Zwei Kölner auf dem Dom - mit Schrecksekunde


Publiziert von Solanum , 28. August 2013 um 15:13. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum:25 Juli 2013
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS   4000er 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 3100 m
Abstieg: 3100 m
Strecke:Randa - Domhütte - Festijoch - Normalweg Dom
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Parkieren kann man auch im Ortskern von Randa. Neben dem öffentlichen Parkplatz (max. 8 h) kann man - sofern man höflich nachfragt - sein Fahrzeug gegen einen kleinen Obulus auf einem privaten Innenhof direkt neben dem Parkplatz abstellen.

Letzter Teil unserer (Theresa und Ich) Hochtourenwoche 2013 im Wallis. Die Tour sollte der krönende Abschluss der Woche werden. Das war sie auch, lieferte uns aber auch einen Erlebnis, daß man als Bergsteiger wirklich nicht erleben möchte und dessen Erinnerung mir immer noch das Blut in den Adern gefrieren lässt. Auch wenn letztendlich alles gut ausgegangen ist. Aber der Reihe nach:

Tag 1/Hüttenzustieg:

Nachdem wir es am Vortag mit dem Allalin eher gemütlich haben angehen lassen und wir uns mit einer Nacht im Hotel gut erholen konnten, wurde es jetzt ernst. Nun würde sich zeigen, ob unser Akklimatisationsprogramm mit zwei Viertausendern und zwei Nächten im Tal  (Go high, sleep low!) erfolgreich war. Bei Theresa machten sich leider erste Anzeichen einer Erkältung bemerkbar, aufstecken wollte sie jedoch dennoch nicht. Also probierten wir es. Vor dem Erfolg haben die Götter jedoch den Schweiss gesetzt. In unserem Fall: Viel Schweiss. Schließlich sollte heute der heißeste Tag des Jahres werden, und der Zustieg zur Domhütte verläuft auf 800 der 1600 Höhenmeter voll in der Sonne. Wir gingen es gemütlich an. Kraft sparen für den nächsten Tag, so lautet unser selbstverordnetes Erfolgsrezept. Zunächst stiegen wir in mittlerer Steigung durch den Lärchenwald. Auf halber Strecke gings dann aber mitten in den Sonnenhang. Zum Glück wehte jedoch eine leichte Brise, die uns das weitere Steigen halbwegs erträglich machte. Über ca. 500 Höhenmeter muss man eine Art versicherten Steig durch teilweise recht exponiertes Gelände aufsteigen. Eigentlich harmlos - dachte ich. Aber ich will nicht vorweg greifen. Nach gut 4 Stunden erreichen wir die renovierte Domhütte, zu der wir fast nur Positives zu berichten haben. Die Lager sind gut und bequem ausgestattet, die Wirtsleute ausnehmend nett und das Abendessen war wirklich sensationell gut.

Tag 2:

Wir standen gegen 02:15 Uhr auf, da laut Nachfrage am Vorabend das Frühstück um halb 3 stattfinden sollte. Das tat es auch, zumindest an den Vortagen. Die Frühstückszeit war für unseren Tag auf 03:00 Uhr umgestellt worden. Leider hatte das einer der Küchenjungs nicht mitbekommen und uns noch den alten Termin mitgeteilt. So kam es, daß wir im stockfinsteren Frühstücksraum (manche von uns mit etwas säuerlicher Miene) eine halbe Stunde auf das Frühstück warten mussten. Um halb vier brachen wir dann endlich quf. Zunächst folgten wir der Moräne des Festigletschers bis zum Anseilpunkt. Nach dem Anseilen spielte sich sogleich wieder das obligatorische Drama der intensiv geführten Elefantenrennen um die vordersten Startpunkte für den Einstieg ins Festijoch ab. Eine Zweierseilschaft wäre hierbei beinahe in eine verdeckte Spalte gestürzt. Auf dem Festigletscher verbergen sich doch eine ganze Menge tiefster Löcher, die im Dunklen nicht gut auszumachen sind. Den Einstieg ins Festijoch bei einer schuttbedeckten Rinne im Eis erreichten wir dann etwa im Mittelfeld der Seilschaften. Der Morgen graute schon und die Spitzen von Weisshorn und Co. leuchteten im zarten Rosa. Die folgende Kletterei ins Festijoch war nun genau das Richtige um die Morgenkühle zu vertreiben. Im Festijoch angekommen mussten wir uns nun entscheiden: Festigrat oder Normalweg. Unsere Bergführerin Silvia wäre wohl gerne mit uns den Festigrat gegangen, den sie uns ausdrücklich zutraute. Allein mir war nicht ganz wohl bei dem Gedanken den Grat evt. wieder abklettern zu müssen, sollte einem von uns die Kraft ausgehen. Also dann über den Normalweg. Möglichst rasch den Hängegletscher umgehend stiegen wir nun den Hohbärggletscher in Richtung Lenzjoch auf. Auf etwa 4000 Metern schwenkt die Route nun nach rechts in die Flanke des Doms. Nach einer langen Traversierung wurde es nun richtig steil (bis 40 Grad). Durch knietiefen Pulver hechelten wir unserer Bergführerin nach. Verdammt strenge Geschichte, aber Höhenkopfschmerzen hatte ich immerhin diesmal keine. Dennoch: der letzte Aufschwung zwischen Vorgipfel und Gipfel wollte fast nicht enden. Doch irgendwann war auch das geschafft, der Grat vor uns neigte sich zurück und es ging in alle Richtungen nur noch bergab. Als wir dann endlich oben standen, ließ uns Silvia keine Zeit darüber nachzudenken, ob der schmale Firngrat zum Kreuz nicht etwas luftig wäre und im nu hockten wir dort und schauten in die Tiefe nach Saas Fee, wo wir die Woche verbracht und jeden Abend sehnsuchtsvoll hier herauf geschaut hatten. Well done! Tiefblauer Himmel! Wohlwissend, daß der lange Abstieg noch bevorstand, saugten wir diesen Augenblick tief in uns auf. Die Sorgen des Alltags wirken in solchen Augenblicken so unwirklich klein....

