Gipfel, Grate und Biwak im Schindlachtal
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Im Rahmen der Rundwanderung vom Arnisee zum Wichelpass wird das Schindlachtal regelmässig besucht. Die Gipfel und Grate beidseits des Tals werden mit Ausnahme vom Wichelhorn hingegen kaum begangen. Beschreibungen auf Bergportalen finden sich keine, Gipfelbücher fehlen und Toni Fullins Clubführer äusserst sich wie gehabt nur dürftig. Höchste Zeit also für eine Entdeckungsreise im Gebiet mit dem Spezialisten Tobi! Da wir auf der Alp Wichel biwakieren, stehen uns hierfür fast zwei ganze Tage zur Verfügung; auch einen dritten hätten wir noch füllen können.
Kurz vor halb zehn geht's los bei der Bergstation vor dem Arnisee (1368m). Der Aufstieg zu unserem Biwakplatz auf der Alp Wichel (1926m) vermag landschaftlich zu gefallen und grosse Heidelbeerfelder säumen den Weg. Doch das Gepäck und die Gluthitze in dieser Südflanke lassen den Schweiss nach kürzester Zeit in Strömen fliessen. Auf der Alp entledigen wir uns allem unnötigem Material, befüllen die Wasserflaschen und attackieren den Südgrat des Mittelstocks frontal. Auf gut Glück sozusagen, denn das begrenzende Felsband ist beinahe senkrecht. Zuerst eine steile Gras-Fels-Flanke hoch (T6), dann Abbruch vor überhängendem Fels und zweiter Versuch etwas links davon eine enge Felsrinne hoch. Mitten in einer feuchten IIIer Stelle wird mir die Sache zu heikel und wir steigen zurück zum Wandfuss. Tragisch ist das nicht, denn der Südgrat lässt sich auch von Westen oder Osten gewinnen. Wir wählen die (nähere) Westseite und steigen ca. 150Hm eine steile, schlecht gestufte Grasrinne hoch (T5+). Oben geht's in schöner Kraxelei weiter über den gutmütigen Südgrat, der eher ein Rücken ist. Am besten folgt man den vorhandenen Wildspuren. Einige Felszacken können ostseitig umgangen werden. Zwingend zu umgehen ist der Gipfelturm. Der Führer empfiehlt die Westseite, was vor Ort unsinnig erscheint - ein typischer Fullin-Lapsus... Wir queren stattdessen über eine schwache Wildspur etwas ausgesetzt nach Osten, um dann in direkter Falllinie über eine grasige Steilrinne den Ostgrat vom Mittelstock (2584m) zu gewinnen. Drei Minuten und leichte Kletterei später dürfen wir unseren ersten Gipfelerfolg feiern.
Nun folgt der Übergang alles dem Grat entlang bis zum Wichelhorn, auf den ich mich lange gefreut habe. Der Abstieg nach Westen in den Sattel P. 2406 sowie vorerst auch der Weiterweg über den Ostgrat ist Kraxel- bzw. gehobenes Gehgelände. Ohnehin lässt sich der Mittelstock von Norden, aus dem Leitschach, problemlos erreichen. Das Herzstück und damit richtige Kletterei beginnt bei der im Führer erwähnten brüchigen, rötlichen Wandstufe. Wir überwinden sie ziemlich direkt (ein knapper IIIer), eine Umgehung rechts (nördlich) scheint möglich. Anschliessend verjüngt sich der zuvor gutmütige Gratrücken zum schmalen Grätlein. Wunderschöne, luftige Kletterei im Plaisirbereich (max. gehobene II) führt uns direkt bis zum Wichelhorn (2767m), das übrigens von einer weiteren Gruppe eine gute Stunde zuvor über die gleiche Route erreicht wurde. Ich kann den Gipfel übrigens auch wärmstens als Skirundtour empfehlen. Oben gönnen wir uns endlich die wohlverdiente Mittagsrast.
