Die Drei Wilden und der Schliffkopf: frischer Schnee und unbekannte Winkel


Publiziert von Schubi , 29. Januar 2020 um 11:59. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Südwestliche Mittelgebirge » Schwarzwald
Tour Datum:19 Januar 2020
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Aufstieg: 496 m
Abstieg: 496 m
Strecke:15,1 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:ÖPNV: Buslinie 12 aus Freudenstadt bis Schliffkopf oder Buslinie 245 aus Baden-Baden über Mummelsee bis Schliffkopf. PKW: Wanderparkplatz am Schliffkopf
Zufahrt zum Ankunftspunkt:s.o.
Unterkunftmöglichkeiten:Schliffkopf-Hotel (ganzjährig)

Was macht man, wenn man den schwarzen Wald mal wieder in weiß bewundern will, aber die prognostizierte Schneemenge zu einem bestimmten Zeitpunkt für einen bestimmten Ort nochmals unter den ohnenhin schon zarten Erwartungen bleibt? Man improvisiert. Und zwar, indem man sich spontan eine Route in einer nahegelegen, aber höheren Lage überlegt.

Die höheren Lagen im Nordschwarzwald kennen wir zwar fast schon alle, aber schöne Ecken schaut man sich auch gern zweimal an. Ausserdem wäre es ja eine schöne Strategie, von bekanntem Gelände ausgehend noch unbekanntere Winkel zu entdecken.

In geselliger Wanderrunde mit der Ameliebsten und dem geschätzten Schwarzwald-Veteran Nikbrueckner (nicht dabei sein konnte diesmal leider Niks Waldelfe) hatten wir für den 19.01. eigentlich eine Tour um den Herrenwieser See und die benachbarten Höhen geplant. Diese hatten bei unserer Ankunft aber alle noch ihre Köpfe in den Wolken, und insgesamt schienen in der Umgebung wider Erwarten äusserst wenige Flocken gefallen zu sein. Also auf, über die Schwarzwaldhochstraße südlich, hinüber zum Wanderparkplatz am Schliffkopf! Denn mir fiel ein, dass es nördlich und östlich davon noch ein paar Winkel gab, die ich selber noch nicht erkundet hatte, und von denen auch der Nik noch nie und nimmer gehört haben dürfte.

(Das "Unbekannte" im Titel des Tourenbericht und unserem Vorhaben steht also nicht für "eben aus der Erdkruste aufgetaucht" sondern für: WOMÖGLICH visuell staunenswert bis pittoresk und naturräumlich-geologisch spannend bis crazy. In jedem Fall aber ein Stück abseits von den allgängigen Empfehlungen des hiesigen Touri-Marketings)

Das war mein, das war unser Plan: einmal den Schliffkopf umrunden, rüber zum Melkereikopf und durch eine seiner gewürfelten Blockhalden, runter zum Muckenloch am Osthang des Schweinkopfs, und schliesslich wieder hoch zum Schliffkopf.

Als Soundtrack für Anfahrt, Rückfahrt, oder zum Betrachten der Bilder hier empfiehlt der Schubi passenderweise Wild Creatures von der wunderbaren Neko Case.
Und bei mir, dem Nik, lief (weniger originell) die (nicht mehr ganz) neue Tool - sie weckte schöne Erinnerungen an den Schweizer Sommer 2019! (ich erkannte die beiden Heroes auf dem Wanderparkplatz dann aber auch so).


Los ging es am Wanderparkplatz, der sich etwas nördlich vom Hotelparkplatz befindet.

Dieses Hotel und eine unter Naturschutz stehende, wilde Landschaft haben den Schliffkopf nach der Hornisgrinde zum Vorzeigeberg Nummer Zwei im Nordschwarzwald gemacht. So belebt wie auf der 'Grinde geht es hier zum Glück bei Weitem nicht zu, aber einsam ist man hier am Wochenende auch nicht.


Es ging zunächst einen Fußpfad hoch. Wir drei Wilden stapften durch eine offene, wilde Szenerie, eine sog. "Grindenlandschaft", mit locker hingestreuten Latschen, Kiefern, Birken, Vogelbeeren, viel Heide und -lbeeren.

