Westlicher Freiheitsturm und Fälentürm (Überschreitung)


Publiziert von Delta Pro , 24. Juni 2014 um 08:25.

Region: Welt » Schweiz » Appenzell
Tour Datum:22 Juni 2014
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-AI   Alpstein 
Zeitbedarf: 8:30
Aufstieg: 1810 m

Exponierte Alpsteingrate im Multipack - ein weiterer Super-Tag auf der mittleren Kette mit Maveric

Die Überschreitung der Freiheitstürm ist wohl eine der anspruchsvollsten, klassischen Grattouren im Alpstein. Doch, "heute kann sich kaum mehr jemand dafür begeistern" meint der Gebietsführer. Hikr ist (natürlich) der einzige Lieferant für fundierte und aktuelle Infos. Es gibt Berichte von Urs (1) und und radivi und Maveric (2). Es ist nun schon zum dritten Mal, dass Maveric und ich mit vollem Kletterrucksack von Wasserauen zu den Freiheitstürm ziehen: Beide Male machte uns der Regen schon am Einstieg zu den Borsthalden den Garaus. Heute stimmte der Wetterbericht. Doch als wir bei der Meglisalp die über die Grate jagenden Wolken erblickten, kamen Zweifel auf. Auf den schärfsten Graten des Alpsteins bei Sturm? Ungeschickt! So wurde auch diesmal nichts mit der geplanten Gesamtüberschreitung des westlichen und des (schwierigeren) östlichen Freiheitsturmes. Das Ersatzprogramm konnte sich jedoch sehen lassen! Nachdem wir Seil und Kletterzeugs deponiert hatten, erkletterten wir den westlichen Freiheitsturm und überschritten ihn spontan hin und zurück. Dann ging es weiter über die mittlere Kette mit der graniosen Überschreitung der Fälentürm. Eine Tour, die nur dem Kenner von teils brüchigen und sehr ausgesetzten Alpstein-Graten zu empfehlen ist. Für uns aber ein Hochgenuss.
Nach der strengen Schesaplana-Rundtour am Vortag, konnte ich dieses Wochenende die 5000 Höhenmeter Aufstieg voll machen und war erstaunt wie schnell sich die Beine über Nacht wieder erholt hatten. Nach der Lektüre der "Grenztour Graubünden" und der unglaublichen Leistungen der beiden weiss ich aber was möglich ist.


Start um 6.30 in Wasserauen und über den Schrennenweg zügig zur Meglisalp und zum Einstieg der Borsthalden-Route. Während vor einigen Jahren die optimale Linie in diesem Aufstieg noch ein Rätsel darstellte, ist der alte Weg nun dank vielen Beschreibungen auf Hikr bekannt und Maveric kennt hier eh jeden Stein. Über steiles Gras, im oberen Teil auf Wegspuren in den Schafbergsattel (bei richtiger Routenwahl nicht mehr als T5).
Schon unten im Tal mussten wir erstaunt feststellen, dass der Wind heute zum Hauptproblem werden würde. Nun auf der Grathöhe erreicht dieser in Böen Spitzen, bei denen man nicht auf einem messerscharfen Grat balancieren möchte… So müssen wir uns schweren Herzens entscheiden auch dieses Mal auf die komplette Überschreitung der Freiheitstürme zu verzichten. Der westliche Turm, auf welchem Maverics Gipfelbuch schlummert, sollte jedoch erreichbar sein.
 
Westlicher Freiheitsturm (Überschreitung, T6, II, WS+)
Der höhere der beiden Freiheitstürme ist auf zwei Routen im gehobenen Alpinwanderbereich erreichbar und Maveric von vielen Begehungen wohlbekannt. Die eine folgt dem Westgrat (siehe auch Bericht von marmotta) und die andere geht durch die Südflanke (wie auch im SAC-Führer beschrieben). Der Westgrat ist ohne Seil machbar. Die drei felsigen Aufschwünge unter dem Gipfel erfordern aber grosse Konzentration wegen der schlechten Felsqualität.
Vom Schafbergsattel wenige Meter absteigen bis in die Südflanke eingestiegen werden kann. Durch steiles Schrofengelände ohne Probleme zur Grasflanke (ca. 50°) und durch eine unvergleichliche Blumenpracht auf die Grat-Schulter. Über ein schmales Grätchen zum ersten Aufschwung (ca. II+ auf 7m, guter Fels). Der nächste Aufschwung ist weniger steil, besteht aber aus grossen locker aufeinander geschichteten Blöcken und ist sehr exponiert. Der Schlusspunkt ist die dritte, relativ kurze Stufe zum Gipfel, welche direkt an der Kante erklettert wird. Auch hier wackelt ziemlich alles und Griffe und Tritte wollen sorgfältig gewählt sein.
Da der Wind nun etwas nachgelassen hat, beschliessen wir dennoch eine „Wanderung“ über den Grat bis zur Abseilstelle zu machen. Der Abstieg vom Gipfelkopf ist einfach, der anschliessende Grat eigentlich auch – doch viel luftiger geht nimmer. Die fast horizontale, ca. 150 Meter lange Schneide ist zwischen 20cm und 1m breit. Auf beiden Seiten geht es aber buchstäblich senkrecht in die Tiefe. Wahrscheinlich könnte man mit den Händen im Hosensack darüber spazieren. Doch irgendwie lässt dies die Psyche nicht zu. In gebeugter Haltung huschen wir über den Grat und erreichen nach wenigen Minuten vom Gipfel die Abseilstelle („Fleischerhaken“) auf dem Felskopf am Ende des westlichen Freiheitsturmes. Nach kurzer Rast geht es zurück auf den Gipfel und über die drei Felsstufen des Westgrates hinab.
 
