Ostern auf dem Zweitälersteig


Publiziert von Günter Joos (gringo) , 30. April 2020 um 22:53.

Region: Welt » Deutschland » Südwestliche Mittelgebirge » Schwarzwald
Tour Datum:10 April 2020
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 5 Tage
Aufstieg: 3756 m
Abstieg: 3733 m
Strecke:109

                                       Zweitälersteig (10.-13.04.2020)
Tag 1:
Sicher ist die Anreise per ÖV unter den gegebenen Umständen suboptimal, für mich jedoch die einzige Möglichkeit, um zum Ausgangspunkt Waldkirch zu gelangen. Die Gefahr, dass ich mich dabei mit Covid 19 anstecken könnte, schätze ich dennoch als sehr gering ein, da man derzeit in den Zügen oft ein Abteil für sich allein hat. Ein erstes anregendes Naturschauspiel offeriert sich mir vom Zugfenster aus: bei Immendingen über den Donauauen schwebende Nebelschwaden bereiten den Auftakt eines wetterperfekten Tages.
11 Uhr ist es bereits geworden, als ich auf dem Marktplatz in Waldkirch (260 m) meinen Bäckerei-Kaffee schlürfe,  bevor ich mich für 4 Tage zu einem ab sofort völlig autarken Schwarzwaldtrekking aufmache. Von Beginn an sind die Zeichen klar, das Herz auf grünem Grund wird nie fehlen, selten habe ich im Schwarzwald einen derart gut markierten Weg begangen. Nahezu 1000 Hm bis zum Kandelgipfelsind mit vollgepacktem Rucksack kein Pappenstiel. Meiner chronischen Angst vor einer Hungersnot während der Tour ist in hohem Maße das Gewicht meines Rucksacks zuzuschreiben, ohne die mitgeführten Lebensmittel würde er wohl nur die Hälfte wiegen. Schlafsack, Isomatte, Geschirr, Kocher, ein leichtes Einmannzelt, sowie ein paar Textilien gehen natürlich mit auf den Weg. Der kurze Abstecher zur Ruine Schwarzenburg gewährt einen schönen Rückblick aufs Städtle, mit der gegenüberstehenden Kastelburg, über welche ich am Ende des 4. Tages wieder nach Waldkirch zurückkehren soll. 
Im Gipfelzustieg via Thomashütte summiert sich die Anzahl der Wanderer, auch Mountainbiker sind unterwegs.  Die Thomashütte ist zwar ein wunderbarer Aussichtspunkt, ich lasse sie aber aufgrund der dortigen Menschenversammlungen buchstäblich links am Wege liegen und marschiere weiter zum Gipfel. Selbstredend, dass dort aufgrund des nahen Parkplatzes auch schwer was los ist, doch das weitläufige Gipfelareal lässt Platz und Freiraum für alle, und so finde auch ich mein Fleckchen auf der weiten Wiese mit Blicken nach Süd und West. Eine kleinere Menschentraube verlässt das Gipfelrondell, als ich darunter vorbeischlendere, und ich nutze die Situation, um dem höchsten Punkt auf dem Kandel (1241 m) einen kurzen Besuch abzustatten, wenngleich das aussichtsmäßig nicht unbedingt ein Zugewinn ist. Hinunter zum Parkplatz und nach kurzem Suchen weiter gen Osten auf der Zweitälersteig-Markierung. Vielleicht zwei Kilometer sind gegangen seit Verlassen des Parkplatzes und schon kehrt Ruhe ein. Der Pfad schlängelt sich durch den Wald parallel zur Straße. Nach einer Forstwegeinlage folgt der Austritt aus dem Wald mit schöner Aussicht in den markanten Einschnitt des Simonswäldertales. Die Hochebene der Platte ist erreicht. Auffallend viele Windräder stehen hier, ein Anblick, an welchen wir uns im Schwarzwald zu gewöhnen haben, wie übrigens auch der an mit Solarpanelen besetzte Hausdächer. 
Die ersten "Mitwanderer" beschließen den Tag an einer hübschen Lichtung überm Abstieg zu den Zweribach-Wasserfällen. Zügig an den derzeit noch gut besuchten Kaskaden vorbei, steige ich noch zur Wiese des ehemaligen Brunnenhofes hinunter. Diesen romantischen Ort kenne ich von einer vergangenen Wanderung zu den Zweribachfällen her. Grillplatz, Wiese Unterstand und Holzkapelle bieten eine überaus praktische Biwakmöglichkeit in landschaftlich entzückender Lage. Andere scheinen das auch zu wissen, denn es stehen dort bereits zwei Familienzelte, eine Familie hat sich  um die Feuerstelle versammelt. Im Laufe des Abends finden sich weitere Wanderer ein. Oben auf der Kuppe, welche einen anregenden Blick ins Wildgutachtal gewährt, ist noch genügend Platz für weitere drei hinzukommende Zelte, unter Einhaltung der derzeitigen Abstandsregeln. Ich telefoniere noch mit meinem Kumpel Daniel, der ebenfalls in der Nähe unterwegs ist, aber ein Treffen soll uns weder heute, noch an den folgenden Tagen gelingen. Abends gegen 8 steige ich nochmals zu den Wasserfällen auf und genieße jetzt das rauschende Schauspiel als einziger anwesender Gast. Die Nacht verbringe ich auf dem Holzboden in der Kapelle.