Für den Rückweg zur Alp Wichel gibt es mehrere Optionen. Wir einigen uns auf einen Versuch am Brämplisplanggenstock, direkt über unserem Biwakplatz gelegen. An dessen Südpfeiler findet sich eine alte Kletterroute, der Abstieg erfolgt dabei über den NW-Grat. Und genau dortrüber wollen wir es probieren. Abstieg über die Normalroute zum Wichelpass (2558m) und weiter über den Wanderweg bis P. 2330, wo wir mit der Querung nach Westen beginnen. Eine grasige Steilrinne (T6) führt uns in die Scharte links (nordwestlich) vom markanten Felsturm hoch, wir nennen ihn "Finger" (Topo). Vermutlich wäre auch ein Aufstieg in die Scharte direkt zu Beginn des NW-Grates möglich, aber unsere Variante ist definitiv schöner, wie sich zeigen sollte. Das Gelände auf der Nordseite des Grates bricht jäh ab. Wie überwinden wir nun den Finger? Das ist überraschend einfach möglich. Zuerst Aufstieg über den Grat, dann nordseitige Umgehung über ein angenehmes Band und runter in die nächste Scharte durch eine Rinne direkt zum Einstieg in den NW-Grat. Und dieser Grat (bzw. diese Flanke) entpuppt sich als richtiger Leckerbissen: logische und originelle Routenführung. Im oberen Bereich ist etwas luftige Kletterei (II) vonnöten, dann stehen wir auf dem Brämplisplanggenstock (2464m).
Abstieg zunächst über die gleiche Route, um bei erster Gelegenheit über Schrofen nach Norden ins Tälchen abzusteigen (T5+), das uns direkt zu unserem Biwakplatz führt. Wir machen es uns auf dem Sitzplatz der kleinen Alphütte bequem, der Bach gleich nebenan, und geniessen einen friedlichen Abend mit Chili con Carne und Beef Stroganoff.
Der zweite Tag ist dem langen und wilden Grat auf der Westseite des Schindlachtals gewidmet. Wir wollen schauen, wie weit wir kommen. Der Älpler auf der Schindlachtalhütte (1984m) erwartet uns bereits. Er hatte uns tags zuvor beobachtet und zeigt Interesse an unseren Plänen. Er wird uns den ganzen Tag mit seinem Fernrohr und der Kamera begleiten. Über den wbw-Wanderweg queren wir ins Siechrut (2085m), um dort den Gratrücken zu gewinnen. Wir folgen ihm aussichtsreich und ziemlich direkt bis zum Erzstock (2415m). Kurze T5-Stellen könnten südseitig umgangen werden. Ohne Pause geht's weiter Richtung Schrotenstock und Sass Stock, das Herzstück des heutigen Tages. Die Routenführung ist wie tags zuvor äusserst lohnend. Immer wenn wir glauben, an ein Pièce de Résistance zu laufen, ergibt sich vor Ort ein origineller und logischer Weiterweg. Gehgelände und luftige Gratkletterei wechseln ständig ab, genau wie die Felsqualität (meist aber gut). Bei Bedarf könnte vielerorts an Gratzacken gesichert werden, worauf wir angesichts der moderaten Schwierigkeiten guten Gewissens verzichten. Kurzum, den Südaufstieg zum Schrotenstock (2707m) erachte ich als richtigen Geheimtipp.
Der Übergang zum benachbarten Sass Stock (2772m), gerademal 350m Luftlinie entfernt, bleibt spannend. Am markanten Schlussaufschwung muss kurz kräftig zugelangt werden (III-), davor und danach sind die Schwierigkeiten eher luftiger Natur. Der Weiterweg nach Norden über die drei Gipfel vom Grüenplänggistock bis zum Sasspass sieht schrecklich wild aus. Aber weil sich heute immer noch eine schöne Lösung ergeben hat, wollen wir es probieren. Der Abstieg in den nächsten Sattel geht noch ganz leidlich. Einige Felszacken müssen über die steile Westflanke umgangen werden. Auch der Wiederaufstieg zu P. 2757 - dem Grüenplänggistock Südgipfel - folgt dem bekannten Muster: abweisend und steil aus der Entfernung, überraschend einfach und originell vor Ort. Erst im nachfolgenden Abstieg verlässt uns das Glück: die letzten 30Hm vor der Scharte brechen jäh ab ohne Umgehungsmöglichkeit. Das wäre eine T6+ der übelsten Sorte. Wir könnten natürlich zurücksteigen und den Südgipfel ostseitig über Schutthalden umgehen. Schlussendlich seilen wir lieber an einem Felszacken ab, was ganz angenehm geht. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit, meinem zuvor geprellten Knie und den erwarteten Schwierigkeiten im Weiterweg entscheiden wir uns danach aber für die Rückkehr ins Schindlachtal. Das geht problemlos, auch wenn mein Knie am rauen Gelände keine Freude hat. Generell finden sich in der ganzen Kette immer wieder Ausstiegsmöglichkeiten in beide Richtungen.
