Der Geiselstein, ein anspruchsvoller Felsgipfel, der mir unvorhersehbar zur Geisel wurde.


Publiziert von Anton , 8. Juli 2021 um 23:25.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Ammergauer Alpen
Tour Datum: 6 Juli 2021
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 786 m
Abstieg: 642 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:B17 Deutsche Alpenstraße von Schongau nach Füssen. Von Halblech mit dem Kenzenbus 12 KM ins Gebirge und zurück für moderate 9,50 € und kostenlosem Tagesparkplatz.
Zufahrt zum Ankunftspunkt:wie oben.
Unterkunftmöglichkeiten:In Halblech und Umgebung.
Kartennummer:Ammergauer Alpen

Eigentlich sind 1000Hm und solo frei klettern bis lll für mich kein Problem. Ja eigentlich, aber unverhofft kommt oft. Schon am Wankerfleck hat das Unheil seinen Lauf genommen. Laut meinem Wanderkartenausdruck sollte ein Abkürzer problemlos über die Wiese zum Geiselsteinsattel Zustieg über den Gumpenbach möglich sein.

Schon kurze Zeit später erkannte ich das dies nicht stimmt, umkehren wollte ich nicht, und so habe ich den Gumpenbach vogelwild überquert und den folgenden Elektrozaun mit Hilfe der Isolierung meiner Windjacke überschritten. Am dann folgenden Metalltor ( siehe Foto ) wurde es unvermittelt ernst. Als ich dieses mit beiden Händen fest angefasst habe, bekam ich einen Stromschlag der mich nach hinten flach gelegt hat. Mein neuer Rucksack wurde am Helm Netz beschädigt, was mich sofort saumäßig geärgert hat. Die folgende Stromprobe mit dem Zeigefinger war erträglich. Da ich über 40 Jahre als Elektro Techniker tätig war. und maßvolle Stromschläge kenne, habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht. Ich habe den Fehler gesucht und gefunden. Der Haken mit dem Gummigriff vom Elektrozaun, war an falscher Stelle eingehängt, warum auch immer. Die nassen Stiefel vom Bach und der beidseitige Vollzugriff am Rohr waren ursächlich für den brutal heftigen Stromschlag.
Mit Groll wegen dem beschädigten Rucksack, bin ich dann zum Geiselstein weiter, den Stromschlag habe ich verdrängt. Nach etwa 400Hm kamen mir erste Zweifel ob bei mir alles in Ordnung ist weil sich Atemnot und >Leistungsabfall bemerkbar machte. Als dann noch 2 Junge Kletterer mit voller Ausrüstung mich überholten und kurz darauf Ihre Tour abbrachen, weil einer sich nicht gut fühlte, dacht ich dann kann es ja bei mir nicht so schlimm sein. Im Verlauf ging es für mich immer immer schwerer nach oben, und von der Wegeabzweigung zum Geiselsteinsattel wurde es dann zur Schinderei. Der heftige Stromschlag als Ursache kam mir immer noch nicht in den Sinn. Mit fast der doppelten Zeit bin ich dann am Sattel angekommen. nach 10 Minuten Pause und Bilder knipsen, habe ich meinen Rucksack am Kreuzfelsen deponiert und Gewichtserleitert den Gipfelaufstieg probiert  Am ersten Grasabsatz war dann Ende Gelände.

Plötzlich mußte ich brutal erfahren wo meine Pumpe im Körper zu Hause ist. Zum Glück noch zeitig bevor die Felskletterei angesagt war. Ab jetzt war mir schlagartig klar, das es ernster Natur ist.
Als Abstieg wollte ich den vermeintlich leichtesten Weg ins Tal nehmen, an der Gumpenhütte vorbei zurück zum Wankerfleck und mit dem Bus schnellstens ins Tal fahren. In einer Latschenlücke im Gumpenkar habe ich auch einen dürftigen Wegabzweig gefunden, nicht markiert und beschildert. Da ich Ortsunkundig bin, war  mir das zusätzliche Risiko zu groß ev. im Nirvana zu landen. So habe ich mich mit 100mtr Gegenanstieg über den Kenzensattel im Schneckentempo geplagt. Auf dem schotterrigen Abstieg zum Kenzenbach hat es mich dann noch mehrfach flach gelegt, und mein Email beschädigt. Die letzte große Hürde war dann noch der Steig ohne Geländer über den Bach. Dort kamen dann noch Zweifel auf ob ich den letzten Wanderbus überhaupt noch schaffe, da sich mittlerweile auch noch Krampfprobleme eingestellt hatten. Es gab noch einmal Freude als ein Wanderschild um 17:00 noch 5 Min. zur Hütte anzeigte. Gerade noch geschafft, und wohl keine Tour zum Vergessen.
Fazit: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Aber jetzt habe ich erst einmal Herzschonung verordnet bekommen.

