Prolog: Im dichten Nebel übers Ijesfürggli zum Biwak auf dem Hinter Grauspitz


Publiziert von Nik Brückner , 15. Juli 2019 um 15:51.

Region: Welt » Liechtenstein
Tour Datum: 9 Juli 2019
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR   FL 
Zeitbedarf: 3:30
Aufstieg: 1350 m
Abstieg: 70 m
Strecke:10km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Aus dem Rheintal Richtung Malbun, und dann von Steg aus zum Parkplatz am Gängelesee.
Unterkunftmöglichkeiten:Das Berggasthaus Sücka und die Pfälzer Hütte befinden sich in der Nähe.

Seit mindestens sechs Jahren plane ich eine Durchquerung Liechtensteins an einem Tag, vom höchsten Punkt, dem Vorder Grauspitz (2599m) zum niedrigsten (und nördlichsten) Punkt (430m), in der Nähe des österreichischen Bangs. Wegen der Länge der Tour (ich brauchte etwa 14 Stunden) und mangels Stützpunkt in unmittelbarer Nähe des Vorder Grauspitz, kommt eigentlich nur eine Übernachtung im Freien in Frage: Die Pfälzer Hütte liegt (übers Ijesfürggli) ca. zwei Stunden und 850 Hm, bzw. (übers Barthümeljoch) ca. zweieinhalb Stunden und 950 Hm vom Vorder Grauspitz entfernt, die Enderlinhütte 2:45 und 1350Hm und die Gipfelstation der Älplibahn Malans gar dreieinhalb Stunden und 1000 Hm. Alle drei sind also als Startpunkte für diese Unternehmung nicht geeignet. Bei einer Strecke von 42km, 1700 Aufstiegs-  und 3700 Abstiegshöhenmetern, und einer Gehzeit von 14 Stunden kann man keinen einzigen Meter Anmarsch brauchen.

Also: Übernachtung im Freien, möglichst nahe am Startpunkt. Da ich die Gegend um die Grauspitzen nicht kannte, beschloss ich, mit Isomatte und Schlafsack bepackt, so nahe wie möglich an den höchsten Punkt Liechtensteins heranzuwandern, und mir dort einen geeigneten Schlafplatz zu suchen. Die Waldelfe war so lieb, die Logistik zu übernehmen, und fuhr mich zur Extended Version von UKs "Night After Night" hinauf ins Valünatal, zunächst zur Sücka, wo ich einige Ausrüstung deponierte, und dann hinunter zum Parkplatz am Gängelesee (1302m), wo wir uns ein letztes Mal besprachen, noch ein Telefonat zur guten Nacht verabredeten, und uns schließlich voneinander verabschiedeten. Es war jetzt 17 Uhr - wenn alles gutginge, würden wir uns am nächsten Abend in Bangs wiedersehen, einem winzigen Örtchen in der Nähe der Liechtensteiner Grenze, und in der Nähe des niedrigsten Punkts des Landes.



Und dann marschierte ich los.

Das Wetter war den ganzen Tag über durchwachsen gewesen. Und auch jetzt noch hingen dichte Wolken über dem Tal, obwohl die WeVoHeSa für den späten Nachmittag Aufklarung versprochen hatte. Aber ich war guter Dinge, und wanderte auf dem breiten Weg an der Alp Valüna (1409m) vorbei hinauf Richtung Alp Obersäss. Und tatsächlich riss es unterwegs auf, und ich sah blauen Himmel über mir. Perfekt! Dann allerdings stieg ich weiter in die Wolken hinauf, die sich prompt wieder zuzogen - und die guten Dinge blieben im Talgrund zurück...

An der Alp Obersäss (1646m) verließ ich den breiten Weg und wechselte auf den Wanderweg. Und hier war es bereits so neblig und grau, dass ich froh um jede Wegmarkierung war. Ich wanderte weiter Richtung Naaftal/Pfälzer Hütte, in der Hoffnung, irgendwann auf deutliche Wegspuren zum Ijesfürggli zu stoßen. Doch selbst bei Pt. 1863, schon hinter dem bekreuzten Stein im Naaftal, hatte ich noch keine deutliche Abzweigung entdecken können. Und der Nebel hatte sich nicht gelichtet.

Parkplatz Gängelesee - bekreuzter Stein im Naaftal: markierte Fahr- und Wanderwege, T1/T2, 2h



Also Abbruch, Umkehr. Ich hatte keine Ahnung, wie das Gelände südlich über mir, unter Naafkopf und Ijjesfürggli, aussah. Die 30 Meter Sicht, die ich zur Verfügung hatte, reichten zum Einschätzen einfach nicht aus. Ich schrieb eine SMS an die Waldelfe, sie möge mich in einer, eineinhalb Stunden in Steg abholen, und drehte um.