Tag 2:
Am folgenden Morgen verzögert sich der Aufbruch zum Einen durch die Gemütlichkeit, mit der ich mir das Frühstück angedeihen lasse, zum Anderen durch die Idee eines kleinen Abstechers zu den nahen Hirschbachfällen, wobei ich gleich noch das Zahnputzzeug mitnehme :-). So wird es 9 Uhr, bis ich schließlich den Rucksack schultere und das wunderschöne Tal hinuntersteige. Gestern noch hatte ich Wasser am nahen Bach geholt und es auch unabgekocht für trinkbar befunden. Es sei noch erwähnt, dass weiter  talwärts gleich mehrere Brunnen aufeinander folgen. Ich erreiche den Talboden des hintersten Simonswäldertales. Dieser besonders eng eingeschnittene Talabschnitt wird bisweilen auch als Wildgutachtal bezeichnet, benannt nach dem gleichnamigen Bachlauf. Ich überquere die Brücke, und nach einem kurzen Stück entlang der Straße geht es wieder aufwärts durchs wildromantische Teichbachtal mit seinem grünbemoosten und von Felsblöcken durchsetzten Bannwald, stets entlang des wild rauschenden Waserlaufes. Bald wird eine weitere Straße gekreuzt, und nach einem kurzen Forstwegintermezzo schlängelt sich ein schmaler und steiler Pfad zur Hinteregghütte hinauf. Die urchige Hütte an aussichtsreichem Standort ist zu Bewirtschaftungszeiten sicher eine zünftige Unterkunft, oder zumindest eine schöne Einkehrmöglichkeit am Wege. Eine geschlagene Stunde gönne ich mir hier zur Vesperpause, mit genialen Aussichten bis zum immer noch Weiß tragenden Feldbergmassiv.
Es folgt der Abstieg via dem "Wildsauenweg" zum Spitzen Stein und weiter hinab zum Gasthaus Engel in Obersimonstal. Auch in der folgenden Talpassage bemüht sich der Weg, den Wanderer nicht etwa fantasielos über Straßen und Gehsteige zu führen. Stattdessen überwiegen lauschige Pfade und Wege entlang des Wildgutachufers, bis schließlich Altsimonswald erreicht ist. 15 Uhr ist es bereits, als ich dort eintreffe. Ich wollte doch heute noch zum Rohrhardsberg kommen ... Mit verführerischer Kilometerschrumpfung ließe sich dieser über einen alternativen Weg erreichen. Doch dann würde ich den Zweitälersteig vorübergehend verlassen,  eigentlich möchte ich diesen aber in seiner Gänze sehen und  erleben. Ich wiederstehe der Abkürzung und steige über den Stationenweg zum Sattel unter dem Hörnleberg (905 m) hinauf. Für den kurzen Abstecher zur dortigen Wallfahrtskapelle mit phänomenaler Aussicht lasse ich meinen schweren Tornister im Sattel zurück. Dort oben scheint sich eine Osterwallfahrt eingefunden zu haben, allerdings mit profanen Motiven, was auf den Tischen ausgelegte Speisen und Getränke, sowie angelehnte Mountainbikes und Wanderstöcke verraten. Vermutlich wird die eine oder andere Kleingruppe auch die Nacht an diesem fantastischen Ort verbringen. Mich zieht es weiter, in Richtung Rohrhardsberg, inzwischen zugegebenermaßen mehr recht, als schlecht.
Kurz vor Ende dieses langen Wandertages mit nunmehr schwer gewordenen Knochen wird mir klar, daß ich das geplante Tagesziel Rohrhardsberg heute nicht mehr erreichen werde. Über die beiden wunderschönen und zelttauglichen, jedoch wasserlosen Aussichtspunkte des Tafelbühl hinweg  komme ich schließlich zur im Wald stehenden Dorenbühlhütte, wo ich mich ziemlich erschöpft zum Essen und zum baldigen Schlaf einrichte. Auch dort bleibt meine Hoffnung auf Wasser vergebens. Somit bleibt die Küche heute eben kalt, doch mein gut gefüllter Rucksack bietet mir genügend Nahrungsalternativen.
 
