Die vergessene Hochtour des Rätikon - durch den Eistobel auf den grossen Drusenturm
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In seinem Buch „Wo ich die Alpen am schönsten fand“ aus dem Jahr 1984 beschreibt Toni Hiebeler gleich am Anfang seine Lieblingsrouten in seiner Heimat Vorarlberg. Dort findet sich eine Trilogie von Gratüberschreitungen im Rätikon - die Kirchlispitzen, die Drusenfluh und die 3 Drusentürme von West nach Ost mit Aufstieg aus dem Eistobel.
Mit einem Faible für elegante Grate möchte ich nach der Überschreitung an den Kirchlispitzen (1. und 2. Spitze, siehe meinen Bericht vom 21.08.2017) nun auch einen Versuch an den 3 Türmen machen, wobei mich vor allem der Aufstieg durch den angeblich noch immer teilweise vergletscherten Eistobel reizt. Welche Verhältnisse dort tatsächlich anzutreffen sind, ist mir allerdings völlig unklar, und ich schließe auch die mögliche Notwendigkeit eines Rückzugs nicht aus, denn bekanntlich können ausgeaperte und vom Gletscher freigegebene Felsflanken, insbesondere im steilen Gelände, so brüchig sein, dass sie nahezu unbegehbar werden. Auch eine Randkluft kann zum unüberwindbaren Hindernis werden. Aber einen Versuch möchte ich unternehmen.
Den mühsamen Anmarsch durchs Gauertal kürze ich ab, indem ich mit der Golmerbahn zum Grüneck fahre und über die Latschätzalpe zur Lindauerhütte quere. Von dort geht es weiter Richtung Öfapass und direkt zur unteren Mündung des Eistobels, eines eindrucksvollen Canyons zwischen den Felsabstürzen des großen Drusenturms und der Drusenfluh.
Schon von ganz unten kann ich den gesamten Tobel einsehen, der sich über 700 Hm nach oben zieht und teilweise tatsächlich mit Firn und Eis gefüllt ist. Abgeschlossen wird der Tobel ganz hinten vom Eisjöchli, einer sehr steilen Felsstufe, auf der zwei markante Zacken sitzen, Stockzahn und Sauzahn. Dahinter brechen die Südwände der Fluhen über mehrere 100 Hm nahezu senkrecht in die Tiefe ab, hinunter ins Engadin und die Schweiz.
Auf kleinen Steiglein, die zu den Kletterrouten durch die senkrecht in die Höhe schießenden Ostwände der Drusenfluh führen, betrete ich den Tobel und erreiche problemlos die unteren Ausläufer der Firnfelder. Zunächst sind diese nicht steil, aber wie ich schon von unten erkennen kann, warten weiter oben deutliche Aufschwünge, teilweise auch Blankeis, und ich lege Steigeisen an und gehe mit Pickel weiter. Das ist auch gut so, denn schon bald steigt die Hangneigung auf 30-35 Grad an.
Nun treffe ich auf die ersten Hindernisse. Das Blankeis kann ich zwar umgehen, aber dann muss ich eine ausgeaperte Felsrippe überwinden. Die ist zwar nicht sehr steil, der Fels hat aber eine bröslige Konsistenz und ich krieche mehr hinauf, als ich klettere. Der Übergang vom Firn zum Fels ist auch nicht ganz sauber und ich achte darauf, nicht in eines der zahlreichen tiefen Löcher zu treten.
Dann erreiche ich eine breite fischmaulartige Spalte im Firn, die mir wenig vertrauenswürdig erscheint. Die Spalte ist ca. 2 m breit und mindestens ebenso tief und ich kann bis auf den felsigen Grund hinunter schauen. Ich beschließe nach Möglichkeit nicht hinein zu fallen, denn wer weiß, wie ich wieder heraus komme und wo ich überall hin rutschen könnte. Mir fällt die haarsträubende Geschichte von einer Bergsteigerin aus dem Himalaya ein, die, vom Mount Everest zurück kommend, das sichere Basislager schon fast erreicht hat, als sie ausrutscht und in einen vom Gletscherschmelzwasser ausgewaschenen Eiskanal fällt, vom Gletscherwasser mitgerissen und in die Unterwelt der Gletscherspalten gespült wird. Auch wenn der Vergleich zu meiner Firnspalte etwas hinkt, bin ich vorsichtig und taste auf einer Schneebrücke über die Spalte.