Doch die SMS ging nicht raus. Eine zweite auch nicht. Was nun? Ich hatte keine Lust, auf der Pfälzer Hütte zu übernachten. Auf der Sücka vielleicht, dort würde ich vermutlich auch mehr Glück mit dem Telefonnetz haben.


Ich drehte um und kam wieder zu dem bekreuzten Stein. Den sah ich mir genauer an. Vielleicht markierte er ja einen brauchbaren Abzweig zum Ijesfürggli?

Und ich hatte Glück: Es riss erneut auf, diesmal für mehr als nur einen Moment. Ich konnte den Hang über mir einsehen, mäßig steil, problemlos, und ich sah einen Absatz, hinter dem ich den Aufstieg zum Ijesfürggli vermutete. Wie sich herausstellte, richtig. Und so löschte ich die beiden SMS, die zum Glück immer noch in meinem Handy feststeckten, und machte mich auf den Weg hinauf in den Grashang.

Es blieb zwar wolkig, und immer wieder zog etwas hinein, aber ich fand trotz wechselhaften Sichtverhältnissen nun problemlos hinauf zum Ijesfürggli. Weiter oben im Hang stieß ich auf Trittspuren, die mich sicher auf den Absatz führten, den ich von unten gesehen hatte. Dort verlaufen sich die Spuren im Gras, weiter oben konnte ich in einem Geröllhang jedoch eine türkise Plastikwanne erkennen, zu der ich mich nun aufmachte. Bald stieß ich auf ein Weglein, das im Zickzack über grasige Rippen hinaufführte, und offenbar aus Richtung Obersäss kam: Der Weg zum Ijesfürggli. Diesem folgte ich.

Ich tippte Erfolgsmeldungen an die Waldelfe, aber eine um die andere ging einfach nicht raus an sie. Ich hoffte, sie würde sich keine allzu großen Sorgen machen - Gebirge, Wetter, so ist es eben ab und zu.

An der Plastikwannne angelangt, führt das Weglein ein wenig nach rechts, und nun gnadenlos und entsprechend steil hinauf zum Ijesfürggli. Ich hatte im Anstieg mit einigen Schneefeldern zu kämpfen, die mich zwangen, in gehobenes T4-Gelände auszuweichen, dazu mit nässebedingt breiigem Untergrund dort, schließlich kam ich aber ohne weitere Schwierigkeiten im Ijesfürggli (2348m) an.

Vom markierten Wanderweg zum Ijesfürggli: wegloser Grashang, später unmarkierter Weg, T3 (bei meiner Begehung T4), 1:10


Hier war der Nebel wieder deutlich dichter, und nur kurz konnte ich erkennen, das es drüben ziemlich steil hinunter geht. Steil, aber durchaus machbar. Würde sich schon lohnen, diesen Übergang ins offizielle Wanderwegenetz der Region aufzunehmen.

Ich aber wandte mich aus der Scharte nach rechts hinauf, das ist der Grat, der direkt zum Gipfel des Hinter Grauspitz führt. Da muss man zunächst durch eine T4-Passage durch, die Kraxelei kann man wohl auch mit einer I bewerten, danach wird es aber gleich leichter, und in wechselnd steilem T3-Gelände geht es nun hinauf Richtung Gipfel.

Da es sich nun wieder zugezogen hatte, rechnete ich nicht damit, an diese Abend noch zum Vorder Grauspitz durchzukommen. Deshalb begann ich bald nach dem Ijesfürggli, nach möglichen Schlafplätzen Ausschau zu halten. Allerdings ist der Hinter Grauspitz 2574 Meter hoch, und auch seine Südflanke ist ziemlich felsig. Doch hin und wieder tun sich auf kleinen ebenen Passagen Grasflächen auf, und ich entdeckte eine, zwei, und direkt unterhalb des Gipfels eine dritte mögliche Schlafstelle. Ich stieg noch kurz zum Gipfelkreuz des Hinter Grauspitz (2574m), stellte dort fest, dass bei dieser Sicht an einen Weiterweg zum Vorder Grauspitz nicht zu denken war, und richtete mir meinen Schlafplatz am Gipfel des Hinter Grauspitz ein.

Vom Ijesfürggli zum Hinter Grauspitz: Wegspuren am Felsgrat, T4/I und leichter, 20 Minuten


Dann aß ich noch schnell etwas, packte meine Klamotten in den Rucksack, und kroch in den Schlafsack.

Mir stand eine grauenvolle Nacht bevor...

Da dingdongte plötzlich mein Handy! Ich hatte Netz! Jetzt aber schnell die Waldelfe angerufen, die hatte ja seit Stunden nichts von mir gehört. Wir konnten trotz widriger Bedingungen tatschlich ein Weilchen miteinander sprechen, dann legte ich auf und mich hin, und versuchte, zu schlafen.

Mir stand eine grauenvolle Nacht bevor...Und ein fantastischer Tag!

Tourengänger: Nik Brückner


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