Balmhorn 3697m und Rinderhorn 3449m


Publiziert von Bergamotte , 17. April 2021 um 17:09.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Frutigland
Tour Datum:16 April 2021
Ski Schwierigkeit: S-
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE   CH-VS 
Zeitbedarf: 8:45
Aufstieg: 3400 m
Abstieg: 3500 m
Strecke:37km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Sunnbüel
Unterkunftmöglichkeiten:Hotel Schwarenbach
Kartennummer:263S

Die Idee, Balmhorn und Rinderhorn an einem Tag zu begehen, plagt mich schon die ganze Saison. Gereizt hat mich vor allem die konditionelle Herausforderung: Schaffe ich die 3400Hm und 37km Strecke? Davon abgesehen sind das natürlich zwei tolle (Ski-)Gipfel in alpiner Umgebung, die je nach Verhältnissen recht anspruchsvoll werden können. Heute hat es gepasst. Tatsächlich lag haufenweise Pulverschnee, für Mitte April doch aussergewöhnlich.

Die letzte Seilbahn bringt mich am Donnerstagabend als einzigen Passagier hoch zur Bergstation Sunnbüel (1932m). Oben herrscht Schneetreiben, entsprechend schlecht die Sicht. Sorgen mache ich mir keine, die Wetterprognose zeigt sich weiterhin positiv. Nach vierzig Minuten und ziemlich Distanz über die Spittelmatte erreiche ich das Hotel Schwarenbach (2060m) pünktlich aufs Nachtessen. Schön, dass der Gastgeber alle Zimmer vermieten konnte (die Lager sind bis auf weiteres geschlossen).

Um 5:45 am nächsten Morgen breche ich auf zu meiner Zwei-Gipfel-Combo. Kurze Abfahrt zur Spittelmatte runter, wo bereits der erste Dämpfer wartet: Die wenigen Zentimeter Neuschnee, aber vor allem der kräftige Wind haben die alten Aufstiegsspuren verschwinden lassen. Das kommt mir ungelegen angesichts des Mammutprogramms, aber es ist nicht zu ändern. In der Morgendämmerung spure ich das Tal zum Schwarzgletscher hoch und komme beinahe in einen meditativen Zustand. Im Steilhang zum Zackengrat hoch ist damit fertig: Die Spurarbeit durch den Tiefschnee verlangt bereits meinen vollen Einsatz. 

Ganz anders präsentieren sich die Verhältnisse oben am Grat: hart und verblasen. Mit Harscheisen und sicherer Aufstiegstechnik kommt man einigermassen effizient vorwärts. Aber Anfänger gehen besser zu Fuss, wie das am Vortag offenbar auch gemacht wurde. Die Traverse über den verwächteten Grat, im Rücken das Rinderhorn, zählt zu den Höhepunkten der Tour. Bei der Schlüsselstelle ganz am Ende muss kurz nach links in die Flanke ausgewichen werden. Dank entsprechender Vorsicht und guter Schneeauflage muss ich hierfür nicht mal die Ski abziehen. 

Die Flanke hoch zum Vorgipfel ist notorisch abgeblasen und manchmal gar blank. Dann geht's nur zu Fuss weiter. Heute kann alles mit Ski und Harscheisen gemacht werden, die Unterlage ist verhältnismässig griffig. Die kurze Passage zum Balmhorn (3697m) Hauptgipfel absolviere ich zu Fuss, einfach weil's schneller geht. Die Stoppuhr zeigt genau 4:00. Zeitlich bin ich gut unterwegs, doch der Aufstieg hat bereits viel Substanz gekostet.

Ich trödle nicht rum und mache mich zügig an die Abfahrt vom Vorgipfel. Die Gipfelflanke ist windgeprägt und irgendwie pappig, naja. Etwa bei 3450m steche ich in die Westflanke rein. Das ist vorübergehend schon sehr steil (>40°), die Verhältnisse müssen passen. Vom Gletscher ist an dieser Stelle nicht viel übrig geblieben, stattdessen schauen Steine raus. Und auch der fast durchgehende Felsgürtel auf circa 3300m demonstriert den Gletscherschwund. Immerhin eine Lücke ist als Durchschlupf verblieben. Anschliessend flacht das Gelände rasch ab und die Unterlage geht in haufenweise Pulver über. Stellenweise liegt er kniehoch, beinahe zu viel für das sanfte Gefälle.

Talauswärts geht es weiter Richtung Spittelmatte, Pulver weiterhin gut. Endlich, kurz vor 10:30, kreuze ich eine Handvoll Tourengänger im Aufstieg. Immerhin nicht umsonst gespurt. Statt ganz in die Ebene abzufahren, setze ich auf circa 2200m zur Querung Richtung Schwarenbach an (s. Tourenkarte). Das ist äusserst effizient, es verbleibt bloss etwas Stöckelei auf dem planierten Winterwanderweg zum Schwarenbach (2060m). Diese Variante kann durchaus auch im Aufstieg begangen werden, gereizt hat es mich am Morgen jedoch nicht.

