Auf' s Kuhjoch (1800 m) und zum "Goldenen Nagel". Ein wunderschöner Almsommertag im Vorkarwendel.


Publiziert von Vielhygler , 24. August 2017 um 23:50.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Karwendel
Tour Datum:21 August 2017
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Mountainbike Schwierigkeit: L - Leicht fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   D 
Aufstieg: 1050 m
Abstieg: 1050 m
Strecke:Lange Bikestrecke
Zufahrt zum Ausgangspunkt:P. kostenlos in Fall vor der Schranke
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Unterkunftmöglichkeiten:Forsthaus Aquila ist nur saisonal und tagsüber bewirtschaftet, kann aber auf Anfrage für mehrere Personen Übernachtungen arrangieren; abends und an Ruhetagen stehen Getränke im Brunnen. Mo. und Di. Ruhetag. Auf allen erreichten Almen: kein Gastbetrieb.
Kartennummer:DAV BY 12 Karwendelgebirge Nord und amtl. Österreichische Karte 1:25 000 Blatt 118 (gut, aber vergriffen) und BLV 1: 100 000 Blatt Fall

Immer wieder Vorkarwendel: im Hochsommer, wenn Leben auf den Almen ist! Zwei wunderschöne Almtäler und einen großen Grasklotz, das Kuhjoch, habe ich mir heute ausgesucht. Es war eine lange Tour mit Kälbern, Gemsen, Pferden, Aussichten und schönen Almgebäuden! Der Goldene Nagel kam obendrauf...



Wunderschönes Vorkarwendel: hier ein Infobild, vom Stierjoch mit der Blickrichtung Süden. Der linke der beiden markanten Grasbuckel ist das *Laurisjoch unterhalb des Grasbergjochs. Den rechten Buckel, das Kuhjoch (1800 m) vor dem Hölzelstaljoch kenne ich noch nicht. Eine schöne Runde über die Hölzelstalalmen (links unterhalb des Kuhjochs) und die Hochstallalmen (rechts unterhalb) zeichnet sich ab. Zur Orientierung gibt es hier dieses Bild nochmal mit den entsprechenden Wegpunkten.

Der schöne und abwechslungsreiche Tourentag:

Die Bike-Wegbeschreibung bis kurz vor den Baumgartenalm-Niederleger ist zunächst identisch mit dieser *Tour. Über den Dürrach-Speicher hinaus darf man eigentlich laut Verbotsschild nicht weiterradeln, aber das muß jeder selber wissen. Schieben ist jedoch legal: ich steige immer ab, wenn ich ein Auto höre oder sehe und niemand hat mich auf vielen Touren hier bisher angesprochen.
"Schlüsselstelle" der Wegfindung ist mittlerweile (8/2017) das in einen Baum eingewachsene Schild zur Tölzer Hütte kurz nach dem Pletzboden, da der Richtungspfeil überhaupt nicht mehr sichtbar ist. (Nachtrag Ende 8 / 2017: ich habe inzwischen auf der nächsten Tour auf das*Kampl den Pfeil erneuert). Doch es fehlen mittlerweile die anderen beiden Schilder zur Ochsenalm und zur Eiskönigalm.
Auf der heutigen Tour geht es am eingewachsenen Schild jedenfalls aufwärts und nach rechts! Nach einem steileren Straßenaufschwung geht es flacher werdend wieder den Baumgartenbach entlang und an einem Lastenaufzug (zum Hölzelstalalm-Mitterleger) linkerhand vorbei bis zu einer großen Wildfütterungsstelle. Jetzt unbeschildert nach links über die Baumgartenbachbrücke zu einer Straße auf der südlichen Seite des Bachs.
Hier deponiere ich (gut versteckt) mein Bike, folge dieser Straße nach links und erreiche in kurzen Serpentinen den Hölzelstalalm-Niederleger. Diese Alm besteht nur noch aus einem Wirtschaftsgebäude, das Wohngebäude existiert schon lange nicht mehr. Bemerkenswert ist hier allerdings eine schöne, alte, schattenspendende Eschenallee.