Fälenschafberg, Schafbergturm (T5, I)
Ohne das schwere Kletterzeug wandern wir nun zum Gipfel des Fälenschafbergs und weiter zum Schafbergturm, welchen wir in kurzer Kletterei (I) durch die Nordflanke erreichen. Diese Route ist von oben schlecht einsehbar, stellt im Aufstieg aber eine gute Abkürzung dar. Nach Ende die Gras-Fels Flanke über einen kurzen Grat und in wenigen Schritten zum Gipfel. Abstieg durch die Rinne (Normalroute).
 
Überschreitung Fälentürme (T6, III, WS+)
Seit radivi die Überschreitung der Fälentürm „wiederentdeckt“ hat, ist bekannt, dass es dort, nicht wie im SAC-Führer beschrieben, nur schrecklich brüchigen Fels gibt, sondern eine durchaus lohnende Kletterei über einen eindrücklichen Grat.
Über die Grasflanke und schliesslich in leichter aber luftiger Kraxelei zum östlichen Fälenturm. Von dort öffnet sich der Blick auf den weiteren, wilden Gratverlauf und die Gipfelwand. Abklettern am Felsenfenster vorbei und dann hinab in die Nordflanke, wo die beiden Felszähne umgangen werden. Die Gipfelwand – viel weniger steil als in der direkten Ansicht – lässt sich in deren Mitte durch eine Rinne mit guten Griffen ersteigen (II+). Anschliessend durch plattigen, einfachen Fels zum Mittleren Fälenturm, wo seit 2011 das Gipfelbuch von Urs liegt. Von den 7 Einträgen seither stammen deren 5 von Maveric, was die Verhältnisse an diesem Gipfel deutlich ausdrückt. Der weitere Gratverlauf ist nun einfacher, die Route erfordert aber dennoch Vorsicht, da der Fels teils brüchig und die Schneide exponiert und schmal ist.
Auf dem westlichen Fälenturm fragen wir uns nun, was der beste Rückweg wäre: Nochmals über den Grat, oder am Nordfuss durch die Geröllhalde (mit ehemaligem Weg) der Löchlibetter. Was ist schneller: 500m ausgesetzte Grat-Kletterei oder 1000m Geröllfeld-Querung? Wir machen die Probe aufs Exempel. Maveric geht oben durch, ich wähle die Nordflanke. Nach 21 Minuten und alles andere als langsamer Gangart erreiche ich das östliche Ende der Fälentürm ca. 30 Sekunden vor dem Kletterkollegen. Kein Steinbock könnte die Überschreitung der Fälentürm wohl schneller bewältigen…

Zurück zum Schafbergsattel und rasend schnell durch die Borsthalden zur Meglisalp. Auf dem Weg nach Wasserauen überholen wir geschätzte 200 Personen – die ganze Ostschweiz war heute im Alpstein unterwegs.

Tourengänger: Delta, Maveric


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Kommentare (7)


Kommentar hinzufügen

Urs hat gesagt: Genial
Gesendet am 24. Juni 2014 um 12:06
Super Tour, Bilder und Bericht. Gratulation.

Gruss Urs

TeamMoomin hat gesagt: Toller Bericht
Gesendet am 24. Juni 2014 um 12:41
mit schönen und eindrücklichen Bildern. Freue mich immer wieder durch euch im Alpstein Touren quasi virtuell miterleben zu dürfen die für mich über meinem Können sind, Merci!

Lg Oli und Moomin

Andy84 hat gesagt:
Gesendet am 24. Juni 2014 um 13:43
Wieder mal eine sehr geniale Runde von euch.
Im Alpstein geht es schon wild zur Sache, da muss ich wohl auch mal mal hinschauen.
Tolle Bilder.
VG Andy

Simone86 hat gesagt:
Gesendet am 24. Juni 2014 um 16:12
Amazing!!!

Nik Brückner hat gesagt: Hammer!
Gesendet am 24. Juni 2014 um 20:43
Was für eine Tour - und was für ein schöner Grat! Werde grat scharf....

Gruß,

Nik

pboehi hat gesagt: Rückweg
Gesendet am 29. Juni 2014 um 21:18
Als Rückweg bietet sich natürlich auch der Löchlibetterweg an, so wäre die Runde komplett.

Delta Pro hat gesagt: RE:Rückweg
Gesendet am 30. Juni 2014 um 17:53
Klar. Wir hatten aber Seil etc im Schafbergsattel deponiert und der Löchlibetterweg hatte noch ein paar recht steile Schneefelder drin, welche wir ohne entsprechende Ausrüstung nicht machen wollten.
Gruss Delta


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