Abstieg:

Nach einer Viertelstunde am Gipfel machten wir uns wieder auf den Weg nach unten. 3100 Höhenmeter sind verdammt lang, aber noch eine Nacht wollten wir nicht auf der Hütte verbringen. Der Abstieg bis zum Festijoch verlief unspektakulär. Beim Abklettern am kurzen Seil (unschöne Sache) auf den Festigletscher beging ich jedoch einen Fehltritt im wahrsten Sinne des Wortes. Mit den Steigeisen blind unter einem Vorsprung nach einem Tritt stochernd, vernahm ich plötzlich einen unterdrückten Schmerzensschrei von der unter mir kletternden Theresa. Ich war ihr auf den Zeigefinger getreten. Zum Glück konnte sie ihre Hand noch rechtzeitig weg ziehen. Verdammter Mist! Unten auf dem Gletscher rasteten wir noch einmal. Nun folgte der lange, monotone Abstieg in der prallen Sonne über den Festigletscher. Nun kamen doch endlich die Kopfschmerzen. Ziemlich fertig erreichten wir schließlich die Domhütte, wo wir nocheinmal Halt machten. Sollten wir nun ganz runter nach Randa absteigen oder doch lieber noch eine Nacht auf der Hütte verbringen? Für Letzteres sprach eigentlich unser Erschöpfungszustand. Die Aussicht auf eine warme Dusche und ein vernünftiges Bett obsiegte jedoch, und so machten wir uns auf den langen uns beschwerlichen Abstieg. Zunächst folgte der "Klettersteig" unterhalb der Domhütte. So platt wie wir waren, waren wir hier für jedes Drahtseil dankbar. Wir waren auch schon fast unten - keine hundert Meter mehr über dem Einstieg - da geschah das Unfassbare:

Ich stehe etwas oberhalb einer Querung entlang eines Grasbandes. Unter mir steht unsere Bergführerin und auf dem Grasband steht Theresa. Theresa macht einen Schritt, bleibt mit einem Bein am anderen hängen, schwankt und kippt wie in Zeitlupe um. Ich versuche noch irgendetwas zu schreien, bringe aber nur unverständliches Gebrabbel hervor. Theresa fällt in Richtung Talseite. Dort befindet sich eine Grasböschung, die nach etwa 5 Metern in den Felsen abbricht. Und da gehts noch tief runter. Silvia reagiert sehr schnell und macht einen Hechtsprung. Beide landen auf der Böschung und bleiben - ein Riesenglück - dort auch liegen. Zwei Meter weiter und...
Fünf Meter weiter rechts oder links wäre keine solche Grasböschung gewesen. Was wäre gewesen wenn? Man mag gar nicht darüber nachdenken....

Nachdem beide wieder auf dem Weg stehen, machen wir uns vollkommen paralysiert an die letzten vielleicht 100 Höhenmeter dieses versicherten Steigs. Ängstlich achte ich auf jeden Tritt von mir und von Theresa. Verdammt flattern mir die Nerven. Der Einstieg will und will einfach nicht näher kommen....

Als wir endlich am Einstieg ankamen, suchten wir uns ersteinmal einen Stein zum hinsetzen. Jetzt brach die ganze Anspannnung aus uns heraus. Scheiße, verdammt noch mal, das war knapp! Und das an so einem scheinbar harmlosen versicherten Steiglein. Und an der Stelle war eigentlich nichts Schwieriges. Einfach nur ein ausgesetztes Wegstück. Hätten wir vielleicht doch noch einmal auf der Hütte übernachten sollen? Dann hätten wir den Steig ausgeruhter angehen können. Vielleicht sind das die Lehren, die wir daraus ziehen können:

1. Niemals erschöpft absturzgefährdete Passagen angehen.
2. Immer - auch an scheinbar harmlosen Passagen - voll konzentriert steigen.

Naja, zum Glück ist uns nichts passiert. Der weitere Abstieg verlief dann ohne weitere Zwischenfälle. Völlig erschöpft und geistig seltsam leer erreichten wir dann schließlich unsere Unterkunft in Herbriggen. Freude und der Stolz über diese, für uns denkwürdige Tour auf den Dom stellten sich dann erst nach und nach ein.

Tourengänger: Solanum, Loori


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Kommentare (2)


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83_Stefan hat gesagt:
Gesendet am 28. August 2013 um 15:26
Gratuliere zur schönen Tour und vor allem (!) zum glücklichen Ende! Diese latent ausgesetzten, nicht schwierigen Passagen nach einer langen Tour sind eines der größten Risiken beim Bergsport. Da passiert's dann, weil man nicht mehr damit rechnet... viele Grüße aus den bayerischen Alpen!

johnny68 hat gesagt: Zum Glück hat euch der Kölner Dom nach eurem Missgeschick am Dom wieder!
Gesendet am 28. August 2013 um 18:29
Schöner, spannender Bericht, der gottseidank mit einem Happyend ausging. Ich habe es selbst schon erlebt, dass man am Ende von langen Touren körperlich und geistig Müde ist und sich Fehler einschleichen. Der Berg vergibt Fehler nie. Also bis am Schluss höchste Konzentration!
Gruss und weiterhin gute Touren


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