mit Mutter auf dem Jakobsweg


Publiziert von WoPo1961 , 13. August 2016 um 07:31.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Bayrische Voralpen
Tour Datum:17 Juli 2016
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 2 Tage 14:00

Bevor ich bis zum Hikr Treffen 2016 garnix auf das virtuelle Hikr Papier tippe, kann ich Euch vielleicht eine kleine Episode aus dem Leben des Schweizkappenträgers berichten.
Also,
 Vorhang auf zur fröhlichen Pilgerfahrt:

Prolog:

Meine herzallerliebste Mutter hatte sich in ihrem jungen 77. Lebensjahr die Begehung des Münchener Jakobsweges als neueste Lebensaufgabe in den Kopf gesetzt. Dieses Unterfangen alleine läßt mich ja schon den Schweizhut ziehen. Aber um noch ein paar Schippen oben drauf zu schaufeln, wurde die Begehung nicht in eine etwas kühlere Jahreszeit gelegt, sondern in die 2. Julihälfte. Gut, zugegebenermaßen bin auch ich nicht immer für die ganz pfiffigen Ideen bekannt, aber ob dieser doch etwas gewagten Startzeit erhob der Sohn dann doch den mahnenden Zeigefinger und versuchte mit guten Argumenten einen vielleicht besseren Startzeitpunkt zu nahezulegen. Aber wenn 77jährige Mütter einmal einen Plan haben, dann wird davon auch nicht abgewichen. Außerdem war es in der Planungsphase (Anfang Juni) auch noch alles andere als warm.
Zu Mutterns Plan gehörte weiterhin, dass der brave Sohn sie auf den Weg bringen sollte. Auf den Weg bringen hieß hier, sie auf den ersten beiden Etappen zu begleiten.
Der Sohn kam vor lauter Begeisterung kaum in den Schlaf, aber weil er eben doch auch wirklich ein braver Sohn ist, zitierte er die berühmte Aussage "Yes, we can" und fügte sich seinem Schicksal. Die Mutter strahlte und strich mit einem Spucken in die Hand dem Sohn über seinen nicht mehr vorhandenen Scheitel... fein, hätten wir DAS schon mal geklärt!

1. Akt:

Ankunft am 17. Juli 2016 in München.
Mutter hatte für`s Übernachtungsquatier gesorgt... "günstig und zentral" war ihre Aussage hierzu. Dies hätte mich eventuell auch etwas stutzig machen können. Aber man möchte ja nicht immer alles und jedes ausdiskutieren. Und ja, ihre Aussage hatte Qualität, denn kaum 300m vom Hauptbahnhof München entfernt, stand tatsächlich sehr zentral die Pension. Zwischen "Casablanca-Bar" und "Beate Uhse" und "Dollys Oben-ohne-Nachtlokal" durften wir unser pilgertaugliches Nachtlager betreten. Heimelige Atmosphäre der etwas anderen Art!!! Besonders in den späteren Abendstunden wurde dabei Kommunikation ziemlich groß geschrieben.
Wer schon einmal bei gefühlten 30 Grad nachts am offenen Fenster im Hotelbett lag und sämtliche Gespräche auf der Straße mitbekam, der weiß ungefähr wie "gut" ich in dieser Nacht schlafen konnte. Als endlich gegen 05.00 Uhr der Lärm beendet war, fing Mutter an zu schnarchen. Ihr Schnarchen war aber nicht laut genug, um die auf der Straße kreisenden Kehrmaschinen ab 05:27 Uhr zu übertönen..

2. Akt:

Start am Montag, den 18. Juli
Beim morgendlichen Rucksack packen sah ich unerwartet ein paar Sachen vor mir liegen, die eindeutig nicht mir zuzuordnen waren. 5 bayrische Wanderkarten, 1 Wanderbuch, eine 1 Liter Trinkflasche, eine Regenjacke, usw... Mit einer mütterlichen Selbstverständlichkeit wurde dem Sohn unverzüglich mitgeteilt, das sie nur ein paar Kleinigkeiten umverteilen müßte. Die würden zu Beginn der Reise in ihrem Rucksack nur stören... No Comment!!!!
Nach dem Frühstück ging es endlich los.
Vom Münchener Hauptbahnhof ging es straigt ahead in Richtung Stachus und ohne Umwege weiter zum Marienplatz. Wer hier nun ein Hinweisschild für den Beginn des Jakobweges erwartet, wird lange suchen müssen.... und wahrscheinlich auch noch in einigen Jahren suchen. Nüscht, würde der Berliner sagen, ist dort zu finden. Das erste Zeichen, den Jakobsmuschelaufkleber, fanden wir am anderen Ende des Marienplatzes in Richtung Isar auf einer Hinweistafel.
Bis zur Ludwigsbrücke ging es geradeaus, dann musste man nach der Brücke rechts zur Isar hin abbiegen. So stand es im Wanderbüchlein. Ein Zeichen, dass es dort auch tatsächlich rechts zur Isar ging, fanden wir auch nach 5 minütigen Suchen nicht. Wer kein Wanderbuch zur Hand hat, hat hier jedenfalls ein Problem.
Nach etlichen Metern zur Isar hinab fanden wir dann aber tatsächlich das entsprechende Zeichen.
Für die näxten Stunden ging es nun die Isar entlang. Mal im wohltuenden Schatten, mal in der prallen Sonne. Denn ja, vom blauen nicht ganz wolkenfreien Himmel erledigte der entsprechende Stern seinen Job... und zwar prächtigst!! Das Mutter-Sohn-Duo ließ sich davon aber noch nicht beeindrucken, es wurden entsprechende Vorsorgemaßnahmen ergriffen und schon sah man beige und rote Kappen auf ihren Köpfen.
In Höhe Marienklause wurde über eine Fussgängerbrücke die Flussseite gewechselt
Doch trotz der Kappen freuten sie sich über jeden Meter Schatten und erst recht über das Hinweistäfelchen auf den Wald- Biergarten Großhesselohe. Da wurden sogar 200 zusätzliche Meter bergauf in Kauf genommen.
Wenn Mütter sogar 200 zusätzliche Meter in Kauf nehmen, sind sie in einer ziemlichen spendablen Laune (wenn sie die 200m endlich geschafft haben!! ). Die Gunst der Stunde musste genutzt werden, es gab eine erfrischende Runde.

