schwarzhorn unterwegs ist. Ich denke mir nichts dabei, weil ich glaube, dass er einen Versorgungsflug zur Tilisunahütte durchführt.
Gerade als wir uns in der Schwarzen Scharte fertig machen, um auf das kleine Schwarzhorn zu steigen, kommt ein offensichtlich äusserst geübter Bergsteiger von oben herunter, ja, er läuft geradezu über die steile Südflanke hinab und hat noch nicht einmal einen Helm auf.
Er kommt zu uns und fragt uns, ob wir sicher sind, schnell genug die Besteigung des Schwarzhorns durchführen zu können, denn Regen wäre zu erwarten und das mit Flechten bewachsene Gneisgestein wäre dann rutschig wie Schmierseife. Dann erzählt er, dass sich am Vortag hier am Schwarzhorn ein tödlicher Bergunfall ereignet hat und er, als Bergpolizist, gerade von der Bergung herunter kommt. Deshalb also der Hubschraubereinsatz.
Wir sind schockiert und sehr betroffen. Ja, schon Luis Trenker hat gesagt, dass in den Bergen großes Glück auf uns wartet, aber schon ein einziger Moment der Unachtsamkeit alles zerstören kann. Obwohl man sich als Bergsteiger dessen stets bewusst sein sollte, ist die unmittelbare Konfrontation mit so einem Unglück absolut erschreckend.
Einen Moment überlegen wir auf das Schwarzhorn zu verzichten und abzusteigen. Dann prüfen wir nochmals die Fakten. Ja, von Norden drängt eine Störungsfront heran, man kann es sehen, aber noch bläst eine kräftige Föhnströmung aus Südwesten und die ist im Rätikon immer ein Garant für gutes Wetter. Da ich schon einmal auf dem Schwarzhorn gewesen bin (siehe meinen Tourenbericht vom 27. Juli 2018 https://www.hikr.org/tour/post135030.html ) glaube ich einschätzen zu können, dass uns bis zum frühen Nachmittag die Überschreitung gelingen und das Wetter bis dahin halten wird. Also steigen wir ein, nehmen uns aber vor sehr vorsichtig zu sein und uns an allen ausgesetzten Stellen zu sichern.

Die Überschreitung selbst gelingt problemlos. Drei kurze Seillängen auf das kleine Schwarzhorn (im Aufstieg aus der Scharte einfach zu finden), einmal Abseilen hinunter in die Scharte zwischen kleinem und großem Horn, noch einmal drei einfache Seillängen und wir stehen auf dem Gipfel des großen Schwarzhorns. Hier gönnen wir uns sogar noch eine ausgiebige Rast, bevor wir über den Nordgrat zügig zum Schwarzhornsattel absteigen. Gegen 13 h erreichen wir wieder den Wanderweg.

Bei der weiteren Wanderung hinunter nach Latschau können wir der Verlockung nicht widerstehen, in der Alpe Alpila einzukehren und uns zu stärken. Das kostet uns so viel Zeit, dass es beim weiteren Abstieg tatsächlich leicht zu regnen anfängt. Als wir das Gauertal erreichen, hängen über den Drusentürmen schon dunkle Wolken und wir erreichen gegen 16 h gerade noch unser Auto in Latschau, bevor es stark zu regnen beginnt und alle Gipfel in den Wolken versinken. Auf der Drusenfluh wäre es jetzt sehr ungemütlich geworden ...

Tourengänger: Michael26


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