Benediktenwand (1800 m) - dunkle Nacht über dem weiten Land


Publiziert von 83_Stefan , 25. Juni 2012 um 23:59.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Bayrische Voralpen
Tour Datum:18 Juni 2012
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 1100 m
Abstieg: 1100 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Entweder vom Walchensee über die Mautstraße oder von Lenggries über die St 2072 nach Jachenau. Gebührenpflichtiger Großparkplatz an der Kirche (im Sommer 2 Euro pro Tag).
Kartennummer:Bayerisches Landesamt für Vermessung und Geoinformation - Bad Tölz Lenggries und Umgebung.

Gewaltig stellt sich die Benediktenwand mit ihrer Nordwand dem Oberland entgegen und überragt konkurrenzlos das weite Land südlich von München. Bereits von der bayerischen Landeshauptstadt aus hebt sich ihre Silhouette markant von den anderen Gipfeln des Alpenrands ab - was für ein Berg! Ihre Besteigung ist allerdings nicht schwierig, und so kommt es, wie es kommen muss: an der Benediktenwand ist fast immer Hochbetrieb. Doch bringt man etwas Abenteuerlust mit, kann man den Trubel elegant umgehen und erhält als Belohnung ein ganz besonderes Erlebnis: eine Nacht über dem scheinbar grenzenlosen Oberland. Am Gipfel steht eine Unterstandshütte, die als Quartier für die Nacht dient. Wenn man am späten Nachmittag auf- und am frühen Morgen wieder absteigt, wird man wahrscheinlich keine Menschenseele getroffen haben. Die Benediktenwand ganz für sich alleine zu haben, Sonnenauf- und Sonnenuntergang dort oben genießen zu dürfen und am Gipfel den Sternenhimmel betrachten zu können, das ist ein Erlebnis der Sonderklasse!

Start am Parkplatz in Jachenau. Der Wanderweg führt entlang der Großen Laine ohne Höhengewinn durch den Wald; bald trifft er auf einen breiten Fahrweg, dort rechts weiter. Kurz nach (!) einer Hütte verlässt man den Fahrweg nach rechts auf einem Steig, der wieder nahe an die Große Laine heran führt. Über dem wilden Gewässer geht es kurzweilig dahin, bis der Bach überquert wird und der Steig auf der anderen Seite in einen Fahrweg mündet. Diesem stets am Bachlauf bergauf zur Lainlalm folgen.

An der Alm wird die Schotterstraße nach rechts verlassen. Der gute Steig führt am Glasbach aufwärts und bald rückt der eindrucksvolle Glasbachfall ins Blickfeld. Rechts des großen Wasserfalls leitet der Steig steil den Hang aufwärts, sodass man weiter oben schöne Tiefblicke auf den großen Wasserfall genießen kann. Hoch über dem wilden Gewässer - ein Wasserfall folgt dem anderen - wird die Petereralm erreicht.

Der Steig führt über einen Seitenbach und dann im Wald - vorbei an der Quelle des Glasbachs - hinauf zur Glaswandscharte, wobei er zwei Fahrwege überquert.

In der Scharte geht's nach rechts anfangs recht steil durch Wald den Westrücken der Benediktenwand hinauf. Bald legt sich das Gelände wieder zurück und der Steig von der Tutzinger Hütte kommt herauf. Der Wald weicht den Latschen und durch Latschengassen geht's auf dem Gipfelplateau der Benediktenwand in Richtung des höchsten Punkts. Das große Gipfelkreuz tritt ins Blickfeld und einige Minuten später ist es erreicht.

Am Gipfel gibt es einen sensationellen Rundblick: absolut nichts wagt es, die Aussicht von der Benediktenwand zu verstellen. Das ist auch gut so! Ein paar Meter unterhalb des Gipfels steht die kleine Unterstandshütte, die als Quartier für die Nacht herhält. Jetzt kann man in aller Ruhe Brotzeit machen und auf den Sonnenuntergang warten. Die Sonne taucht hinter den oberbayerischen Seen unter den Horizont, wobei sie mit ihrem kräftigen Rot nicht nur die umliegenden Berggipfel einfärbt, sondern auch die Seen in den unterschiedlichsten Rottönen glänzen lässt. Das sollte man erlebt haben. Wenn man Glück hat, folgt eine sternklare Nacht und ein atemberaubender Sonnenaufgang... gute Nacht!