Nun geht es zunächst auf einem hübschen, old fashioned "Gloaßenweg" immer den Hölzelsbach entlang ansteigend nach Süden. Aus der Straße wird ein schmaler Karrenweg, das Hölzelstal weitet sich und schließlich geht es nur noch über Pfadspuren eine Wiese zum bereits sichtbaren Hölzelstalalm-Mitterleger hinauf. Der hübsche Mitterleger, ein altes Gebäude mit Geranien, ist nur durch seinen Lastenaufzug erschlossen, die Straßen, die von ihm ausgehen (u.a. zum Hochleger) dienen nur zum Hin- und Herführen der Tiere.
Ich begrüße den Almerer und lobe die schöne Alm. "Einsam hier heroben?" "Ja, des macht mir nix" Wir kommen in' s Gespräch. Er ist aus Gaißach bei Bad Tölz. Von Mitte Juni bis etwa 20. September ist er hier heroben. Abgelöst wird er in der langen Zeit nicht, gelegentlich kommt jedoch Besuch. Wie der große Grasbuckel vor dem Hölzelstaljoch genannt wird? "Kuhjoch"! "Aber in den Karten steht nichts?" "Trotzdem, immer schon: s' Kuhjoch". Der Almerer schmunzelt: "Und etz is s' Kuhjoch a no ganz was b' sonders, ham d' Geologen g' sagt. Etz samma scho so lang do herob' n und auf oamoi hams uns a Weltwunder direkt vor d' Nas' n g' setzt, sogar mit Schautafeln! Googeln kann ma' s a, "Goldener Nagel" und "Kuhjoch"" muaßt eigeb' n". Ob das "Weltwunder" Besuch erhält? "Mei, vui ned, aber heuer ham sich' s scho zwoa Wanderer ang' schaut, die hams aus' m Internet g' habt". (Zum Goldenen Nagel: siehe Info weiter unten).
Das interessiert mich natürlich, zumal das "Weltwunder" (zu sehen sollen eine grüne Schutzplane und zwei Schautafeln sein), sich genau im Sattel zwischen Hölzelstaljoch und Kuhjoch zu befinden scheint, wo ich ohnehin hingehen werde.

Doch zuerst gehe ich auf schottrigen Wegen an vielen neugierigen Kälbern vorbei zum Hölzelstal-Hochleger mit einem netten Brunnen. Mittagspause. Von hier kann ich schon das Kuhjoch und den bquemen Anstieg über Almwiesen zum Sattel sehen. Ob ich im Zoom auch schon die Schautafeln sehen kann? Tatsächlich!
Zum Sattel und zum Goldenen Nagel war es dann ein bequemer, wegloser Aufstieg über Wiesen. Die erdgeschichtliche Umwälzung vor 200 Millionen Jahren mit einem "Massensterben" im Übergang vom Trias zum Jura ist dort mit zwei großen Tafeln sehr eingehend beschrieben. Viel Text, ich lese und lese und staune: hier genau soll also die Trias-Jura-Grenze sein! Unter der Plane müßte nämlich auch noch ein versteinerter Ammonit zu sehen sein, der zentimetergenau diesen Übergang zwischen dem nordseitig felsigen Grasberg Hölzelstaljoch, der offenbar dem Triaszeitalter angehört und dem buckligen Kuhjoch des Jura-Zeitalters markiert. Außerdem müßte sich unter der Schutzfolie auch der von einer internationalen Kommission 2011 in einer Zeremonie eingeschlagene Goldene Nagel aus Messing befinden. Solche "Golden Spikes" (im Jargon der Geologen), gibt es nur 60 auf der Erde und der Nagel am Kuhjoch ist der einzige im Karwendel und in Österreich.
Eine nette Bank gibt es hier allerdings auch noch, ich setze mich erstmal und lasse die interessante und gar nicht leichte Lektüre sinken. Dann geht es ein paar einfache Schritte in durch Tiertritte gut gestuftem Gras (es sind nur etwa 50 Hm. zum Kuhjoch (1800 m) hinauf.
Das Kuhjoch ist ein schöner Jura-Buckelgipfel mit weiter Sicht, nur nach Süden kann ich über die durchaus beeindruckenden Trias-Grasberge Fleischbank, Hölzelstaljoch und Grasbergjoch nicht weiter in' s Karwendel hinausschauen (siehe Fotos).