Die Grinden entstanden durch die jahrhundertelange Beweidung der Bergkuppen im Schwarzwald mit Rindern. Sie waldeten also nicht wieder zu und wurden zu Feuchtheiden. Es entstand auf diese Weise eine ganz eigene Landschaftsform (oft auch mit einem Hochmoor) und erstaunlicher Artenvielfalt in Flora und Fauna. Heute stehen die Grinden unter Naturschutz, und werden zu ihrem Erhalt saisonal auch wieder von Hinterwälder- oder Heckrindern beweidet. Eigentlich ein schönes Paradox, wenn eine Kulturlandschaft großen Artenreichtum mit sich bringt, und deshalb unter Naturschutz gestellt wird. Hier noch ein informatives Pdf.

Zackig, wie man uns kennt, hatten wir bald schon der "Gipfel" des Schliffkopfs in 1055 m Höhe erreicht.

Wenn es um den Schwarzwald geht, ist der Begriff "Kuppe" wohl immer treffender als "Gipfel". Die Eiszeiten haben das hier aufliegende Deckgebirge aus Buntsandstein über die Jahrtausende nämlich schön flachgeschliffen. Unser Berg trägt diesen Vorgang sogar im eigenen Namen.

Wir gingen auf bequemem Pfad (dann Weg) einmal ums Hochplaetau herum: am Aussichtspunkt "Steinmäuerle" gab's für uns leider keinerlei Aussicht. Weiter ging's durch eine kurze Waldpassage und nochmal hinauf zum Gipfel. Danach hielten wir uns auf dem schönen Wanderpfad in nordöstlich/nördliche Richtung, und liefen eine ganze Weile durch die abwechslungsreiche Grindenlandschaft.

Am Schweinkopf tauchten wir wieder in den Wald ein, und gingen nordwestlich zur Blockhalde am südlichen Hang des Melkereikopfs. Die ist beeindruckend breit und lang, leider wird sie von zwei Forstwegen durchschnitten.

Ein spannendes eiszeitliches Relikt, seit mindestens zwölftausend Jahren liegen hier weitestgehend unverändert diese hingewürfelten Sandsteinblöcke herum. Man hat sozusagen einen Blick durch ein Zeitfenster in die Vergangenheit. Nur von den Rändern der Halde aus erobert sich die Pflanzenwelt mit ihren Moosen, Blaubeeren, Kiefern und Birken langsam den Raum zurück. Im Herbst hatte ich diese Blockhalde (und eine weitere am westlichen Hang) ausführlicher erkundet und erkraxelt. Ich werde bei Gelegenheit mal drüber schreiben.

Kurz nach der Blockhalde ging's für uns dann rechts hoch, in südöstlicher Richtung. Oben am Melkereikopf wanderten wir auf dem Tausend-Meter-Weg wieder südlich bis zur Wegspinne am Schweinkopf. Dort nahmen wir den steilen Pfad links, Richtung Nordosten. Nun waren wir nochmals in einer wilden Grindenlandschaft, und kamen auch an einem alten Grenzstein vorbei.

Auf dem Haupt-Höhenzug des Nordschwarzwalds verlief früher die Grenze zwischen dem Großherzogtum Baden und dem Königreich Württemberg (Schwaben). Natürlich war man verfeindet! Wir mussten nun also rüber ins "böse" Schwaben. Verunsichert waren wir darob - was würde uns erwarten? Womöglich geiziges Rotwild und häuslebauende Bäume?

Aber zum Glück begegnete uns nichts von Beidem. Wir überqueren die Schwarzwaldhochstraße, warfen an der Sprungschanze einen Blick in die schwindelerregende Tiefe, und hinüber zum Ruhestein, und betraten an der Skipiste Vogelskopf den Wald. Leider ist dieser Forstweg als Schutzzone gesperrt, und wir mussten undurchwanderten Waldes wieder zurück zur Skipiste. Dann ging es über Skipiste hinab, talwärts. Unten gelangten wir dann wieder auf einen Forstweg, und passierten den idyllischen kleinen Melkenteich. An der dortigen Wegkreuzung überstiegen wir einige Felsbrocken, und zweigten auf einen aufgelassenen Weg Richtung Sturmhütte ab. Dieser Weg wird gerade von der Natur zurückerobert, mit vielen jungen Fichten und sogar einem eigenen, neuen Wasserlauf, der uns das Gehen ein wenig erschwerte. An der Sturmhütte angelangt, zweigten wir an der Wegkreuzung erst links und gleich wieder rechts, auf einen weiteren aufgelassenen Forstweg. Nun waren wir schon ganz nah an unserem nächsten Etappenziel: dem Muckenloch mit dem Muckenbächle und seinem Wasserfall.


