Vor gut einem Jahr bin ich auf Hikr gestoßen, und zwar weil ich nach Wander-Ideen für den Schwarzwald mal jenseits der allgängigen Vorschläge des Tourismus-Marketings suchte. Ich war darauf schier baff, wieviel Touren hier sogar für die deutschen Mittelgebirge eingetragen sind. Nun gut, der Belchen (1414 m) wird gern als "schönster Berg des Schwarzwalds" gehandelt, er ist daher alles andere als ein Geheimtipp und wird auf Hikr wie auch in jedem Reiseführer erwähnt. Droben waren wir bis dato aber noch nicht und so stellte sich die Frage, wie eine Tour auf ihn aussehen könnte.
Beim Stöbern auf Hikr stieß ich auf diese
Belchen-Rundwanderung, die
Nikbrueckner mit seiner
Waldelfe wohl ein Jahr zuvor dort machte, und also nahmen wir uns diese Runde für einen sonnigen Tag im Juni '19 vor. Inzwischen sind wir mit den beiden Vor-Wanderern herzlich befreundet – Zeit also, unseren Inspiranten mit diesem Tourenbericht für die Inspiration zu danken.
Neugierig machte uns, dass ein See, viele pfadige Abschnitte, felsige und aussichtsreiche Partien dabei waren. Leider haben wir Niks Hinweis, beim Nachgehen seiner Touren doch einen Ausdruck der Tourenbeschreibung mitzunehmen, direkt mal ignoriert und uns auf eine Smartphone-Onlinekarte verlassen. Das führte dann zu einer kleinen Auflockerung unseres Wandertages durch eine Geröll-Kraxelei. Mehr dazu unten. Speziell für diesen Moment unserer Wanderung hat Quincy Jones übrigens sein grooviges "Dead End" geschrieben, das wir an dieser Stelle als Soundtrack zu Bericht empfehlen.
Der Belchen ist der vierthöchste Berg im Schwarzwald und steht, ähnlich wie die von mir häufiger besuchte Hornisgrinde (1164 m, Nordschwarzwald), recht weit an die westlich liegende Oberrheinebene herangerückt. Dadurch haben diese Berge eine viel stärkere sichtbare Präsenz im Landschaftsbild als z.B. der noch höhere Feldberg (1493 m). Am Fuße des Belchen liegt das Münstertal und aus ihm ragt er mit seinen zerfurchten, ununterbrochenen Steilhängen etwa 1.000 m auf. Sein Nordhang ist damit der Bereich höchster Reliefenergie der deutschen Mittelgebirge. Das versprach so einige schöne Tief- und Fernblicke für uns. "Den Namen Belchen (keltisch: der Strahlende) tragen auch weitere Erhöhungen der benachbarten Mittelgebirge, darunter zwei besonders bei Schneebedeckung auffällige Berge in Sichtweite; sie bilden zusammen mit dem Schwarzwälder Belchen das sogenannte Belchendreieck: im Westen auf der französischen Seite der Oberrheinebene in den Vogesen der Elsässer Belchen oder Ballon d'Alsace; im Süden auf der Südseite des Hochrheins der Schweizer Belchen, die Belchenflue. In Sichtweite liegen außerdem im Elsass/Vogesen der Große und der Kleine Belchen, Grand bzw. Petit Ballon, die zusammen mit den oben genannten Belchen zum sogenannten Belchen-System gehören." (Quelle) Die Gipfelkuppe des Belchen ist baumfrei, wie so viele Bergrücken im Schwarzwald wurd er im Mittelalter gerodet und als Viehweide genutzt.
Start- und Zielpunkt für die Ameliebste und mich ist das Dörfchen Neuenweg südlich des Belchen. Erst einmal geht es aber in westliche Richtung zum Nonnenmattweiher. Anfangs über Wiesen, nachher forstig wandern wir abwechslungsreich durch die Sonne. Der Nonnenmattweiher ist einer der wenigen Karseen im Südschwarzwald. Kar-Gletscher konnten hier aufgrund des druchgehenden Granit-/Gneis-Unterbaus weniger häufig als im Nordschwarzwald entstehen (dort liegt über dem Granit-Grundgebirge ein Buntsandstein-Deckgebirge auf, das sich besser hat einschleifen lassen). Am Weiher angekommen dann darin eine kurze Abkühlung der warmgelaufenen Füße. Der Nonnenmattweiher steht größtenteils unter Naturschutz, schönerweise hat man aber einen Teil zum Schwimmen und Erholen abgegrenzt. Bei einem weiteren Besuch kurz danach hatte ich dann auch die Badehose dabei. Das Wasser ist wirklich noch gut kühl, keine Kunst auf 912 m Höhe. Wie bei einigen Karseen im Nordschwarzwald auch gibt es eine schwimmende Insel aus Torf auf dem See, bewachsen mit Gras und Gebüsch. Seinen etwas seltsam klingenden Namen hat das Gewässer von den altbadischen Bezeichnungen "Nonnen" für Kälber und "Matten" für Wiesen oder Weiden.