Nun ging es vom Sattel aus absteigend etwas rustikaler weiter, aber die weit gespannten und besonders schönen Grasflächen der Hochstall-Almen, die ich vom Sattel aus schon sehen kann, sind es wert. Es geht weglos nach Westen eine breite Rinne hinab, ich halte mich im teilweise etwas steileren Gras eher rechts und finde dort auch gelegentlich Steigspuren. Unter dem Gras kann ich das Geröll schlecht sehen, aber was soll' s, es ist schnell vorüber. Diese Passage T3, mehr nicht. Ganz ohne Ausgesetzheit, Trittsicherheit angenehm, passieren kann eigentlich nichts. Zum Talboden hin flacht es aus.
Ein praller Sommertag im Vorkarwendel ohne Gemsen, das hatte ich eigentlich noch nie. Aber auch in dieser Hinsicht ist mir der Tag gewogen, denn plötzlich ertönt linkerhand ein Pfiff und ein ganzes Gamsrudel nimmt in ein naheliegendes Geröllfeld Reißaus und bleibt dort stehen.

Die vielbeweideten, sanft abfallenden Grasflächen der Hochstall-Alm haben mir heute landschaftlich am besten gefallen. Solche Weite! Ich kann über die Wiesen bequem hinunterschlendern: als Landmarke dient mir ein großer Hochsitz vor einer kleinen Gekändekante. Zuletzt prägt sich ein Pfad aus und erst am Hochsitz kann ich die Almgebäude direkt unterhalb sehen und...staunen! Der Hochstall-Hochleger ist mit seinen zwei hervorragend erhaltenen Gebäuden vielleicht die schönste Alm, die ich im Vorkarwendel kenne!
Der Besitzer stammt aus Brixlegg und natürlich entspannt sich auch diesmal ein Gespräch: über die Goldene Nadel und vieles mehr. Schließlich frage ich, wie denn der kleine, der Fleischbank vogelagerte Jura-Buckel gleich vis á vis heißt? Richard blinzelt ob dieser Frage ungläubig und lacht: "Mir sagen "Kampl", aber do willst sicher net auffi!" Doch, ich will auf' s Kampl! Noch in diesem August...
Schließlich zeigt mir Richard den direkt zum Hochstall-Niederleger führenden Pfad: es geht dirittissima von der Alm einen Wiesenstrich hinunter. Im Mittelteil verliert sich der Pfad in eine flachen Wiese: hier nicht, einem Grenzstein folgend, nach rechts zum Bach und in den Wald hinab, sondern immer bequem möglichst weit oben auf dem grasigen, breiten Grat bleiben. Schnell wird es wieder etwas steiler und prompt ist der Pfad auch wieder da. Am Hochstall-Niederleger grasen zwei Pferde und auch hier sind die Gebäude wieder traumhaft schön!
Vom Hochstall-Niederleger folge ich dann der abfallenden Straße 15 Minuten nach Osten und komme punktgenau wieder an der Baumgartenbrücke zum Bike-Depot. Beim bequemen Hinausrollen wundere ich mich über die Länge der Strecke und dehne die Zeit zusätzlich aus: mit einer ganzen Halben aus dem Brunnen im Forsthaus Aquila. Vorkarwendel? Immer wieder, ich kann gar nicht genug davon kriegen!

