Gefährlicher Normalweg auf's Fletschhorn 3986m von Hohsaas


Publiziert von alpensucht , 14. Dezember 2020 um 16:06.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum: 8 Juli 2020
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 9:15
Aufstieg: 1100 m
Abstieg: 1800 m
Strecke:Hohsaas-P.3123-Biwakplatz Lagginhorn-Tälligletscher-Frühstücksplatz-Gipfel-Kreuzboden ca. 13km

Hochsaison, gute Verhältnisse in einem der besten Gebiete alpenweit - und den ganzen Tag allein? Das geht am Fletschhorn. Bei dem objektiv relativ gefährlichen Normalweg wundert uns das wenig. Gleichzeitig tröstet der obere Anstieg über den unangenehmen unteren Teil hinweg.

Zwei Tage zuvor waren wir an der Lagginhorn Westrippe und dem Südgrat. Da sich diese Tour doch etwas anspruchsvoller zeigte, als wir es erwarteten, gönnten wir uns am Vortag eine Pause und müssen daher heute noch ins Tal. Auf der anderen Talseite warten schließlich auch noch attraktive Ziele, von denen wir eines vor dem Unwetter am Wochenende erreichen wollen. Also vereinbaren wir mit der Hohsaasbahn, dass sie unser überschüssiges Gepäck tagsüber auf den Kreuzboden runter gondeln und wir es dort abholen.
Doch nun zur schönen Tour des Tages!


Fletschhorn Normalanstieg von SW von Hohsaas 
T5, I, WS+, ca. 40°, 1000Hm auf,  5h 15min

Um 4:45 Uhr stehen wir vor dem Bergrestaurant mit Übernachtungsmöglichkeit. Es ist noch vollkommen dunkel und dennoch steigen wir wieder über P.3123m hinüber (T5, I), hinab zur östlichen Moräne des Tälligletschers. Endlich sehen wir ein, dass der Zugang zur Westrippe nur Sinn ergibt, wenn man von Hohsaas auf den Lagginhorn Normalweg oder die Westrippe selber gelangen möchte.
Zumindest sind wir so gut auf Betriebstemperatur gekommen.

Die Moräne verlassen wir gegen 6:15 Uhr. Sie wird aktuell bis knapp 3000m hinauf gestiegen und dann nach links (tagsüber aufgeweicht und heikel) auf den Tälligletscher verlassen. Dort halten wir uns links in nördlicher Richtung in ausreichendem Abstand zum Einstieg in den SW-Grat  (Eisschlaggefahr von rechts vom Fletschhorngletscher und Steinschlag aus der Gratflanke davor und darüber) und dem Jegigrat links (wirkt stark zerborsten und fragil -Steinschlag!).
Wir finden einen passablen Übergang von Eis in Block und Schutt. Dann treffen wir auf Steinmännchen. Wahrscheinlich wäre es weiter unten weiter links schon besser gegangen. Einige mühsame Meter geht's hinauf bis zum nächsten längeren Firnfeld, wo wir die Steigeisen anlegen. Über das Eis geht es wesentlich angenehmer dahin. Das Gelände steilt bald auf. Wir passieren den kleinen Firnrinnendurchschlupf (Achtung Steinschlaggefahr von links!), der von weitem steiler aussieht als er tatsächlich ist (ca.30-35°).

Oberhalb davon steilt sich der Firn nach einem kurzen flachen Stück nochmal bis 40° oder etwas darüber auf. Am liebsten wäre ich hier flott frontal rauf gestiegen, doch mit dieser Technik sind wir nicht alle im ähnlichen Komforttempo unterwegs. Also "Spitzkehren". Später im Jahr, wenn der Firn verschwunden sein wird, mag sich hier sicherlich keiner mehr hinauf quälen.

Den ominösen "Frühstücksplatz" erreichen wir gegen 8:30 Uhr und befindet sich eher auf 3600m in einem Firnsattel zwischen P.3628m im Westen (nordöstlicher Eckpunkt vom Jegigrat) und P.3914m im Osten (Graterhebung im Fletschhorn SW-Grat). Bei dem heftig zerissenen Grüebugletscher vor uns, fragt man sich schnell, ob es nicht weniger gefährliche Alternativen zum Gipfel gibt. Der steinschlägige Anstieg zum SW-Grat wirkt auch nicht so verlockend, könnte jedoch im Nachhinein wirklich die beste Route sein, besonders wenn man später dran ist als wir. 