Weiter oben steilt es richtig auf, größer 35 Grad und oben in die Felsen hinein auf 40 Grad zu. Nun mache ich den Fehler vom Firn in den Fels zu wechseln, anstatt konsequent am Firn weiter bis ganz oben zu gehen. Die zum Eisjöchli hinauf zu überwindende Felsstufe sieht nicht wirklich schwer aus, Rinnen und Rippen im SG II-III, und ich lasse mich verleiten, in eine der Rinnen einzusteigen. Sogleich werde ich bitter bestraft, denn der Fels ist so brüchig, dass sich beim besten Willen keine vetrauenswürdigen Haltepunkte finden lassen. Ich rette mich aus der Rinne auf die angrenzende Rippe, komme aber vom Regen in die Traufe und finde überall nur übelsten Bruch vor. Nach einigen Versuchen rutsche ich sogar einige Meter über den splittrigen Fels ab und zerschramme mir dabei Hände und Knie. Jetzt habe ich genug, schnalle die Steigeisen wieder an und gehe zurück auf den Firn, die Frage ist nur wohin, denn möglicherweise sind die Verhältnisse unter dem Eisjöchli überall so schlecht.
Schon erwäge ich wieder abzusteigen, als ich ein Fixseil entdecke, dass vom Eisjöchli herunter hängt und bis zur Firnzunge reicht. Durch den steilen Firn arbeite ich mich bis zum Fixseil vor und teste seine Belastbarkeit. Tatsächlich ist es ein neues Seil, das meinen Test locker besteht. Damit ist der Weg nach oben ins Eisjöchli frei, wobei auch die Rinne, durch die ich mich nach oben arbeite, so brüchig ist, dass ich ohne Prusiksicherung am Fixseil nicht hinauf gegangen wäre.
Oben am Jöchli angekommen, sind die meisten Schwierigkeiten überwunden. Der weitere Aufstieg über den Westrücken auf den Großen Drusenturm ist nicht schwierig und nicht zu verfehlen, wenn auch etwas mühsam, und schon bald stehe ich auf dem Gipfelplateau, das mich mit großartigen Ausblicken für die Mühen belohnt. Vor allem der Blick auf die Ostkante der Drusenfluh ist atemberaubend, eine fantastische Linie für alpine Könner.
Toni Hiebelers Route umfasst nach dem Großen Turm auch die Überschreitung der beiden anderen Türme. Den Mittleren Turm lasse ich links liegen, da alpinistisch nicht wirklich interessant, nehme dafür den Kleinen Turm in Augenschein. Laut AV Führer gibt es zwei einfache Routen hinauf, durch die Westflanke oder über den Südgrat. Nach kurzer Begutachtung verwerfe ich aber schnell die Idee einer Besteigung, denn beide Routen erscheinen mir halsbrecherisch, weil steil, ausgesetzt und mit wenig bis keiner Hoffnung auf festen Fels. Hier abzurutschen wäre definitiv lebensgefährlich !
Also steige ich über den Normalweg ab und lasse die Tour auf der Lindauerhütte ausklingen.
Fazit: Tatsächlich bietet der Eistobel eine Firn-/Hochtour im Rätikon, die zumindest im Sommer in Vergessenheit geraten zu sein scheint. Wäre die Felsstufe zum Eisjöchli hinauf nicht in einem so üblen Zustand, wäre das eine richtige coole Firntour !
Daher meine Empfehlung: Erst in der Lindauerhütte nachfragen, ob das Fixseil eingerichtet ist. Falls Ja, klare Empfehlung zu gehen, falls Nein, bleiben lassen. Alternativ bietet sich an, die Tour deutlich früher im Jahr anzugehen, eventuell sogar im Winter als Skitour. Wie man liest, wird letztere durchaus ab und zu begangen und steht von nun an auch auf meiner Wunschliste. Ob und wie man vom Tobel auf das Jöchli gelangt, hängt dann natürlich ganz von den Verhältnissen ab. Dabei ist selbstverständlich zu berücksichtigen, dass die Tour im Winter in weiten Teilen hochgradig lawinengefährdet ist.