Bereits bei der Tourenplanung hatte sich abgezeichnet: um von Westen ohne riesige Umwege zum Wasserfall des Muckenbächles zu kommen, würden wir ein Stück weglos durchs Unterholz gehen müssen. Der besagte Forstweg verläuft oberhalb der kleinen Schlucht, die Muckenloch genannt wird, und tatsächlich hörten wir tief unten aus dem Grund schon sein Bächle munter rauschen. Wir fanden eine nicht allzu steile Stelle, und schlugen uns ca. 200 Meter wacker durchs Gestrüpp. Unten angekommen: Freude über das hier beschaulich vor sich hinplätschernde Muckenbächle :-)

Wir folgten nun einem Rauschen, das von links kommt: das sollte der Wasserfall sein! Und tatsächlich: über eine nette kleine Fallstufe von ca. 5 Metern Höhe fällt das Wasser hinunter – ein reches Idyll, auch weil es rund um den Bach so schön unaufgeräumt und unbeforstet ausschaut. Grad recht für so wilde Wandergesellen wie uns ;-)

Wir Drei Wilden beschlossen deshalb, den Bachlauf entgegen der Fliessrichtung noch ein bisschen zu erforschen. Wir wollten schaun, wie weit wir kommen würden. Das Bächle gluckert und rauscht munter vor sich hin und zwischen Sansteinblöcken durch. Tote Bäume liegen quer, die Vegetation kann hier einfach so vor sich hinwuchern, nix wird aufgeräumt, und einen Wanderweg gibt es erst recht nicht: Herrlich!

Wir überkraxelten und übersprangen mit großem Hallo zweimal den Bachlauf, und schlugen uns lustig durchs Unterholz, bis es irgendwann einfach zu dicht und das Bächle zu breit zum Queren wurde. Also wurschtelten wir uns einfach an einer anderen Stelle des Nordhangs wieder hoch, zurück zum letzten Teilstück unseres Hinwegs. Das Muckenloch ist eine wirklich beschauliche kleine Schlucht. Eine schöne Neu-Entdeckung für uns, und das sogar im schwäbischen Teil des Schwarzwalds ;-)


Erneut vorbei an der Wegkreuzung Sturmhütte stapften wir nun über recht unspektakuläre Forstwege aufwärts, zurück zum Schliffkopf. Zwischendurch tat sich immerhin ein netter Blick übers Tal auf. Kurz vor Querung der Schwarzwaldhochstraße waren wir wieder in der offenen Grindenlandschaft angelangt. Wir trafen etwas weiter oben wieder auf den Pfad unseres Hinwegs, und liefen neugierdehalber ein weiteres Mal bis hinauf zum Höchsten Punkt des Schliffkopfs.

Die Bewölkung hatte sich etwas gelichtet, und die einsetzende blaue Abenddämmerung wurde durch gelbes Sonnenlicht kontrastiert, das zwischen den Wolken durchschimmerte. Eine feierliche Szenerie, die wir aber wegen windigen Minusgraden nur kurz bewunderten.

Schliesslich kehrten wir zurück zum Wanderparkplatz, wo es Abschied nehmen hieß: Nik musste noch den langen Weg bis Mannheim zurücklegen, und dort unsere Grüße an seine Waldelfe ausrichten. Der Schubi und die Ameliebste jedoch hauten sich im nahen Schliffkopf-Hotel noch ein Stückle Kuchen rein.

Mit auf Tour: Amelie.


Fazit: Eine abwechslungsreiche Runde in bester Gesellschaft, was braucht man mehr! Die wilden Grindenhochflächen des Schwarzwalds sind zu jeder Jahreszeit einen Besuch wert. Mit einer frischen Puderzucker-Schicht Schnee sind sie aber besonders schön anzuschaun. Das zarte Schneeweiß hat uns auch die weiteren Etappenziele unserer Wanderung verzaubert. Der Melkereikopf und seine Blockhalden: ein weithin unbeachtetes Kleinod im Nordschwarzwald. Das Muckenloch und sein Bächle jedoch waren der wahre Höhepunkt unserer Tour. Was für ein beschaulich-wilder, sympathischer Ort! Ob wir mal im Sommer wiederkommen sollten, um herauszufinden, woher das Muckenloch wohl seinen Namen hat?

Eine Tour aus der Rubrik Unterholz-Preziosen


Tourengänger: Nik Brückner, Schubi
Communities: Photographie


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