Mit dem richtigen Getränk im Bauch ging es dann später wieder weiter die Isar entlang. Das richtige Pilgergefühl setzte bei mir jedoch noch nicht wirklich ein. Lag vielleicht auch an der dahin fließenden Isar. Ist ja ganz nett so ein Flüsschen, aber nach einigen Stunden fehlte mir hier und da ein bisschen die Abwechslung. Kaum hegte ich den Gedanken "Mutter, mir ist fad" zu äußern, ging es von der Isar weg in ein Waldgebiet. Positiv ausgedrückt: "herrlich, wir haben endlich Schatten". Leider gab es da auch einen Haken am Schatten, ich "hatte Mücken". Während Mutter fröhlich und gut gelaunt mückenfrei durch`s Leben zog, versammelte sich die komplette Mückenschaft vom Isarwald ... und zwar unmittelbar an Wade, Ellenbogen und sonstigen Körperstellen des Pilgersohnes.... und ich mochte wirklich noch nie den Satz: hör auf zu kratzen, DAS macht es nur noch schlimmer!!"
Mütterliche Fürsorge tut ja soooooo gut !

Bis Kloster Schäftlarn war es dann aber nicht mehr ganz so weit und meine Mückenspuren wurden "tapfer" mit der richtigen " 1/2 Liter-Medizin" bekämpft. Den kleinen, abschließenden Spaziergang hinauf nach Schäftlarn/Ebenhausen gefiel Mutter dann nicht mehr ganz so gut, aber mein freundschaftliches Angebot der 2-Rucksack-Schleppung wurde trotzdem negativ beschieden. Wenn da mal nicht jemand ihren eigenen persönlichen Stolz hatte!

3. Akt:

Dienstag, 19.07.2016
Nach einer geruhsamen Nacht ohne Großstadtlärm sah man Mutter und (braven) Sohn schon früh am Morgen an Strauch und Baum vorbei dahinpilgern. Eine der längsten Etappen stand heute auf dem Programm.
Der Wetterchef hatte hierfür extra das Special-Pilger-Warmfühl-Programm ausgesucht und entsprechend den "Ofen" angeheizt. Hier und dort taten aber schattige Momente ihr Bestes, um uns lockeren Fußes über Haarkirchen durch den Neufahrner Forst nach Manthal gelangen zu lassen.
Der unbedarfte Pilgersohn machte dort eine neue Pilgererfahrung: Pilgerwege gabeln sich gerne hier und dort einmal. So auch kurz vor Manthal. Variante A geht südlich in Richtung Münsing und dann per Schiff über den Starnberger See. Variante B geht nördlich über Starnberg am gleichnamigen See vorbei.

Der immer noch unbedarfte Pilgersohn nahm "Umschlag B" und traf damit - wie sich später noch heraus stellen sollte - die falsche Entscheidung.
Zunäxt aber erreichten wir nach dieser Entscheidungsfindung  einige Schweißtropfen später den Starnberger See. Mutter zeigte leichte Ermüdungstendenzen und der brave Sohn gönnte ihr und sich eine entsprechende Pause am See.
Leider tat dem braven Sohn die Pause nicht so richtig gut, denn kaum wieder in Bewegung gesetzt, verpasste das Pilger-Dream-Team einen wichtigen Abzweig und sie zogen die folgenden 1,5 Kilometer in die falsche Richtung. Falsche Fuffziger kann man ja vielleicht noch wieder los werden, falsche 1500 Meter müssen leider in der Mittagshitze zurück gegangen werden. Tut doppelt weh, wenn man dabei an eine kühle Schifffahrt über diesen See denken muss. Aber wer (Umschlag) A nicht nahm, muss (Umschlag) B nun auslöffeln.
Bis wir dann endlich Starnberg hinter uns liegen hatten, waren gefühlte 2-7 Ewigkeiten vergangen und Mutter`s Pilgerhochgefühl weg. Der Sohn schenkte eine zusätzliche Pause und die Mutter ihm ein Lächeln.
Danach ging es in die Maisinger Schlucht!
Wald = Schatten = Mücken= hör auf zu kratzen....Sohn gab daraufhin das ihm unlängst geschenkte Lächeln vorüber gehend zurück.
In Maising hatte der schön gelegene Biergarten leider ausgerechnet Dienstag seinen Ruhetag. Mutter verlegte daraufhin IHREN spontanen Ruhetag auf eine Bank im Bushaltestellenbereich. Leider waren bis Herrsching noch einige Kilometer unter die Wanderschläppchen zu nehmen, so dass der böse Pilgersohn nach wenigen Minuten wieder zum Aufbruch mahnte. Ja, das Pilgerleben ist eines der Härtesten. 