Nach dem Frühstück geht's nach Süden hinunter: An der Unterstandshütte vorbei führt der Steig durch die Latschen an die Südflanke der Benediktenwand heran. Diese "gefährliche Wegstrecke" erweist sich bald als recht harmlos: Der Steig quert den steilen Hang und leitet in einer breiten, begrasten Rinne auf den Rücken herab, der einen Kessel am Fuß der Wand begrenzt. Auf ihm zur bereits lange sichtbaren Bichleralm.

Dort beginnt der Fahrweg, der hinunter zum Schwarzenbach leitet. Der Weg verlässt das Tal des Schwarzenbachs und leitet über einen Sattel durch dichten Wald hinunter nach Petern. Noch bevor der Ort erreicht wird, verlässt man den Weg scharf rechts ins Tal des Reichenaubachs, durch das ein Forstweg wieder nach Jachenau führt.

Schwierigkeiten:
Wanderung zum Lainbachfall: T1.
Über Westrücken zur Benediktenwand: T2 (kurze steilere Stellen oberhalb des Lainbachfalls und am Westrücken).
Abstieg über Südseite und Bichleralm: T3 (nur der kurze, steile Abschnitt durch die Südflanke, sonst T1).

Fazit:
In dieser Form eine unvergessliche Tour, die mit phantastischen Eindrücken sicherlich nicht geizt. Auf diesem exponierten Berg behindert nichts die Rundschau und deshalb sind Sonnenauf- und Sonnenuntergang dort auch besonders beeindruckend. Die Sicht reicht bei klarem Wetter bis München. Störend ist nur der elend lange Forststraßenhatscher auf der Abstiegsroute; daher insgesamt eine 4*-Tour.

Anmerkungen:
Keinesfalls sollte man sich auf der Benediktenwand von einem Gewitter überraschen lassen. Mich hat nachts ein gewaltiges Unwetter erwischt, das die Luft hat vibrieren lassen. Wenn die Scheiben der Unterstandshütte alleine durch den Donnerschlag wackeln und draußen die Blitze waagrecht vorbeiziehen weiß man, dass man mitten im Gewitter steckt. Auf einem derart abgelegenen Berg ist der Abstieg dann kaum noch möglich. Die Unterstandshütte ist geerdet, allerdings weiß ich nicht, ob ein Blitzeinschlag der Gesundheit nicht doch abträglich wäre, wenn man gerade drinnen ist.

Epilog:
Was für ein gigantischer Sonnenuntergang! Die Sonne zeichnet die Ränder der Wolken im Westen mit kräftigem Rot nach. Zuerst langsam, dann immer schneller versinkt der glühende Ball am Horizont. Die Seen und die Wolken leuchten noch lange nach, bis im Tal die Lichter und am Himmel die Sterne leuchten.
Wetterleuchten. Zuerst im Westen. Weit weg. Vielleicht im Allgäu. Oder sogar in der Schweiz. Dann im Südwesten. Aber weit entfernt. Auch im Nordwesten leuchtet es. Vielleicht im nördlichen Allgäu oder in Schwaben. Jetzt auch im Südosten. Aber die Gewitter sollen sich rasch auflösen.
Mitternacht. Jemand singt Choräle! Tatsächlich! Es rumpelt an der Türe. Ein Mann betritt im Schein der Stirnlampe die Unterstandshütte. Er ist ebenso überrascht wie ich. Michael aus Benediktbeuern stellt sich vor, er wird auch hier übernachten. Rundherum Wetterleuchten, über uns der Sternenhimmel. Gute Nacht!
Es geht los. Blitze erleuchten die Unterstandshütte. Fast ohne Unterbrechung ist es taghell. Die Donner vermischen sich zu einem einzigen, gigantischen Dauergrollen. Regenwände scheinen das Dach der Hütte eindrücken zu wollen. Ob auch Hagel dabei ist? Der Sturm dringt durch alle Ritzen. In den Augen brennt es. Lange schon dauert das Gewitter, dann sind wir mitten im Zentrum. Einzelne Blitze schlagen in der nächsten Umgebung ein. Die Donnerschläge lassen die Scheiben wackeln. Reicht die Erdung, wenn der Blitz die Hütte trifft? Der Verstand sagt: nein. Ich werfe einen Blick nach draußen und öffne die Türe einen Spalt. In diesem Moment zieht in einigen Metern Abstand ein Blitz waagrecht vorbei. Türe zu. Türe auf, Fotoapperat raus. Ich versuche lange, einen Blitz zu fotografieren. Belichtung schwierig. Timing auch. Langsam ist das Schlimmste vorüber, das Gewitter zieht ab. Lange noch erleuchten Blitze das Innere der Hütte taghell und der Donner grollt böse nach. Augen zu.
Der nächste Morgen: Katerstimmung. Wolkenfetzen ziehen über die Berge, die Bergflanken dampfen. Nichts zeugt mehr vom Unwetter der Nacht und am Horizont kündigt sich bereits ein strahlender Tag an. Guten Morgen, auf einen neuen Tag!


