Ost-West-Überschreitung Baumgarten- und Delpsjoch: erst heikles, dann schönstes Steilgraskarwendel!


Publiziert von Vielhygler , 3. August 2015 um 22:51.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Karwendel
Tour Datum:31 Juli 2015
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Mountainbike Schwierigkeit: L - Leicht fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   Vorkarwendel   D 
Zeitbedarf: 10:00
Aufstieg: 1300 m
Abstieg: 1300 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:P in Fall. Kostenlos.
Unterkunftmöglichkeiten:Tölzer Hütte. Im Sommer hat auch das Forsthaus Aquila geöffnet, Zimmerbuchungen möglich, siehe Webseite
Kartennummer:DAV BY 12 Karwendel Nord / Schafreiterund BLV 50000 Karwendelgebirge

Am heutigen Tag soll es von Fall am Sylvensteinspeicher mit dem Bike wieder  weit in`s Vorkarwendel hineingehen: bis zum Baumgarten-Niederleger.  Mir steht  von dort aus ein praller, abwechslungsreicher Bergtag bevor: nach der bequemen, langen Bikestrecke ein  versteckter, aber  markierter Waldpfad auf die Alm, ein wegloser, fordernder Gipfelanstieg, eine luftige, genußreiche Gratpassage, eine gemütliche Hüttenpause und schließlich noch die weichen Graspolster der Alm am See. Dann beim Hinausrollen vielleicht noch ein Weißbier und schließlich: Schwimmen!

Um gleich in medias res zu gehen, Anlassgeber für die heutige Tour war das Baumgartenjoch (1939 m), das ich noch nicht kenne und ich habe mir für die Begehung eine Ostwest-Überschreitung vom Baumgarten-Niederleger zur Tölzer Hütte ausgedacht mit einem Gipfelanstieg von etwa 500 weglosen Hm auf das Baumgartenjoch direkt über seinen östlichen Grat. Eines will ich gleich vorwegnehmen: Die Idee war reizvoll, die Durchführung aber mühsam und heikel. Der Gipfel ist wirklich sehr schön, aber  mit Bike`N`Hike  viel leichter zu erreichen, wenn man vom Depot am Baumgarten-Niederleger zum Baumgartensattel und von dort über freie Wiesen unschwierig zum Baumgartenjoch hinaufgeht. Von dort geht die heutige Runde genauso über Delpsjoch und Tölzer Hütte weiter zum Bike-Depot.    

Auf das Baumgartenjoch (1939 m)...

...bin ich jedenfalls schon sehr gespannt, weil es so eigenständig über den großen Almflächen der Delpsalm steht. Eigenständig wie?  
Das zentale Vorkarwendel neigt zur Bildung überaus langer Grasbergketten über weiten Almflächen. Das ganze Hufeisen vom Lerchkogel bis zur Montscheinspitze: alle machen mit und auch das über der Tölzer Hütte stehende Delpsjoch fügt sich harmonisch zwischen Schafreuter und Schönalmjoch. Alles scheint wohlgeordnet, doch ein einziger Berg tanzt aus der Reihe: das ist das Baumgartenjoch, das sich eigenwillig genau vom Delpsjoch ausgehend nach Osten in einen ganz freien Raum vorschiebt! Somit nimmt das Baumgartenjoch, dessen Steilgrasgipfel schließlich ganz isoliert über 800 Hm direkt über dem gleichnamigen Tal steht, hier eine ganz exponierte Stellung ein. Gute Ausblicke sind natürlich garantiert und ich freu mich schon darauf! Gespannt bin ich außerdem, ob der 2012 errichtete und vor etwa einem Jahr von maxl restaurierte kleine *Steinmann die zwischenzeitlichen "Stresstests" mit Schnee und Stürmen besser überstanden hat als so mache Bank seither die ihren..

