Obere Gottesackerwände (2033m) - Verzweiflungsakt wird zum Tourenschmankerl


Publiziert von Fabse_94 , 5. Juni 2020 um 16:45.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum: 1 Juni 2020
Wandern Schwierigkeit: T4- - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 7:15
Aufstieg: 1370 m
Abstieg: 1370 m
Strecke:20,5 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Oberstdorf-Tiefenbach über die Mautstraße (5 €/PKW) nach Rohrmoos
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Kostenloser Parkplatz im Weiler Rohrmoos
Kartennummer:Kompass Nr. 3 Allgäuer Alpen, Kleinwalsertal

An diesem Pfingstmontag machten wir uns wieder mal auf ins Allgäu mit den Hohen Gängen über Hinterstein als Ziel. Da das Wetter besser hätte nicht sein können, vermuteten wir großen Andrang in Hinterstein, weshalb wir früh aufbrachen und schon um 8:20 Uhr dort waren - dass allerdings um diese Uhrzeit schon sämtliche Parkplätze, auch die illegalen am Straßenrand, restlos belegt waren und beinahe kriegsähnliche Zustände herrschten (schlimmer noch als bei der Tour zum Rosskopf vor anderthalb Wochen), ahnten wir beide nicht. Die ersten freien Parkplätze gab es dann wieder in Hindelang an der Talstation der Imberger-Horn-Bahn. Da uns der Hatscher nach Hinterstein aber zu weit war, suchten wir nach einer alternativen Tour. Nach beinahe einer Stunde (!) Parkplatzsuche im Oberallgäu fuhren wir auf gut Glück über die Mautstraße nach Rohrmoos, wo es dann gottseidank noch ein paar freie Parkplätze gab. Während der Fahrt hatten wir auf unserer Karte den Torkopf nördlich der oberen Gottesackerwände entdeckt, den wir uns mal aus der Nähe anschauen wollten.