 Tag 3:
Nach einer Nacht in der Hütte auf zwei zusammengestellten Bänken mache ich mich bereits mit der Dämmerung auf den Weg zum Rohrhardsberg (1163 m). Noch ziemlich lust- und kraftlos trabe ich vor mich hin. Am aussichtsreichen Braunhörnle (1134 m) beginnt sich im Osten zwischen den Bäumen des Waldes ein glutroter Sonnenball zu erheben. Bald danach erreiche ich den Rohrhardsberg, auf dessen ausladender Gipfelwiese sich gerade ein Pärchen aus den Schlafsäcken reckt. Etwas unterhalb der Schwedenschanze finde ich endlich den erhofften Brunnen, Frühstück auf dem Bänkle nebendran. Herrliche Ausblicke, Sonne-Wolkenspiele, das Porridge dampft bereits, und auch der erste Kaffee ist fertig. Ich spüre die wunderbar tonische Wirkung der ersten Tasse, genehmige mir in aller Ruhe eine weitere. Die Energie ist zurück - und die Euphorie ... nach einer genießerischen Weile schultere ich erneut meinen Rucksack. Weiter geht´s jetzt mit neuer Kraft und Lust auf neue Entdeckungen ... 
 Unter der Schwedenschanze komme ich an einen Schlagbaum, der einstigen Landesgrenze zwischen Baden und Württemberg. Ich trabe hinab zur Kapfhütte. Mit prächtiger Aussicht ins Elztal hat scih dort ein Wanderduo zum Frühstück niedergelassen. Ein letzter steiler Abstieg, und ich befinde mich in Oberprechtal-Wittenbach (355 m). Jenseits der Ortschaft geht es auf einem Feldweg zwischen blühenden Bergwiesen sanft aufwärts. Ein Bänkchen scheint mir gerade recht für meine  Vesperpause. Ich wage auch ein paar Probeschlücke aus dem dort gurgelnden Bergbach. Die Probe wird von mir als genieß- und konsumierbar befunden. Am Landwassereck wird die L 107, welche Gutach mit Oberprechtal verbindet, gekreuzt.
Auf der Prechtaler Schanze (827 m) können sowohl Reste der einstmaligen Militärbefestigungen, als auch riesige Windräder in unmittelbarer Nähe besichtigt werden. Der Anstieg zum schiffsbugartig aus dem Wald ragenden Huberfelsen ist einer der letzten kräftigeren auf dem Zweitälersteig. Von einer Besteigung des Felsens sehe ich aufgrund eines dort erhöhten Besucheraufkommens ab. Wie schon angekündigt, zeigt sich die Landschaft jetzt lieblicher, Wald wechselt mit aussichtsreichen, sattgrünen Weiden und blühenden Streuobstwiesen. Bauernhöfe schmiegen sich idyllisch zwischen Hängen und Kuppen in enge Talfalten. Am Schnapsbrunnen oberhalb von Biederbach finde ich die geniale Zeltwiese für die Nacht. Wasser, Sitzbänke und Tische, Aussicht, nur der Schnaps verbleibt weggeschlossen im Tabernakel. Das einstige Angebot wurde wegen Mißbrauchs durch Jugendliche eingestellt, so ein vorbeikommender einheimischer MTBler, mit dem ich einen netten Plausch führe. Später besucht mich noch ein weiterer Radfahrer, der ebenfalls mit Schlafsack unterwegs ist, es aber heute noch nach Hause schaffen möchte. Da es mir heute gelungen ist, eine beträchtliche Wegstrecke zurückzulegen, sehe ich der morgigen Etappe voller Optimismus entgegen. Mit der Zeltübernachtung an diesem idyllischen Ort hat sich in diesem Falle auch die Mitnahme des leichten Einmannzeltes gerechtfertigt.
Bis kurz vor 21 Uhr hält die prachtvolle Dämmerungsinszenierung vor, dann schickt mich der buhende Kauz zur Nachtruhe. Wetter heute: gegen Abend minimale Schauerneigung, lokal kann ich solche hin und wieder in Entfernung beobachten. Für mich bleibt es wiederum trocken.
Tag 4:
Zum Frühstück gegen 6.30 Uhr schleicht der Fuchs über die Wiese, der Sprecht ist bereits an seinem ratternden Tageswerk.  Über den an der Passhöhe Heidenburg gelegenen Weiler Höhenhäuser hinweg geht´s zur idyllischen Schutterquelle,wo ich meine Flaschen mit frischem Quellwasser fülle. Ein kurzer Abstecher dann zum Hühnersedel, doch leider ist der dortige Aussichtsturm gesperrt. An- und Abstiege sind, wie bereits am Vortag, moderater geworden,und  anstatt auf Pfaden wird  jetzt mehrheitlich auf breiten Forstwegen gewandert. Doch eben keine wirklichen Waldhatscher, sondern immer wieder durch offenes Wiesen- und Streuobstgelände aufgelockert zeigt sich die Etappe lohnend und aussichtsreich. Der immer noch weiße Feldberg, die Vogesen, das Rheintal und Schwarzwälder Höhenzüge, wie der Kandel oder die bewaldeten Bergrücken des Simonswäldertales sorgen mit dafür, dass die landschaftlichen Reize erhalten bleiben. 
Mit der Annäherung an die Burg Kastelburg und somit bereits im Einzugsbereich von Waldkirch nimmt die Anzahl von Feiertagsspaziergängern wieder zu, wo´s zuvor doch sehr still zuging. Ein letzter Genießerblick von der Kastelburg nach Waldkirch herab, und hinüber zum Kandel. Dann hinab ins Städtle, zum Marktplatz, wo alles begann. 
Fakten zum Zweitälersteig:
Der Zweitälersteig gehört zu den "Neuen" unter den Schwarzwald-Fernwanderwegen. Offiziell werden die 4120 Hm und 109 km auf 5 Tagesetappen unterteilt.Exakte Wegbeschreibungen würden den Rahmen sprengen. ich habe bewußt darauf verzichtet, nicht zuletzt auch deshalb, weil der Weg hervorragend markiert ist, sodaß theoretisch auf die Mitnahme von Karten oder GPS-Daten verzichtet werden könnte. Praktisch rate ich jedoch davon ab. Wegbeschreibung, Kartenausschnitte, GPS-Daten und sonstige Infos findet ihr hier:
https://www.zweitaelersteig.de/
Fazit:
Ein überaus schöner und abwechslungsreicher Fernwanderweg, neben dem Querweg Freiburg - Bodensee bislang das Beste, was ich diesbezüglich im Schwarzwald kennengelernt habe. Als autarke 4-Tages-Trekkingtour allerdings eine physisch sehr anspruchsvolle Herausforderung.