Zurück bei der Schindlachtalhütte (1984m) gibt's eine Rivella und nochmals nen Schwatz mit dem Älpler, der uns stolz Fotos unserer Gratklettereien präsentiert. Der weitere Abstieg zum Arnisee verläuft wiederum schwitzig-heiss, ansonsten aber unspektakulär. Besten Dank, Tobi, für die wie immer sympathische Begleitung auf diesem wilden, einsamen Gratritt und die grosszügige Versorgung mit Material aller Art ;-)
Kurz vor halb zehn geht's los bei der Bergstation vor dem Arnisee (1368m). Der Aufstieg zu unserem Biwakplatz auf der Alp Wichel (1926m) vermag landschaftlich zu gefallen und grosse Heidelbeerfelder säumen den Weg. Doch das Gepäck und die Gluthitze in dieser Südflanke lassen den Schweiss nach kürzester Zeit in Strömen fliessen. Auf der Alp entledigen wir uns allem unnötigem Material, befüllen die Wasserflaschen und attackieren den Südgrat des Mittelstocks frontal. Auf gut Glück sozusagen, denn das begrenzende Felsband ist beinahe senkrecht. Zuerst eine steile Gras-Fels-Flanke hoch (T6), dann Abbruch vor überhängendem Fels und zweiter Versuch etwas links davon eine enge Felsrinne hoch. Mitten in einer feuchten IIIer Stelle wird mir die Sache zu heikel und wir steigen zurück zum Wandfuss. Tragisch ist das nicht, denn der Südgrat lässt sich auch von Westen oder Osten gewinnen. Wir wählen die (nähere) Westseite und steigen ca. 150Hm eine steile, schlecht gestufte Grasrinne hoch (T5+). Oben geht's in schöner Kraxelei weiter über den gutmütigen Südgrat, der eher ein Rücken ist. Am besten folgt man den vorhandenen Wildspuren. Einige Felszacken können ostseitig umgangen werden. Zwingend zu umgehen ist der Gipfelturm. Der Führer empfiehlt die Westseite, was vor Ort unsinnig erscheint - ein typischer Fullin-Lapsus... Wir queren stattdessen über eine schwache Wildspur etwas ausgesetzt nach Osten, um dann in direkter Falllinie über eine grasige Steilrinne den Ostgrat vom Mittelstock (2584m) zu gewinnen. Drei Minuten und leichte Kletterei später dürfen wir unseren ersten Gipfelerfolg feiern.
Nun folgt der Übergang alles dem Grat entlang bis zum Wichelhorn, auf den ich mich lange gefreut habe. Der Abstieg nach Westen in den Sattel P. 2406 sowie vorerst auch der Weiterweg über den Ostgrat ist Kraxel- bzw. gehobenes Gehgelände. Ohnehin lässt sich der Mittelstock von Norden, aus dem Leitschach, problemlos erreichen. Das Herzstück und damit richtige Kletterei beginnt bei der im Führer erwähnten brüchigen, rötlichen Wandstufe. Wir überwinden sie ziemlich direkt (ein knapper IIIer), eine Umgehung rechts (nördlich) scheint möglich. Anschliessend verjüngt sich der zuvor gutmütige Gratrücken zum schmalen Grätlein. Wunderschöne, luftige Kletterei im Plaisirbereich (max. gehobene II) führt uns direkt bis zum Wichelhorn (2767m), das übrigens von einer weiteren Gruppe eine gute Stunde zuvor über die gleiche Route erreicht wurde. Ich kann den Gipfel übrigens auch wärmstens als Skirundtour empfehlen. Oben gönnen wir uns endlich die wohlverdiente Mittagsrast.
Für den Rückweg zur Alp Wichel gibt es mehrere Optionen. Wir einigen uns auf einen Versuch am Brämplisplanggenstock, direkt über unserem Biwakplatz gelegen. An dessen Südpfeiler findet sich eine alte Kletterroute, der Abstieg erfolgt dabei über den NW-Grat. Und genau dortrüber wollen wir es probieren. Abstieg über die Normalroute zum Wichelpass (2558m) und weiter über den Wanderweg bis P. 2330, wo wir mit der Querung nach Westen beginnen. Eine grasige Steilrinne (T6) führt uns in die Scharte links (nordwestlich) vom markanten Felsturm hoch, wir nennen ihn "Finger" (Topo). Vermutlich wäre auch ein Aufstieg in die Scharte direkt zu Beginn des NW-Grates möglich, aber unsere Variante ist definitiv schöner, wie sich zeigen sollte. Das Gelände auf der Nordseite des Grates bricht jäh ab. Wie überwinden wir nun den Finger? Das ist überraschend einfach möglich. Zuerst Aufstieg über den Grat, dann nordseitige Umgehung über ein angenehmes Band und runter in die nächste Scharte durch eine Rinne direkt zum Einstieg in den NW-Grat. Und dieser Grat (bzw. diese Flanke) entpuppt sich als richtiger Leckerbissen: logische und originelle Routenführung. Im oberen Bereich ist etwas luftige Kletterei (II) vonnöten, dann stehen wir auf dem Brämplisplanggenstock (2464m).