Der uns bis dato völlig unbekannte Gatterkopf als den Gottesackerwänden nordöstlich vorgelagerter Felssporn war unser erstes Etappenziel, auf unserer Karte war ein Steig vom Rohrmooser Tal aus in die Gipfelregion dargestellt. Um dies zu verifizieren, wanderten wir ca. 2,5 km taleinwärts, bis linkerhand eine Schotterstraße abzweigt. Auf dieser geht's noch für ein paar Minuten dahin, bis rechts gegenüber einer Lichtung mit einem Hochsitz ein kleiner Pfad abgeht. Der Steig schraubt sich in zahlreichen Kehren teilweise sehr steil in die Höhe bis zum oberen Gatterpass (1604m) unterhalb der Gipfelwand des Gatterkopfs. Da wir diesem freilich auf's Haupt steigen (oder uns das zumindest mal aus nächster Nähe anschauen) wollten, wendeten wir uns nach Osten, überwanden den Weidezaun als erstes ernsthaftes Hindernis (das zu einer kleinen Zerrung bei mir im unteren Rücken führte) und querten unterhalb der Felsen auf Steigspuren, bis wir eine erste "Schwachstelle" in der Wand entdeckten. Mein Spezl nahm diese Kletterstelle (II) kurzerhand in Angriff, mir war diese zu ausgesetzt. Einige Meter weiter nördlich gingen die Felsen in eine Schrofenflanke (I) über, was mir eher taugte. Noch ein paar Meter durch Gestrüpp und ich war oben - und zwar zusammen mit drei anderen Partien. Nanu, wo kommen die denn her?! Die Erleuchtung kam uns dann beim Abstieg: westlich der Schrofenflanke windet sich eine Steigspur durch die sanftere Südwestabdachung der Felsflanke (max. T3+). Hierzu einfach unter den Felsen queren und die zwei, drei Aufstiegsmöglichkeiten mit Kraxeleinlagen außer Acht lassen (wenn man darauf keine Lust hat), dann landet man automatisch beim Pfad. 
Über den Sattel (1567m) zwischen Gatterkopf und unteren Gottesackerwänden machten wir uns auf zu letzteren. Zu Beginn versichert und etwas steiler, dann schließlich wieder gutmütiger landeten wir auf dem weitläufigen Plateau der unteren Wände mit eindrücklichem Blick nach Südosten. Der Steig schlängelt sich entweder direkt auf der Kammhöhe oder wenig unterhalb nach Westen und biegt kurz vor dem P. 1858 mit etwas Höhenverlust in Richtung Windecksattel (1751m) ab. Hier zeigte sich dann, dass der Torkopf mit seinen steilen Grasflanken eine Nummer zu groß für uns ist. Genug hatten wir allerdings noch nicht, weshalb wir weiter - zuletzt über ein zum Glück recht aufgeweichtes Altschneefeld - steil in die Torscharte (1967m) aufstiegen. Von hier hat man dann die Wahl zwischen Toreck oder dem höchsten Punkt der oberen Gottesackerwände oder beidem. Wir entschieden uns für die oberen Gottesackerwände (auch Sonnenberg genannt, 2033m), die von der Scharte in wenigen Minuten erreichbar sind. Der Übergang zum  mit einem Steinmann gekrönten höchsten Punkt ist lediglich schwindelfreien, trittsicheren Personen vorbehalten. 
Um die Tour zu einer Runde auszubauen, stiegen wir nach einer wohlverdienten Rast im warmen, blumenübersäten Gras über die schön gelegene Lohmoosalpe (1600m) ab. Von der Torscharte fuhren wir daher etwa 150 Hm auf den Schneefeldern bis in das Tälchen des noch jungen Achbachs ab. Von hier ist die Hütte schon in Sicht. Zunächst geht es weglos nach Westen, bis sich kurz vor der Alpe ein Steig ausprägt. Der weitere Abstieg von der Lohmoosalpe ins Hirschgundtal ist dann landschaftlich sehr schön, aufgrund der sehr abgelegenen Lage sehr einsam und teilweise etwas rustikal (T3). Über eine schmale Brücke erreicht man schließlich den Talgrund (953m), wo dann noch gut 6 km Talhatscher mit 170 Hm Gegenanstieg über die Wasserscheide nach Rohrmoos auf uns warteten, aber das war's wert!

Schwierigkeiten/Gehzeiten:
Rohrmoos - oberer Gatterpass 1:25 h T3 zu Beginn Straße, Aufstieg zum Pass auf steilem Steig 
Oberer Gatterpass - Gatterkopf 0:15 h T3+ optimale Route auf Pfadspuren ohne Felskontakt, alternativ I- bis IIer-Kletterei
Gatterkopf - untere Gottesackerwände 1:10 h T3 zwischenzeitlich versicherter und steiler Steig, ansonsten relativ problemlos
untere Gottesackerwände - Windecksattel - Torscharte - obere Gottesackerwände 1:15 h T4- Recht steile Schnee-Stapferei vor der Torscharte, zu den oberen Gottesackerwänden wegloser Aufstieg
Obere Gottesackerwände - Lohmoosalpe - Hirschgundtal 2:00 h T4- Abstieg von den oberen Gottesackerwänden, ab der Lohmoosalpe T3 (etwas rustikaler Steig)
Hirschgundtal - Rohrmoos 1:15 h T1 Fahrstraße

Fazit:
Landschaftlich reizvolle, spontane Tour in einem abgelegenen Teil der Allgäuer Alpen, die im Normalfall sehr einsam sein dürfte (außer man hat einen Feiertag mit besten Wetteraussichten und coronabedingter Grenzschließung). Highlight der Tour sind die vertikalen Felswände von Gatterkopf, unteren und oberen Gottesackerwänden sowie der überraschend gute Ausblick in den Allgäuer Hauptkamm. Wer eine Rundtour drehen möchte, dem sei der schöne und einsame Abstieg über die Lohmoosalpe empfohlen - allerdings muss einem der lange Talhatscher zurück bewusst sein. 

Tourengänger: Fabse_94


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Kommentare (5)


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Andi_mit_i hat gesagt:
Gesendet am 5. Juni 2020 um 20:17
Interessante Tour die man wohl auch bei kompletter touristischer Überlastung des Allgäus machen kann.

