Ein Kirchenbesuch


Publiziert von Nik Brückner , 14. September 2015 um 10:34. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:13 September 2015
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 4:45
Aufstieg: 1080 m
Abstieg: 1050 m
Strecke:10km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem Bus im Ostrachtal
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Mit dem Bus im Ostrachtal

Am Sonntag steht der Kirchgang an! Also sind Judith7 und ich am Sonntagmorgen in Hinterstein in den Bus zum Giebelhaus gestiegen. Ziel: Die Laufbichlkirche. Mit ihren extrem steilen Grasflanken, messerscharfen Graten und einer ausgesetzten 60, 65, 70 Grad steilen Einstiegskante einer der extremsten Grasberge der Allgäuer Alpen.

Nach der langen Überschreitung eines der schönsten Grasgrate der Allgäuer am Vortag wollten wir heute erstmal gemütlich fahren. Also kurz nach Hinterstein gefahren, das schöne "The Finest of Miracles" von Ciccada im Player, und dann weiter mit dem Bus. Ausstieg aus dem Bus (der sich bis dahin durch zwei Kuhherden kämpfen musste) war dann an der Haltestelle zur Schwarzenberghütte, dort wo die Straße über die Ostrach führt. Hierher kann natürlich auch geradelt werden. Von hier aus geht es auf einem gemütlichen Wanderweg durch dem Wald zur Schwarzenberghütte der DAV-Sektion Illertissen (1380m).

Bushalte - Schwarzenberghütte: markierter Wanderweg, T2,  40min


Von hier aus in wenigen Minuten hinüber zur Käseralpe (1401m) und von dort auf gutem und vielbegangenem Wanderweg hinauf zum Engeratsgundsee auf 1876 Metern Höhe.

Hier ist das Koblat erreicht, eine karstige Geländestufe unterhalb des Grats, der vom Nebelhorn zur Daumengruppe führt und den Hindelanger Klettersteig auf seiner Kante trägt. Im Aufstieg schweifen die Blicke schon respektvoll nach links hinüber zu den markanten Steilaufschwüngen der Laufbichlkirche.

Vom See aus nun in wenigen Minuten auf dem Wanderweg in den Laufbichlsattel (1970m), von wo aus die Exkursion ins Extreme startet.

Schwarzenberghütte - Laufbichlsattel: markierter Wanderweg, T2, 1:40


Im Sattel haben wir kurz gepaust, um die Psyche und den Gummibärchenmagen aufzuladen. Dann geht es gleich hinein in die haarigste Passage des Aufstiegs: eine ca. 40 Meter hohe Kante, die sich schnell an die 60, 65 Grad aufsteilt. Je nach Routenwahl (auf keinen Fall zu weit rechts gehen!) kann es sogar noch steiler werden. Hier ist der Pickel ein (fast) unverzichtbares Hilfsmittel, sind die erdigen Tritte doch klein (aber immer groß genug) und das Gras spärlich. Stellenweise wächst hier nur kleinblättriges Kraut, in das schlecht hineinzugreifen ist, bisweilen hat man gar nur ein paar Gewürzlein zwischen den Fingerspitzen. Wer mit einem Tourenpartner geht, hält hier besser erstmal den Mund, um die Konze des anderen nicht zu stören. In der Kante gibt es zwar immer wieder kleine Podeste, auf denen man stehen kann, zwischendrin wird es aber an zwei Stellen (in der Mitte und ganz oben) derart steil, dass man schon ganz freiwillig recht still wird.

Man sollte sich übrigens auf Zuschauer gefasst machen. Der Wanderweg ist vielbegangen, die L'Kirche nicht, und wer hier hinaufgeht, zieht die Blicke der Wanderer unweigerlich auf sich. Es gilt die alte Bergsteigerregel: Egal was du machst und wie's dir dabei geht, versuch' immer, cool auszusehen....

