Grosse Grattour Avers (Piot-Gletscherhorn-Duan)


Publiziert von Delta Pro , 10. August 2018 um 14:18.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Avers
Tour Datum: 8 August 2018
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR 
Zeitbedarf: 9:45
Aufstieg: 2940 m

Biwak-Tour über lange Grate und ein Dutzend Gipfel über dem Avers - der erste Tag

Die Frequenz meiner Biwak-Grattouren hat sich in den letzten Jahren (naturgemäss) stark reduziert. Umso schöner ist es, wenn man wieder einmal losziehen kann, hinein in die Wildnis, und über endlose Grate reihenweise einsame Gipfel abholen kann. Die Grosse "Avers-Madris" Rundtour geisterte schon seit Jahren im Kopf herum - nun endlich war es soweit. Leider machte mir das Wetter zum Ende der Hitzephase einen gründlichen Strich durch die Rechnung, weshalb der zweite Tag zu einem "Türchen" verkam. Der erste Tag aber kann sich mit einer logischen, langen Linie über sechs 3000er und spannenden Routen sehen lassen. Besonders eindrücklich war Abgeschiedenheit der Landschaft gegen Ende des Tages - sowie das gewaltige Gewitter dessen ich mich nachts erwehren musste... 

Abschnitt 1: Juf - Piz Piot (T4+, bei optimaler Routenwahl)   3h15min
Die lohnende Überschreitung vom Wengahorn zum Piot wurde auf Hikr schon hier und da beschrieben und ist erstaunlich einfach, wenn man an den richtigen Stellen kleine Umgehungen einplant. 

Vor acht Uhr spuckt mich das fast leere Postauto in Juf aus. In der Morgensonne steige ich mit dem anfangs doch recht schweren Rucksack gemütlich in der Direttissima gegen das Wengahorn hinauf. Im oberen Teil Wegspuren. Nach einer Stunde ist die "Reiseflughöhe" erreich - nun geht's über die Grate! In schöner Wanderung über die Schinetahörner und schliesslich über einen schiefrigen Grat, der aus der Ferne spitz aussieht, tatsächlich aber recht einfach zu begehen ist, zum Jufer Horn (ganz zu Beginn zwei Stellen, T4+, sonst einfacher). Kurz etwas durch die Südflanke in den Sattel und einfach über den Kamm aufs Mingalunhorn. Hier könnte man abseilen und über den ziemlich steilen, brüchigen Grat absteigen. Dies ist aber unnötig, da man viel einfacher und effizienter vom Sattel ohne Höhenverlust durch die Westflanke queren kann (T4). Über den gerölligen Grat hinauf zu den Grauhörnern. Eine Turmgruppe wird links umgangen, am Schluss über den kurzen Ostgrat zum höchsten Punkt (T4+). Zum Glück sieht man gleich von hier die windige Strickleiter am Südgrat, sowie weiter über den Wänden baumelnde Fixseile - ne, keine Lust! Also steige ich zurück, folge eine Geröllrinne nach Osten und quere dann ohne Probleme mit etwas Auf und Ab zum Piotjoch. Von dort auf Wegspuren zum Westgipfel und weiter zum Hauptgipfel des Piz Piot. 

Abschnitt 2: Piz Piot - Gletscherhorn (T5/6, WS)   2h 10min
Endlich hat die Mungiroi-Predarossa-Gletscherhorn Traverse einen Hikr-Tourenbericht. Obwohl die Route mit Fixseilen versehen ist, würde ich sie nur bedingt empfehlen, obwohl die Linie natürlich bestechend ist.

Vom Piz Piot über lange Grate, teils etwas exponiert (T4+) mit Auf und Ab an den Fuss des Mungiroi. Beim Abstieg von Pt 2980 muss man kurz etwas nach Westen ausweichen. Der Fakt, dass es schwache Trittspuren gibt, legt nahe, dass diese Überschreitung doch ab und zu unternommen wird. So erstaunt es mich auch nicht, als ich auf dem Mungiroi "baugleiche" Fixseile erblicke wie an den Grauhörnern und den schon mehrfach auf Hikr rapportierten zwischen Predarossa und Gletscherhorn. Die Fixseile sind an gut gesetzten und gebohrten Punkten fixiert, an denen auch abgeseilt werden könnte (dies wäre wohl meine Wahl bei einer Wiederholung!). Es handelt sich aber um normale Kletterseile, die Witterung und mechanischer Abnützung ausgesetzt sind. Mir schienen alle noch robust zu sein - wie lange dies so bleibt, kann ich nicht sagen. Nach wenigen Metern auf dem Mungiroi SW-Grat die Ernüchterung: Die Seile verschwinden senkrecht über eine überhängende Stufe... Ist wirklich die Meinung, dass man hier hangeln muss? Ich finde eine Alternative und steige sehr vorsichtig, wie im Führer beschrieben, in die steile Südflanke, wo sich auf Rasenpolstern gute Tritte finden, und quere rechts auf den Grat zu den Fixseilen zurück (T6) - na ja, auch nicht die ideale Route. Am Seil über die nächste Stufe. Anschliessend weiche in der Nordflanke einem Turm aus und folge dem Grat zum Sattel. Sicher keine Empfehlung für den Sportkletterer! Über Schutt und schöne Platten auf den Predarossa, wo die nächsten Fixseile warten. Auch das hatte ich mir anders gemäss Sichtungen auf Hikr vorgestellt: Anstatt einem Seil als Handlauf und zur Absicherung muss man sich fast immer voll reinhängen. Die Passagen sind insofern sehr exponiert, wenn man sich aber einmal auf die Qualität des Seils und den Grip der Hände verlassen hat, aber nicht eigentlich schwierig. Klettersteigsicherung schiene möglich, wäre aber wenig sinnvoll. Ich würde diese Route nur bedingt empfehlen, auch wenn sie die Steilstufen sauber knackt. Wie das WS gemäss Führer zustande kommt, ist mir schleierhaft - ohne Seil wäre man schon mit ZS sehr gut bedient. Anschliessend einfach zum Gletscherhorn.   