An der südöstlichen Ecke des Weihers zweigen wir beschildert zum Weiherfelsen ab. Der liegt laut Karte im oberen Rand der Karwand, die die ganze Szenerie dreiviertelrund schön einfasst. Weil 1. ich wohl einen Wegweiser übersah, 2. wie erwähnt auch Niks Tourenbericht net dabei hab und 3. einfach partout glaube, dass auch kleinste auf einer Smartphone-Topo-Karte eingezeichnete Nebenpfade bestimmt noch irgendwie existieren, landen wir in einer Sackgasse auf halber Höhe. Die Alternative Umdrehen und über andere Wege hoch kommt mir zu umwegig und langwierig vor. Also nochmal die GPS-Position aufm Smartphone gecheckt und lockerflockig die optimistische Ansage rausposaunt, dass wir eigentlich nur die vllt. 100 Meter Steilheit weglos und etwas rustikal hoch müssten, oben träfe man bestimmt wieder direkt auf den richtigen Weg. Die Ameliebste meldet vorsichtige Zweifel an, ich als Weglos-Liebhaber jedoch sehe "gar keeeeinerlei Probleme ... das geht ratzfatz und ist doch mal was anderes?!?"
Einen Hang von 40 bis 45 Grad durch Geröll hochzusteigen, das von trockenem Buchenlaub perfide überdeckt wird und dadurch das Hochstapfen für uns nicht nur rollend, sondern auch rutschig machte: das war dann aber doch keine "Mal-Eben-Aktion". Die Hände mussten ran und so zogen wir uns durchs Geröll nach oben, umgestürzte Baumriesen wurden überstiegen, und auch wenn ich wegloses Erkunden und Abkürzen sonst mag … das hier war einfach nur schlimm. Zeit gespart haben wir dadurch wohl nicht. Wieauchimmer: oben trafen wir immerhin tatsächlich auf den richtigen Weg, der hier als felsiger Pfad wunderbar oberhalb entlang der Karwand über den Weiherfelsen (1069 m) geführt wird und uns so etwas für die Antrengungen entschädigte. Wir fanden auch bald (etwas abseits) eine Stelle zum Veschpern zwischen den Heidelbeeren mit schönem Tiefblick runter auf den Weiher und dies liebliche Ambiente munterte die zwischenzeitlich etwas verstimmte Ameliebste zum Glück wieder auf. Weiter ging es entlang des wunderschönen Pfads in leichtem Auf und Ab bis zu einem Aussichtspunkt, an dem man Nonnenmattweiher, den Belchen und den ersten Fernblick zur Rheinebene hat.
Kurz danach stapften wir recht steil und felsig in der Karwand pfadgeführt wieder herunter, ebenfalls eine herrliche Passage. Anschliessend durch einen dunklen Wald aus mächtigen Buchen, in dem nur der Farn hier und da von der Sonne zum Leuchten gebracht wird. Schliesslich durch einen Fichtenforst und offenes Wiesengelände runter zum Dorf Hinterheubronn. Ab hier nun sollte es durchgehend bergan bis zum Belchen-Gipfel gehen. Vorbei am nah gelegenen Haldenhof (letzte Einkehrmöglichkeit bis Gipfel) gehen wir über die Landstraße und hoch zur Dekan-Strohmeyer-Gedächtniskapelle. Sie ist einem mutigen Geistlichen gewidmet, der von den Nazis hinterrücks ermordet wurde. Hinter der Kapelle findet man Sitzbänke mit herrlicher Sicht auf die Täler unterhalb und zur Rheinebene. Zeit für eine zweite Veschper. Anschliessend abwechslungsreich weiter auf einem Kamm entlang von Wiesen und schliesslich in den Wald hinein, am Nordwesthang des Stuhlkopfs entlang. Hier können wir immer mal zwischen den Bäumen weitere Blicke zur Rheinebene erhaschen.