Fazit:

Als Aussichtsgipfel ist das benachbarte und viel weiter nach Norden vorgschobene *Laurisjoch viel schöner als das Kuhjoch. Aber das Kuhjoch bietet eine landschaftlich viel lohnendere Runde! Einmalig die Hochstallalm und ihre Gebäude!
Hier, in der Seite des "Naturparks Kawendel" steht, daß der Goldene Nagel nur von Personen mit "großer Bergerfahrung und absoluter Schwindelfreiheit" erreicht werden kann. Das ist übertrieben, denn von Osten ging es ganz leicht zum Goldenen Nagel hinauf, aber auch mein heutiger Abstieg vom Sattel die erwähnte schottrige Grasrinne nach Westen hinunter war etwas holperig, aber unschwierig und ohne jegliche Ausgesetztheit zu machen. Trittsicher sollte man allerdings schon sein.
Ein Besuch des Goldenen Nagels selbst lohnt sich eigentlich nicht, denn die grüne Plane verhüllt die Fundstelle des Ammoniten sowie auch den Nagel. Wer sich wirklich dafür interessiert: in Hinterriss im Karwendel Info-Zentrum ist das ganze Setting nachgebaut: viel bequemer zu erreichen und ohne Plane!

-------------------------------Kurze Info zum Goldenen Nagel:--------------------------------
Der "Goldene Nagel am Kuhjoch" ist ein "internationaler geologischer Referenzpunkt", man kann ihn natürlich auch googeln und erhält viele Treffer. Das Setting am Kuhjoch ist auch in Hinterriß nachgebaut.
Goldene Nägel ("Golden Spikes"), die zentimetergenau den erdgeschichtlichen Übergang vom Trias- zum Jurazeitalter vor 200 Millionen Jahren markieren, gibt es weltweit etwa 60. Der Geologe Werner Piller aus Graz hat sich nach jahrzehntelanger Forschungsarbeit mit dem Kuhjoch bei der "Geologic Time Scale Foundation" für einen solchen Goldenen Nagel beworben und gegen starke Konkurrenz, unter anderem aus Nevada und Peru, durchsetzen können. Der Goldene Nagel am Kuhjoch befindet sich genau im Sattel zwischen dem Hölzelstaljoch und dem Kuhjoch auf 1760 m Höhe und ist der bisher einzige in Österreich.

Der landschaftlich sehr schöne Kontrast von nordseitig felsigen Grasgipfeln zu sanften, nördlich vorgelagerten Grasbuckeln im Südlichen Vorkarwendel war natürlich auch einem Laien wie mir aufgefallen, denn alle Gipfel von der Eiskönigspitze über das Grasbergjoch bis zur Fleischbank haben schöne, große, vorgelagerte Buckel, etwa Kuppel, Laurisjoch, Kampl und... eben vor dem Hölzelstaljoch das Kuhjoch. Mir als Laien hat' s immer gefallen...
Doch kundigere Geologen haben offenbar seit Jahrzehnten im Südlichen Vorkarwendel alle einschlägigen Sättel zwischen den Grasgipfeln und den vorgelagerten Grasbuckeln genauestens untersucht. Maßgeblich war dabei für die Wissenschaftler nicht etwa das bereits vorhandene Wissen um die in den jeweiligen Sätteln verlaufende Trias-Jura-Grenze, sondern der handfeste Beweis dafür, der erst im Sattel zwischen Hölzelstaljoch und Kuhjoch durch die Auffindung des Ammoniten: psiloceras spelae tirolicum erbracht werden konnte!
Diese Ammonitenfindung war nach Jahrzehnten kraftraubender Latschenkämpfe und mühsamen Felsaufschürfens endlich: der Durchbruch! Am 20.8.2011 wurde der Messingnagel in einer feierlichen Zeremonie eingesetzt und der geologische Referenzpunkt ist jetzt hier gelistet und hier auf derselben Webseite noch genauer beschrieben. Respekt!

Tourengänger: Vielhygler


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