Der Gratweg auf das Baumgartenjoch

Wie man bikend und hikend von Fall über den Baumgarten-Niederleger unter die Delpsalm kommt, denn dort nimmt mein wegloser Anstieg zum Baumgartenjoch seinen Ausgang, ist auf meiner Tour auf`s Westliche Torjoch *hier genau beschrieben. Der kleine, gut markierte Weg führt bereits hoch über dem Delpsbach den hier noch breiten Ostgrat des Baumgartenjochs aufwärts. Dort, wo man zur ersten Almwiese kommt, befindet sich ein (lt AV-Karte): Ombrometer. Hier bin ich kürzlich schon gesessen und habe mir den heutigen Anstieg zurechtgelegt. Ich kann die weglose Passage den Ostgrat hinauf gut überblicken. Der obere Teil des Grates ist gut gangbar, das sehe ich. Wie auch die Karte nahelegt, ist eher der untere, waldigere und steilere Teil das Problem. Ich sehe, daß die Gratkante auf der nördlichen Seite scharf ist, aber was heißt das schon? Die südliche, weichere Gratseite, die ich von hier nicht sehen kann, wird bestimmt Ausweichmöglichkeiten bieten. So denke ich, aber es sollte etwas anders kommen..
Los geht`s: Über die Wiese gehe ich sofort links (südlich) auf den Wald zu. Diesen hinauf, es geht sehr gut. Dann kommt links, von Süden, ein weiterer, etwas steilerer Gratkamm, der sich mit meinem Grat vereinigt. Es geht immer noch gut. Jetzt werden die Bäume lichter, ich gehe schon auf steiler werdendem Gras. Der Grat zieht sich immer mehr zusammen und wird zunehmend steiler. Auf die südliche Gratseite zu queren, kommt leider nicht in Frage, weil mich von ihr und ihren gut begehbaren Almwiesen eine immer steiler werdende, große, trichterförmige Grasrinne trennt. Auf der nördlichen (rechten) Seite ist das Gras ebenfalls zu steil. Also direkt am Grat weiter oder gar nicht weiter? Einbahnstraße zum Baumgartenjoch..
Von Baum zu Baum wird das Gras jetzt steiler. Die anfänglich hilfreichen Stecken sind längst schon im Rucksack. Platz ist hier nicht mehr viel. Aussagekräftig fotografieren kann ich diese Passage gar nicht. Nun folgen erdige und steile, steinige Absätze mit Graspolstern dazwischen und es wird richtig eng. Vom schmalen Grat in die feuchten, grasigen Hänge abrutschen hieße hier auch schon: Absturz. Den besten Halt für wenigstens einen Fuß bietet jeweils ein manchmal auch morscher Baum oder auch ein Bäumchen, soweit vorhanden. Gut bewährt sich das Freilegen von „henkeligen“ Wurzeln für die Hände. Sie sind viel stabiler als die Steine, die hier nicht gut halten. Einmal lockere ich versehentlich einen Brocken, den ich dann sehr vorsichtig in die Tiefe lanciere, damit er mir nicht auf den Fuß fällt, den ich von einem Baumstamm gar nicht wegbewegen kann.  
Schließlich, direkt vor einer noch steileren Passage will ich schon umkehren, denn "Hinaufpokern" kommt hier für mich keinesfalls in Frage. Ich könnte das ganze durchaus noch sehr bedächtig wieder absteigen. Doch just hier hat sich die Trichter- Grasrinne links endlich mit dem Grat zusammengezogen und ich kann dorthin nach Süden ein Stück hinausqueren. Große Erleichterung -  Gehgelände!
Kurz darauf wird das Gras noch einmal etwas steiler und ich muß kurz zum Grat zurück. Eine sehr bröckelige, aber besser strukturierte und weniger ausgesetzte Felsstufe wird überkraxelt und gleich oberhalb: ein Szenenwechsel, wie er abrupter nicht sein könnte, denn hier beginnen urplötzlich sanfteste Wiesenhänge und ich kann das Baumgartenjoch schon sehen. Bingo! Ich sinke unter eine (die letzte Grattanne) und rauche eine Zigarette. Pause.. verdient!
Fazit dieses Gratanstiegs: eine schöne Idee, aber mühsam und unangenehm in der Praxis!: Das Baumgartenjoch erreicht man Bike`N`Hike vom Niederleger viel bequemer über den Baumgartensattel!
 
Die Graswiesen zum Baumgartenjoch – Übergang zum Delpsjoch – Tölzerhütte (T3)
 
Ich erreiche das Baumgartenjoch nach einem bequemem Grasanstieg, der sich aber  etwas in die Länge zieht, denn  es sind noch etwa 300 Hm vom Ausstieg aus dem Steilgras- und Bröckelfelsverhau.
Das Baumgartenjoch ist ein toller Gipfel mit besten Ausblicken! Die Gipfelhöhe ist ideal und man sieht über die Fleischbank – Kompar- Kette hinweg das faszinierende Karwendel:  Sonnjoch, Gamsjoch, Falken..einfach wunderbar! Ich will gar nicht mehr weg hier!
Der 2012 errichtete und von Maxl restaurierte Steinmann war etwas zerbröckelt, aber noch klar erkennbar. Ich habe ihn wieder um ein paar Steine erhöht (siehe Foto)
Vom Baumgartenjoch geht es auf Pfad direkt an der Gratkante wunderschön weiter. Ein einsamer Überweg, der fast eben dahingeht. (Wem die Abstürze nach Norden zu exponiert sind, kann südlich auf das Almgras ausweichen, hat aber dann mehr Geröll unter den  hochgewachsenen Büscheln.)
Vom Delpsjoch werfe ich noch einen wehmütigen Abschiedsblick auf das Baumgartenjoch und gehe in wenigen, leichten Schritten zur Tölzer Hütte. Der Kaffee dort : nie wieder, aber ich bekomme, was leider nicht mehr überall üblich ist, auch einen halben Liter Teewasser für die extra mitgebrachten Teebeutel. Danke!
 
 Abstieg und Ausklang (T2)
 
Der Hinausweg, ein weiteres landschaftliches Highlight, erfolgt über die wunderbar weiten Almflächen der Delpsalm am Delpssee mit Kühen, Pferden, Murmeltieren, Gemsen.. bevor ich das o.g. Ombrometer wieder erreiche. Nun rasch hinab zum Bikedepot  am Baumgarten_Niederleger und von dort aus rolle ich über gut zu fahrenden Österreichischen Bröselschotter das Baumgarten- und Bächental hinaus
 
Der Ausklang der heutigen Tour

erfolgt erfüllt und dankbar im Forsthaus Aquila bei einem Weißbier. Mehr als heute kann ein Bergtag eigentlich nicht bieten! Und dennoch kommt schon wieder eine neue Vorfreude auf: auf den Komfort – "Downhill " auf Bajuwarischem Teer - teils freihändig mit den Händen im Nacken, wie ich es liebe - bis nach Fall.. und vielleicht gehe ich ja sogar noch schwimmen..
 
Wir sehen uns, On Top oder im Netz, schöne Touren wünsch`ich!


Tourengänger: Vielhygler


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