Nach 20min Pause seilen wir an und folgen meist der Spur, wobei der erfahrene Helmut zunächst führt. Die Verhältnisse sind hier oben als noch ganz ordentlich einzuschätzen, der Firn ist noch gut gefroren und recht stark.
An einer Stelle wurden beim Spur legen Kreuzspalten außer Acht gelassen, die wir nur z.T. umgehen können. Über einige sehr gefährliche Spalten leitet die Spur uns zum Sattel im Nordwestgrat. 9:20 Uhr. Nun ist klar, dass wir kaum Zeit am Gipfel haben werden und auch nicht erst noch den höheren Felspunkt 3986m südlich vom Gipfelkreuz ersteigen werden. Dennoch zeigt sich der Gipfelgrat in seiner ganzen Pracht. Eine kurze Stelle Fels und wenige Meter Blankeis (35-40°) ansonsten Firn und Wechten und großartige Blicke. Um 10 Uhr erreichen wir dann das Gipfelkreuz

Logische Entscheidungsfindung gegen Maximalziel
Es ist genau die Uhrzeit, die wir uns als späteste Grenze gesetzt haben, um noch den Übergang zum Lagginhorn anzugehen. Angesichts der objektiven Gefahren am hiesigen Abstieg wäre das auch wirklich eine vernünftige Idee. Wir entscheiden uns dennoch dagegen, denn
1. Gerade so erreichen wir die absolute Grenze der Zeit.
2. Keiner von uns kennt die Route genau.
3. Keiner von uns kennt die tatsächlichen Schwierigkeiten am Grat genau.
4. Zwei Tage zuvor haben wir in gleicher Konstellation im kombinierten Gratgelände eher die doppelte Zeit benötigt.
5. Wir wollen gern am Kreuzboden die Gondel ins Tal erwischen.


Abstieg Normalweg bis Kreuzboden  WS+, I-II, T2, 1500Hm ab,  3h 45min
So gern ich noch eine Stunde am Gipfel gehockt und geschaut hätte, die Tageserwärmung, der Steinschlag, die dynamischen Gletscherspalten und der aufweichende Firn darüber warten nicht bis es uns genehm ist, den gefährlichen Ort zu verlassen.
Also steigen wir schon 10:15 Uhr wieder ab, wobei nun ich vorn am Seil gehe. Wir gelangen gut über die gefährliche Spaltenzone und nehmen den Abstieg vom Frühstücksplatz ohne Seil in Angriff, da dort kein Gletscher, nur noch Firn vorhanden ist. Langsam beginnt der Firn auch aufzuweichen und erleichtert den Abstieg ungemein. Dennoch darf hier keiner stolpern, sonst nimmt man Fahrt auf und rutscht wahrscheinlich über die unteren Felsstufen hinaus... Das kann sich jeder ausmalen, der hier meint hinab rennen zu müssen. Zugegeben - in anderer Konstellation hätte ich das trotzdem getan. So gelangt man schließlich auch schneller aus der Schussbahn vom Jegigrat.

Unten hat nun keiner von uns Lust auf Schutt- und Moränenmatsch. Deshalb begeben wir uns nochmal kurz in objektiv gefährlicheres Gebiet nahe unter dem SW-Grat Einstieg (I-II), und gleiten die Firnflanke elegant hinab auf den flachen Tälligletscher.
An der linken Moräne treffen wir die ersten Menschen heute und steigen bis 12:45 Uhr hinab zur obligatorischen Abkühlung auf der sonnigen Terrasse der Weissmieshütte, trinken einen Eistee und steigen eine Stunde später hinab zum Kreuzboden, wo wir glücklich und zufrieden unsere Sachen finden und im Schatten auf die nächste Bahn warten.

Es ist nun um 14 Uhr brütend heiß geworden. Man gewöhnt sich doch recht gut an die angenehmeren Temperaturen auf über 3000m im Hochsommer. 

Auch ohne Überschreitung zum Lagginhorn sind wir nun auf 9h Gesamtzeit gekommen. Wir haben die richtige Entscheidung getroffen. Schließlich muss es ja Gründe geben, hier wieder herzukommen. Und die gibt es: Alpine Klettereien in der Jegihorn Südwand, Weissmies Norgrat und Weissmies NW-SO Überschreitung, Jegigrat etc. 
So gondeln wir gemütlich hinab in die Talhitze von Saas Grund. Das nächste Ziel steht bereits: Allalin Hohlaubgrat.

Tourengänger: alpensucht


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Kommentare (2)


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Gelöschter Kommentar

alpensucht hat gesagt: RE:
Gesendet am 15. Dezember 2020 um 18:06
Na dann nichts wie hin nächsten Sommer! Dann kannst du ja gern jeden Meter der Tour fotografieren. Ich habe auch mehr Bilder von der Tour, aber die sind nicht für Verhältnisse und Routenführung interessant.


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