Berg Heil 

Anton

Tourengänger: Anton


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Kommentare (8)


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derMainzer hat gesagt: Gute Besserung
Gesendet am 9. Juli 2021 um 07:44
Griaß di Anton,

ich wünsche dir nach dieser Horrortour gute Besserung und wenn du wieder genesen bist weiterhin schöne Bergtouren bei bester Gesundheit in deiner Heimat.

Pfiat di,
derMainzer

Nic hat gesagt:
Gesendet am 9. Juli 2021 um 07:53
Servus Anton,

auch von meiner Seite gute Besserung! So ein Stromschlag kann ganz schön heftig sein. Glücklicherweise ist noch alles gut gegangen. Weiterhin viel Gesundheit und schöne Touren! Die Saison hat ja erst begonnen.

VG Nico

Nyn hat gesagt:
Gesendet am 9. Juli 2021 um 08:07
Werter Anton,
mir fehlen ein wenig die Worte. Beim Lesen stockte mir bisweilen der Atem.
Der Bericht sollte bitte als Lehrstück in die Community "Bergunfälle".

ZITAT
"....einen Stromschlag der mich nach hinten flach gelegt hat"

...und du bist trotzdem weitergegangen? Wohl eine "kurzschlussartige" Schockreaktion??

ZITAT
"Da ich über 40 Jahre als Elektro Techniker tätig war und maßvolle Stromschläge kenne, habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht"

Mir liegt es fern, das angemessen beurteilen zu können. Was ich als elektrischer Laie nicht ganz nachvollziehen kann, ist, dass du als beruflich Erfahrener in diesem Umfeld die Auswirkungen auf deinen Körper/Herz doch zur Genüge kennen müsstest. Und es ist doch ein großer Unterschied, ob man dann im Beruf vor Ort problemlos Pause machen kann nach einem "Schlägle" oder ob man sich in den Bergen zudem in unbekanntes Gelände begibt und vglweise starker körperlicher Belastung bewusst aussetzt. Du bist ja auch keine 20 mehr, die Leistungsfähigkeit der "Pumpe" ein Faktor, der sich verändert mit dem Alter.(Davon kann ich ein Lied singen - Ausdauer soweit ok, aber nicht mehr auf höherem Belsatungsniveau)

Mir erscheint dein wiederholtes Weitergehen deshalb höchst leichtfertig. Und ich denke, du kannst von Glück sagen, dass das Ganze -so hoffe ich - auch langfristig ohne Folgeschäden ausgeht.
Ich kann wirklich nur hoffen, dass Du keine Folgeschäden davon trägst.
Bitte halte uns auf dem Laufenden.

ZITAT
"Als Abstieg wollte ich den vermeintlich leichtesten Weg ins Tal nehmen, an der Gumpenhütte vorbei zurück zum Wankerfleck und mit dem Bus schnellstens ins Tal fahren. In einer Latschenlücke im Gumpenkar habe ich auch einen dürftigen Wegabzweig gefunden, nicht markiert und beschildert. Da ich Ortsunkundig bin, war mir das zusätzliche Risiko zu groß ev. im Nirvana zu landen. So habe ich mich mit 100mtr Gegenanstieg über den Kenzensattel im Schneckentempo geplagt."