Ich war am gleichen Tag auch in Hinterstein, hab allerdings so geplant erst dann dort aufzutauchen wenn die ersten schon wieder heimgefahren sind. Um 15 Uhr gab es wieder ausreichend Parkplätze auch mitten im Ort und bei der Runde über B'schießer und Ponten war ab 17 Uhr auch völlige Ruhe.
Dass an dem Tag viel los war konnte man an der zugeparkten Straße ab Bad Hindelang sehen, aber dass es SO schlimm war wie du schreibst hätte ich nicht erwartet.

Nachdem Österreich seine Grenzen geöffnet hat dürfte es wohl zukünftig nicht mehr ganz so böse werden.

Fabse_94 hat gesagt: RE:
Gesendet am 6. Juni 2020 um 12:38
Servus Andi,

an diesem Pfingstmontag waren zwar auch am Gatterkopf und an den Gottesackerwänden einige Partien unterwegs, aber es war dennoch überschaubar und daher ist die Tour auch unter solchen Umständen absolut empfehlenswert. Ich schätze die Anzahl der Tage, an denen dort noch mehr los ist, auf +- 0 ein ;-) (vorausgesetzt es kommt nicht zu einer erneuten Verschärfung der Corona-Situation mit Grenzschließungen).

Das mit der späten Ankunft in Hinterstein macht zurzeit auf jeden Fall Sinn. Da die Rundtour über die Hohen Gänge aber nicht die kürzeste ist, wollten wir eher früher als später starten - hat bekanntlich leider nicht funktioniert... Ich hofe auch, dass sich die Situation mit der Grenzöffnung wieder etwas entspannt.

VG Fabian

sven86 hat gesagt:
Gesendet am 7. Juni 2020 um 20:29
Hi Fabi,

Echt krank was da abgeht. Wobei in Hinterstein ja schon normalerweise viel los ist dank Schrecksee-Hype (hier spielt hikr.org im Vergleich zu Instagram&Co. sicherlich nur eine untergeordnete Rolle). Am Dienstag bei meiner Tour zum Glasfelder ging es eigentlich wieder ganz gut, hatte mittags noch locker einen Platz in Hinterstein bzw. etwas vorher gefunden. Hoffen wir mal dass sich das jetzt wirklich alles beruhigt. Kann mir auch irgendwie nicht vorstellen dass es solche Zustände z.B. im Lechtal geben wird.

Aber die Obere Gottesackerwand ist ja auch ein mehr als würdiges Ausweichziel. Hatte mir auch sehr gut gefallen. Ich kann mir sogar vorstellen, dass im KWT selber auch nicht allzuviel los war, da sich die Grenzöffnung dorthin vermutlich noch nicht so weit herumgesprochen hat.

Danke auch für die Klarstellung zum Gatterkopf; die Schwierigkeiten waren mir hier aus bisherigen Berichten nicht ganz klar geworden, da ja zumeist doch die schwierigere Kletter-Variante gewählt wird aber es demnach ja auch eine „Fußgänger-Variante“ gibt.
VG Sven

Fabse_94 hat gesagt: RE:
Gesendet am 8. Juni 2020 um 19:51
Servus Sven,

na dann hattest du am Dienstag entweder Glück oder den richtigen Zeitpunkt erwischt ;-)
Auf der oberen Gottesackerwand war es wirklich sehr einsam. Man konnte allerdings überraschend viele Wanderer beim Abstieg über das Gottesackerplateau und das Kürental beobachten, was mich etwas stutzig machte...

Beim Gatterkopf ist tatsächlich ein Anstieg für jeden dabei, taugt dir sicher auch :)

VG Fabi

Kommunist hat gesagt:
Gesendet am 18. Oktober 2021 um 11:10
Wenn man sich über die Probleme durch Overtourism aufregt, sollte man seine Touren nicht gleichzeitig im Internet veröffentlichen. Sonst trägt man selber zu dem Problem und seiner Verschärfung bei.


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