Tourengänger: Günter Joos (gringo)


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (4)


Kommentar hinzufügen

alpstein hat gesagt:
Gesendet am 1. Mai 2020 um 11:22
Hallo Günter,

ein toller Bericht aus dem fast noch Hikr-Niemandsland. Einzelne Stationen habe ich ja auch schon besucht, aber das Pensum in wenigen Tagen zu absolvieren, ist noch mal eine andere Leistung.

Grüße aus der Nachbarschaft
Hanspeter

PS.: Mit dem Einfügen von ein paar Wegpunkten wäre der Bericht besser auffindbar.

Günter Joos (gringo) hat gesagt: RE:
Gesendet am 1. Mai 2020 um 21:57
Hallo Hanspeter,
der Bericht wurde von mir gestern abend mit der heißen Nadel gestrickt. Soeben habe ich die Wegepunkte nachgesetzt. Und morgen geht´s abermals in den Schwarzwald ... ;-)

beste Grüße

Günter

gstuermer hat gesagt:
Gesendet am 1. Mai 2020 um 20:53
Schöne Tour und Bericht, vielleicht können wir die mal mit unserer Tochter und Kinderkraxe machen. Dann aber vielleicht in 5 Tagen.. ;-)

Dann hoffentlich bis bald mal wieder in der Kletterhalle (wenigstens konnte ich zwischenzeitlich ein paar Routen schrauben) und Gruß,
Thorsten

Günter Joos (gringo) hat gesagt: RE:
Gesendet am 1. Mai 2020 um 22:01
Hallo Thorsten,
mit Kinderkraxe mit Vorteil in 5 Tagen - und am besten, wenn die Unterkünfte am Weg wieder zur Verfügung stehen ;-). Bin gespannt auf deine neuen Routen :-)!

schöne Grüße

Günter


Kommentar hinzufügen»