Kurzer Boxenstopp im Hotel: durchatmen, auffüllen des Bidons und etwas Ballast abwerfen. Dann geht's weiter, es ist mittlerweile elf Uhr. Das Rinderhorn ist um diese Uhrzeit natürlich bestens angespurt, etwas flach für meinen Geschmack zwar, aber das ist klagen auf hohem Niveau. Das gemeine an diesem Zweitaufstieg: Man hat das Ziel die ganze Zeit vor Augen und die Route verläuft unspektakulär. Das sind schlechte Ingredienzen bei schweren Beinen. Aber genau wegen dieser mentalen und körperlichen Herausforderung bin ich ja hier. Ich denke in Etappen und an ein kürzlich gelesenes Buch von Kilian Jornet, da wirken meine Strapazen im Vergleich geradezu lächerlich.

Ich kreuze mehrere (jauchzende) Gruppen in der Abfahrt. Auch das motiviert. Zur letzten verbliebenen Gruppe schliesse ich zuletzt noch auf, sie schenken sich den Gipfel, weil Wolken aufgekommen sind. Doch die Sicht bleibt mehr als ausreichend. Etwa 150Hm unterhalb vom Gipfel packe ich die Ski wie die Vorgänger an den Rucksack und steige zu Fuss weiter. Der Untergrund ist rutschig-hart mit etwas Neuschneeauflage. Nach wenigen Minuten montiere ich die Steigeisen, wäre mir sonst zu heikel geworden. Man hätte sich wohl auch mit Harscheisen hochbescheissen können, aber hierfür hatte ich echt keine Nerven mehr und es hätte unnötig Kraft gekostet. Nach 7:45 erreiche ich schliesslich das wolkenverhangene Gipfelkreuz auf dem Rinderhorn (3449m). Erlösung und Zufriedenheit macht sich breit.

Die Abfahrt fällt genüsslich aus. Die ersten 200Hm zwar mühsam, aber dann Übergang zu Pulverschnee bis ganz unten. Und das Mitte April. Die Fahrweise bleibt dennoch zurückhaltend, denn mit müden Beinen ist ein Kreuzbandriss o.ä. ratzfatz passiert. Der Rest ist schnell erzählt: Bierchen und Kuchen im Schwarenbach (Take-Away), Übernachtungsgepäck fassen und weiter über den Winterwanderweg talwärts. Unterwegs ein beiläufiger Blick zur Uhr, 14:45 - hatte ich völlig ausgeblendet. Gopfertelli, die Bahn fährt um 15:10. Die nächste und letzte erst wieder um 17:10. Und auf die Skiabfahrt nach Kandersteg verspüre ich wenig Lust, weil unten aper. Also in unsäglicher Hetzerei über die Spittelmatte und hoch zur Talstation Sunnbüel (1932m), wo mich der Bähnler beim Schliessen der Gondel buchstäblich in letzter Sekunde die Treppe raufsprinten sieht. Danke fürs Mitnehmen, ebenso an den Altels-Gänger für den Taxidienst zum Bahnhof. Ende gut, alles gut.


Zeiten (kum)
2:35  Zackengrat
4:00  Balmhorn
5:00  Schwarenbach
7:45  Rinderhorn
8:45  Sunnbüel

Tourengänger: Bergamotte
Communities: Skitouren, Monstertouren


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Kommentare (5)


Kommentar hinzufügen

Bombo hat gesagt:
Gesendet am 17. April 2021 um 21:40
Gratuliere Dir zu diesem Monsterprogramm und natürlich auch zu dem garantiert unvergesslichen und tollen Skierlebnis - bravo und Chapeau!

Heb's guet und weiterhin tolle Touren!


P.S. War heute ganz in der Nähe vom Vorder Schloss UR unterwegs und habe gerne an unsere Tour von damals zurückgedacht. Auch jetzt herrschen wieder perfekte Verhältnsse dort oben :-)

Bergamotte hat gesagt: RE:
Gesendet am 19. April 2021 um 10:51
Oh ja, die Gegend um die Sunnigen Stöck geben sommers wie winters ganz rassige Touren ab. Hab bei meiner kürzlichen Krönten Tour auch gerne an unsere Unternehmung zurück gedacht. Den Schlossberg möchte ich unbedingt mal noch im Frühsommer besuchen.

Felix hat gesagt:
Gesendet am 18. April 2021 um 07:36
ich staune - und gratuliere zu deiner "Wahnsinnstour"!

alpstein hat gesagt: Gratulation!
Gesendet am 18. April 2021 um 16:37
Das ist ja schon eine krasse Leistung.

Ich muss es künftig auch mal mehr im "mediativen" Zustand versuchen, wenn es dann so leicht geht ;-)

Bergamotte hat gesagt: RE:Gratulation!
Gesendet am 18. April 2021 um 17:36
Hehe, danke. Aber die Methode funktioniert leider anders rum: erst durch das regelmässige, lange Laufen gelangt man in den meditativen Zustand ;-)


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