Abstieg zunächst über die gleiche Route, um bei erster Gelegenheit über Schrofen nach Norden ins Tälchen abzusteigen (T5+), das uns direkt zu unserem Biwakplatz führt. Wir machen es uns auf dem Sitzplatz der kleinen Alphütte bequem, der Bach gleich nebenan, und geniessen einen friedlichen Abend mit Chili con Carne und Beef Stroganoff.
Der zweite Tag ist dem langen und wilden Grat auf der Westseite des Schindlachtals gewidmet. Wir wollen schauen, wie weit wir kommen. Der Älpler auf der Schindlachtalhütte (1984m) erwartet uns bereits. Er hatte uns tags zuvor beobachtet und zeigt Interesse an unseren Plänen. Er wird uns den ganzen Tag mit seinem Fernrohr und der Kamera begleiten. Über den wbw-Wanderweg queren wir ins Siechrut (2085m), um dort den Gratrücken zu gewinnen. Wir folgen ihm aussichtsreich und ziemlich direkt bis zum Erzstock (2415m). Kurze T5-Stellen könnten südseitig umgangen werden. Ohne Pause geht's weiter Richtung Schrotenstock und Sass Stock, das Herzstück des heutigen Tages. Die Routenführung ist wie tags zuvor äusserst lohnend. Immer wenn wir glauben, an ein Pièce de Résistance zu laufen, ergibt sich vor Ort ein origineller und logischer Weiterweg. Gehgelände und luftige Gratkletterei wechseln ständig ab, genau wie die Felsqualität (meist aber gut). Bei Bedarf könnte vielerorts an Gratzacken gesichert werden, worauf wir angesichts der moderaten Schwierigkeiten guten Gewissens verzichten. Kurzum, den Südaufstieg zum Schrotenstock (2707m) erachte ich als richtigen Geheimtipp.
Der Übergang zum benachbarten Sass Stock (2772m), gerademal 350m Luftlinie entfernt, bleibt spannend. Am markanten Schlussaufschwung muss kurz kräftig zugelangt werden (III-), davor und danach sind die Schwierigkeiten eher luftiger Natur. Der Weiterweg nach Norden über die drei Gipfel vom Grüenplänggistock bis zum Sasspass sieht schrecklich wild aus. Aber weil sich heute immer noch eine schöne Lösung ergeben hat, wollen wir es probieren. Der Abstieg in den nächsten Sattel geht noch ganz leidlich. Einige Felszacken müssen über die steile Westflanke umgangen werden. Auch der Wiederaufstieg zu P. 2757 - dem Grüenplänggistock Südgipfel - folgt dem bekannten Muster: abweisend und steil aus der Entfernung, überraschend einfach und originell vor Ort. Erst im nachfolgenden Abstieg verlässt uns das Glück: die letzten 30Hm vor der Scharte brechen jäh ab ohne Umgehungsmöglichkeit. Das wäre eine T6+ der übelsten Sorte. Wir könnten natürlich zurücksteigen und den Südgipfel ostseitig über Schutthalden umgehen. Schlussendlich seilen wir lieber an einem Felszacken ab, was ganz angenehm geht. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit, meinem zuvor geprellten Knie und den erwarteten Schwierigkeiten im Weiterweg entscheiden wir uns danach aber für die Rückkehr ins Schindlachtal. Das geht problemlos, auch wenn mein Knie am rauen Gelände keine Freude hat. Generell finden sich in der ganzen Kette immer wieder Ausstiegsmöglichkeiten in beide Richtungen.
Zurück bei der Schindlachtalhütte (1984m) gibt's eine Rivella und nochmals nen Schwatz mit dem Älpler, der uns stolz Fotos unserer Gratklettereien präsentiert. Der weitere Abstieg zum Arnisee verläuft wiederum schwitzig-heiss, ansonsten aber unspektakulär. Besten Dank, Tobi, für die wie immer sympathische Begleitung auf diesem wilden, einsamen Gratritt und die grosszügige Versorgung mit Material aller Art ;-)
Hike partners:
Tobi,
Bergamotte
Communities: T6, Biwak- und Zelttouren
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