An der folgenden Wegspinne "Alte Grenzmauer" unbedingt die linke Wegversion zum Hohkelch wählen, denn die ist grandios! Ein herrlicher Pfad, der uns erst noch durch wilden Buchenwald, später immer felsiger im Zickzack am steilen Westhang des Hohkelchs in die Höhe und ins Licht führt. Für mich definitv der Highlight dieser Wanderung! Diese Passage hat eine tolle alpine Stimmung und bietet viele Tief- und Fernblicke, z.B. am Lünzmann-Platz (1158 m). Aus der Ferne winkt der (Hoch-)Blauen im Süden und die Vogesen-Prominenz im Westen, u.a. mit den dortigen (oben erwähnten) Belchen-Namensvettern. Der Pfad führt fast einmal um die Flanken des Hohkelchs herum und dann zum Hohkelchsattel. Da ein erster Fernblick zu den Schweizer Alpen. Und ein kurzer Abstecher zur eigentlich höchsten Stelle des Hohkelchs. Gut ausgeschildert weiter pfadig bergan zum Belchen/Belchenhaus. Nochmals eine sehr schöne offene und an Fernblicken reiche Passage, diesmal in der Südflanke des Belchen.
Das Belchenhaus ist leider schon geschlossen. Netterweise hat der Wirt einen Kasten mit Getränken und Selbstbediener-Kasse vor die Tür gestellt. Wir schütten uns auf der Terrasse eine Schorle rein und futtern unsren Rucksack leer. Gestärkt geht es die letzten Höhenmeter weiter bis zum Gipfel, oder besser: auf die Gipfel-Kuppe. 1414 Meter über NN und über 1000 Meter in Relation zur Rheinebene bieten wunderbare Fernblicke in alle Himmelsrichtungen. Aus dem Norschwarzwald grüßt dunstig die Hornisgrinde, näher dran natürlich der Schauinsland, Feldberg, das Herzogenhorn und all die Kollegen im Südschwarzwald, davon viele über 1200 m. Nicht zu vergessen der schöne, bereits eingangs erwähnte Tiefblick ins Münstertal und in die Oberrheinische Tiefebene sowie dahinter zu den Vogesen. Ganz im Süden, dunstgetrübt, natürlich nochmal einige Alpengipfel der Schweiz.
Um die Ostflanke der Gipfel-Hochfläche herum geht's nochmal runter zum Belchenhaus und ab dort nun wieder auf einem schmalen Pfad durch die Südflanke des Belchen rustikal bergab. Sehr abwechslungs- und aussichtsreich zwischen teils uralten Weidbuchen hindurch stiefeln wir im Zickzack nach unten und passieren dabei auch den markanten Hohfels (1190 m). Die Blicke auf die umliegenden Schwarzwaldberge und -Täler sind hier sprichwörtlich wie aus dem Bilderbuch, gerade im schönen Licht der Abendsonne. Es geht vorbei an den Viehweiden der nahen Belchenhöfe. Schliesslich flacht das Gelände etwas ab und wir passieren die Wegkreuzung Böllener Eck in südlicher Richtung. Die Wegführung ist weiterhin schön pfadig, mal offen, mal waldig. Nachdem wir die L 131 überquert haben nur noch kurz westlich hinab in die kleine Talmulde, in der das gemütliche Neuenweg liegt und unser Wagen auf uns wartet.
Mit auf Tour: Amelie.
Fazit: Nik hat in seinem Tourenbericht nicht übertrieben. So viel Abwechslung und Fernsicht haben wir auf einer Rundwanderung im Schwarzwald selten erlebt. Der Nonnenmattweiher mit seiner Karwand ist ein Kleinod. Der Belchen trägt seinen Titel als "Schönster im Schwarzwald" definitiv zurecht, die Pfade an seinen Hängen haben mit wettergegerbten Bäumen und felsigen Partien wirklich etwas Alpines.
Gelernte Lektionen: 1. Kartenvergleich hilft. 2. der Nik macht sich net umsonst so viel Mühe mit den Tourenberichten 3. manchmal ist eine Abkürzung nicht wirklich kürzer. Trotzdem fanden wir die Runde super, und der weglose Verhauer wurde mir im Laufe der Wanderung wieder verziehen ;o)
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