Kategorien: Bayerische Voralpen, Mehrtagestour, Biwak, 4*-Tour, 1800er, T3.

Tourengänger: 83_Stefan


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Kommentare (10)


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Bergpoetin hat gesagt:
Gesendet am 26. Juni 2012 um 11:49
Super gemacht! Der Epilog könnte von der Poesie her fast von mir sein ;)

Alles Liebe aus dem Glarnerland

Lorna

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 26. Juni 2012 um 12:22
Danke dir! Schön, dass ihn sogar jemand gelesen hat - ein Epilog ist bei mir aber nur eine Ausnahme (es sei denn, jetzt enden die Touren bei mir immer im Gewitter).
Glarnerland? Soso, in der Schweiz also... dann gutes Wetter und schöne Wanderungen!

sven86 hat gesagt:
Gesendet am 26. Juni 2012 um 11:49
In der Hornbachkette hatte es an dem Abend auch kräftig gewittert, ich konnte es aber in Ruhe vom Balkon aus verfolgen :)
Viele Grüße, Sven

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 26. Juni 2012 um 12:23
Hallo Sven! Vom Balkon aus wäre es mir auch lieber gewesen... obwohl, so im Nachhinein war's ein tolles Erlebnis!

lampbarone hat gesagt:
Gesendet am 26. Juni 2012 um 20:34
Wenn die Hütte einen Blitzableiter hat, ist es drinnen zumindest deutlich weniger gefährlich, als draußen.
Ich frage mich manchmal, warum kein Hersteller Biwaksäcke mit Draht als Faradayschen Käfig baut...

In jedem Glückwunsch zu der tollen Tour und zum Überleben :)

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 26. Juni 2012 um 20:38
Danke dir!
Trotzdem bleibt in so einem Fall ein gewisses ungutes Gefühl; man fühlt sich ja da drinnen doch als Spießbraten.

lampbarone hat gesagt: RE:
Gesendet am 26. Juni 2012 um 20:55
Kann ich gut verstehen, aber im Nachhinein sicher ein "gewaltiges" Naturerlebnis.

Ich frage mich gerade, ob ein Zelt mit Alustangen bereits als Faradayscher Käfig ausreicht (was gegen Glasfiber sprechen würde...). Zumindest sollte der Boden innen dann nicht feucht sein oder eine gut isolierende (dicke und trockene) Isomatte unterm Schlafsack.

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 26. Juni 2012 um 21:00
Wenn ich an die ungeheuren Spannungen denke, bin ich selbst bei der Unterstandshütte bereits skeptisch; das dünne Metall muss die gesamte Energie des Blitzes in Sekundenbruchteilen aufnehmen und vollständig übertragen können, ohne dabei wegzuschmelzen (!).

lampbarone hat gesagt: RE:
Gesendet am 26. Juni 2012 um 21:20
Sofern der Blitzableiter nicht defekt ist, das werden die Physiker schon richtig berechnet haben. Metall hat ja einen geringen Widerstand, also einen geringen Spannungsabfall auf der Strecke und gemäß P=U*I ist die Leistung im Metall glücklicherweise gering. Das Metall nimmt also nur einen Bruchteil der Energie (als Wärme) auf und leitet den größten Teil in die Erde weiter.
Dass man ein mulmiges Gefühl hat, kann ich trotzdem gut verstehen!

lampbarone hat gesagt: RE:
Gesendet am 3. November 2014 um 00:43
Grüße zur Nacht im Mondlicht direkt vom Gipfel :)
Jetzt kann ich mir den Blitzableiter live anschauen und muss sagen, der Draht ist genauso dick oder dünn, wie ich es von vielen Hausdächern auch kenne, das müsste reichen. Nur die Holzbretter sind nicht sehr dicht, es zieht gewaltig. Wird noch ne kalte Nacht...


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