Erst am Ausstieg wird es dann besser und man gelangt auf eine waagrechte Stufe im Grat, von der aus der Gipfel schon greifbar nahe ist. Das schwierigste Stück des Aufstiegs hat man hinter sich. Allerdings zieht sich der Grat zum Gipfelaufschwung hin ordentlich zusammen, ein Meter, 80cm, 60cm, während es immer steiler hinaufgeht. Diesmal aber nicht mehr ganz so steil, und so gelangt man schnell hinauf zum  höchsten Punkt. (Hierher kann man auch leichter durch die Wanne südlich des Laufbichlsattels gelangen. Steil ist's dann zwar immer noch, aber man umgeht die gruselige Kante.)

Laufbichlsattel - Gipfel: weglose Gratüberschreitung, 30 Min. Davon 25 für die sausteile Kante (T6, I, weiter oben T5).


Wir stiegen in Erwartung eines Gurkenglases hier hinauf - und wurden von einem nagelneuen Gipfelkreuz überrascht! Mit einem Gipfelbuch in einem ordnungsgemäßen Metallkasten! Gravur: Festivaltour.de. Da haben die Jungs offenbar ihrem Lieblingsgipfel ein Kreuz spendiert. Hut ab - standesgemäß für einem Berg mit so einem Namen!

Und dann wurden wir ein weiteres Mal überrascht: Trotz des genialen Bergsommers 2015 nur 10 Einträge!


Wir haben unseren hinzugefügt, hinüber zum Giebel-Giebel geschmachtet, und uns dann an den Abstieg gemacht. Zunächst geht es ein paar schrofige Meter steil hinunter, ein paar Schritte wieder hinauf, und dann auf gemütlichem Grat südostwärts. Entspannung macht sich breit, eine erholsame Passage, die man nach dem Psycho-Anstieg gut gebrauchen kann. Doch schnell zieht sich der Grat wieder dachartig zusammen und die L'Kirche erinnert einen daran, warum sie so heißt.

Nicht, dass Judith so etwas schrecken würde...

Auf der schmalsten Kante bemerkt sie, dass ihr Schuh offen ist. In aller Seelenruhe wird also erstmal der Schuh gebunden. Dann kann es weitergehen.


Nun rechts einen steilen Grashang hinunter, der durch sein kräftiges Kraut besser begehbar ist, als es von oben den Anschein hat. Unten zieht sich der Grat wieder zusammen, und auf einem gebrochenen Mäuerchen geht es zum nächsten Zacken hinüber. Auch hier geht es wieder ein paar nicht nennenswerte Schritte hinauf.

Vom Zacken sieht man die Käseralpe schon trügerisch nahekommen. Allerdings ist der Abstieg von der L'Kirche wie eine Achterbahnfahrt: Kaum kann man sich ein paar Meter erholen, kommt der nächste steile Abschwung. Kaum ist's ein paar Meter leicht, zieht sich der Grat messerscharf zusammen. Und so folgt nun die krasseste Passage des Abstiegs: Es geht hinunter zu einem brüchigen Felsköpfl am Grat. Judith hat sich hier erstmal direkt auf der Kante auf eine gemütliche Stufe gesetzt, um mich in Ruhe beim Abstieg fotografieren zu können. Ein paar Meter kann man auf der Graskante absteigen. Dann wird sie sehr steil und schotterig, weshalb man besser im Kraut rechts des Grats zu dem Felsköpfl hinunterzickzackt. Ist zwar steil, aber das Gras ist im Sommer hier lang und kräftig, und gut zum Zupacken geeignet.

Man liest in einigen Tourenbeschreibungen, dass man das Köpfl vorsichtig überklettern soll, weil der Fels äußerst brüchig ist. Wir halten das für unnötig gefährlich. Wir sind deutlich vor dem Köpfl ein paar Meter rechts hinuntergestiegen und auf guten Tritten und festem Fels drumherum gegangen. Das ist ein Tickerl weniger ausgesetzt, einfacher und weniger gefährlich.