Mit einem Faible für elegante Grate möchte ich nach der Überschreitung an den Kirchlispitzen (1. und 2. Spitze, siehe meinen Bericht vom 21.08.2017) nun auch einen Versuch an den 3 Türmen machen, wobei mich vor allem der Aufstieg durch den angeblich noch immer teilweise vergletscherten Eistobel reizt. Welche Verhältnisse dort tatsächlich anzutreffen sind, ist mir allerdings völlig unklar, und ich schließe auch die mögliche Notwendigkeit eines Rückzugs nicht aus, denn bekanntlich können ausgeaperte und vom Gletscher freigegebene Felsflanken, insbesondere im steilen Gelände, so brüchig sein, dass sie nahezu unbegehbar werden. Auch eine Randkluft kann zum unüberwindbaren Hindernis werden. Aber einen Versuch möchte ich unternehmen.
Den mühsamen Anmarsch durchs Gauertal kürze ich ab, indem ich mit der Golmerbahn zum Grüneck fahre und über die Latschätzalpe zur Lindauerhütte quere. Von dort geht es weiter Richtung Öfapass und direkt zur unteren Mündung des Eistobels, eines eindrucksvollen Canyons zwischen den Felsabstürzen des großen Drusenturms und der Drusenfluh.
Schon von ganz unten kann ich den gesamten Tobel einsehen, der sich über 700 Hm nach oben zieht und teilweise tatsächlich mit Firn und Eis gefüllt ist. Abgeschlossen wird der Tobel ganz hinten vom Eisjöchli, einer sehr steilen Felsstufe, auf der zwei markante Zacken sitzen, Stockzahn und Sauzahn. Dahinter brechen die Südwände der Fluhen über mehrere 100 Hm nahezu senkrecht in die Tiefe ab, hinunter ins Engadin und die Schweiz.
Auf kleinen Steiglein, die zu den Kletterrouten durch die senkrecht in die Höhe schießenden Ostwände der Drusenfluh führen, betrete ich den Tobel und erreiche problemlos die unteren Ausläufer der Firnfelder. Zunächst sind diese nicht steil, aber wie ich schon von unten erkennen kann, warten weiter oben deutliche Aufschwünge, teilweise auch Blankeis, und ich lege Steigeisen an und gehe mit Pickel weiter. Das ist auch gut so, denn schon bald steigt die Hangneigung auf 30-35 Grad an.
Nun treffe ich auf die ersten Hindernisse. Das Blankeis kann ich zwar umgehen, aber dann muss ich eine ausgeaperte Felsrippe überwinden. Die ist zwar nicht sehr steil, der Fels hat aber eine bröslige Konsistenz und ich krieche mehr hinauf, als ich klettere. Der Übergang vom Firn zum Fels ist auch nicht ganz sauber und ich achte darauf, nicht in eines der zahlreichen tiefen Löcher zu treten.
Dann erreiche ich eine breite fischmaulartige Spalte im Firn, die mir wenig vertrauenswürdig erscheint. Die Spalte ist ca. 2 m breit und mindestens ebenso tief und ich kann bis auf den felsigen Grund hinunter schauen. Ich beschließe nach Möglichkeit nicht hinein zu fallen, denn wer weiß, wie ich wieder heraus komme und wo ich überall hin rutschen könnte. Mir fällt die haarsträubende Geschichte von einer Bergsteigerin aus dem Himalaya ein, die, vom Mount Everest zurück kommend, das sichere Basislager schon fast erreicht hat, als sie ausrutscht und in einen vom Gletscherschmelzwasser ausgewaschenen Eiskanal fällt, vom Gletscherwasser mitgerissen und in die Unterwelt der Gletscherspalten gespült wird. Auch wenn der Vergleich zu meiner Firnspalte etwas hinkt, bin ich vorsichtig und taste auf einer Schneebrücke über die Spalte.