Wie war denn deine Runde ursprünglich geplant? Auf vielen Karten (z.B. Bayernatlas) ist der Weg östlich vom Geisselstein hinab zum Wankerfleck eingezeichnet. War also durchaus eine wählbare Option. Du sagst, du seist "Ortsunkundig"

.... Nun...
Zur normalen Tourenvorbereitung gehört auch Kartenstudium und Wegestudium und ggf das vorherige Planen von Alternativen. Dazu braucht man kein Smartphone (sowas hab ich auch nicht).
Wenn du also am Geisselsteinsattel schon warst und nahebei Depot gemacht hattest, und zu dem Zeitpunkt spätestens -wenn ich das recht verstanden habe- wusstest, dass da was überhaupt nicht stimmt mit dem Herz, warum bist du dann nicht den BEKANNTEN Weg zurückgegangen?
...

Vesteh mich bitte nicht falsch. Wir alle machen Fehler und ich denke, dass Du mit der Situation dann ziemlich überfordert warst. Die Pumpe streikt, man ist alleine(?). Ich hätte da gleichfalls Angst, ev auch beginnende Panik und da fällt jede Entscheidung schwer genug. Im Nachhinein und für Außenstehende schwer verständlich...

Mir ist es halt sehr wichtig, andere darauf hinzuweisen, wo für die Meisten eher wenig bekannte Gefahren lauern könnten (und du hast etliche davon hautnah erlebt!!!) und es ist unabdingbar, davor nachdrücklich zu warnen. Das fehlt mir bei deinem Bericht leider, das WARNEN!

Gute Besserung!

VG, Nyn










scan hat gesagt: RE:
Gesendet am 19. Juli 2021 um 13:40
Servus,

ich glaube, die Warnung schreit Dir zwischen den Zeilen doch regelrecht entgegen. Ein erhobener Zeigefinger und die Aufzählung der Möglichkeiten, wie man es besser hätte machen können, scheinen mir eher unnötig. Hinterher ist man immer schlauer!

Im Gegenteil, ich finde es braucht eher Mut und Stärke, einen solchen Bericht hier einzustellen, der doch ziemlich deutlich das eigene Versagen auspricht.

Es ist leider bitter: Aus Fehlern lernt man deutlich - auch wenn ein anderes Kaliber als "Abkürzung ins Nirvana" war. Dieser Bericht zeigt ganz deutlich auf: Die Berge sind kein Spielplatz. Ich danke Anton für diese eindringliche Erinnerung daran.

alpstein hat gesagt:
Gesendet am 9. Juli 2021 um 08:08
Servus Anton,

das war eine "spannende" Lektüre nach dem Frühstück. Was einem auf so einer Tour doch nicht alles passieren kann.
Ich hoffe, Dir geht es mittlerweile wieder gut.

Beste Grüße
Hanspeter

rojosuiza hat gesagt:
Gesendet am 9. Juli 2021 um 10:09
Er schreibt, also lebt er noch...

Mein kräftigster Stromschlag: auf feuchter Wiese, barfuss, so einen Zaun am Isolator-Griff geöffnet... Da weiss man, was man hat. Wieder schliessen, wieder den Isolator-Griff ergreifen im nassen Gras? - Erst nach Anziehen von Socken und Bergschuhen, erst nach ungeheurer Selbstüberwindung... Bleibende Schäden keine. Das Steigvermögen hat seit damals allerdings wirklich erstaunlich abgenommen, wobei ich auf eine andere Ursache tippe...

F3ttmull hat gesagt:
Gesendet am 9. Juli 2021 um 10:15
Gute Besserung, hoffentlich gehen heuer noch ein paar Touren aus, sobald das Herz wieder mitmacht. Alles Gute!

Anton hat gesagt:
Gesendet am 9. Juli 2021 um 18:25
Servus hikr,
ich danke allen die so spontan mir eine gute Besserung gewünscht haben. Meine Pumpe hat laut EKG keinen bleibenden
Schaden erhalten. Im August-September sollte es wieder " aufwärts " gehen. Inzwischen will ich einige Bergberichte verfassen, vom Wetterstein, dem Buchstein u.s.w. aus meinem Archiv Bildervorrat.

Berg Heil

Anton


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