Hinter dem Köpfl ist der Grat dann nochmal steil und schmal, aber das Ganze sieht spektakulärer aus als es ist, denn kräftiges Kraut macht ihn erneut gut begehbar. Man steigt auf einem schmalen Mäuerchen hinunter, bevor man am Ende nach rechts in den Grashang schwenkt. Den geht's nun hinunter, entweder im Gras oder am linken Rand eines Erosionsfelds, wo es gute Stufen gibt. Im unteren Teil wird der Grashang flacher. Hier hält man sich links, aber nicht zu weit, denn da bricht der Grat wieder senkrecht ab.  Rechts neben einem Feld, das aussieht, als hätte sich hier ein Bulldozer betätigt, geht es hinunter, nochmal steil am hier baumbewachsenen Grat. Dann an geeigneter Stelle rechts in den Hang, der weniger steil ist als der Grat, und in dichtem Kraut hinunter zum Wanderweg bzw. zur Käseralpe.

Gipfel - Käseralpe: weglose Gratüberschreitung, T5, 1:30


Von der Käseralpe zum Giebelhaus dann auf gutem Wanderweg in zügigen

Käseralpe - Giebelhaus: markierter Wanderweg, T2, 25 Minuten


Fazit:


Ideale Tour für Leute, die etwas kurzes machen wollen, das aber geil sein soll. Die Laufbichlkirche ist allerdings auf dieser Route durchwegs eine äußerst ernstzunehmende Bergfahrt. Auspsychen verboten. Wer den Umweg zum Gipfel nimmt, kann den Anstieg zwar etwas entschärfen, der Weg zum Gipfel bleibt dennoch steil und ausgesetzt. Der Abstieg bedarf viel Erfahrung in ausgesetztem Gelände und im Steilgras. Als Notabstiege eignen sich der Abstieg vom Gipfel in die Wanne südlich des Laufbichsattels sowie einige Rippen Richtung Süden, allerdings sind auch diese äußerst steil - und unten dürfte man dann mit Erlengestrüpp zu kämpfen haben. Einen Weg weit unten quer durch die Südflanke, den ich kurz gesehen habe, habe ich später wieder aus den Augen verloren.


Ausrüstung:

Stecken, Pickel, C-Schuhe mit beinharter Sohle. Im Gras muss sicher gekantet werden. Und eine Psyche aus Beton.


Und wer wissen mag, wie diese Tour im Spätherbst ist (nämlich knusprig), kann das hier nachlesen.

Tourengänger: Nik Brückner, Judith7


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Kommentare (3)


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Verzasca hat gesagt: Das Gipfelkreuz ist wieder weg
Gesendet am 13. Oktober 2015 um 18:54
Grüß Gott, Judith und Nik,

danke für Eure Anregung zu diesem schönen Gipfel, an dem auch der nicht so regelmäßige Kirchgänger Gefallen finden kann.

Anmerken möchte ich noch, dass das erst im Juni 2015 aufgestellte Gipfelkreuz wieder weg ist. Ausweislich des Gipfelbucheintrags der Jungs von Festivaltour.de wurde es am 3. Okt. 2015 auf Weisung daran interessierter Kreise abgebaut und soll im kommenden Jahr auf einem anderen Berg wiederauferstehen.

Abstiegsalternative über Langenfeldalm:
Kurz hinter dem niedrigeren Südgipfel kann man nach rechts einem nahezu gleichmäßig und moderat abfallendem breiten Grasrücken folgen, der erst auf Höhe einiger einzeln oder in kleinen Gruppen stehender Fichten vorübergehend steiler wird (vielleicht 40-45 Grad, hier sind die Wurzeln teils hilfreich). Auf dem Fahrweg rechts und gleich wieder links an einem Weidezaun einem Pfad folgen, bis man im Tal ist.

Viele Grüße

Jürgen

Andy84 hat gesagt:
Gesendet am 4. März 2016 um 13:00
30 Minuten für die 70hm am Nordgrat?
Was habts denn währenddessen gemacht??

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 4. März 2016 um 13:10
Hi Andy!

So langsam können wir nicht gewesen sein, selbst Quacamozza war nicht schneller. Vermutlich haben wir alle die Aussicht genossen! ;o}


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