Weiter oben steilt es richtig auf, größer 35 Grad und oben in die Felsen hinein auf 40 Grad zu. Nun mache ich den Fehler vom Firn in den Fels zu wechseln, anstatt konsequent am Firn weiter bis ganz oben zu gehen. Die zum Eisjöchli hinauf zu überwindende Felsstufe sieht nicht wirklich schwer aus, Rinnen und Rippen im SG II-III, und ich lasse mich verleiten, in eine der Rinnen einzusteigen. Sogleich werde ich bitter bestraft, denn der Fels ist so brüchig, dass sich beim besten Willen keine vetrauenswürdigen Haltepunkte finden lassen. Ich rette mich aus der Rinne auf die angrenzende Rippe, komme aber vom Regen in die Traufe und finde überall nur übelsten Bruch vor. Nach einigen Versuchen rutsche ich sogar einige Meter über den splittrigen Fels ab und zerschramme mir dabei Hände und Knie. Jetzt habe ich genug, schnalle die Steigeisen wieder an und gehe zurück auf den Firn, die Frage ist nur wohin, denn möglicherweise sind die Verhältnisse unter dem Eisjöchli überall so schlecht.
Schon erwäge ich wieder abzusteigen, als ich ein Fixseil entdecke, dass vom Eisjöchli herunter hängt und bis zur Firnzunge reicht. Durch den steilen Firn arbeite ich mich bis zum Fixseil vor und teste seine Belastbarkeit. Tatsächlich ist es ein neues Seil, das meinen Test locker besteht. Damit ist der Weg nach oben ins Eisjöchli frei, wobei auch die Rinne, durch die ich mich nach oben arbeite, so brüchig ist, dass ich ohne Prusiksicherung am Fixseil nicht hinauf gegangen wäre.
Oben am Jöchli angekommen, sind die meisten Schwierigkeiten überwunden. Der weitere Aufstieg über den Westrücken auf den Großen Drusenturm ist nicht schwierig und nicht zu verfehlen, wenn auch etwas mühsam, und schon bald stehe ich auf dem Gipfelplateau, das mich mit großartigen Ausblicken für die Mühen belohnt. Vor allem der Blick auf die Ostkante der Drusenfluh ist atemberaubend, eine fantastische Linie für alpine Könner.
Toni Hiebelers Route umfasst nach dem Großen Turm auch die Überschreitung der beiden anderen Türme. Den Mittleren Turm lasse ich links liegen, da alpinistisch nicht wirklich interessant, nehme dafür den Kleinen Turm in Augenschein. Laut AV Führer gibt es zwei einfache Routen hinauf, durch die Westflanke oder über den Südgrat. Nach kurzer Begutachtung verwerfe ich aber schnell die Idee einer Besteigung, denn beide Routen erscheinen mir halsbrecherisch, weil steil, ausgesetzt und mit wenig bis keiner Hoffnung auf festen Fels. Hier abzurutschen wäre definitiv lebensgefährlich !
Also steige ich über den Normalweg ab und lasse die Tour auf der Lindauerhütte ausklingen.
Fazit: Tatsächlich bietet der Eistobel eine Firn-/Hochtour im Rätikon, die zumindest im Sommer in Vergessenheit geraten zu sein scheint. Wäre die Felsstufe zum Eisjöchli hinauf nicht in einem so üblen Zustand, wäre das eine richtige coole Firntour !
Daher meine Empfehlung: Erst in der Lindauerhütte nachfragen, ob das Fixseil eingerichtet ist. Falls Ja, klare Empfehlung zu gehen, falls Nein, bleiben lassen. Alternativ bietet sich an, die Tour deutlich früher im Jahr anzugehen, eventuell sogar im Winter als Skitour. Wie man liest, wird letztere durchaus ab und zu begangen und steht von nun an auch auf meiner Wunschliste. Ob und wie man vom Tobel auf das Jöchli gelangt, hängt dann natürlich ganz von den Verhältnissen ab. Dabei ist selbstverständlich zu berücksichtigen, dass die Tour im Winter in weiten Teilen hochgradig lawinengefährdet ist.
Tourengänger:
Michael26

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