Abschnitt 3: Gletscherhorn - Piz Duan (T4, bei optimalen Verhältnissen)   1h 45min
Der Piz Duan hat für mich irgendwie den Mythos des Unnahbaren bewahrt. Auf der Route über den Westgrat wird die Tour bei Ausaperung aber schon fast zum Spaziergang und weist ein durchgehendes Weglein auf.

Vom Gletscherhorn durch die grosse Geröllmulde nach Osten und dann durch einen steilen Wiesenhang (Einstieg bei 2800 m.ü.M.) ins Val da la Duana hinab. Am Fluss fülle ich meine Wasserreserven und steige gegen den Duan auf. Wo das "versteckte" Couloir durch die Gipfelmauer ist, bleibt mir lange unklar. Schliesslich finde ich eine Geröllrinne, in welcher es schwache Trittspuren hat. Diese ist steil, mühsam, aber nicht eigentlich schwierig. Ganz am Schluss muss kurz etwas gekraxelt werden (T5). Ca. 100m hinter dem Ausstieg bemerke ich, dass die "richtige" Rinne noch etwas weiter oben gewesen wäre. Ab dort folge ich einem deutlichen Weglein, das nur ab und zu etwas Kraxelei erfordert. Ich steige über den Vorgipfel (kurz etwas exponierter). Dieser lässt sich auf dem Weglein (Steinmänner) aber einfacher nördlich umgehen. Am Gipfel stecke ich leider im dichten Nebel.

Abschnitt 4: Piz Duan - Pizzun-Seen (T4+)    2h 35min
Lange und sehr einsame Querung durch wildes, unberührtes Gelände an den Fuss des Pizzuns.

Vom Duan steige ich nun durch das obere Couloir ab, auf dieser Route wirklich kaum T4! Zurück beim Rucksack-Depot beginnt die lange Querung, auf der ich nicht mehr so schnell unterwegs bin wie bisher. Nach dem Pass da la Duana durch eindrückliches Felsgelände zum Piz dal Märc - der Aufstieg zieht sich in die Länge. Nicht nur wegen des Nebels fühlt man sich hier wie auf dem Mond. Vom Gipfel durch gewaltige Geröllhochebenen über die beiden Vorgipfel Pt 2910 und 2904. Der anschliessende Abstieg gegen den Passo dal Märc ist wild und zeitraubend, da durch ein unübersichtliches Durcheinander aus riesigen Blöcken gekraxelt werden muss. Etwas vor dem Pass halte ich dann gegen den untersten der Pizzun-Seen im Val dal Märc und finde auf ca. 2640 m.ü.M. einen (auf den ersten und auch zweiten Blick) perfekten Biwak-Platz.

Der Hammer des Tages kommt dann um 22 Uhr: Nachdem es schon seit 20 Uhr in der Ferne gewittert hat, trifft mich eine Zelle mit voller Wucht. Im Halbschlaf liege ich im Zelt, lausche dem Prasseln des Regens und des Graupels und zähle den Abstand zwischen Blitz und Donner. Als dieser endlich länger wird und der Regen etwas nachlässt, höre ich plötzlich ein anderes Geräusch: Plätschern von Wasser. Von welchem Bach? Da war doch weit und breit keiner? Beim Tasten nach der Stirnlampe bemerke ich die Wassermatte unter dem Zelt. Diese hat innert Sekunden eine Höhe von 5-10cm erreicht, die Schuhe im Vorzelt werden schon vom Wasser umspült... Das kann doch nicht sein! Blitzschnell packe ich alles in den Rucksack - es wäre ungünstig einen durchnässten Schlafsack zu haben - und springe aus dem Zelt. Tatsächlich ergiesst sich über die Felswand hinter mir ein Wildbach und fliesst flächendeckend über meinen Lagerplatz. Beim Abbauen taucht das Zelt komplett ab und wird fast weggespült. Niemals hätte ich gedacht, dass mir mal so was passiert. Etwas weiter finde ich einen einigermassen trockenen Platz. Als ich eine halbe Stunde später wieder im Schlafsack liege, muss ich mir eingestehen, dass das recht glimpflich abgelaufen ist.  


Durchgangszeiten:
Juf: 7.50
Wengahorn: 8.55
Grauhörner: 10.05
Piz Piot: 11.05
Gletscherhorn: 13.15
Piz Duan: 15.00
Pizzun-Seen (Biwak): 17.35

Tourengänger: Delta


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Kommentare (3)


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roko hat gesagt:
Gesendet am 10. August 2018 um 21:14
Geniale Tour Matthias...Gratulation...ich blieb am Stella vom Regen verschont...hatte Glück...L.G. Röbi

3614adrian hat gesagt:
Gesendet am 11. August 2018 um 08:35
Coole Tour! Tönt spannend!
Dann nächstes Mal mit Seil? Dann kannst du auch das Zelt anbinden!

Lg

xaendi hat gesagt:
Gesendet am 15. August 2018 um 08:21
Schöne Runde!


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