Am bald darauf erreichten Maisinger See tat sich unverhofft eine kleine Überraschung auf: ein offener Gasthof mit entsprechenden Flüssigkeitsangeboten.. hach,was ist das Pilgerleben doch schön!

Bis Aschering zeigte leider dann die Sonne ihr wahres Gesicht und brannte uns auch die letzten noch vorhandenen positiven Pilgergefühle aus dem Leib. Für 77 jährige Mütter nicht unbedingt die optimale Voraussetzung um ehrgeizige Ziele zu erreichen. Da halfen sogar zusätzlich gegönnte Pausen nicht mehr. Aber mit Hilfe von anderen geeigneten Maßnahmen, die eine plötzlich auftretende Gewichtsreduzierung bei der Einen und eine ebenso plötzliche Gewichtszunahme beim Anderen in Form eines kompletten Rucksacks vorsah, konnte am späten Nachmittag Andechs erreicht werden.

letzter Akt:

Der Rest vom "Pilgerfest" in Kürze. Mutter am Ende ihrer Kräfte fuhr mit Taxi nach Herrsching. Sohn noch nicht am Ende seines Ehrgeizes wollte auch die letzten "schlappen Kilometerchen" mal eben locker auslaufen. Fast hätte er dabei aber seinen letzten Anschlusszug von Herrsching nach München verpasst.

Und die Moral von der Geschicht,
geh bei SONNE den Pilgerweg nicht....

Tusch und Vorhang zu.





 


Tourengänger: WoPo1961


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (6)


Kommentar hinzufügen

klemi74 hat gesagt:
Gesendet am 13. August 2016 um 20:24
Herrlich zu lesender Bericht und Deine Mäm isr ja echt noch fit - dürften am zweiten Tag so ca. 35km gewesen sein?!

Wie weit ist sie denn letztendlich gekommen?

Gruß,
Karsten

WoPo1961 hat gesagt:
Gesendet am 14. August 2016 um 06:59
Moin Karsten
Sensible Frage, die du stellst. Leider hat Muttern nach der dritten Etappe eine "kleine, schöpferische" Pause eingelegt und ist wieder nach Hause gefahren. So ohne braven Sohn wollte sie nicht weiter durch die Lande pilgern. Lag vielleicht aber auch eher am immer noch
heissen Wetter und an den Nackenschmerzen vom ungewohnten Rucksack tragen. Dem Autor liegen aber schon neue Pläne vor, es wird bald wieder weiter gepilgert
Vielen Dank fürs kommentieren und einen Gruß aus Flachlandhausen vom
WoPo

roger_h hat gesagt:
Gesendet am 14. August 2016 um 15:37
Mutter? Das ist doch deine Schwester! Frag mich um der Freundschaft willen aber nicht, ob sie so jung oder du so alt aussiehst :-))

WoPo1961 hat gesagt: RE:
Gesendet am 14. August 2016 um 22:48
Soh, mein lieber Schweizer Freund und Hikr Treff Organisator! Mit deinem Kommentar hast du dich nun selbst auf gaaaanz gefährliches Glatteis gebracht. Wenn Muttern nämlich deinen Zeilen liest, will sich dich vom Fleck weg heiraten oder mindestens adoptieren! !! Naaa an , was ist dir lieber, mein Freund? ?? :-))

nevada hat gesagt:
Gesendet am 14. September 2016 um 20:56
Toll, dass Du mit Deiner Mama gepilgert bist!:-) Übrigens: der Pilgerweg führt auch durch Konstanz! (fürs nächste Mal ;-))
Ganz liebe Grüße

WoPo1961 hat gesagt: RE:
Gesendet am 15. September 2016 um 20:28
Möchtest du wirklich, das meine Mutter in Konstanz vorbei schaut??? Denn ich hatte sie ja nur auf ihren (Pilger)Weg gebracht und die ersten 2 Etappen mit gemacht... und wenn ich mal ,so unter uns ,ehrlich bin, so richtig gepackt hat mich das Pilgerfieber nicht. Da mag der WoPo schon etwas anspruchsvollere Wege lieber... aber Muttern hatte sich natürlich gefreut, das der brave Sohn sie ein kleines Stück begleitet hatte. Nett, so'n Sohn :-)


Kommentar hinzufügen»